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Das erste Zwischenspiel

Blick in ein weites Atelier, bunt und wirr. Rechts parallel der Seitenwand (hohe Fenster) eine Estrade, rot mit Tuch ausgeschlagen, auf der in lustiger, hübscher Abwechslung Kinder einzeln und gruppenweis Modell sind. Eine blasse Zwölfjährige, ernsthaft ihr Gesichtchen über die kleine Schwester auf ihrem Schoße geneigt; zwei dicke, kleine Bengel, die halbnackt auf dem Tuch mit Steinchen spielen; zwei Kinder lesend, eines zieht seine Puppe an, ein anderes läßt sie tanzen, zwei Jungen liegen der Länge nach auf dem Bauch und halten sich balgend in den Haaren, die verhüllenden Tücher haben sie beiseite gestampft; ein feingliedrig schmales Kind (Mädchen) an einer Säule (ganz beiseite), greift hinauf, halb gedrehter Rumpf, etwas gezwungene Stellung. Jedoch den Mittelpunkt der ganzen Gruppe bildet ein Knabe, der aufrecht steht, schön und ernsthaft, die Augen glänzend geschwärzt, und er ist pomphaft gekleidet, in römischer Art, wie ein Sieger, den Kranz in den Locken. Ihn zeichnet der Meister der Reihe, ein Alter, langhälsig und beweglich, der erhöht sitzt; rechts und links von ihm die Reihe der übrigen Künstler (vier und ein Schüler), Jüngere und Männer, alle zeichnend und hantierend, hier und da durch Zuruf die Kinder je nach Bedürfnis ermunternd oder beschwichtigend. Es waltet eine rasche Geschäftigkeit. Der Blick in das Atelier ist gleichsam in ein Sechseck, dessen eine Seite die Breite der Bühne ausmacht. Die an die rechte Seitenwand anstoßende Mauer ist durch einen Vorhang verschlossen, die sich anreihende, die also die Hinterwand hergibt, ebenso. Vor der nächsten (die nach links umbiegt) sitzen zeichnend, ganz für sich, zwei Freunde, Knabe und Jüngling. Sie machen auch einander auf ihre Zeichnungen aufmerksam, und der Ältere gibt freundlich Belehrung. In der nächsten, der linken Seitenwand, befindet sich der Eingang. Gipsmasken hängen an den Wänden, und Utensilien sind aufgebaut, aber besonders an dieser linken Seitenwand. Das Atelier ist durch einen weißleinenen Vorhang, der auf beiden Seiten von rechts nach links beweglich ist, mitten in sich zu trennen.

Erster Künstler (bei der Arbeit):

Die Ferse wird mir doch besonders schwer.

(Rückend.)

Nach rechts, Kind! So! Nicht allzusehr!

Zweiter Künstler (auf seine Arbeit):
Mir wird ganz väterlich zumute,
Als sei es Blut von meinem Blute.
Es formt, es wächst, es gründet sich,
Es nimmt Gestalt an, rundet sich;
Bald steht ein allerliebstes Paar
Und bringt Glück seinem Schöpfer dar!

Der Meister (in der Mitte):
Bezüglich »Schöpfer« müßt ihr merken,
Um eure Seele recht zu stärken –
Fürs erste müßt ihr dieses merken:
Wir schaffen unsrem Schöpfer nach,
Sind seiner Schöpfung immer wach.
Dann – um euch völlig zu begeistern –
Wißt, daß wir auch den Meister meistern!
Wir sind, will ich es recht bedenken,
Die Weisen, die den jungen König lenken.
Was ihm im Ungestüm mißlang,
Wir richten's her, er weiß uns Dank. –
– – – Mein alter Husten! Doch nicht minder
Sind wir auch alle seine Kinder.

Der zweite Künstler:
Was uns auch einschärft der Papa,
Wir hören's gern, es geht uns nah.

Der dritte Künstler (mit dem vierten tuschelnd):
Vernimm! wie ich es ausgespürt!
Im ewigen Wechsel von Farbe und Form
Such ich die feste, die dauernde Norm;
Diese gefaßt und diese gespürt,
Leicht wird das andre beherrscht und geführt.
Wechsel und Wallen und Regung und Licht
Stimmt sich von innen her leicht ohne Schaden –

Der vierte Künstler (erwidert);
Dieser Gebärde, des Winks bin ich nicht.
Ach, von dem Innen, da kommt aller Schaden,
Einengen,
Zwängen.
Innen ist nur ein verkapptes Außen.
Laß mir das!
Mit großem Schwung komm ich geflogen,
In großer Linie beigebogen
Luft, Erde, Himmel, Meer.
Von Außen komm ich her,
Mach mir die Welt, die ganze, Untertan;
Innen das scheint profan.
Such ich mein Heil!

Der zweite Künstler (zum vierten):
Na, na, nur nicht so großschnäuzig...!

Der Vierte (mit Bezug):
Hum! hum!

Der Meister (ist von seinem Sitz herabgeklettert, jetzt bei dem Schüler, der zuhinterst sitzt):
Was macht nun unser Schüler? Schau! Ei, ei!
Ganz artig, nur zu wenig frei.
Mußt kräftig tun, dich gegen Zagheit wehren;
Erlaub, mein Sohn, komm, laß dich lehren!
(Sitzt bei ihm und verbessert dessen Zeichnung. Die
Künstler arbeiten fort.)

