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Der erste Aufzug

Schaubild (vom Zuschauer aus): Ein geräumiges Zimmer mit glatten, schlichten Möbeln nach Art und Tüchtigkeit eines Landzimmermannes. Tisch und Stühle in der Mitte, ein einfacher Liegestuhl rechts vorn. Zwei Dritteile der Wand im Hintergrund sind zu einem anstoßenden, schmalen Gemach durchbrochen, das eine Stufe erhöht ist und als Abschluß zwei große, bogige Fenster bietet. Ein länglicher Tisch mit je einem Sessel an seinen beiden Enden vor diesen Fenstern; ein großer, grobleinener Vorhang schließt und öffnet zwischen den Wänden den Blick zu diesem Teil des Zimmers. Der Kamin über Eck zwischen Scheidewand und Seitenwand rechts. In dieser Seitenwand dem Ofen nah eine Tür. Vorne in der linken Seitenwand gleichfalls eine Tür. An derselben Wand ein hohes, massives Büfett und Anrichte. Ein Ruhebett steht verquer zwischen linker Seiten- und Scheidewand. Manch kleine Oelbilder passend hier und dort, meist schlichte, strenge Porträts eines Künstlers aus der Mitte des vorigen Jahrhundert. Einfacher Teppich (grau) unter dem Tisch, ein breiter Rand bleibt freie Diele. Mitten an der Wand rechts noch eine einfach breite Bank. Das Gemach des Hintergrundes hat seine besondere Tür, seitlich links zu denken. Der Rest von einem Feuer glimmt und leckt im Kamin. Durch die Fenster Gebirgszüge in Winterlandschaft. Es ist früh am Nachmittag. Peter im Liegestuhl, mit einer Zeitung; Frau Mirjam links am Tisch, beschäftigt, Bilder, anscheinend Photographieen, durchzusehen und miteinander zu vergleichen.

Peter. Frau Mirjam.

Peter (nach einer Stille): Heute um vier Uhr wird eine totale Sonnenfinsternis sein.

Frau Mirjam: So? – Werden wir sie denn sehen–?

Peter: Ich glaube, ja. Es steht wenigstens in der Zeitung.
(Er steht auf und greift zum Hut.)

Frau Mirjam (legt die Bilder beiseite): Wohin willst du, – Peter –?

Peter: Ich will noch hinüber zu unserem Alten, – es ist, – ich habe noch ein paar Striche nachzutragen an ihm auf dem Bild.

Frau Mirjam: Willst du nicht lieber etwas schlafen, schon wieder arbeiten, Peter? – Du schläfst jetzt die Nächte so schlecht –

Peter: Nein, nein, laß nur, es dauert auch nur ein paar Augenblicke; – (dehnt sich müde) was soll ich schlafen, – laß –

Frau Mirjam: Du schläfst jetzt so wenig –

Peter (achselzuckend): Es geht nicht. –

(Elisabeth tritt zur Tür rechts herein; Peter nickt ihr zu, bedeckt sich mit seinem Hut und geht nach rechts ab.)

Frau Mirjam. Elisabeth.

Frau Mirjam (steht auf und geht auf Elisabeth zu):
Ein neues Kleid – Ah, Elisabeth, – das ist recht, – hast du dich für ihn geschmückt! (Sie hat sie umgefaßt.)

Elisabeth: Vielleicht sieht er es gar nicht.

Frau Mirjam: Ach nein, das wäre zu grausam ... Das ist ja ein grausamer Gedanke –
(Frau Mirjam zieht Elisabeth neben sich auf die Bank rechts. Frau Mirjam sitzt zunächst.)

Frau Mirjam: Und wie du strahlst! Das kleidet dich viel schöner als das neue Kleid, und solche Freudenkleidung übersieht er auch nicht... Nein – (mit ihrer Hand auf der Elisabeths) – Ihr seid nun lange getrennt gewesen...

Elisabeth: Beinah zwei Monat.

Frau Mirjam: Ja, soviel ist es her. Fünf Wochen blieb er erst in der Hauptstadt – und dann am Meer –

Elisabeth: Das kam so unerwartet –

Frau Mirjam: Uns allen, Elisabeth. Und es ist doch so begreiflich. Er hatte genug von der Stadt; wie das Getreibe dort verwirrt und mitnimmt und zuschließt und nichts Rechtes aufkommen läßt, das kann ich ihm so nachfühlen, ich weiß es von mir.

(Sie hat die Hand vor den Augen.)

