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Vorspiel

Zwischen Himmel und Erde. Dunkelheit. Im düsterroten Licht des Hintergrundes die runde Erde; der Geist des Bösen, über ihr kauernd.

Geist (geflügelt):

Sausende Flügel eilig umgeschwungen,
Und Fraß auf Fraß zu mitternächtiger Stunde,
Zu Tappen und zu Naschen gleich bequem.

(Indem er mit den Klauen ringsum die Erde begreift):

Es fühlt sich schön, es fühlt sich völlige Hingebung
Mir, geistig mir; das Menschenpack ist mein Geschlecht,
Das Gottes Erde jetzt weithin bevölkernde.
Von Golde pralle Beutel schütteln sich,
Finger Millionen haschen nach dem Strom
Von rotem Golde, Herzen werden mein.
Hoffart und Sinnenlust geht gleich in Schwang,
Des Goldes klar verstohlene Ausgeburt,
Und plumper Anhauch trübt die Sinne der Geister.
Von mir, von mir wollüstig ausgeboren,
Verdrehen sie den angestammten Sinn:
Zu herrschen wird der Knabe früh schon willig,
Die Kleinsten, die sich hoffärtig gebärden!
Demut, Verleugnung, Opfermut und Liebe,
Das schöne Paar der vier wird gänzlich brennend
In Herrschertum und scheel-neidsüchtigem Blick.
Und mit der Freude schwindet hin der Eifer
Des tiefren Lebens, wie es Jener wollte,
Den meine Lippe jetzt haßkräftig nennt.
Genug!
Zerronnen sie sich selbst, sich selbst abhanden,
In meine Arme tief betört gesunken,
Lösen sich auf in Schwarm von Einzel-Teilen:
Der Mensch wird ihnen ein Atom-Geschwür
Von willenloser Handlung, gänzlich nichtig.
Am eignen Fleisch lebendige Verwesung,
Schaffen sie mir unausgesetzt in Flucht der rinnenden
Stunden der Nacht die höchst willkommene Nahrung.
Ich koste, schmecke, werfe geistig aus
Dem niedren, hintren Mund
Zur Hölle hin, was ich geschmeckt, gekostet.
Sie finden's wieder, sie begrüßen sich
Dort neu in Teilen, kamen erst sie selbst.

 

Die großen Städte sind der üppige Boden,
Der wuchernde, der mir zur Nahrung geschäftig.
Dort Hirn um Hirn, maßlos in Zahlen steigend,
Hohn und grotesk vor Gott,
Bietet sich dar dem spitz und lüsternen Schnabel
Mein, der in Phosphor sich, in Trübung senkt,
Dem Schnabel mein, der, geistig, nur den Geist will, –
Der blaue Fäulnis, wie sie wuchernde Gedanken,
Die schillernde, erzeugen,
Den schwarz und roten Brand im Hirn von Lästersucht
Gott wider und von bös entbrannter Liebe,
Fäulnis und roten Brand begierig hinnimmt,
Aussaugend allzumal, was teuflisch Blasen wirft
Und Faules wirkt im Menschenhirn.
Ein Pilzgericht, von mir wollüstig erkannt,
Verkehrtheit, die genäschig meinem Schmacke schmeichelt;
Nur immer zu, nur zu, eh noch die Nacht verrinnt!
So Fraß auf Fraß... Ein Lichtstrahl dringt von oben!?

(Es geschieht?)

Ich kenne das: einschläfernd, höchlichst widerwärtig;
Doch Schlummer überkommt mich, kann nichts tun.
Ist es der satte Nachhall überstandenen Mahles?
Ist es gewollt von droben?
Ei! Eh ei!
Mein Schlaf ist Wollust, kann sie nicht bescheiden
So unachtsam; ich folge willig ihr.

(Er schläft ein.)

Stimme im Strahl:
Wer aus der Liebe ist, der kommt zu mir!

(Stille.)

O ihr Kinder!
Kinder mein!
Wo auch immer ihr euch müht
In Verderben, Not und Pein,
Liebend bricht der Strahl herein,
Liebend der, der für euch glüht,
Wendet sich, euch zu erlösen –!

(Das Licht verbreitet sich. Der Himmel füllt sich mit Engelscharen.)

Die Engel alle:
Wer aus der Liebe ist, der kommt zu ihm!

(Stille. Sie schweben.)

Obere Engel (die tieferen ermahnend):
Legt Hand an!
Seid geschäftig!
Euer stetes Rühren,
Segnen, Benedeien
Löse das Entzweien,
Hindre das Verführen!
Und zu vielem Blick und Wort
Hin der Liebe, dem Vergeben,
Hin dem Heiland, hin dem Leben
Richtet auf!

(Es schweben vier Engel herbei, die ein verhülltes Gut tragen.)

Chor der vier Engel:
Schweigend laßt hier eine Gasse
Heiligem Mysterium,
Neigend jeden Schauer fasse,
Geht es eng unter euch um; –
Denn wir tragen diese Seele,
Welche zur Geburt ersehn,
Tiefer Schuld und bittrer Fehle
Tragen wir sie hüllend zu.
Wißt ihr auch warum?
Gott weiß wohl darum.
Spart nicht euren Segen!
Daß in unserer seligen Mitten
Rein geläutert, Gottes näher,
Blinder, inniger, zarter, näher
Wieder sie kommt eingeschritten.

