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Die Verfolgung der Flugzeuge

Der Chef der Kriminalpolizei war mit seinem gesamten Stabe persönlich erschienen. Er hatte den Tresor nach irgendwelchen Spuren eingehend untersucht und befand sich jetzt im Keller vor der Bassinmauer.

Nach den Feststellungen schien es außer Zweifel, daß die Einbrecher durch die Rabitzwand des Klosetts eingedrungen waren. Wie sie aber auf den Hof der Bank gelangten, ließ sich nicht ermitteln, denn das Haupteingangstor in der Behrenstraße war am Dienstagmorgen korrekt verschlossen, und daß ein Dietrich benutzt worden sein könnte, hatte bei der komplizierten Konstruktion des Schlosses wenig Wahrscheinlichkeit.

Über die Entleerung des Bassins zerbrachen sich die Kriminalisten und Beamten der Bank vergebens den Kopf. Zwar wurde mühelos ermittelt, daß aus der Mauer ein Stein herausgenommen und die Betonschicht in einer Weite von zwei Zoll angebohrt war. Aus dieser Öffnung mußte das Wasser ausgelaufen sein, aber merkwürdigerweise zeigte der Fußboden des Kellers nicht die geringsten Anzeichen einer Überschwemmung. Eine solche hätte sich auch äußerlich kenntlich gemacht, denn das Wasser hätte nur den einen Abfluß durch die Fugen und Ritzen der geschlossenen Kellerfenster gehabt und wäre auf die Straße geflossen, was vorübergehende Passanten natürlich alarmiert haben würde.

Diese Annahme wurde aber von vornherein für ganz unwahrscheinlich gehalten, weil der Abfluß des Wassers durch die Fensterritzen sehr lange Zeit beansprucht hätte und vor allem, weil das Wasser bis zur Höhe der Fensterbrüstung überhaupt nicht hätte abfließen können.

Das Geheimnis war also durch Ermittlungen am Tatort nicht zu enträtseln.

Die Kriminalpolizei hielt es auch nicht für wichtig, sich jetzt müßigen Kombinationen hinzugeben, vielmehr schien es ihr dringend notwendig, jede Minute zu nützen, um nach den Verbrechern und dem Verbleib des Geldes zu fahnden.

Es war sofort festzustellen, daß etwa drei Millionen Mark bares Geld und über zwei Millionen Mark Wertpapiere den verwegenen Einbrechern in die Hände gefallen waren. Im Besitze solcher Summen öffnete sich den Flüchtlingen jeder Weg, sie konnten sich die teuersten Beförderungsmittel leisten, Beamte bestechen oder in einer entlegenen Gegend Grundbesitz erwerben und für einige Jahre untertauchen.

In Anbetracht dieser Umstände war die Behörde sich ihrer schwierigen Aufgabe wohl bewußt, und es wurde gleich mit Hochdruck gearbeitet, um den Verbrechern, falls sie noch im Lande wären, die Flucht ins Ausland zu versperren.

In ihren Bemühungen wurde die Polizei besonders durch die Presse unterstützt, die spaltenlange Berichte über die sensationelle Tat brachte und die Nummern und Serien der Wertpapiere veröffentlichte. Die gesamte Handelswelt Groß-Berlins hatte ein lebhaftes Interesse an der Ergreifung der tollkühnen Einbrecher. Es wurden Versammlungen über die derzeitige Unsicherheit der großstädtischen Betriebe abgehalten, und verschiedene Handelskonzerne setzten besondere Belohnungen für die Ergreifung der Flüchtlinge aus. Die Bank selbst versprach zehn Prozent von der Wiederbeschaffung des Geldes und eine Kopfprämie von 20 000 Mark.

Die Kriminalpolizei nahm an, daß der Einbruch am ersten Osterfeiertage ausgeführt worden sei. In diesem Falle hätten die Verbrecher allerdings einen Vorsprung von mindestens vierundzwanzig Stunden und es wäre immerhin möglich, daß sie mit der Eisenbahn nach Holland, Dänemark oder Tschechien entkommen sein könnten. Nach dem Bekanntwerden des Bankraubes hätte sie aber das Umwechseln größerer Geldsummen in deutscher Valuta verdächtig gemacht. Ferner war zu berücksichtigen, daß die Grenzkontrolle auf den Bahnhöfen nach Kapitalfluchtverdächtigen fahndete und Millionen sich nicht verbergen ließen.