Elisabeth: Er fühlte sich ans Meer gerufen.

Frau Mirjam: Ja, das hängt tief zusammen. Dieser Ruf, Elisabeth, ist wohl etwas tief Ernstes und Großes. Denn wie er am Meer war, – das lese ich aus seinem Brief, dem einzigen, den er mir in dieser Zeit geschickt hat –

Elisabeth (fällt ihr ein): Mir gab er nur ganz kurze Nachrichten, aber es stand viel darin.

Frau Mirjam: Ja – ja – es ist da etwas vorgegangen. Ich weiß ja, – dieser Ruf zum Meer, – der Befehl – – Es war eben mehr als eine gewöhnliche Sehnsucht. –

Elisabeth: Was, meinst du denn, war es?

Frau Mirjam: Ach, da muß man stille sein. Still abwarten, Elisabeth. Wir müssen abwarten, was er bringt. Licht wird es sein, – die Sonne ist nicht von ihm gegangen. Sonne – und mehr noch. Er ist in starken Händen.

Elisabeth: Was schrieb er dir darüber?

Frau Mirjam: Das meiste las ich zwischen den Zeilen. Denn, weißt du, alles, was er bisher predigte und in sich sah vom Leben und mit sich trug, – das war mir nur wie die Vorbereitung auf etwas Großes, sehr Großes, das einmal kommen sollte. Jetzt ahn ich es im Begriff zu kommen. Ich sehe es.

Elisabeth: Was ist das?

Frau Mirjam: Ich weiß es nicht. Ich warte und ahne still für mich. Und bitte. Er ist in guten Händen.

Elisabeth: Er hatte es schwer, als er fortging. Er nimmt doch alles so groß. Guntwar.

Frau Mirjam (die Hand vor Augen): Das sagst du sehr wahr. Wie ein Stern ist er sich und begegnet Sternen und grüßt die Sterne. Gegen böse Sterne kämpft er an, denn sein Stern ist licht. Er spricht aus Sternen-Wissen. Ich weiß es: das ist viel, das ist nah. Wie er seinen Weg erforscht, und sein Weg geht um die Sonne. Sehr nah, Elisabeth.

Elisabeth: Und jetzt?

Frau Mirjam (wie oben): Ich denke mir, es kommt die Antwort. Hörst du? Das war alles Frage, was er tat, Frage, hinaus ins Alleben. Verstehst du? Jetzt kommt die Antwort. Die Frage war stark, und so wahr, ganz sonnegewiss; – da kommt die Antwort. Da läßt sie nicht warten. Da kommt sie gütig.

Elisabeth: Ja.

Frau Mirjam: Er trug ein Licht. Nie hat er an dem Strahle des Lichts gezweifelt. Er siegte mit aus jeder Nacht. Da kommt die Antwort.

Elisabeth: Ja, Mutter.

(Die Frauen sitzen sinnend. Peter von rechts herein.)

 

Peter. Elisabeth. Frau Mirjam.

Peter (kommt nach vorn): Ich störe nicht, – nein –?

(Er legt seinen Hut ab) macht sich dann beiseite zu schaffen.

Frau Mirjam: Ist es gut gegangen? Hat er denn still gehalten, der Alte? Das fällt ihm nie leicht.

Peter: Ich habe gar nicht gezeichnet, – er schlief, ich wollte ihn da nicht wecken; – mit der alten Mutter von ihm hab ich mich unterhalten.

Frau Mirjam: Hat er geschlafen! Ach, da wird er ganz entsetzt sein, wenn er das nachher erfährt. Das wird er sich tief zu Herzen nehmen.

Peter (am Ofen, legt jetzt neue Scheite auf): Na, Mirjam, er hat sich seinen Schlaf verdient.

(Elisabeth hat lächelnd und bescheiden zugehört?)

(Eine Stille.)

Frau Mirjam: Wird es nun nicht Zeit sein, Elisabeth? Ich glaube, es ist so weit. Nicht? Daß du ihn nur nicht versäumst!

Elisabeth (steht auf): Ist es Zeit?

Peter (sieht nach der Uhr): Ja, der Zug ist gleich da. Du mußt dich beeilen.

Elisabeth: Also dann geh ich. (Reicht Peter die Hand, der schüttelt sie stumm?) Adieu! Es wird ja nicht lange dauern.

Frau Mirjam: Bring ihn uns gut!

(Elisabeth nickt ihr zu und geht nach links ab.)

 

Peter. Frau Mirjam.

Peter: Sie muß sich wirklich beeilen.