 

Von links treten auf der Fremde und sein Führer.

Der Führer verkappt, schwarzes loses Gewand. Anders der Fremde, im grauen Mantel mit hohem Kragenaufschlag, ähnlich der Tracht unserer Freiheitskrieger, auch Art und Gestalt wie der Kämpen jener Zeit, tragt das Haupt wie ein König. Dichtgelocktes Haar, und Schnitt des Gesichts männlich fest, voll Empfindung, voll verhaltenen Enthusiasmusses. Bewegungen oft schwerfällig, zerstückt und ohne sich auszuwissen, mindert aber nicht seinen Eindruck, fördert ihn.

Der Führer (mit weitausladender Gebärde):
Ich, Rastloser, Führer dein,
In neues Reich führ ich dich ein.
Dies ist die Kunst, blicke dich um
Und bewundernd werde stumm!
Es gilt, die schöpfungsreiche Welt
Nachzubilden, wie's gefällt.
Klein und groß, bunt und grass; –
Doch nur das Volk beschäftigt das.
Den Trieb, edel angestammt,
Tragen seine Großen entflammt
In ihrem Hoffen, Sehnen, Bangen.
Da wird Geburt, titanisch wild,
Im Felsen das Prometheus-Bild,
Ein übermenschlich Unterfangen!
Über Auen schwimmen Sterne
Nah durch rätselhafte Ferne,
Über Auen grüßen Lichter,
Blaß und grüßende Gesichter –

(abbrechend)

Und dann, um zu den Massen zu kommen,
Wie die Völker sind hergekommen,
Sich ablösten, befehdeten, zum Scheine versöhnten,
Wie groß und klein Klein und Große höhnten,
Unter den Hufen der Rosse im Schlachtgedräng stöhnten; –
Mit wenig Pinselstrichen siehst du,
Jahrhunderte im Bild genießt du.
Aber auch die Einzelnen, Mann und Weib, zwei und zwei,
Herausgehoben aus dem Strömen und Fluten, dem Allerlei; –
Wie das große Schicksal das kleine bestimmt und ins Antlitz gegraben,
Das kannst du haben.
Ergreifend Weh, ergreifend Leid,
Treues Weib, zerrissnes Kleid,
So fremdes Licht auf fremdem Leid,
So stumme Hand, verrätrisch Kleid –
In ergreifendem Strahl, in geheimnisvollem Ringsum,
Tieflüstern im Mysterium,
Kann dein Blick weiden, wie du willst,
Du stillst ihn stets, was du auch willst.
So ist's –.
So schaffen sie aus höherem Wollen,
Als Baum und Strauch und Tag es will,
Sichtbarlich eine höhere Welt,
Die auch nicht vergeht und auch nicht zerfällt.
Nicht zweifelhaft nur in Gerüchten,
Das Auge kann sich in sie flüchten.
Gott ist hier wirklich, Gott ist Leib
In Blum und Farbe, Weib und Leib.

Fremde-Wanderer:
Deine Rede hat zweimal Sinn –
Nach welchem denkst du hin?
Sie gehen den rechten Weg, will ich hoffen:
Ihre Seelen halten sie offen
Und Gott ehren sie stumm
Als unsichtbaren Geist, als Schöpfer des In und Um –
ist es so?

Geist-Führer:
Laß dich zu jenem Vorhang wenden!
Die Zweifel schwinden dir unter den Händen;
Er birgt in sich ein kleines Mirakel,
Schau an!

(Er zieht den Vorhang seitlich rechts zurück. Vor einer hellbeleuchteten Landschaft eine kunstbeschäftigte Familie. Die Mutter, rechts, malt ihr Jüngstes, das in der Landschaft unter Bäumen hinspielt; das nächste Kind, ihr etwa zehnjähriges Töchterchen, sitzt links neben ihr und sieht ihr in die Arbeit. Dann ein Stück weiter nach links ihr Knabe, wieder älter, liegt lang ausgestreckt und blickt unausgesetzt vor sich in die Landschaft, die Ellenbogen aufgestützt und das Gesicht in den Händen. Neben ihm links seine Schwester, einige Jahre älter als er, sitzt halb kniend und übt unbewegliches Starren in den Himmel. Der Vater mitten hinter dieser Gruppe, still für sich mit seiner Landschaft beschäftigt.)

Fremde-Wanderer (nach einer Stille der Betrachtung):
Es ist mir; – wie mir seltsam graut!
Da sitzen sie, von Trau'r betaut,
Mann und Weib, Kind und Mann,
Schauen den Himmel, schauen die Erde an; –
Was wollen sie?

Geist-Führer:
Laß dich belehren!
Auch siehst du's selbst.
Was brauch ich da viel zu erklären!
Sie sind alle in Gottes Schöpfung befangen
Mit großem Hangen und Bangen.
Da die Mutter, will zu neuem Leben
Ihr Kleines auf der Wiese dort heben.
In ihrem Auge glänzt gebannt
Kind und Land,
Den Pinsel rührt sie soeben.
Ihr nächstes Kleine schaut ihr zu.
Sieh die süß kindliche Ruh,
Wie staunt sie an die Herrlichkeit,
Die der Mutter Hand flink bereitet –!
Sie ist ganz im Wunder befangen.