Für jeden Kriminalisten war es klar, daß nur die erfahrensten und geschicktesten Geldschrankknacker, denen alle Errungenschaften der Technik zur Verfügung standen, die gewaltige Stahlkammer überwältigt haben konnten. Es lag auch ein Verdacht gegen die Maurer vor, die das Bassin des Tresors herstellten, den Einbrechern Vorschub geleistet zu haben.

Die vier Arbeiter wurden sehr bald ermittelt und von ihrer Arbeitsstätte weg nach dem Polizeipräsidium gebracht.

Die Vernehmung hatte insofern ein günstiges Ergebnis, als die Maurer einstimmig bekundeten, daß ein gutgekleideter Herr, der Berliner Mundart sprach, sich an sie herangemacht und sie auch im Keller bei der Arbeit besucht hätte. Der Hauswart der Bank bestätigte diese Angaben. Es war demnach kein Zweifel mehr, daß diese Persönlichkeit direkt oder indirekt an dem Verbrechen teilgenommen hatte. Auch die Beschreibung des fremden Mannes stimmte bei allen fünf Zeugen überein. Und als ihnen das Verbrecheralbum vorgelegt wurde, erkannten sie in einem Zuchthäusler und Geldschrankknacker Wilhelm Rabenitz, den aufdringlichen Fremden wieder – Käse-Willem. Das Bild wurde sofort vervielfältigt, um noch am selben Abend an die Grenzbehörden und an die ausländischen Polizeidirektionen versandt zu werden. Außerdem wurde ein Rundtelegramm mit der genauen Beschreibung des gefährlichen Verbrechers erlassen. Das Berliner Polizeipräsidium ist mit allen Polizeirevieren Groß-Berlins telegraphisch und telephonisch verbunden. Die telegraphische Anlage ist so eingerichtet, daß eine einzige Meldung zu gleicher Zeit bei allen Revieren eintrifft.

Die Schnelligkeit des Nachrichtendienstes hat sich in diesem Falle vorzüglich bewährt. Knapp eine Stunde nach dem Rundtelegramm, gegen elf Uhr vormittags, traf eine telephonische Meldung aus Niederschöneweide ein, wonach der einzige auf dem Flugplatz Johannisthal vorhandene, erst am Ostersonntag von einem Postflug zurückgekehrte Doppeldecker gestohlen oder »verschoben« worden sei. Der als Mittäter verdächtige Platzwächter habe bekundet, daß vier Männer vor einer halben Stunde mit der Maschine in südwestlicher Richtung davongeflogen seien und daß auf einen der Passagiere die Beschreibung des Wilhelm Rabenitz zutreffe. Der Wächter sei in Haft genommen worden, weil man bei ihm 10 000 Mark in neuen Kassenscheinen vorgefunden habe.

Sofort entfaltete die Kriminalpolizei eine rührige Tätigkeit. Vier Beamte des Flugdienstes wurden in einem Kraftwagen unverzüglich nach Niederschöneweide entsandt mit dem Auftrag, die Meldung nachzuprüfen und gegebenen Falles mit einem der in einem besonderen Schuppen des Flugplatzes untergebrachten polizeilichen Doppeldecker zu starten und die Verfolgung der Flüchtlinge, die an dem Einbruch zweifellos beteiligt waren, aufzunehmen.

Bei der neuerlichen Vernehmung bestätigte der verhaftete Wächter den telephonisch gemeldeten Vorgang und ergänzte seine Angaben noch dadurch, daß er auch eine Beschreibung des Flugzeugführers und der anderen Passagiere gab. Wegen des bei ihm gefundenen Geldes in die Enge getrieben, gestand er schließlich, von einem der Mitfahrer, einem etwas beleibten Herrn mit rötlichem Gesicht und nach oben gedrehtem blonden Schnurrbart, ein Paket mit Banknoten bekommen zu haben, damit er »eine Viertelstunde frische Luft schnappe«. Er habe sich dann entfernt und sei erst wieder auf den Platz gekommen, als das Flugzeug über seinem Kopfe davongeflogen sei.

Diese behördlichen Maschinen, die im wesentlichen Verfolgungszwecken dienen, sind besonders stark gebaut und der Eigenart der Verwendung entsprechend ausgerüstet. Es finden sich in ihnen: Waffen, Ferngläser, photographische Apparate, Fesseln, Karten, Verbandszeug, Medikamente usw. Von außergewöhnlicher Größe ist auch der Benzintank, um Zwischenlandungen zu vermeiden. Die Motore, die den großen Kampffliegern entnommen sind, haben eine hohe Tourenzahl und sind den üblichen Flugzeugen sowohl in der Betriebssicherheit wie auch namentlich in der Schnelligkeit weit überlegen.

