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Eine verwegene Gesellschaft

In einer der Seitenstraßen der Friedrichstraße befindet sich ein geräumiger Keller, der wegen der Genüsse, die dort geboten werden, eine treffende Bezeichnung hat.

Es ist schwer zu sagen, welche Kategorie von Menschen sich in diesen gastlichen Räumen zusammenfindet. Wer im Vorübergehen die Treppe hinabsteigt, um einen Imbiß zu sich zu nehmen, wundert sich zwar über die Fülle der Gäste und über die Summen, die dort verpraßt werden, aber der Uneingeweihte ahnt nicht, daß unter dem bunten Gewimmel der verschiedenartigsten Gestalten und Typen sich die gefährlichsten Menschen bewegen, die in den verborgensten Winkeln der Großstadt gezüchtet werden.

Die Kleidung macht alle Menschen gleich, und wer einen tadellos sitzenden Anzug trägt, gilt bei seinen Mitmenschen im allgemeinen als einwandfrei. Und tadellos angezogen sind alle Leute, die in dieser Kneipe verkehren, denn es ist wohl selten einer unter ihnen, der nicht über reichliche Geldmittel verfügt. So setzen sich die Gäste aus harmlosen Passanten, Fremden, Schiebern, Dirnen und Verbrechern zusammen. Das typische Großstadtbild unserer entarteten Zeit, die alles Vornehme in den Hintergrund drängt und die Ausbeuter des chaotischen Weltstadtgetriebes dafür umso greller an der Oberfläche glänzen läßt.

Dem geübten Auge entgehen aber auch hier die gefährlichen Feinde der menschlichen Gesellschaft nicht, trotz des dichten und bunten Gewühls der Gäste, das sie verbergen soll.

An einem runden Tisch in einer Ecke sitzt eine hagere Gestalt mit blassem, bartlosem Gesicht und kurz geschnittenen blonden Haaren. Seine tiefliegenden Augen schweifen unstet umher, als ob sie etwas suchen. Seine Kleidung ist unauffällig elegant. Nichts in seiner Erscheinung verrät, daß dieser Mann viele Jahre seines Lebens in Zuchthäusern verbracht hat. Nur die merkwürdige Blässe des Gesichts drückt ihm den Stempel der Vergangenheit auf und ist zugleich die Ursache des Spitznamens, mit dem ihn seine Kreise gewohnheitsgemäß belegt haben: Käse-Willem.

Wer sich der Freundschaft dieses Verbrechers erfreut, fragt nicht nach seiner Herkunft. Niemand weiß, wo seine Wiege gestanden, noch wer seine Eltern waren. Daß er auf Berliner Boden gewachsen, läßt seine Mundart vermuten. Eines Tages stand er mitten unter seinen Artgenossen. Er dachte und gab sich wie diese. Das genügte. Im übrigen fanden sich die Kumpane ganz instinktiv, wie sich auch in der Tierwelt Art zu Art gesellt. So bildete sich ein Trio, das über hohe Intelligenz und schrankenlose Entschlossenheit verfügte, dafür aber Kleinigkeiten verschmähte und die gewagtesten Unternehmungen gerade noch für gut genug und »standesgemäß« hielt.

Einer der Spießgesellen saß neben dem Verbrecher, der sonst im Verkehr nur Willy gerufen wurde.

Dieses zweite Mitglied des Trios hieß Karl und wurde wegen seiner Haarfarbe der schwarze Karl genannt. Vielleicht hat auch das dunkle Gesicht, das an einen Zigeuner erinnerte, zu dieser Bezeichnung beigetragen.

Karl hatte seine Arme auf die Tischplatte gestützt, die Hände in den wirren Haaren vergraben. Der kurzgeschnittene Schnurrbart verlieh dem Gesicht etwas Jugendliches, aber die gerunzelte Stirn und die buschigen Augenbrauen ließen keinen günstigen Eindruck aufkommen, namentlich, wenn die großen schwarzen Augen sichtbar wurden. Sein Blick hatte etwas Unheimliches, Tödliches. Trotz der schmächtigen Gestalt fürchtete man sich unwillkürlich, mit diesem Menschen allein zu sein.

Während dunkle Augen sonst etwas Glühendes, Leidenschaftliches haben und erwärmend, hinreißend und oft bestrickend wirken, waren die schwarzen Augen dieses Verbrechers zu harter Kohle erstarrt. Hart wie ein Diamant. Man fühlte, daß dieser Härte nichts wiederstehen konnte. Gleich seinem Genossen hatte er viele Jahre im Zuchthaus verbracht, aber die Strafe war spurlos an ihm vorübergegangen.

Vor ihm lag ein kleines Stückchen Papier, auf dem sich einige Linien, Punkte und Kreuze befanden, die einem ungeschickt hingeworfenen Grundriß ähnlich waren. Offenbar grübelte er über die Ausführung eines schwierigen Unternehmens.