(Er setzt sich rechts am Tisch.)

Frau Mirjam (nach einer Stille): Peter, – es ist jetzt wohl gerade Gelegenheit, daß wir einmal uns klar werden, – nicht wahr –?

Peter: Worüber willst du reden? Ach, das laß doch, Mirjam! Laß das lieber sein, ich möchte dir sonst deine Ruhe aufstören und alle Freude verderben. Das laß lieber!

Frau Mirjam: Du störst mich nicht, Peter. Ich hoffe, dich zu beruhigen. Sag, was quält dich hierin, daß du Nacht um Nacht wach liegst?

Peter: Dann will ich es dir sagen. (Eine Stille. Peter sieht unbeweglich vor sich. Langsam beginnend): In unserer Ehe, Mirjam, die Jahre lang, war der Fall noch nie. Und bang ich nicht mit Recht? Vorgestern war noch alles in schönster Ordnung, da kommt ein Telegramm und meldet seine Ankunft, und noch eines meldet die Ankunft seiner Frau. In acht Stunden muß alles getan sein, und in acht Stunden ist diese Frau da, die ich nicht kenne, nie gesehen habe, um Guntwars willen muß ich sie dulden und ihr freund sein. Jetzt kommt er selbst – so plötzlich ungemeldet, denn solch eine Meldung ist ungemeldet, und reißt uns aus unserem Leben ganz heraus. (Frau Mirjam will einwehren, Peter macht ein Zeichen und fährt fort): Ich weiß, daß du ihn liebst, und stets in solchen Fällen hattest du freie Hand, Mirjam, solange wir zusammen gehen. Wie's auch nur recht und billig ist. Aber jetzt kommt dieses, so hereingebrochen förmlich ist noch niemand. Das beunruhigt. Ganz abgesehen von mir, worauf kommt er denn? Sein Brief nennt's einen Befehl, eine Stimme, der er folgen müßte. Was ist das nun? Das ist mir nicht gut, Mirjam. Da sehe ich drin das Zeichen eines großen, selbstsüchtigen Willens, der nur immer sich kennt und sich und sonst niemanden. Was willst du mir auch anderes sagen? Befehl und Stimme, das ist die eigene Herrschsucht, in zweite Person aufgeblasen. Nicht wahr. Was willst du da weiter sagen?

Frau Mirjam: Hör ruhig zu, Peter. Es ist nicht so, wie du meinst. Verhärte dir das Herz nicht gegen Guntwar! Denn früher hast du ihn ja auch geliebt. Und wie! Und sehr, Peter. Hör mich an! Guntwar ist jung, da vollziehen sich die Wandlungen noch nicht langsam wie bei uns Alten, sondern kurz und heftig.

Peter: Was für Wandlungen? Davon schreibt er nichts.

Frau Mirjam: Doch schreibt er davon, man muß es nur zu lesen wissen. Sieh mal, er ist an einer großen Wandlung, an einem ganz entscheidenden Punkt in seinem Leben angekommen, das weiß ich. Das Entscheidende bricht bei ihm rasch, kurz und heftig herein; das wird schon gut sein, und da dürfen wir nicht rügen.

Peter: Davon weiß ich nichts. Ich weiß nur, was ich sehe. Bis jetzt war Guntwar viel unklar und immerfort mit sich selbst im Gedränge und heute so und morgen so. Mehr sehe ich da jetzt auch nicht. Unklarheit und an uns allen herumnörgelnde Herrschsucht. Es ist so, Mirjam.

Frau Mirjam: Es ist nicht so, Peter. Du siehst ganz falsch. Guntwar war unklar, mußte es sein, ja, er war unklar. Aber von vornherein wußte ich: das ist eine Unklarheit, die wird einmal im Ganzen erlöst. Da waren soviel Keime, versteht du, so unzählig viele, die warteten; da sagte ich mir: die Klarheit, die Befruchtung, die kommt hier im Ganzen, auf einmal. Oder so, Peter: Wie die Frucht innen drängt, bis alle Schale plötzlich platzt und abfällt, und nichts mehr ist da, was Schale war, so auch jetzt. Das ist der Punkt, – ich weiß es, ich sehe es; und wir müssen über alles duldsam sein.

Peter: Und was Neues soll diese Frucht bringen?

Frau Mirjam: Ich weiß es nicht. Wir müssen abwarten. Und uns zunächst beiseite stellen. Wir werden sehen.

Peter: Was du da sagst, Mirjam, es ist für sich so schön, aber alles, aber auch alles nur Vermutung. Nichts davon steht in dem Brief.