In zehn Minuten war der Doppeldecker zur Abfahrt bereit. Ein kurzes Anfahren und die Maschine hob sich leise schaukelnd in die Höhe, beschrieb einen weiten Bogen und flog in südwestlicher Richtung surrend und knatternd davon, um in wenigen Sekunden dem Auge zu entschwinden.

Der Himmel war klar, denn die nahe Mittagssonne hatte die Frühjahrsnebel bereits zerteilt. Im weiten Umkreise war mit Ausnahme ängstlich flatternder Vögel nichts zu entdecken.

Das Flugzeug schraubte sich immer mehr in die Höhe, um auf diese Weise den Ausblick zu erweitern.

Tief unten, wie Spielzeuggebilde, zogen Städte, Dörfer, Wälder und Wiesen vorüber. Ab und zu hüllten Wolkenballen den Apparat ein und versperrten die Aussicht. Dann tauchten wieder, mit Sonnenglanz überschüttet, Täler und glitzernde Flüsse auf, die sich wie Adern der Erde schlängelten. Oder ein Schnellzug kroch wie eine kleine schwarze Raupe dahin.

Eine Stunde mochte schon der Doppeldecker mit aller Kraft durch die Lüfte gezogen sein, als die Beamten mit ihren Ferngläsern am Horizont einen dunklen Punkt wahrnahmen, der nichts anderes als ein Flugzeug darstellen konnte. Auf die verdächtige Stelle wurde scharf zugesteuert. Und da die Entfernung sich merklich verringerte, konnte bald festgestellt werden, daß außer dem Führer noch drei Passagiere vorhanden waren. Der Verdacht wurde jetzt zur Gewißheit und es galt, das Ziel nicht aus den Augen zu lassen.

Eine Prüfung der Karte ergab, daß die Schweizer Grenze in der Nähe war, und der Zeitmesser stellte fest, daß der Doppeldecker bereits unentwegt fünf Stunden in grader Kiellinie hinter dem verfolgten Flugzeug lag.

Die Entfernung verringerte sich zwar, aber nur mäßig. Entweder war den Flüchtlingen die Luftströmung besonders günstig oder sie hatten die Verfolger hinter sich entdeckt und bemühten sich, nun unter Verwendung der höchsten Betriebskraft zu entkommen.

In der sechsten Stunde kam der Doppeldecker rasch heran, was ein Beweis dafür war, daß den Verfolgten entweder der Betriebsstoff auszugehen drohte oder daß sie Landungsabsichten hatten. Die Schweizer Grenze mußte ohnehin ganz nahe oder bereits überschritten sein.

 

Nachdem die anfängliche Unbehaglichkeit in dem Verkehrsmittel überwunden war, denn Willem und Karl als Neulinge des Luftsports hatten in der ersten Stunde peinliche Anwandlungen von Seekrankheit, richteten sich die Verbrecher in dem knappen Raum, der ihnen zur Verfügung stand, häuslich ein. Sie hingen ihre schätzebergenden Rucksäcke an die Versteifungen des Flugzeugs und begannen gegen Mittag den reichlich eingekauften Proviant zu verzehren, wobei eine mitgeführte Kiste voll Rotwein und Kognak die wichtigste Rolle spielte. Die leeren Flaschen wurden dann jedesmal mit einem Witz und lautem Hallo in die Tiefe geschleudert.

In dieser gehobenen Stimmung bemerkte der Herr Major, als er sich nach einem vorbeigeflogenen Vogel umblickte, daß in der Ferne ein Flugzeug aufgetaucht sei, das sich mit großer Schnelligkeit in derselben Richtung fortbewegte. Zuerst legte er dieser Erscheinung keinerlei Bedeutung bei, denn er glaubte, daß es sich um eine Flugpost handle. Als die Entfernung aber immer geringer wurde und es ganz außer Zweifel war, daß der große Doppeldecker das eigene Fahrzeug verfolgte, sagte er lakonisch: »Meine Herren, wir sind nicht mehr allein die Beherrscher der Lüfte. Hinter uns segelt ein Artgenosse, der ein lebhaftes Interesse bekundet, uns näher zu kommen. Ich glaube, wir werden verfolgt!«

In dem Lärm des Propellers verstanden die beiden Verbrecher zuerst nicht, was der Major sprach, sie hielten ihre Ohren dicht an seinen Mund und er schrie den Satz noch einmal. Jetzt wendeten sie die Köpfe mit einem Ruck nach hinten, und als sie sich überzeugt hatten, daß der Doppeldecker auf sie zusteuerte, stießen sie den Soldatenrat auf seinem Führersitz an und machten ihn durch Gebärden auf die drohende Gefahr aufmerksam.