Der schwarze Karl entstammte einer vor Jahren eingewanderten ungarischen Familie. Der Vater soll Pferdehändler gewesen und nach Amerika geflüchtet sein. Was aus der zurückgebliebenen Mutter und den Geschwistern wurde, weiß niemand. Karl wurde von fremden Leuten erzogen und wahrscheinlich schon früh auf die Bahn des Verbrechens gebracht. Da er eine Zeitlang für eine Berliner Seifenfabrik als Stadtreisender tätig war, bis er wegen Unterschlagung eingesperrt wurde, nennt er sich Kaufmann von Beruf.

»Die Bräute« der beiden Verbrecher waren natürlich auch dabei: Lucy und Irma. Die erstere gehörte dem Käse-Willem, die zweite dem schwarzen Karl.

Lucy, ein niedliches, braunhaariges Geschöpf, mit einem kecken Stumpfnäschen, mochte dreiundzwanzig Jahre zählen. Sie war sehr lebhaft, fröhlich und unterhaltend und schien besserer Abstammung zu sein. Sorglosigkeit und Leichtsinn gaben ihrem Wesen das Gepräge völliger Charakterlosigkeit, und wahrscheinlich hatte sie dieser Eigenschaft die moralische Versumpfung zu verdanken, die sie den Verbrechern in die Arme warf.

Irma, die den Beinamen »die Kesse« führte, war gerade das Gegenteil. Blond und vierschrötig, mit einer länglichen spitzen Nase, wortkarg und zurückhaltend, machte sie einen weniger sympathischen Eindruck. Sie schien auch älter als Lucy zu sein und hatte offenbar eine bewegte Vergangenheit hinter sich, die in ihrem Charakter als Rückstand des Lebensdrucks Groll und Haß, Gift und Galle hinterließ. Der geringste äußere Anlaß, ein unpassendes Wort, eine scherzhafte Anrempelung oder nur eine schlechte Laune verwandelte die schweigsame Blonde in eine Furie, deren Frechheit und Roheit keinen männlichen Partner fand. – Daher der Beiname. Ihr fehlte jede physische Hemmung. Wenngleich sie in der Wut den Eindruck einer Hysterischen machte, so war es doch offenbar, daß die ungezügelte Brutalität ihres Wesens nur in einer schlechten Erziehung wurzelte, was den Schluß zuließ, daß sie niedrigster Abstammung war.

Ihr Geliebter, der schwarze Karl, hat an diese unzarte Weiblichkeit mehr als einmal glauben müssen, wenn die Hände der Kessen sich in einem Anfall von Raserei in seinen Haaren festkrallten. Dafür gab es dann zwar eine gehörige Tracht Prügel, aber das tat der Liebe, die in diesen Kreisen ganz anders bewertet wird, keinen Abbruch. Man versöhnt sich leicht, wenn die Gefahr besteht, daß der eine Teil als Mitwisser der Schandtaten des anderen Teils nicht seinen Mund halten könnte. Und nach dieser Richtung hin hatte das Liebespärchen allen Grund, ausgerissene Haare und Ohrfeigen zu verschmerzen; denn Karl war ein Verbrecher im Großen, Irma eine Diebin im Kleinen, die auf den Männerfang ausging und ihre Opfer bestahl und erpreßte.

Daß auch Lucy aus dem Dirnentum hervorgegangen, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Ihre Tätigkeit bestand jetzt zwar im wesentlichen darin, ihren »Mann« nach vollbrachten Verbrechen zu »decken« und den Raub zu verbergen oder beiseite zu bringen. Nebenberuflich aber verschmähte sie auch andere Männer nicht, um sich heimlich Taschengeld für besondere Zwecke zu beschaffen. Ihr Willy hatte anderes zu tun, als sich über die Treue seiner »Braut« den Kopf zu zerbrechen.

Die beiden Mädchen ergötzten sich an einer süßen Speise als Dessert nach einem leckeren Abendessen. Die Teller standen noch in einem wüsten Durcheinander auf dem Tisch, denn der Kellner hatte im Drange der Geschäfte und bei der Fülle der Gäste noch keine Zeit zum Abräumen gefunden. Verschiedene Weinflaschen waren geleert, auch Schnapsgläser standen herum. Man übersah sofort, daß eine erhebliche Zeche in Betracht kam.

Irma löffelte bedächtig und schweigsam an ihrer Speise, während die lebhafte Lucy eifrig auf sie einsprach.

Da kam plötzlich eine gewisse Bewegung in die Gruppe. Willy hatte sich erhoben und winkte hastig und unter Zurufen einem Gaste zu, der soeben eingetreten war und langsam vorwärtsschreitend nach allen Seiten Umschau hielt. Karl und die beiden Mädchen blickten ebenfalls auf und wendeten die Köpfe, um den herangerufenen Besucher zu erspähen. Dieser war aber, als er Willys Signale bemerkte, mit einigen großen Schritten an den Tisch herangekommen, und die freudige Begrüßung der Gruppe ließ erkennen, daß der neue Tischgenosse zu den intimsten Freunden der Gesellschaft gehörte.