Frau Mirjam (mit hoher Bedeutung): Du siehst nicht zu, Peter. Du siehst nicht zu. Du siehst nur mit (Zeichen) – den Augen, nun sieh einmal von innen her, – du weißt, – mit dem inneren Licht. Da wirst du sehen, was du sonst nicht siehst. Du weißt!

Peter: Ich sehe, was ich sehe. Mirjam, du gehst entschieden hierin zu weit. Du deutest das an von der göttlichen Schau, das paßt doch hier nicht her – für einen Menschen. – Du –

Frau Mirjam: Gerade! Gerade, Peter!

Peter: Laß mich mal! – Du machst dich mit Willen blind, aus deiner schönen, guten Güte, Mirjam; hüte dich nur hier! Sieh, ich sag's dir so ernst!

(Frau Mirjam blickt bei seinem Ton erstaunt und erschreckt zu ihm.)

Peter: Ich sag's dir so ernst! Das ist hier nichts Rechtes. Da ist Täuschung mit bei. Ich weiß es doch, ich sehe unbefangen. Du nicht, du Gute. Sieh, und dann habe ich diese Ahnung, die alte, die stets zutrifft; aber so stark wie dieses Mal, so stark hab ich sie noch nie gespürt. Achte die auch, Mirjam!

Frau Mirjam: Die Ahnung hast du?

Peter: Und wie! Ein schreckliches Gefühl! Schon lange geht es. Es läßt mich nicht schlafen. Wie soll das werden! Beherrscht er uns jetzt schon so, wie soll das werden! Wollen wir uns so eigensüchtig beherrschen lassen, wie soll das werden!

Frau Mirjam: Peter!

Peter: Ich habe die Vorempfindung. Wie niemals vorher. Ich sage dir, tu die Augen auf! Ich bitte dich heiß und flehend, Mirjam! Du kennst mich doch, du hörst mich doch. Ich bitte, siehst du.

(Frau Mirjam sieht scheu zu ihm.)

Peter: Laß dich doch warnen, Mirjam! Sei nur etwas vorsichtig, dann kann noch alles werden. Nur etwas vorsichtig, etwas die Augen auf! Nur nicht blind hinein, Mirjam, so blind, wie du dich jetzt machst. Solche Blindheit stürzt uns alle ins Verderben –

Frau Mirjam (stockend): Peter, du siehst nicht recht.

Peter (stark): Ich fühle es wanken, Mirjam! Es wankt an Grund und Boden. Was wir mühsam gebaut haben, wankt unter uns. Niemals wankte es bisher. Nein, – es kamen schwere Zeiten, aber doch niemals. Kommt der Sturz, wir werden alle mitgerissen. Mitbegraben. Es liegt an dir.

(Frau Mirjam schweigt wie gelähmt. Große Stille. Das Geräusch einer Türe im unteren Stockwerk. Stille.)

Peter (leise, eindringlich): Sie kommen jetzt, Mirjam, du hörtest es wohl nicht – (Frau Mirjam fährt aus ihren Gedanken auf wie eine Nachtwandlerin und sieht ihn an.) Sie kommen, fasse dich! Aber behalte ja, was ich dir sagte!

(Guntwar mit Elisabeth von links vorn.)

 

Frau Mirjam. Peter. Guntwar. Elisabeth.

(Frau Mirjam steht schnell auf, verwandelt sich ganz und umfängt Guntwar rasch und heftig. Sie küssen sich die Lippen.)

Guntwar (von ihr sich losmachend, reicht Peter die Hand): Guten Tag! Guten Tag!

(Peter schüttelt stumm die Hand und sagt leise die Begrüßung. Er ist aufgestanden. Nun setzt er sich wieder.)

Frau Mirjam (bei Guntwar): Aber sage, bist du sehr müde? Guntwar! Die weite Reise, sie hat dich gewiß angegriffen!? Willst du etwas zu essen?

Guntwar: Ich habe vorhin schon zu Mittag gegessen. Danke dir!

Frau Mirjam: So, das ist gut. – (Umarmt Elisabeth.) Sieh nur Elisabeth an, wie sie strahlt!

Guntwar (zu Elisabeth): Bist du nun zufrieden, wie du mich hast?

Elisabeth (lächelt zu ihm auf, leise): Bist du sehr müde?

(Guntwar schüttelt den Kopf.)

Peter (von seinem Sitz aus zu Guntwar): Du bist gestern Abend aus der Hafenstadt abgefahren. Eine gute Verbindung, nicht?