Hohe Engelsstimme (herabtönend von oben):
Im Endlichen durchdringend,
Zeitliches hindurch bezwingend,
Laßt diese Seele erst zu mir!
Daß ich ihr ein Feuer hauche,
Einen weißen Brand als Pfand
Gottes stets beglückender Nähe.
Daß sie selber herzlich glühe,
Glühend angefachter werde,
Herz und Lippe überwallend,
Dankbar tief innig betört
Zu der ein und einigen Predigt.
Laßt sie her!

Chor der Heerscharen (der Himmel ist hoch voll Licht):
Doch wir wollen allerorten
Hilfreich wecken, predigen, lehren
Und in manche stille Stunde
Werfen manches stille Korn,
Daß es Frucht vielfältig trage.
Stürmend bringt himmlische Saat!

(Wechsel des Lichtes. Licht nur um die Erde, die jetzt wagrecht ruht; vier Engel an ihren vier Ecken, Satanas zur Seite, eingeschlafen.)

Die vier Engel:
Ist das große Werk getan,
Die vollendete Geburt:
Zwischen Knospen, zwischen Drängen
Ein Gewirke ewiglich; –
Stehen wir noch hier bewachend,
Gottes liebentbrannte Helfer
Bei der heilsam neuen Tat.

Satanas (erwacht):
Überrumpelung! Das Paar dieser Vier
Dicht hingetreten zu widrigem Geschäfte,
Mir schlafend hin! Daß ich mich räche, sorg ich!
Diener und Geister mein, herbei! herbei!
Nun kommt gefahren scharenweis in Haufen
Und packt die Erde mit verstohlenem Griff!
Mit Feuer, Toben, Poltern, Donnern, Schnaufen!

(Unterirdisches Erdgetöse. Rotglühendes Licht dringt von unten herein.)

Ja rüttelt, schüttelt, zerrt und schaukelt frisch,
Laßt Dampf aufsteigen, zischend und zerstörend;
Auch zögre du mit deiner Ankunft nicht,
Bösester Mensch! Die umgetriebenen Flüge,
Die ewig qualvollen in gleicher Bahn,
Drehe hierher, mit schmerzlichem Vergiften
Brutwarmem mir! die Luft ringsum verpestend!

(Gepolter, Getöse.)

Frisch, Volk, frisch! Stärker gerüttelt!
Klötze löst und Felsen rollt,
Erde um und um geschüttelt,
Dampfend, siedend fortgetollt!

(Dampf steigt auf, Feuer zuckt.)

Können wir ihnen nichts haben,
Wütend unser Widerstand!

(Er erhebt sich und schlägt die großen Flügel.)

Fliegt, enteilet, steckt in Brand
Alles auf herzböser Fahrt!

(Donner. Die Hinterwand klafft. Satanas verschwindet durch sie. Das Feuer erlischt mählich, das Poltern läßt nach. Die vier Engel an den Ecken der Erde strecken ihre Schwerter in Ruhe zueinander. Sogleich erhellt sich auch der obere Himmel. Engelscharen, pyramidisch in drei Kreisen abwärts ziehend, verkünden):

Unterer Kreis (der größte):
Halb-Chor:
Was ihr nicht begreift,
Kehrt es nur empor;
Was ihr nicht begreift,
Kehrt zur Ahnung euch,
Wenn es uns gefällt,
Wenn es uns gelingt,
Euch in stiller Nacht,
Mitleidsvoll zu rühren.

Zweiter Halb-Chor:
Darum aufgeschaut!
Was ihr nicht begreift,
Ist im Heils-Wort euch
Rührend dargeboten.
Rührt es euch nur recht,
Seid ihr gut, seid schlecht,
Geht ihr durch die Pforten.

Gesamt-Chor:
Wenn ihr Kinder seid
Dessen, der euch schuf,
Gut von Anbeginn
Menschlichem Beruf:
Läutrung brennt euch klar,
Läutrung brennt euch weiß;
Bis ihr endlich kommt
Vor Sein Angesicht,
Des, der alles weiß.

Mittlerer Kreis:
Herztiefe Läutrung, heilsamster Pfad,
Seht, wir begleiten sie, mittlerer Kreis.
Krummes wird wieder gerad,
Schwarzes wird weiß...

Unterer Kreis:
Wer begriff das Böse je,
Kinder, unter euch?
Ach, wenn er das Böse säh,
Schreckliches Bereich,
Wenn er wüßte, was es ist,
Wenn er wüßte, was es will,
Nimmer froh
Käm er so
Wieder heim ins Reich,
Würde wieder still.

Oberer Kreis (der kleinste):
Seht, wir Kinder selig klar,
Wir erlösten oben,
Bieten selbst der heiligen Schar
Fingerzeig von droben.
Denn ach! ganz unwissend tief
Gänzlich Gott-erblindet,
Alles, was unschuldig schlief,
Gänzlich Gott-gekehret,
Hat er uns belehret,
Daß uns Torheit tiefer griff,
Unser Kindtum göttlich sei.

Alle:
Stimmt nun alle ihr
Den Lobgesang an!
Scharen hier neigen sich,
Schließen sich an;
Füllten wir unser All,
Taten wir, was Er tat,
Trägt uns der Wolke Schall,
Ewiger Freude Hall
Seligen Pfad!

(Kuß und Jubel.)


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