»'n Abend, Franz!« sagte Willy freundlich, indem er ihm die Hand drückte, »komm und setz der man in unsere Mitte!«

»'n Abend, Willy und Karl, 'n Abend, Mächens!« erwiderte Franz ebenso freundlich und reichte allen die Hand, »ihr habt ja ordentlich jefuttert, Kinder, det kann ick mir nich leisten, euer Jeschäft blieht!«

»Na, laß man jut sin, Franz!« gab Willy ironisch zurück und drückte den Freund und Spießgesellen, der der Dritte im Bunde war, etwas unsanft auf den Platz zwischen ihm und Karl, »bald biste Millionär und fragst: wat kost' Berlin!«

Der Tischgenosse griff schweigend nach einer Weinflasche und schenkte sich den Rest ein.

Willy markierte den liebenswürdigen Gastgeber. »Aber Menschenskind«, rief er etwas stürmisch, »du wirst doch hier keene Negen saufen!« Und zu dem vorüberhuschenden Kellner: »Ober, noch zwee Pullen und ne halbe Flasche Konjak und sechs Ziehjarrn zu fünf Mark!«

Als der Kellner die Getränke brachte, klopfte der Verbrecher seinem Kumpan auf die Schulter und raunte ihm gewichtig ins Ohr: »Trink man, Franzelken und rooch der 'n Ziehjarrn an, damit de Laune kriejst. Ick sag der bloß, 's jibt 'ne jroße Sache, 'n Millionending. Und denn sind wer fertich for immer. Franze halt de Ohren steif, det is wat for dein Talent, so wat kann keen anderer drehn, wie du, icke und Karl. Aber pst! den Mund halten, weeßt doch, wat for 'n Jesindel sich hier rumtreibt. Ick hab allens fein ausbaldowert, die Sache ist fertich und rutscht tadellos. Karle studiert schon den janzen Nachmittag, wie wer's machen, aber du weeßt ja, ick bin 'n Mann der Tat und keen jrauer Teeretiker. Menschenskind, fünf Millionen! Aber nu sauf man erst, prost!«

Als der Inhalt der Gläser hinuntergespült war – die Mädchen tranken natürlich ebenso wie die Männer – raunte Willy seinem Spießgesellen wie zur Ermunterung nochmals ins Ohr: »Fünf Millionen, vastehste?!« Neben dem Wein kreiste die Kognakflasche, und die Augen des Dritten im Bunde feuchteten sich bereits, was ein Zeichen dafür war, daß dieser Verbrecher, der den Spitznamen Schlosser-Franz hatte, über die nötige innere Wärme verfügte.

Eine Erscheinung, wie dieser Franz, ist in der Verbrecherwelt selten. Er war ein ausgezeichneter Familienvater und lebte in glücklichster Ehe. An seinen Kindern hing er mit fast weiblicher Zärtlichkeit. Sein treuherziges Gesicht mit den hellblauen Augen und dem struppigen blonden Schnurrbart sowie die Einfachheit seiner Kleidung und die Natürlichkeit seines Wesens ließen in ihm eher einen biederen Handwerker als einen schweren Verbrecher vermuten. Bescheiden in seiner Lebensführung, bis – alle Monat etwa eine merkwürdige Leidenschaft ihn packte. Er wußte, daß diese zweite Natur in ihm seinen Untergang besiegelte, er kämpfte hart gegen das Verhängnis, aber er unterlag immer wieder. Um seine Familie nicht darben zu lassen, lieferte er seinen ganzen Verdienst ab, auch den Erlös aus der Beute seiner Verbrechen, sofern er den Dämon in sich gesättigt hatte. So kam es, daß die Familie einerseits recht wohlhabend geworden war, der Ernährer aber andererseits immer von neuem auf Raub ausgehen mußte.

Die Leidenschaft des Schlossers bestand in einer plötzlich auftauchenden Trunk- und Vergeudungssucht, die aber zwei Wochen vorher besondere Merkmale zeitigte. Er wurde schlaff, die Hände begannen zu zittern und eine so heftige Unruhe erfaßte ihn, namentlich des Abends, daß es ihm unmöglich war, im Hause zu bleiben. Er wußte wohl, um was es sich handelte, und um im kritischen Augenblick über die Summen zu verfügen, die er seinem Dämon zum Opfer bringen mußte, suchte er die Kaschemmen und Kneipen auf, wo sich Gelegenheit bot, ein Ding zu drehen oder ein Hehlergeschäft zu machen.

Auf solchen Wanderungen lernte er Käse-Willem und den schwarzen Karl kennen und verband sich mit ihnen im Laufe der Zeit zu gemeinsamen Taten. Der Unterschied zwischen Franz und den beiden anderen bestand nur darin, daß diese lediglich vom Verbrechen lebten, während er nur ein Gelegenheits- und periodischer Verbrecher war.

Die gewiegten Komplizen des Schlosser-Franz hatten dessen Eigenart bald gewittert. Sie wußten, wann er »etwas brauchte« und richteten ihre schwierigsten Unternehmen so ein, daß Franz mitmachen mußte.