Guntwar: Ja.

Peter: Wann bist du von deinem Ort da oben – an der See, wann bist du da abgefahren? – Auch gestern?

Guntwar: Gestern früh –

Peter: So – so – ich dachte mir's.

(Die hohe und zarte Gestalt der Frau Mirjam bringt den Lehnstuhl getragen und setzt ihn zu Guntwar.)

Guntwar (stark abwehrend): Laß das! Laß das doch! Ich bitte dich, das darfst du nicht tun.

Frau Mirjam: Darf ich nicht –

Peter: Aber setz dich doch, bitte! – Du wirst gewiß müde sein.

(Guntwar setzt sich links am Tisch auf einen Stuhl, Frau Mirjam neben ihn auf einen Stuhl, Elisabeth steht schräg hinter Guntwar.)

(Eine große Stille.)

Peter: Hast du dich draußen schon umgesehen? Die Berge hier, – 's ist schön hier, nicht wahr?

Guntwar: Eine wundervolle Natur.

Peter: Ich lieb sie sehr. Sie ist mir sehr sympathisch. Grade, weil sie so abschließt, – wirklich sehr schön. –

Guntwar: Das Meer hast du nicht lieber –?

Peter: Ach doch, – doch, – es ist nun wieder anders. Man braucht ja das eine nicht gleich um des anderen willen hintanzusetzen. Doch liebe ich das Meer. Natürlich.

Frau Mirjam (ihre Hand auf der Guntwars): Ist es nicht wohl das Beste, Guntwar, du ruhst jetzt ein wenig? Das viele Sprechen – du bist gewiß schon durch die vielen Eindrücke ganz verwirrt. Du legst dich jetzt da auf das Sofa, und wir anderen gehen und lassen dich allein, – du ruhst und schläfst vielleicht etwas?

Guntwar: Ach ja, das täte ich doch sehr gern, etwas ruhen. Wenn ihr nicht böse seid, daß ich euch im Stich lasse –

Frau Mirjam: Wir lassen dich ja im Stich. Komm nur!

(Sie erhebt sich.)

Elisabeth (indem Guntwar aufsteht): Ja, ruhe nur ein wenig!

(Guntwar geht zum Ruhebett und legt sich nieder, wehrt dankend den Bemühungen der Frauen. Frau Mirjam umfaßt seine Füße, hebt sie, schlägt die Decke darum und bettet ihn so. Guntwar wehrt wie unter Scham und Qual. Peter sieht alles und sitzt unbeweglich.)

Frau Mirjam (während Elisabeth noch am Kissen rückt): So, nun gehen wir also und lassen dich allein. Schlaf nur recht gut! Wenn's Zeit ist, wecken wir dich schon.

(Sie wendet sich mit Elisabeth, da sagt Peter):

Peter.: Ja, Mirjam, ich darf wohl hier sitzen bleiben. Ich verhalte mich ganz stille, – will gewiß nicht stören; – wirklich, es wird erlaubt sein –

Guntwar: Aber gewiß bleibst du sitzen! Bleib ja hier!

Frau Mirjam: Natürlich, Peter, wie du willst. Elisabeth und ich gehen nach oben. Du hilfst mir wieder ein bißchen, Elisabeth.

(Elisabeth nickt. Frau Mirjam wendet sich noch und nickt Guntwar zu. Dann gehen sie beide linkshin über die Stufen durch die unsichtbare Tür.)

 

Peter. Guntwar.

(Peter hat ein Buch ergriffen, das auf dem Tisch lag, und blättert darin. Ab und zu schneidet er eine Seite auf, mit dem Brieföffner, der auf dem Buch bereit lag.)

(Eine große Stille.)

Peter: Ich habe hier ein Buch – wirklich ausgezeichnet. Man findet viel darin. Es ist über die Form.

Guntwar (fast wie träumend): Über die Form?

Peter: Ja. Kennst du's vielleicht? Es steht für einen Künstler Ausgezeichnetes darin. Wie doch nur die Form für ihn Geltung hat und nur die Form. Ohne die wäre es ja nicht mehr Kunst. Es ist so viel Formloses heute eingerissen, da ist das Buch ein Trost. Die Form –

Guntwar: Die Form – heißt es die Form –?

Peter: Über die Form. Wirklich ausgezeichnet.

(Stille. – Die Bühne verdunkelt sich allmählich. Wie es wieder hell, wird, sieht man folgendes Bild):


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