Fremde-Wanderer:
Ja.
Bei diesem Kinde bleib ich hangen,
An dieser stillen Seligkeit,
Den holden Blick holder geweitet:
Der Mensch, wie er ursprünglich war,
Staunen Gottes, doch sichere Nähe.

Geist-Führer:
Nun also. Sieh auch näher zu!
Der Knabe dort, halb Jüngling schon, ihr Sohn,
Nicht ich und nicht du,
So steckt er voller Eigenart.
Ein Muttersöhnchen, doch apart.
Haha!

Fremde-Wanderer:
Du fällst aus der Rolle, deute ihn mir!

Geist-Führer:
Nun, Fremder; – in Vernunft und Wahrhaftigkeit, sieh ihn dir
Einmal an! Wunderhold. Und ergreifend, fast tragisch!
Blick und Wort tief rührend in Blau und Blum eingewühlt,
Die Lippe stammelt, was er fühlt;
Und was sie stammelt, nennt er schön;
Und was er stammelt, weh dir, ist's nicht schön!
Die Kunst treibt hier neuen Sproß,
Er wird Dichtern ein Genoß.

Fremde-Wanderer:
Dein Hohn rührt mich nur tiefer!
Könnt ich ihm helfen!
So einsam verirrt,
Da braucht es vieler Liebe.

Geist-Führer:
Bin ich einmal aus der Rolle gefallen,
Schnell noch ein Sprüchlein für alle aus allen:
Das kommt von der verfluchtigten Mißerziehung,
Und wenn der Eltern jedes für sich sein will!
Was kümmert's mich? Mir macht's Spaß.

Fremde-Wanderer:
Sei nun still!
Schrecklicher Verdammer!
Ein Unglück kommt nicht über Nacht,
Will auch von uns entblößtes Haupt.

Geist-Führer:
Also weiter jetzt, ist es erlaubt.
Du siehst hier eine – himmlische Jungfrau,
Ihr Auge übt entzückte Schau.
Sie hat den Blick in hohe Ferne,
Sie sieht am hellen Tag die Sterne.
Ihr feurig Stürzen, Rasen, Prallen
Ist für die Dirn das rechte Liebeslallen; –
Sie herzt das Wilde, kosmische Fanfare,
Das jäh und jäh Elementare.

(Geste des Übermutes?)

Fremde-Wanderer:
Muß ich so einsam stehen
Mit dem Heile des Verständnisses!
Ruf ich sie, wendet sie sich nicht,
Breit ich die Arme, – unbeweglich. –
Weh mir –!

Geist-Führer (weiter erklärend):
Den Vater sieh an!
Wie er müht, was er nicht kann, –
(Wie kein Mensch recht was Rechtes kann.)
Wie er sitzt –!
Still für sich, schweigsam in sich gezogen,
Das Haupt horchend halb gebogen:
Nach Schönem herz-sehnsüchtige Fahrt!

Fremde-Wanderer:
Ja, der Alte tut es mir an,
Der einsame Mann,
Ergreifend gleichsam aufgebahrt!
Ach, und er spricht für alle!
Schmerzlich Bild, schmerzlich alle!
Ach, und ich fühl nur das tiefste Mitgefühl,
An alle ein Regen, ein Wort, ein Bittgefühl: –

(Arme ausgestreckt.)

Sei's nicht vergeblich! Mög's stille Frucht tragen!
Doch was ich fürchte, muß ich auch sagen:
Wie diese Gotte mißgehandelt,
Ans Starre allen Sinn gehängt,
In sich und nur in sich gedrängt
Das heilig Regsame verwandelt, –
Das ist, ja! sehr schmerzlich.
Kennten sie auch des Baumes Schöpfer,
Der Wiesen Betauer, der Berge Töpfer,
Wär ihnen eher geholfen!
So fürcht ich, sitzen sie lange in Schwermutsanbeten
Der Dinge, die sie als Gott anbeten;
Bis einst die Stunde kommt, da werden sie vernommen,
Heimlich ins Gericht genommen.
In Baum und Bach, in Stern und Wies verwandelt,
Dann rauschen sie, schluchzen sie fern;
Mit ihrem Pfunde schlecht gehandelt,
Entkernt den tiefsten, besten Kern.
Sehnsucht auf Irrwege getrippelt,
Verloren, verworren ins Ding-Wunschland:
Da kommt der Tod und schaurig wird gehippelt,
Vertauscht der Wunsch mit, was ihn band.
Dann ist's zu spät, dann wird zu spät erkannt,
Und Ach und Oh zu ohnmächtigem Gruße
Klingt aus. Folgt Strafe auf dem Fuße!

Geist-Führer (indem er den Vorhang wieder vor die Gruppe zieht):
Laß jetzt das Schwelgen im Verdammungsgenusse!
Ich kenne das, mir liegt's nicht fern.
Schau da die Kindlein an, ein wackeres Völkchen,
Sie und ihre fleißigen Herrn!
Da gibt's kein Tragisches, gibt's kein Bangen,
Da spielen sie, träumen sie unbefangen
Und dienen doch zu hoher Tugend:
Der Menschheit zu der ewigen Jugend –
Auf dem Papier nämlich. Sauber, was?

Fremde-Wanderer:
Auf ersten Blick gefällt mir das.