Der sonst so gemütliche und harmlose Schlosser war während seiner dämonischen Periode nicht wiederzuerkennen. Mit einer Selbstverständlichkeit, die erstaunlich war, räumte er alle Hindernisse aus dem Wege. Sein Geist wurde erfinderisch, Mut und Kraft steigerten sich zu tierischer Wildheit, kaltblütig ließ er sich zu den gefährlichsten Unternehmungen verleiten und hielt standhaft aus, wenn ein unerwartetes Ereignis den Verbrechern gefährlich zu werden drohte. In solchen Fällen überwand er mit einer verblüffenden Geistesgegenwart und einem fast übermenschlichen Scharfsinn jede plötzliche Gefährdung seines Ziels. Die abergläubische Art der Verbrecher ließ ihn daher in den Augen seiner Komplizen als ein Mann erscheinen, ohne dessen Mitwirkung eine große und schwierige Sache mißlingen mußte. Und wenn die Trinkerperiode noch nicht herangekommen war und Franz noch nicht das richtige Interesse für ein neues Abenteuer bekundete, dann halfen die Freunde nach und verabreichten dem Schlosser so viel Alkohol, bis seine Augen zu tränen begannen.

Dieser Zeitpunkt war jetzt da. Und Franz wurde redselig. »Jestern abend«, begann er mit einer härteren Stimme, als sie ihm sonst eigen war, »traf ick den Soldatenrat. Der sagte mir, ick sollte mir heute abend mit euch hier treffen, ihr hättet wat wichtijet mit mir zu besprechen. Nu schieß man los, Willy, aber langsam und deutlich, denn de weeßt, ick muß eure Pläne erst verdauen. Un denn sage ick dir, ob ick mitmache oder nich.«

Jetzt steckten alle drei die Köpfe zusammen und sprachen so leise miteinander, daß selbst die Mädchen nichts verstehen konnten.

»Nu paß mal uff, Franzeken«, flüsterte Käse-Willem, »wat ick dir jetzt plausibel mache. Also hier in de Behrenstraße is 'n jroßet Bankhaus, und da hab'n se 'n Tresor drin, wo Millionen Jelder uffjespeichert sind. Ick habe mir heute Mittag überzeugt, denn ick war an de Kasse und habe jesehn und jehört, wat allens injeliefert wurde. Ick sage dir, Mensch, wenn de die Menge Jeld jesehn hättst, die se in'n Tresor rinjestochen haben, du hättst jekotzt vor Freude. Millionen, sag ick dir, Millionen! Morjen is Sonntag un Ostern, un übermorjen is Montag und ooch Ostern. Heut Nacht un zwee Tage hab'n mer Zeit, die Kiste zu fingern, denn keen Aas is im Hause, denn se machen sojenannte Bankfeiertage. Aber een Haken hat die Sache. Der Tresor, wat se Stahlkammer nennen, is vor dein Talent 'ne Eierkiste. Die schmilzte mit dein'm Jebläse weg wie'n Pfund Butter, det is nich det schlimmste. Der Haken is det Wasser, denn die Bankleute, die ooch keene Jrütze im Kopp hab'n, wie wir, hab'n 'n neuen Bau jemacht und den janzen Tresor im Keller unter Wasser jesetzt, als ob sich det Jeld darin während de Feiertage frisch erhalten soll. Karle hat de Zeichnung, die kann er dir zeijen. Ick habe mir für die Bank schon lange intressiert und den janzen Bau ausbaldowert. Als die Maurer in eener benachbarten Kneipe frühstückten, habe ick mir an ihnen ranjemacht und 'n paar Lagen jeschmissen, bis se aus de Schule plauderten. Dann hab' ick se besucht und mir dem Pochtje jejenüber als eener vom Bau ausjejeben, un der hat mir denn rinjelassen. Ick weeß mit allens Bescheed, ooch wie wer rinkommen. Paß mal Obacht, Franzeken. De Rosmarienstraße is 'n stillet Gäßchen, da wohnt keen Aas, lauter Bureaus sind da un von wejen de Feiertage allens jeschlossen. Hier steht een Haus, det ick wie meine Westentasche kenne, un der Hof führt zu det Bankjebäude, bloß mit 'ne kleene Mauer jetrennt. Een Sprung, und wer sind drüber und mitten uff 'n Hof von de Bank. Un denn, paß mal Obacht! Wo et nu in den Keller rinjeht, vastehste, wo se de Badewanne für den Tresor jebaut haben, da is an der Ecke 'n Klosett für de Kassenboten. Ick war drin und hab mer's anjesehen. 'ne Spielerei, sag ick dir, Franzeken! 'ne dünne Rabitzswand dazwischen, een Fußtritt, und wer sind an de Badewanne ran! Nu kommt det dicke Ende. Wie kommen wer an de Schränke, die 'n Meter unter Wasser stehn? Aber ick hab schon allens fertich. Franzeken, du weeßt, ich bin nich von Pappe, und wat Willy sich durch 'n Kopp jenen läßt, det hat Hand und Fuß. Karle kann der jetzt de Zeichnung zeijen, die ick jestern entworfen habe, und denn sagste mir dein fachmännischet Urteel, ob de vielleicht noch 'ne Verbessrung anbringen willst oder ob dir 'ne andere Idee kommt mit dem Wasser. Ick muß erst mal trinken, nu schenk der man in, de wirst ooch Durst jekriejt haben bei mein'n Vortrag, denn det Nachdenken strengt an. Prost, Franzeken!«

Der Schlosser hatte nachdenklich zugehört und während er den Wein hinuntergoß und mit der Zunge schnalzte, wiegte er den Kopf hin und her und murmelte vor sich hin: »Millionen, Kinder, da kennt man jenuch hab'n fors janze Leben, da haste recht, Willy, det is 'ne Sache for mir. Bloß keene Kleenigkee-ten! Millionen, Kinder, Millionen …!« Und sein Blick verlor sich ins Leere. Dann griff er nach der Zeichnung, die Karl ihm in die Hand schob.

