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Familienfreuden

Bei Oberförsters herrschte große Aufregung. Die Dackelhündin Minka hatte vier wunderniedliche kleine Dackelchen bekommen. Drei Buben und ein Mädelchen waren es. Die ganze Familie Oberförster stand um die Dackelei herum und bewunderte die Kleinen.

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Oberförsters waren neun. Eltern, Großmutter und sechs Kinder. Drei Buben und drei Mädels. Mit Christine, dem ältesten Mädel, die achtzehn Jahre zählte, fing die Reihe an, mit dem achtjährigen Dieter schloß sie. Wie die Orgelpfeifen standen die sechs vor der Dackelei, und Dieter sagte: »Schade, daß es nicht sechs sind wie wir.«

»Vier sind auch genug«, antwortete der Vater.

»Sechs sind aber hübscher«, sagte die Mutter. Sie sagte es, weil sie Freude an ihren sechs Kindern hatte und nicht zugeben wollte, daß die Sorgen zu groß wären. Sorge und Lärm waren aber groß in der Oberförsterei Hochwald, die Dackel waren in ein munteres Haus gekommen; und doch redete der Oberförster davon, die Dackel müßten verkauft werden.

»Ach, die reizenden Tierchen!« riefen Dieter, Hubert und Veit. Und Christine, Regine und Sabine klagten: »Die süßen Tierchen sollen fortgegeben werden? Wer soll sie denn bekommen?«

»Zwei kriegt der Graf Rolf«, bestimmte der Vater, »und zwei ...«

»Tante Laura«, fiel die Mutter ein.

»Was will die denn mit den Dackeln anfangen? Sie hat doch einen Mops«, sagte der Oberförster spöttisch.

»Dazu will sie noch ein paar Dackel, sie schrieb es mir, und da sie Christine umsonst zu sich nehmen will, wäre es am besten, wir schenkten ihr zwei Dackel zum Dank.«

Der Vater schüttelte ein bißchen bedenklich den Kopf. Zwei Dackel in den Altdamenhaushalt der Tante wollte ihm nicht sehr passend erscheinen. Es war ja gut von Tante Laura, daß sie Christine umsonst in ihr Hans aufnehmen wollte, aber dafür zwei Dackel? Der Oberförster schüttelte wieder den Kopf. Die Sache wollte ihm nicht gefallen. Freilich, es war wertvoll, daß es auf diese Weise Christine ermöglicht wurde, einen Beruf zu ergreifen, denn bei den sechs Kindern, die alle etwas lernen sollten, war es schwer, immer die Kosten aufzubringen. Christine wollte ein Kindergärtnerinnenseminar besuchen und war froh über das Heim bei der Tante.

»Wie sollen sie denn heißen?« fragte auf einmal Veit, während Christine gerade dachte, es würde ihr sehr schwer werden, die Heimat zu verlassen.

»Die mit den weißen Fleckchen an den Pfötchen sollen Flick und Flock heißen, die bekommt der Graf«, erwiderte der Oberförster.

»Und die für Tante Laura vielleicht Ami und Pusti«, schlug Dieter vor. »Das sind keine Dackelnamen!« riefen die Geschwister.

»Flick und Flock sind auch keine Dackelnamen«, behauptete Dieter.

»Das stimmt«, gab der Vater zu, »aber der Graf will es so.«

»Dann ist der Graf dackeldumm!« rief Dieter grob.

»Danke schön«, sagte da jemand; es war der Graf. Er war unbemerkt auf den Hof gekommen und hatte Dieters Ausruf gehört. Er sah aber gar nicht böse aus, und als Dieter verlegen brummte: »Dackel müssen doch andere Namen haben«, strich er ihm freundlich über den Wuschelkopf und fragte: »Na, wie sollen sie denn heißen?«

»Waldel, Strauferl oder Bürschel!« rief Dieter, der sich schon vorher über Dackelnamen unterrichtet hatte.

»Waldel und Bürschel ist mir recht«, entgegnete der Graf, »aber wie sollen die anderen heißen?« Er hatte die beiden Dackel aus dem warmen Nest genommen und hielt sie beide im Arm. Auf einmal schrie er auf:

»Du Lump, du Schlingel!« Die beiden hatten ihn mit ihren jungen scharfen Zähnchen ganz ordentlich gekniffen.

»Lump und Schlingel müssen sie heißen!« jauchzte Dieter, und die Geschwister fielen ein: »Ja, Lump und Schlingel.«

»Lump und Schlingel sind aber doch keine Dackelnamen«, sagte der Vater.

Nun wollte der Graf wissen, wer die Dackel bekäme, er hätte sie nämlich am liebsten noch selbst gehabt, so gut gefielen sie ihm. Er sagte das auch, aber der Oberförster erzählte, er hätte sie seiner Tante Laura Minkerling in Striezel versprochen.

»Fräulein Minkerling?« rief der Graf erstaunt.