Die Künstler (rhythmisch in die Hände klatschend, ihre Arbeit haben sie beiseite gelegt):
Wir sind fertig, nun geht, ihr Racker,
Kommt morgen wieder, haltet euch wacker!
Jetzt marsch hinaus! dort zieht euch an!
Nicht zuviel Lärm! nach Hause dann!

Die Kinder (an ihnen herum und hinauf hüpfend und springend):
Wir gehn. Wir gehn. Die Schokolade!
Bitte! Bitte!

Die Künstler (halten die Leckerbissen hoch, locken die Kleinen, lassen sie springen und zappeln):
Hier hab ich was,
Was ist denn das?
Ja springt nur, hüpft nur,
Bettelt nur!
Was ist denn das? Ein schöner Spaß!
Ei, ei, schmeckt süß, ich lob mir das!

Die Kinder (springend):
Bitte, bitte!
Lieber Herr Maler!

Die Künstler (mit Geste):
Die Mäuler auf, die Augen zu!
Nun marsch nach Haus! Laßt uns in Ruh!

(Die Kinder stürmen und überstürzen nach links ab, die Künstler scharen sich alle um den Greis, der vom Getümmel unbewegt nur Augen für seine Arbeit hatte. Der Führer und der Fremde jetzt zwischen den aufgereihten Skizzen, die die Künstler verlassen haben?)

Fremde-Wanderer:
Es kann, es kann mich nicht beglücken!
Nur eng zu Enge, Stück zu Stücken!
Nirgends seh ich Kindes-Wesen glücken.
Ach, wer zeichnet, wer erreicht
Ach! in Bild und ach! in Schein
Den innigen Herrgottsschein,
Der schön um Kindes-Stirne bleicht!?
Unfaßbar, selig-wundersam,
Von Gott das Zeichen lobesam.
Wer kann den Geist vom Kinde fassen,
Den Anhauch der Beseligung?
Im Spiel das halbe Unterlassen?
Die stets und stumme Huldigung?
Ach, dies Stückwerk will mir das Herz zerreißen,
Schöpfers Gedanken so zu zerreißen,
Zu morden, zu verstümmeln förmlich –!

Geist-Führer (auf seine Stirne tippend):
Was forderst du?
Damit laß du die Menschheit in Ruh!
Die können doch Gott nicht begreifen,
Müssen immer ins Bild ausschweifen.
's ist gut so.

Fremde-Wanderer:
Warum gut?

Geist-Führer:
Dreimal gut. Das verstehst du nicht.
Auf Ehr! Ich bin kein solcher Bösewicht,
Wie du wohl denkst. Ich habe auch meine menschlichen Seiten,
Kann manch Sprüchlein mit zubereiten.

(Sie bleiben betrachtend und beobachtend.) (Die Künstler zu Gruppen rechts und links um ihren Meister geschart, der Schönheit des Knaben hingegeben, abwechselnd hin und her):

Links:
Wie ist uns bloß?
Wir kommen von ihm nicht los.

Rechts:
Wir stehen starr, stehen stumm.
Geht unter uns der Teufel um?

Links:
Sein Auge von schwärzlichem Glanz umzogen.

Rechts:
Sein Blick wie Edelstein blitzend und sprühend...

Links:
Brust und Hüfte von Elfenbein, lüstern gebogen.

Rechts:
Fuß und Schenkel Säulen von Marmorstein.

Links:
Das Gleißen und Schillern, Verhalten, die Glätte...

Rechts:
Der Knabe wie glühend!
Ach, wenn ich ihn hätte!

Der Alte:
So ist's recht, ihr seid begeistert,
Nun die Begeisterung bemeistert!
Die Ohren auf, hört meinen Rat:
Aus Ach und Oh zur Künstler-Tat!

Die Künstler (ein jeder rasch an sein Geräte springend und es herbeischleppend; einzeln, zusammen und durcheinander):
Holla! Holla!
Gleich sind wir wieder da!
Hurtig hop! Nur einen Augenblick!
Eins, zwei, drei, sind wir zurück.
Ta-ram, uns siedet doch das Blut!
An die Arbeit! Mut und Blut!

(Eifrig um den Greis, den Knaben zeichnend.)

Im Chor:
Wir werden es wagen und nimmer verzagen,
Und müßten durch Flammen,
Müßten durch Flammen das Götterbild wir tragen!

Fremde-Wanderer:
Das Götterbild? Das Götzenbild!
Wird ihm die Anbetung nicht schaden?
Mir ist Angst, es möcht nicht gut auslaufen,
Ich fürchte die blinde Lust am Haufen.
Sie nennen's: durch Flammen das Götterbild tragen;
Sie treiben die Flamme aus, möcht ich sagen. –
Das ewig Lebendige, dessen sie sich Herr meinen,–
Schufen sie's?
Drum mögen sie's nur herrisch zu versteinen.
Mensch wird zum Bild, Gott wird zum Thon.
Ich fürchte –; da erblaßt er schon!

Geist-Führer:
Welch ein abgeschmackt Bedenken,
Heimlich hämisches Versenken!
Nichts davon! Hirngespinst! Grienen und Greinen!

Fremde-Wanderer:
Nein, nein!! Das Zeichen des All-Einen!
Schweig still!
Er ist barmherzig, er wird ihnen nichts schenken.
– Er stürzt, er stürzt, o Jammer...!

(Sturz des Knaben.)

Geist-Führer:
Ein Hammel, der sich nicht beherrschen kann! –
Doch nun fängst du zu jammern an!