Als er das Blatt eine Weile betrachtet hatte, zwinkerte er mit den Augen, schielte zu Willy hinüber und sagte mit verschmitztem Lächeln: »Weeßte, Bruder, du bist 'n Aas, so 'n jescheitet Luder is mer wirklich noch nich vorjekommen. De Frage mit dem Wasser haste jelöst wie'n Professor von't Politechnikum, an dir is 'n Jeheimrat verloren jejangen. Die Sache ist jut, Kinder ick mache mit. Aber an eens habt ihr nich jedacht. Wat machen wer mit dem villen Jeld, und wo bringen wer's in Sicherheit. Millionen, Millionen! Die kennt ihr nich in de Westentasche stecken und in unsere Buden darf ooch nischt rin. Und denn raus aus Berlin, aber wie?! Und nun noch eens, Willy! 'n schlauet Aas biste ja, det muß dir der Neid lassen, aber doch haste dir 'ne Blöße jejeben, als de dir in deiner janzen Größe vor dem Pochtje jezeigt hast. Und de Freundschaft mit de Maurer will mer ooch nich jefallen. Da haste nich dran jedacht, det der erste Verdacht uff dir fallen muß, un det dir de Polente im Album ermittelt!«

Käse-Willem war gar nicht besorgt um die Fehler, die er begangen, er freute sich vor allem, daß Franz mitmachen wollte, was für ihn mit dem Gelingen des Unternehmens gleichbedeutend war. Er und Karl drückten dem Schlosser in einer Anwandlung von Dankbarkeit und Rührung die Hand. Dann steckten alle drei wieder die Köpfe zusammen, und Willy setzte seinen Vortrag in demselben Flüsterton, wie vorher, fort: »Paß mal Obacht, Franzeken, ick hab an allens jedacht, un weil ick mir von vornherein jesagt hatte, det wir schnellstens mit dem Jelde über de Jrenze müssen, war ick mir meiner Blöße wohl bewußt. Der Weg aber, den ick vorjesehen habe, is so schnell, det wer längst in Sicherheit sind, wenn die Polente di Oogen uffmacht. Wir fliejen. Der Soldatenrat und der Major, die heute noch herkommen, werden uns det Fluchzeuch beschaffen, un eener von ihnen wird de Steurung übernehmen, die Kerls verstehen det Jeschäft, denn se sind im Kriege jenuch durch de Luft jejondelt. Un denn fang'n wer jleich heute an, Franzeken. Du jehst nach Hause und holst det Jebläse und det übrije Handwerkszeuch, ooch de Bleiröhre, zwei Zoll dick und zwee Meter lang derfste nich verjessen. Wir besorgen denn alles andere, ooch de Säcke für's Jeld, un denn treffen wer uns im Hausflur Rosmarienstraße, wo det jelbe Schild draußen hängt. Ick hab'n Schlüssel und laß de Türe offen!«

Die Stirn des Schlossers runzelte sich in Falten. »Det is allens janz scheen und jrien, aber fliejen tue ick nich. Ick kann meine Olle und de Jöhren nich hilflos zurücklassen. Wir teilen, und ick jehe zu Schwiejermuttern uffs Land. Jetzt, wo der Frieling anfängt, fällt det nich weiter uff. Ick koofe mir denn irjendwo an und verdufte stillschweigend. Det heeßt denn, ick habe außerhalb Arbeet jefunden. Un wenn ick überflüßijet Jeld verberjen will, denn wende ick mir an Lucy, die versteht det. Und nu noch eens, Kinder! Wenn det Ding jefingert is und wer haben jeder unsre Million, denn is's aus mit unsre Freundschaft, wer kennen uns nich mehr, vasteht ihr?! Un bloß keene Briefe schreiben oder so wat. Keen Lebenszeichen, als ob wer alle tot sind. Nu will ick jehn, aber vor zwee Uhr nachts hat's keen Zweck, det wer uns treffen! Nu adjes, Willy und Karle, adjes Mächens!«

Ein allgemeines freundliches Abschiednehmen, und der Schlosser-Franz ging ruhig, als ob er in behaglicher Stimmung sein Nachtlager aufsuchen wollte, zur Tür hinaus.

Keiner der Gäste ahnte, daß dieser Mann mit dem harmlosen Alltagsgesicht in der kommenden Nacht an einem Verbrechen mitwirken sollte, dessen besondere Umstände ungeheures Aufsehen erregten.