Der Soldatenrat, der sonst über wenig männliche Entschlossenheit verfügte, war hier, wo es galt, das Heil in der Flucht zu suchen, in seinem richtigen Element. Kaum hatte er erkannt, daß nur die Schnelligkeit ihn retten könnte, denn das Schicksal seiner Mitfahrer war ihm höchst gleichgültig, da stellte er das Steuerruder auf geradeaus und zog ohne Rücksicht auf Benzin und Maschine mit rasender Geschwindigkeit ab.

Als die Schweizer Grenze in Sicht war, beschlossen die Verbrecher möglichst bald zu landen, in der Hoffnung, durch ein schnell erspähtes Versteck sich der weiteren Verfolgung zu entziehen.

Da eine mündliche Verständigung in der Luft nicht möglich war, schrieb Käse-Willem seinen Dispositionsplan auf einen Zettel, den er dem Soldatenrat überreichte. Dieser verminderte jetzt die Schnelligkeit und schaltete das Tiefsteuer ein, um allmählich niederzusteigen und einen geeigneten Landungsplatz ausfindig zu machen.

Das Flugzeug befand sich etwa fünfzehn Kilometer südlich von Lörrach und der Doppeldecker war so nahe herangekommen, daß er seine Absicht bekannt geben konnte.

Mit dumpfem Knall löste sich ein Schuß, die Kugel pfiff an den Köpfen der Verbrecher vorbei und durchschlug eine Tragfläche des Flugzeugs. Das war das Signal, sich dem Verfolger gegenüber zu verteidigen. Käse-Willem und Karl holten ihre Brownings hervor und füllten die Taschen mit Munition. Eine Schießerei in der Luft schien ihnen wenig zweckmäßig, weil sie dadurch nur die Aufmerksamkeit der Bevölkerung erregt hätten, vielmehr wollten sie jetzt den Doppeldecker zu einer Landung auf einsamer Wiese zwingen und die Verfolger in regelrechtem Kampfe überwältigen.

Die erste Disposition wurde umgeworfen und Käse-Willem überreichte dem Soldatenrat wieder einen Zettel mit dem neuen Befehl.

Dicht bei der Stadt Basel befindet sich ein großer Rasenplatz inmitten einer bewaldeten Gebirgslandschaft. Diese Stelle hielt der Flugzeugführer den Umständen nach für sehr geeignet. Er stoppte den Motor und landete ohne Schwierigkeiten im Gleitflug.

Kein lebendes Wesen war in der Nähe, die Natur lag im tiefsten Frieden. Nur in der Luft surrte es und vom blauen Himmel hob sich im gelblichgrauen Schimmer der Doppeldecker ab, der den Verbrechern hart auf den Fersen gefolgt war und sich nun in sanftem Gleiten wie ein Riesenvogel auf die Erde niederließ.

Willem und Karl waren sofort nach der Landung aus dem Flugzeug gesprungen, obwohl sie ihre Glieder kaum rühren konnten, und legten sich hinter der Maschine schußbereit auf den Boden.

Der Soldatenrat blieb sitzen und raunte dem Major etwas ins Ohr, was dieser lächelnd bejahte.

Inzwischen hatten die Beamten in einer Entfernung von etwa hundert Metern nach glatter Landung ihren Apparat verlassen und riefen den Verbrechern zu:

»Hier Berliner Polizei, Hände hoch. Ergebt euch oder wir machen von unseren Waffen Gebrauch!«

Statt jeder Antwort eröffneten die Verbrecher ein regelrechtes Schnellfeuer auf die Beamten, die rasch hinter einem Gebüsch Deckung fanden.

Der Beginn des Kampfes veranlaßte den Soldatenrat, seinen mit dem Major vorhin besprochenen Plan sofort zur Ausführung zu bringen. Er ließ den Motor wieder an, warf einen Rucksack auf die Erde und sauste mit seinem Passagier davon, bevor die beiden Verbrecher noch recht zur Besinnung gekommen waren.

Die Situation war eine peinliche. Willem und Karl durften sich jetzt nicht einmal erheben, wollten sie nicht den gegnerischen Kugeln ein willkommenes Ziel bieten. Ohnehin war die Verteidigung schon erschwert, weil die deckende Maschine Reißaus genommen hatte. Und der Rucksack, der nun das gemeinschaftliche Vermögen barg, lag zwar in seiner ganzen Behäbigkeit auf dem Rasen, aber für die Verbrecher nicht erreichbar.