Fremde-Wanderer:
Erbarmungswürdig Blut, strenges Gericht!

Geist-Führer:
Nun also! Recht geraten!

Greis:
O hui! O ach! Erbarmungswerter Fall!
O hui! Brrrr! Welch ein dumpfer Schall!
Hcchcchchch... Die Zähne klappern! –

(Umschlagend.)

Ist doch nicht Zeit zum Plappern!
Denn seht ihr auch die holde Leiche?!
Zurück! Zurück! Ein jeder weiche!
Habt Augen! Seht doch, wie er fiel!
Ihr schwaches Volk! Welch ein Profil!

Chor:
Ach, ach, oh! Oh, ach, ach! Welch ein Sturz, welch Profil!
Weh, weh, weh! Brr, brr, brr! Ohne Trost, ohne Stil!
Mir wird Angst, mir schrumpft's Herz, mir wird kalt, mir wird alt,
Bbbbb. Tot und stumm. Stumm und tot. Bleich und kalt.

Greis (eifrigst zeichnend):
Dummes Volk, daß man euch so anfahren muß!
Wo bleibt bei der Jugend der Enthusiasmus?
Da wird man närrisch, hüpft und springt,
Daß der Tod so etwas in den Wurf bringt!
Solch Leichen-Liebreiz, eh er zum Teufel geht,
Wird im Fieber genossen und ausgespäht!
Solch prachtvolle Blässe, gestrecktes Verwesen,
Seltsam aromatisch, kühl erlesen.
Ah – bei Gott, ich fühle mich hingerissen!
Packt!! greift!! fühlt!!! Ein seltner Leckerbissen!

(Der Chor macht sich an die Arbeit?)

Fremde-Wanderer:
Welch schauderhafter Frevel!
Nacht, deck ihn zu!

Geist-Führer:
Will dir dieses, mein Freund, nicht gefallen;

(auf Knabe und Jüngling deutend)

Hier sind noch zwei Kinder, wir waren noch nicht bei allen, –
Die werden dir sicher gefallen,
Du Tausendsassa im hohen Gefühl.
Sieh sie dir an, versteh und fühl!

Fremde-Wanderer:
Mich ekelt's! Laß!

Geist-Führer (aufwiegelnd):
Sie sind jung und blaß.
Eines immer weltfremder als das andre,
Und wahrlich selten, soweit ich wandre.
Wirkt mein Spruch? Blickst du nun? Sieh dir an! Tu die Augen auf!

Fremde-Wanderer (zögernd):
Noch einmal –

Geist-Führer:
Jawohl. Und dir zur Freude.
Es sind Freunde und wahrlich blutverwandt.

Fremde-Wanderer (beim Knaben):
Die Blätter von kindlicher Hand!
Ja sie ergreifen mich, fassen mich seltsam,
Ja, fassen mich schon ganz und jäh!
Tret ich nur näher, betracht ich sie behutsam, –
Ach, daß ich einzig solches säh!

(Steht über den Knaben gebückt.)

Geist-Führer:
Nun also!

Fremde-Wanderer:
Was es gesehen, sucht es nachzuahmen,
Natürlich, im bescheidnen Rahmen.
Das Nachgeahmte wird geändert
Neu tausendfach!
Durch rege Phantasie gerändert,
Verziert, verschlungen, ein Neues wird geboren, –
Nichts geht verloren.
Und alles voll Freude und Dank im Spiel.
Das Spiel als Deutung,
Das Kind als Ziel!
Das Unbekümmerte als Deutung,
Das Spiel als Dank,
Das Kind als Ziel, –
Als wunderholde Vorbedeutung!

Geist-Führer:
Sieh diesen an!
Und werde noch lobesamer!

Fremde-Wanderer:
Der Jüngling, nicht in Form erstarrt,
Nicht dumm betrogen, bildgenarrt.
Nein, – dieses Kindes reiferer Traum.
Es faßt mich, – nein, ich faß es kaum! –

Geist-Führer:
Du siehst des Jünglings Selbstbildnis,
Er lebt beständig in – hm – heiliger Wildnis.
Es ist danach.

Fremde-Wanderer (staunend):
Gefaltet einfältig in Kraft,
Das Antlitz hoch emporgerafft,
Die Wange seltsam und geblaßt,
Sein Schauen fürchterlich gefaßt –:
Der ganze Mensch gereckt und steil!
Traum und Kampf!
Ringen um seiner Seele Heil.

Geist-Führer (kauernd):
Schaum und Dampf!

Fremde-Wanderer:
Doch hat sich die Träumende
Unbekannt gefunden,
Gleich wird dann die Säumende
Bittrer Not umwunden; –
Doch sie müht und müht hinauf
Sich zu den Gefilden
Und sie zeichnet ihren Lauf
Schweigsam in Gebilden.

(Nach einer Stille.)

Mein Freund, daß ich im Schweigen dir begegne,
Deine Hand fasse und deine Lippe berühre!
Du glaubst an Gott und sagst doch nichts von ihm?
O brich den Bann, und steige nicht weiter einsam
Verworren in Nacht, und wende die schöne Seele
Dem Kniefall zu, und schöpfe aus dem Licht
Lichte, unsagbare.
Gestaltende Gestalten!

(Er steht versunken.)

