Carl Spitteler
Gedichte
Carl Spitteler

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Das Begräbnis

        Mir war im Traum, sie täten dich begraben,
An einem Sonntag, draußen unterm wald,
Mit Singen und mit Beten. Leisen Trittes
Durch eine Seitenpforte naht ich traurig,
Entblößten Haupts von hinten der Versammlung.

Da stockte plötzlich der Gesang. Erstaunt,
Mit scheuen Blicken starrten sie nach mir.
Die Mesner zischelten. Ein Gärtnerjunge
Schob mir mit dienstbeflißnem Grinsen heimlich
Durch meine Finger einen Kranz von Dornen.
Aber die Menge teilend trat der Pfarrer
Mir feierlich entgegen, schrieb das Kreuz
Auf meine Stirne, hielt die Heilige Schrift
Mir auf die Brust und las mit lauter Stimme:
»Vergib, auf daß man dir vergebe«, las er.
Da regte sichs im Dornenkranz und wuchs
Und quoll wie Blust im Frühling. Rote, samtne,
Großmächtge Königsrosen fraßen wuchernd
Die lichte Luft, den leiderfüllten Kirchhof.
Blieb nichts mehr übrig als ein stilles Antlitz,
Von Schmerz verschönt, die lieben Heimataugen,
Wehmütigen Blicks mich grüßend durch die Rosen.

 


 


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