Willem und Karl bissen die Zähne zusammen und stießen die schrecklichsten Flüche hervor. Wenn es in ihrer Macht gelegen hätte, den Soldatenrat und den Major, die sich vor ihren Augen in Sicherheit wiegten, aus den Lüften herunterzuholen, würden sie beide Verräter jämmerlich massakriert haben. Die Rache mußte einer unsicheren Zukunft vorbehalten bleiben, denn jetzt galt es, sich der eigenen Haut zu erwehren, und die Kugeln der Polizisten rissen bereits dicht in der Nähe den Boden auf und spritzten ihnen Sand und Gras ins Gesicht.

Der Kampf war ein ungleicher. Hier zwei mit der Waffe ungeübte Männer, die mit dem Mute der Verzweiflung ihr Leben aufs Spiel setzten, dort vier im Felde erprobte Schützen, die in ausreichender Deckung mit der größten Ruhe ihre Geschosse gegen ein sichtbares Ziel schleuderten.

Der Ausgang des Gefechts konnte daher nicht zweifelhaft sein. Schon bluteten die beiden Verbrecher aus mehreren Wunden und die Kräfte begannen zu erlahmen, aber ein stählerner Trotz und die namenlose Angst vor dem Schicksal, das ihnen bevorstand, verhinderten sie, den Widerstand aufzugeben. Da drehte sich Karl mit einem leisen Schrei plötzlich auf den Rücken und starrte leblos mit halbgeschlossenen Augen ins Leere.

Willem hielt seinen Spießgesellen für tot. Er fluchte, lud seinen Browning von neuem und schoß wie ein Besessener in das Gebüsch hinein, hinter dem die Polizisten sich verbargen, aber seine Hand zitterte bedenklich und die Kugeln gingen fehl.

Und er lud immer wieder und schoß und fluchte und schüttelte sich, wie ein verwunderter Löwe, wenn eine Kugel ihn streifte und seine Kleidung durchbohrte. Kleine Blutlachen bedeckten das saftige Grün des Bodens und dicke blutrote Tropfen, vermischt mit dem Angstschweiß, rieselten von Stirn und Händen. Sein Gesicht hatte nicht mehr die Blässe, die ihm den Spitznamen verlieh, sondern einen Stich ins Graue, Fahle die Leichenfarbe der Todesfurcht. Seine Augen suchten und zielten nicht mehr, sein Blick war irre und verglast und die Beine schlotterten und kratzten die Erde.

Endlich nahte auch sein Verhängnis. Eine Kugel durchschlug das Schlüsselbein und verletzte die Lunge. Ein dicker Blutstrom quoll aus seinem Munde, dann legte er sich auf die Seite und der rauchende Browning entfiel seiner Hand.

Als die Beamten nach einiger Zeit wahrnahmen, daß die Verbrecher nicht mehr schossen und regungslos auf dem Boden lagen, näherten sie sich den beiden und erkannten, daß sie zwar schwere Verwundungen davongetragen hatten, aber noch lebten.

Trotz des langen Kampfes war keine Menschenseele herangekommen, es blieb daher nichts anderes übrig, als die anscheinend leblosen Körper, so gut es eben ging, in den Doppeldecker zu verladen, nochmals aufzusteigen und an einer belebteren Stelle vor der Stadt Basel zu landen, wo Fuhrwerk beschafft werden konnte. Der Rucksack, der noch einige hunderttausend Mark enthielt, wurde beschlagnahmt.

Eine halbe Stunde später lieferten die drei Berliner Kriminalbeamten die bewußtlosen Verbrecher in das Baseler Krankenhaus als Polizeigefangene ein. Bei der zweiten Landung war soviel Volk zusammengelaufen, daß ein Wagen bald herbeigeholt werden konnte.

Der zurückgelassene Beamte und Flugzeugführer blieb solange auf freiem Felde, bis die Erlaubnis erwirkt war, die Maschine in einem benachbarten Militärschuppen unterzubringen.

Die Gefangennahme der Millionenräuber wurde sofort telegraphisch nach Berlin gemeldet, von wo am nächsten Tage die Weisung eintraf, den dortigen deutschen Konsul zu ersuchen, die Auslieferungsverhandlungen einzuleiten und der Baseler Polizei die Überwachung der Gefangenen zu überlassen, nach Erledigung aller Formalitäten aber auf dem Luftwege wieder zurückzukehren.


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