Chor der Künstler (der bis dahin am Bilde des Toten gezeichnet hat, nun zusammenpackend und abmarschierend):
Wir ziehen ab
Von Lust und Grab;

(auf ihre Zeichenmappen deutend)

Hier ist er sicher beigepackt;
Betrogner Tod, dir abgezwackt!

(Ab.)

Greis-Meister (mit großer Mappe, dem Bilde des Knaben, folgend):
Ich hinterdrein,
Der Greis allein,
Aber noch tüchtig im Sein!
Werde schon meine Jugend leiten
Durch die Widerwärtigkeiten. –
– Was ist eine weiche Leiche?
Doch nicht, daß ich drum erbleiche?
Daß ich noch als Greis dran nasche
Und den Tod beim Laken hasche!

(Ab, dem Chore nach.)

Stimme (herabfallend von oben, dröhnend und barmherzig):
Unseliger! Betrogner um sein Selbst!
Schacher um Tod!
Weh deiner Abgewandtheit!
Gefangen und verdammt!

Chorus (in der Höhe):
Weh!

(Überirdische Musik?)

Geist-Führer:
Ich mache mich davon,
Ich höre Ton um Ton
Widerwärtig.
Hopp!
Heissa!
In steilem Galopp.

(Er rast zurückgeworfenen Hauptes nach links ab.)

(Leise Musik tönt fort.)

Fremde-Wanderer (tritt vor, indem er den Leinen-Vorhang schließt):
Unter den Tönen ich allein.
Mein Herz will weinen, ich weiß mich nicht aus:
Rechts und links stürzt es,
Über mir frohlockt's,
Saite und Bogenstreich!
Werd ich mich zurechte finden?
Ich will mich binden –
Und in der Liebe!

(An der Leiche des Knaben.)

Dieser hier – ernstes Vermächtnis,
Gönn ich ihm liebreich Begräbnis.
Hab ich Schaufel nicht, nicht Eisen,
Grab ich's mit den Händen mein, –
Wird sich schon als gut erweisen,
Wenn auch nur vor Gott allein.

(Er nimmt die Leiche vor sich, liebend auf beide Arme.)

Zwischen Irrsinn, zwischen Wandlung
Hilft die still liebreiche Handlung.

(Musik aufjubelnd, stärker, dann verstummend. Dunkelheit. Wie es hell wird, ist einen Augenblick das Zimmer leer, Peter hat es verlassen. Nur der schlafende Guntwar auf dem Ruhebett. Nun öffnet sich die Tür rechts, und hereintreten Frau Mirjam und Elisabeth, leise, auf den Zehenspitzen. Guntwar richtet sich bei dem Geräusch in die Höhe. Während des Folgenden geht die Sonnenfinsternis vor sich, allmähliche Verringerung des Lichts; wie die Finsternis ihren tiefsten Punkt erreicht hat, sieht man draußen die Berge in einem seltsam blauen Licht, nicht unähnlich dem Lichte einer klaren Vollmondnacht. Lange, düstere Schatten fallen ins Zimmer, die Gegenstände wachsen, die Stimmen klingen ferner. Mit dem kosmischen geht das seelische Erlebnis.)

 

Frau Mirjam. Guntwar. Elisabeth.

Frau Mirjam (tritt ganz herein): Haben wir dich aufgeweckt –

Guntwar: Kommt nur, kommt nur ruhig, ich bin schon vorher wach geworden, einen Augenblick, bevor ihr kamt.

(Frau Mirjam ist an seinem Bett zu Häupten, Elisabeth tritt auch heran.)

Frau Mirjam (sich niederbeugend): Hast du gut geschlafen?

Guntwar: Ich habe geschlafen, gut, und bin erquickt. Doch nun ist es Zeit.

(Ganz verändert in Ton und Ausdruck):

Setze dich zu mir, Mutter, ich habe dir etwas zu sagen!

Frau Mirjam (begreift sofort, holt einen Stuhl, setzt sich): Ja – Ja –

(Elisabeth geht leise beiseite, setzt sich auf die Bank rechts; hat vorher ihr Körbchen mit Handarbeit ergriffen, um sich still zu beschäftigen; läßt die Arbeit aber sehr bald wieder aus den Händen und lauscht Guntwar zu.)

Guntwar:
Denn es ist Zeit, daß ich es dir sage, meine Mutter,
Dir anvertraue und mir Erquicken hole.
Meine Mutter, so nenne ich dich das erste Mal,
So ist es mir aufgetragen, dich zu nennen;
Das sag ich noch – –
Und im Herzen fühl ich, daß der Befehl gerecht ist.

Frau Mirjam:
Guntwar – ein Glück...

Guntwar:
Mutter – ein Traum – –
Wollte, es wäre Traum, doch bricht's lebendiger,
Als je Lebendiges war in mir und um,
In mich herein. Ich will mich fassen, Mutter.
Vernimm's von Anfang!

(Stille.)