Jetzt wurde ein engerer Kriegsrat abgehalten; Willy erteilte, wie ein Feldherr, seine Befehle an den Komplizen und die Mädchen, der Reihe nach und den Fähigkeiten entsprechend:

»Also, jib mal Obacht, Karl, und schreib dir uff, wat ick dir sage. Nischt verjessen, det is de Hauptsache. De holst dein'n Diamantbohrer und stellst'n jleich uff zwee Zoll in. Dazu det Schmieröl, de kleene Spitzhacke, zwee jroße Stemmer, de elektrische Latüchte, mit'm jroßen Akkommelater und 'n Blender, vastehste. Dann prüfste ooch den Motor vom Bohrer und ölst'n zuhause jleich in. Natürlich bringste ooch noch det andere Handwerchzeuch, wat de immer hast, mit. Allens in'm schwarzen Koffer, vastehste!«

»Und du, Lucy, nimmst den kleenen Reisekorb, der uff 'm Spind steht, un Irma jeht mit und faßt an. Von deine Lumpen schmeißt de sicherheitshalber wat rin. Un denn steht ihr in de Rosmarienstraße, det zweete Haus von die Ecke und verhaltet euch janz ruhich, nich quatschen. Un wenn ihr mein Signal heert, denn kommt ihr janz unauffällig in det Haus rin, wo det jelbe Schild is, vasteht ihr? Und wenn 'n Nachtwächter oder sonst 'n Kanake euch fracht, wat ihr uff de Straße tut, dann sagt ihr janz ruhich: wir woll'n nach 'n Jörlitzer Bahnhof und warten uff 'ne Droschke. Dir, Lucy, jebe ick 'n Paket, det de in Sicherheit bringst. Und meen Handwerchzeuch ooch jleich weg. Un du, Irma, kriechst Karin seine Sachen, det janze Handwerchzeuch, und bringst et allens mit'm Reisekorb in eure Wohnung. Machst et fein sauber und lejst et in de Kiste in'n Keller. Wat dir Karl für Jeld jibt, jeht mir nischt an. Laß dir denn von ihm sagen, wat de damit machen sollst. Un nu will ick euch noch uff die Bedeutung von de heutje Nacht uffmerksam machen, weil …!«

»Da seid ihr ja«, riefen mehrere Stimmen durcheinander, »wir haben euch schon lange jesucht. Un nu sitzt ihr hier in de Ecke, wie de jungen Hunde aneinanderjerückt und steckt de Köppe zusammen, als ob ihr euch die Neesen abbeißen wollt!«

»Det is scheen, det ihr kommt!« begrüßte Willy die beiden Männer, die an den Tisch herangetreten waren, »ick habe euch schon lange erwartet. Du, Soldatenrat, und du, Major, setzt euch mal mang uns beede – Karl, mach 'n bisken Platz – wer hab'n mit euch wat Wichtijet zu besprechen, 'n feinet Jeschäft!«

»Ach, kieck mal eener an«, rief Lucy inzwischen, »de Trippeljule ist ooch da!«

»Und de Buttermamsell och«, knurrte Irma, »die macht ja een Jesicht, wie'n Rejenwurm, der in de Wochen kommt!«

»Nun setzt euch man alle«, brach Käse-Willem die Zwischenrufe ab, »un macht nich so'n Lärm, man vasteht ja sein eijnes Wort nich mehr, un for de Weiber is Platz jenuch drüben bei de Meechens. Ober, noch vier Pullen und 'ne Flasche Konjak und 'n Dutzend Ziehjarrn, fünf Mark det Stück!« – Während die Mädchen die weiblichen Tischgäste in ihre Mitte nahmen und Lucy eine scherzhafte Unterhaltung begann, rückten die Männer dicht zusammen und sprachen im Flüsterton.

Die Gläser füllten sich rasch hintereinander und wurden ebenso schnell geleert, und die gelbe Flüssigkeit der Kognakflasche verschwand ruckweise, als ob sie aus einer Öffnung im Boden ausliefe.

Dicke Rauchschwaden zogen sich in Schlangenlinien über den Tisch und bedeckten zweitweise die Gesichter der Männer mit einem undurchsichtigen Schleier, hinter dem ab und zu unheimliche Augen aufblitzten. Die Wangen glühten in allen purpurfarbenen Abstufungen und die Lippen bewegten sich gleichmäßig oder nervös zitternd, je nach dem Temperament der Sprecher. Gelegentlich, wie zur besseren Erläuterung, bewegten sich auch Hände vor den Gesichtern, blasse Finger mit schweißigem Glanz oder eine große Faust mit schwieligen Ecken.

Nur Käse-Willem blieb unverändert – die Zuchthausfarbe war echt.

Der Soldatenrat und der Major waren Neulinge in der Verbrecherzunft, sie beide hatte der Krater der Revolution ausgespieen.

Wie der Spitzname hinreichend kennzeichnet, war der junge unscheinbare Mann, der noch heute den Soldatenrock trägt, nach dem Zusammenbruch der Armee davongelaufen. Wie er selbst renommierend erzählte, will er in den ersten Tagen der politischen Umwälzung einem Truppenteil im Westen als Soldatenrat angehört haben. Man schenkte ihm in Verbrecherkreisen, denen er sich zugesellte, wenig Glauben, und der Spitzname, den man ihm beilegte, hatte daher einen verhöhnenden Beigeschmack. Niemand kümmerte sich darum, wie er mit richtigem Namen hieß.

Der Soldatenrat war im Vergleich zu seinen Freunden noch kein eigentlicher Verbrecher, sondern ein Dilettant der Zunft. – Mangel an persönlichem Mut veranlaßte ihn, seine »Geschäfte« auf weniger gefährlichen Wegen zu suchen und ohne Aufwand körperlicher Kraft Geld zu erwerben. So wurde er zum Handlanger der Schieber und »schweren Jungens« . Er beseitigte gestohlenes Gut, wobei er mit Vorliebe seine Auftraggeber heimtückisch betrog, baldowerte Einbrüche aus, stand Schmiere, ersann betrügerische Manipulationen usw., aber immer sorgte er dafür, daß er im Hintergrunde blieb und im Trüben fischen konnte.

Als Mechaniker hatte er einer Fliegerstaffel im Felde angehört und war mit der Führung von Flugzeugen vertraut. Diese Fähigkeit veranlaßte Willy, der sonst für den feigen Burschen wenig übrig hatte, sich seiner zu bedienen.

Der Major oder wie er meistens gerufen wurde: der Herr Major war eine ganz andere Persönlichkeit. Er markierte den Offizier und Aristokraten. Kräftig gebaut und etwas korpulent, mit einem massigen Schädel, der auf einem feisten Stiernacken ruhte, machte er einen entschieden militärischen Eindruck. Er trug die Haare in der Mitte gescheitelt und den dunkelblonden Schnurrbart in die Höhe gezwirbelt. Wenn auch der Hinterkopf sich schon merklich zu lichten begann, so glaubte man doch, sein Alter nicht höher als fünfundvierzig Jahre schätzen zu müssen.

Solange man den Herrn Major von der Rückseite betrachtete, konnte er in seinem ganzen Auftreten und in der geschmackvollen Einfachheit seiner Kleidung als Aristokrat gelten. Diese Auffassung kam ins Schwanken, wenn man ihn von vorne sah. Das schwammige Gesicht mit den kleinen, zwinkernden Augen hatte etwas Rohes und Hinterhältiges. Seine Stimme war heiser, und wenn er auch versuchte, den schnarrenden Offizierston nachzuahmen, so mochte man doch eher annehmen, daß er es im Felde nur zum Unteroffizier oder Feldwebel gebracht habe. Er selbst behauptete freilich, wegen seiner Heldentaten als Kampfflieger zum Major befördert worden zu sein.

An seiner guten bürgerlichen Herkunft und einer gewissen Bildung konnte nicht gezweifelt werden, aber er war moralisch versumpft, wie alle Mitglieder des Kreises, dem er sich anschloß. Und die rötlichblauen Flecken und Knoten, die wie ein krankhafter Aussatz das Gesicht bedeckten, zeigten den Ursprung seines Verfalls: Alkohol. Und das übliche Gefolge der Trunksucht: Spiel und Weiber mögen den Sturz in den Abgrund der menschlichen Gesellschaft beschleunigt haben.

Wie alle Leute, die in Verbrecherkreisen Anschluß suchten, mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten waren und dann den Rückweg in ein geordnetes bürgerliches Leben versperrt fanden, so hatte wahrscheinlich auch der Herr Major schon mit den Gefängniszellen von Moabit Bekanntschaft gemacht.

Wovon er jetzt lebte und was sein eigentlicher Beruf war, dafür hatte hier niemand Interesse. Er tauchte von Zeit zu Zeit in Kaschemmen und anderen Lokalen zweifelhafter Art auf und machte Gelegenheitsgeschäfte in Lebensmitteln, Versicherungen und Kellerwechseln. Für schwierige Fragen, wo es sich um Ausnutzung von Beziehungen, Beschaffung von Ausweispapieren und gefälschten Dokumenten handelte, wurde er von den Schwerverbrechern zu Rate gezogen und für seine Dienste entsprechend bezahlt.

Käse-Willem hatte sich mit dem Herrn Major in Verbindung gesetzt, um sich für den Fall einer schleunigen Flucht ein Flugzeug zu sichern, und es unterlag keinem Zweifel, daß der Herr Major, der alles machte und für alles zu haben war, was Geld abwarf, auch über die Beziehungen verfügte, die erforderlich waren, um ein Flugzeug zu »verschieben«.

Der Soldatenrat und der Major gehörten zu den Kunden der Trippeljule und der Buttermamsell; es bestand sogar der Verdacht, daß sie die Zuhälter der beiden Dirnen wären, da man sie des Abends meistens zusammen sah.

Die Trippeljule, die ihren Spitznamen von ihrem eigentümlichen, durch hohe Absätze verursachten Gang hatte, war ein gewöhnliches Straßenmädchen, das kein anderes Interesse zeigte, als durch den Umgang mit Männern möglichst viel Geld zu verdienen. Sie war zwar gut angezogen, aber sonst recht ungepflegt und glaubte, den Mangel an körperlichen Reizen durch freches Benehmen und zweideutige Redensarten zu ersetzen. Schlank von Gestalt, mit blonden, bis tief in die Stirn herabhängenden Haaren und einem ausdruckslosen Alltagsgesicht, wirkte sie widerlich, wenn sie den großen Mund zu einem breiten Lächeln verzog und ihre defekten Zähne sichtbar wurden.