Das weißt du wohl, daß ich die Sonne schwang
Mit beiden Händen jubelnd mir ums Haupt –
Und Licht und immer Licht, o meine Mutter!
Ob ich mit Sternen redete, war Licht,
Ob Welten grüßte, die beglückend fern
Weit, weit beglückend fern erschimmerten, war Licht;
Das Licht gab meinem Weg die Leuchte, Mutter!
Du weißt auch mehr. Wenn ich in Winkel sah, wo Kinder
Im Hunger tappten und die Alten blind,
Da sah ich doch das Licht sich siegreich über heben.
Und wo nur eine Krankheit gräßlich war,
Wo nur ein Wahnsinn Zähne fletschte, Fäuste
Hohl und unsinnig gegen Stirnen prallten,
Zerrissen jede menschliche Empfindung: –
Das Licht, das Licht und nur das Licht war Saat!
Doch hör wohl zu! Dies: Sonne-Licht! Dies: Erd-Licht!
Dies: Licht von Sternen seltsam überrieselnd.
Von Mond und allem Himmel.
Andere Welt
Als die stets sichtbare, entzückter Schau
Höchst sichtbar zum Entzücken, andere
Kannte mein Fuß nicht, wie ich wanderte,
Und wanderte geruhig Sterne lang – –

Frau Mirjam (Augen geschlossen, seherisch vor sich):
Guntwar, das weiß ich alles, was du sagst.
Das wußte ich – und weiß, nun kommt das Große –
Mir liegt im Alb die Ahnung eines Wundervollen
Beglückend auf!

Guntwar:
Mutter –! Mutter –!
Was du da sagst –, vielleicht träumst du zu viel –!
O meine Mutter!
Ich weiß von Schmerzen nur und schwerer Qual,
Mein Angesicht ist ganz verhärmt in Ohnmacht;
Denn mächtig ist, was kommt.

Frau Mirjam:
Sehr mächtig, Guntwar.
Sehr gut! Heb an!

Guntwar:
Mutter –!
In die geschlossene
Empfindung, und du weißt es wie geschlossen
Von Welt zu Welt, da bricht herein ein Fremdes,
Bricht ungeheure Ahnung, schweres Wort
Wie Hieb und Wunde, bricht die Flamme des Befehls! –
Nur Ahnung, Ahnung, Mutter, nichts Gewisses!
Doch was es spricht, die Stimme aus dem Strudel
Von Feur und Macht,
Ist nicht von Sternen, Mutter, nicht von Diesseits –
Verfluchte Teilung! – Ich wollte sie nicht!
Ohnmächtiger Mensch! Sie kommt und kommt. Die Stimme
Ergreift das Herz mir wild und weh im Fieber;
So ungeheur barmherzig, daß ich aufschluchzen möcht –!
Die Vaterstimme – ja – die Vaterstimme
Redet Gewalt zum Trotz urväterlich –:

(Stimme-Vision):

(Guntwar spricht unter ihr):

»Ich führte dich bis hierher, sieh die Liebe!
Ich führte dich durch Fährnis wie im Wunder,
Ich führe dich noch weiter als du meinst. –

Ich bin bei dir und neige meine Hand,
Und du sollst zeugen von der väterlichen;
Ich führe dich wie du von Anfang warst.

Ich führe dich auf dieser dunklen Erde,
Ich leite dich aus Lichtem zu dem Wunder,
Ich leite dich aus Wunder zu dem Sohn.«

(Guntwar begräbt sein Antlitz?)

Frau Mirjam (überflogen von Schauern):
Ha, Guntwar! Guntwar! Sel'ger! Auserwählter!
Die Stimme spricht. O aller Traum von mir!

(faßt sich)

Guntwar! –
Weißt du nicht aus, nicht ein, ich kann dir helfen,
Die Mutterhand hilft viel auf wundem Herz
Und Mund. Guntwar!
Ich fasse, daß ich deine Mutter bin.
Guntwar, im Geist.
Und in der Seele, Guntwar.
Da ist ja auch ein Zeugen und Gebären
Noch wundersamer als von Leib zu Leib.
Guntwar!
Die Stimme spricht ursprüngliches Gefühl
Mir aus.

(Stille.)

Was war das wohl, ich mußte dich so lieben!
Du gabest Licht, das liebte ich, ich selbst
War längst nicht mehr in Sonn und Welt verfangen,
Hatte schon tieferen Gruß und tiefere Ahnung
Von Gott. Dem ewig Unsichtbaren. Guntwar,
Du auch. Jetzt siehst du's nicht. Zwischen den Sternen
War deine Wundertat auch unsichtbar.
Drum fand ich nichts von Klüften zwischen uns;
Du wandeltest nur dunkler im Symbol
Trotz allen Lichts, ich hatte hohe Schau,
Soweit mein mütterlich befangen Auge schauen konnte.
Symbolisch warst du
Der Jünger meines Traums, ich nannte dich so,
Das ewige Urbild kommt und nennt dich so.
So ist es auch.
Ungreifbar tief unfaßbare
Verwandtschaften, davon das Herz nur ahnt
In Glückeszuversicht, der Sinn nicht faßt,
Davor das Auge sich in Süchten schließt,
Und innen alles ohne Regung lauscht,
Erfüllen sich. Ich kann nicht reden, Guntwar!
Ich wollt, ich wäre ganz in Licht verwandelt,
Was Geistes ist, und könnte dir nun helfen
Und beistehn bei der schmerzlichen Geburt!

(Hintüber wachsend.)

Geburt ist jetzt. Gott sei dem Anrühren gnädig!

(Die Sonnenfinsternis ist auf dem tiefsten Punkt.)