Die Buttermamsell, deren Spitznamen ihren früheren bürgerlichen Beruf erraten läßt, war erst seit kurzer Zeit der Prostitution verfallen, wahrscheinlich infolge einer Gefängnisstrafe und der daraus sich ergebenden Bekanntschaft mit Verbrecherinnen und Dirnen. Sie war deshalb noch ziemlich harmlos und ungeübt in den Verführungs- und Ausbeutungskünsten ihrer Kolleginnen von der Straße. Der Bekanntschaft mit dem Major hatte sie es zu verdanken, daß sie in Verbrecherkreise eingeführt wurde. Und das Vergeuden großer Summen, das Schlemmerleben, die äußere Eleganz sowie der spielerische Leichtsinn, der sich skrupellos über allen Ernst des Daseins hinweggesetzt, mögen diesem Mädchen ländlicher Abkunft derart verlockend erschienen sein, daß sie sich zu diesem Kreise hingezogen fühlte. Die bäuerische Abstammung sah auch heute noch so aus, wie die meisten Verkäuferinnen, die geschäftig hinter dem Ladentisch Margarine und Butter abwiegen. Niemand hätte in ihr eine Straßendirne vermutet. Auch ihr Benehmen war einwandfrei und bescheiden, so daß ihre Art in die sie umgebende Gesellschaft der Dirnen nicht hineinpaßte.

Zwischen ihr und der Trippeljule hatte sich eine gewisse Rivalität entwickelt, sie schwärmte für den schwarzen Karl, der ihr im Geiste als ein leidenschaftlicher Zigeuner erschien, während die Trippeljule sich bemühte, den Verbrecher in ihre Netze zu locken, weil sie ihn für sehr zahlungsfähig hielt.

Der schweigsamen, aber desto schärfer beobachtenden Irma war es nicht entgangen, daß die Trippeljule ihrem Karl verliebte Blicke zuwarf und anzügliche Redensarten gebrauchte, die den Verbrecher veranlassen sollten, ihr seine Neigung zu schenken.

Und die Irma hatte ihren Spitznamen, die Kesse, nicht umsonst, denn sie fauchte plötzlich wie eine wild gewordene Katze und schrie ihre Rivalin an: »Wenn du dämlicher Fratz nich meinen Karl in Ruhe läßt, dann haue ick dir eens in de Fisaje, det de dein Hintergestell umdrehst und Lumpen kotzt!«

Die Männer brachen ihre Unterhaltung sofort ab, und Willy fuhr wütend dazwischen: »Kreuz und Wetter, det de verdammten Frauenzimmer keene Ruhe nich halten könn'. Sobald mal Stücker viere zusammen sind, kriejen se sich jleich in de Haare. Eure Schnauze ist bloß so bewejlich, weil ihr lange keene Wichse jekricht habt. Nehmt euch in Acht, det ick euch nich 'n Ding uff de Backe schmeiße, wat 'n Pfund wiejt. Sobald de Weiber dabei sind, kann man nich mal mit Ruhe seine Jeschäfte erledijen! Na, wir sind ja wol fertich und einich?« fragte er seine Helfer. Die Männer nickten bejahend, steckten aber wieder die Köpfe zusammen, als sich Käse-Willem noch einmal flüsternd zu ihnen wandte: »Et bleibt nur noch übrich, 'ne bestimmte Zeit festzusetzen, denn ick zweifle nich dran, det wir de Arbeet machen. Um zwee fang'n wer an und um Uhre fünfe oder sechse sind wer fertich. Um sieben kann ick denn mit Karl in Johannisthal sein. Ihr müßt uns dort pünktlich erwarten, vasteht ihr?! Un wejen dem Fluchzeuch müßt ihr de Kiste richtich schieben, wie und wat und von wem is mir schnuppe, un wenn ihr't klaut. De Hauptsache is, det Ding is da un Benzin for mindestens eenen Tag. Uff'n Zaster kommts nich an, ick jeize nich mit 'n paar braunen Lappen. Un denn seht man zu, det ihr ooch de Anzüje mitkriejt for alle viere, denn ick will mir bei dem Jeschäft nich 'n Schnuppen holen. Also denn wollen wir de Sitzung uffheben, ick bezahle allens! – Ober, zahlen, Ober, zahlen, 'n bisken dalli!«

Es war schon Mitternacht und die Polizeistunde überschritten, als die Gesellschaft mit allen Anzeichen des reichlich genossenen Alkohols durch den Hintergang das Lokal verließ.

Auf der Straße erinnerte Willy noch einmal kurz an die Aufgabe, die jedem einzelnen zufiel. Dann trennten sie sich, und jeder fühlte in sich ein hohes Verantwortungsgefühl für das Gelingen des verbrecherischen Unternehmens, denn die Zunft der Feinde der menschlichen Gesellschaft ist straff diszipliniert. Ein führender Kopf, eine überragende Energie vermag Wunder zu verrichten. Und ein solches Wunder stand bevor.


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