Guntwar:
O meine Mutter!
Du segnest mich. Mögst du's zum Segen tun!
Ich kann nichts wissen, Mutter. Sieh, ich wehre
mich.
Weil das Jenseitige Unsichtbare Hohn war
Vor mir im Geist, ich lachte drüber. Nun
Redet's mit Stimmen und greift so ans Herz
Und redet gar vom Sohn, du weißt es, Mutter, –
In allem in so wundersamer Regung,
Wie ich sie träumte doch von je und je.
Und aller Sterne-Sang träumte nur dies
Ganz unfaßbare Glück von Licht-Empfindung,
Und alles Sonne-Beten wollte dies.

Frau Mirjam:
Verfangen im Begreifen,
Guntwar, in sichtbarlicher Welt. Durch den,
Der Lehrer deiner Jugend war.

Guntwar:
Durch Zarathustra.
War, meine Mutter, war.

Frau Mirjam:
Doch niemals dein war.
Dein Herz, das träumte stets das Unsichtbare,
Ließ ja die Mutter einst, die leibliche,
Als Stern aufstehn, das war ja Auferstehung,
Im Bild verfangen, ja, im Stern. O Guntwar –

Guntwar:
Halt inne, Mutter, du verwirrst! Halt inne!
Du darfst nicht reden so. Laß mich für mich
Kämpfen den schweren Kampf!

Frau Mirjam:
Ja, kämpfe du! Ja, bleibe du für dich!
Doch ich will beten. Segnen. Bei dir sein.

(Ganz aufgewachsen, hintübergereckt in einem großen Licht.)

Ich will ganz mütterlich
Die Hände auf dich legen, mein Sohn Guntwar.
Und grüße nun mit meinem Licht herüber
Zu dir, dem Sohn; Sohn, daß du völlig wirst
Mit Hilfe des Allmächtigen! O Sohn,
Ich grüße, grüße und ich liebe dich
Und kann nichts tun als grüßen und lieben so –
Dies meine Mutterschaft.

Guntwar (Antlitz verborgen):
O Mutter mein!
Mir ist, als war ich Stern und rollte glühend
Herauf zu dir die steil und selige Bahn.
Und glitte hin nun unter deinen Händen,
Und du schenkst mir ein Licht, das nehm ich auf.
Nachtgrößer, Riesengrößer
Roll ich nun fort, und wieder zeugt die Stimme,
Und bald zerschlägt sie mich und alles Sterntum.
Zerschlägt mein rollendes Gestirn. Geliebtes!
Mutter!
Da segne gut! Ich weiß nicht, was dann wird.

Frau Mirjam:
Wenn alle Hüllen fallen, sausend schießen
In Weltnacht, Guntwar, ja – dann wird es gut.

(Elisabeth hat sich leise erhoben, tritt herzu. Oben war das Geräusch einer Tür hörbar und ein Schritt.)

Elisabeth:
Ich muß leise zwischen euch treten,
Hab wohl verstanden, was eure Seelen flehten;
Doch nun sei es genug mit Beten!
Die Seele wächst, der Leib verdirbt,
Die Flügel werden, der Mensch erstirbt –;
Ihr dürft so lang nicht droben verweilen,

(zu Guntwar)

Dein Leib soll heilen,

(zur Mutter)

Und auch du mußt nicht gar so weit enteilen.
Ich glaub, dein Gatte kommt; du hast gegen ihn
Pflichten,
Darfst ihm nichts vorenthalten, mußt alles entrichten.
Was zwischen euch heilig werden mag,
Du hast Pflichten gegen den Tag,

(zu Guntwar)

Und du noch viel auf der Welt zu sein.
Erinnert euch jetzt! Ihr werdet verstehn,
Eure Liebe wird es sehn.
Meine Liebe zu euch ist so groß,
Sie tut sich ganz in euren Schoß,
Aber sie will für euch sein!
Ich bitte euch –: geht ein!

(Es wird nun heller und heller. Die beiden suchen sich zu
fassen. Die Türe links vorn öffnet sich, Peter kommt
herein, er trägt eine Mappe unter dem Arm und stellt sie
rechts vorn an die Wand.)

Frau Mirjam. Guntwar. Peter. Elisabeth.

Peter: Habt ihr die Sonnenfinsternis gesehn? Schön, was? Ach und diese tiefen, blauen Schatten; ich war oben und sah mir's an. Ein wundervolles Blau. Seltsam, förmlich rätselhaft. Ach, es war wunderschön!

Frau Mirjam: Ja, wir sahen sie auch schön von hier.

Peter: So – (sitzt wieder auf seinem Platz am Tisch, Kurze Stille. Dann zu Guntwar): Nun, hast du gut geschlafen?

Guntwar: Danke, sehr gut.

Peter: Siehst du, ist ja schön.

Frau Mirjam: Es ist Zeit, daß wir den Tee zurecht machen, Elisabeth. Du hilfst mir wieder, nicht wahr?

Elisabeth (nickt, faßt die Hand der Mutter, sagt leise innig): Gern.

Peter: Ach ja, Mirjam, gib bald Tee, ich glaube wohl, es ist Zeit.

Frau Mirjam: In zehn Minuten, Peter.

(Mit Elisabeth linkshin durch die unsichtbare Tür.)

Peter (greift wieder zum Buch, das er vorher las, schlägt es auf, sagt zu Guntwar): Und du hast gut geschlafen, ja –?

(Während die Bühne sich schließt, sieht man, wie Guntwar sich vom Sofa erhebt.)

(Ende des ersten Aufzugs.)


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