Oberförsters waren nicht minder erstaunt, daß der Graf die Tante kannte, da Tante Laura in der Stadt wohnte; der Graf aber erklärte es ihnen: er hatte noch eine Wohnung in der Stadt, und Tante Laura wohnte in der Nähe seines Stadthauses.

»Sie kennen meine Tante?« fragte Christine schüchtern.

Der Graf sah sie an, sie gefiel ihm gut, besser noch als die Dackel, und er dachte: die Tante hat es gut, die eine so nette Nichte ins Haus bekommt; laut aber sagte er, er hätte die Tante nie gesehen, sie hätte einen Mops Bello, der hätte sich einmal verlaufen, daher wüßte er, daß Fräulein Minkerling in der Nähe wohnte. Er sagte, sie wäre aber gewiß nett, da sie ihren Hund so lieb hätte, und das glaubten die Oberförsters gern. Ihnen allen war das Herz schwer, daß ihre Christine in die fremde Stadt zu der ihnen allen unbekannten Tante sollte. Es war gut, daß der Graf die Tante kannte. Und daß sie schon einen Hund hatte, das war tröstlich. Denn Oberförsters waren der Ansicht, wer gut gegen Hunde ist, der müßte auch nett gegen Menschen sein.

Dem Graf gefiel es auch in der Oberförsterei, und er konnte begreifen, daß Christine nicht gern in die Stadt ging. Er blieb den ganzen Abend bei Oberförsters, sagte, er müßte sich mit Waldel und Bürschel befreunden, und aus Freundschaft zwickten ihn die Dackel in die Hände, wenn er sie nehmen wollte.

Die Dackelmama Minka sagte zwar: »Das dürft ihr nicht.« Sie war nämlich eine gut erzogene Dackelmama, sie wußte, was sich schickt, und sie hätte ihren Kindern gern noch gute Manieren beigebracht, darum sagte sie: »Hört zu, was ich euch sage. Wenn ihr unter Menschen kommt, müßt ihr immer sehr manierlich sein, denn die Menschen haben sonderbare Gewohnheiten, sie verstehen nicht, daß es nur gut gemeint ist, wenn wir sie in die Beine beißen, sie schreien dann ganz fürchterlich, auch lieben sie es nicht, wenn man ihnen ihre Kleider zerreißt, namentlich Damen sind da sehr böse. Am besten auszukommen ist da mit Jungens, die lachen noch über zerrissene Hosen, aber kleine Mädchen schreien mörderisch. Freilich, die Jungen brauchen auch ihre Hosen nicht zu flicken, das soll nämlich sehr mühsam sein, darum schelten auch immer die Mütter, wenn die Hosen zerrissen sind. Auch lieben es die Menschen nicht, wenn man sich in ihre Betten legt oder mit ihren Sachen Fangball spielt. Und dann haben Menschen noch etwas, was kein Dackel verstehen kann: sie haben eine Speisekammer.«

»Was ist denn das?« bellten Lump und Schlingel.

»Das ist eine kleine Kammer, die vollgestopft ist mit guten Dingen, wie ihr sie noch gar nicht kennt. Würste und Schinken, Butter, Eier und Kuchen und viele andere leckere Dinge – dick und voll kann man sich in so einer Speisekammer fressen.«

»Fressen sich denn die Menschen dick und voll?« bellte Lump, während Schlingel nur leise vor Sehnsucht nach einer Speisekammer knurrte.

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»Das ist ja das Komische«, antwortete die Dackelmama, »sie gehen hinein und schneiden sich ganz kleine Stückchen ab, und dann sagen sie, sie wären satt. So ordentlich vollfressen, wie ein Dackel, tun sie sich nicht.«

»Wie komisch!« kläfften die vier Dackelkinder.

In dem Augenblick wurde die Unterhaltung unterbrochen. Dieter kam mit einem großen Butterbrot in der rechten Hand und stellte sich vor die Dackelei.

Er dachte nicht daran, den Dackeln etwas abzugeben. Das war schnöde, und Lump dachte: so ein Butterbrot muß gut schmecken, und schnapp – da hatte er es schon im Maule. Dieter schrie vor Schreck und Ärger laut auf.

Seine Geschwister und der Graf, die gerade noch einmal nach den Dackeln sehen wollten, kamen herbei und fragten, was geschehen sei.

Zur Verwunderung der Dackelei sagte Dieter nichts.

Die Geschwister aber sahen das Butterbrot an, an dem Lump und Schlingel, Waldel und Bürschel gierig herumfraßen, und alle riefen: »Der Nimmersatt hat sich noch ein Butterbrot aus der Speisekammer geholt!«

»Sechse hat er schon gegessen!« rief Veit.

Eia, so viele solche guten Bissen, der hat es aber gut, dachten die Dackel, da müssen auch wir trachten, in die Speisekammer zu kommen.

Als die Dackel wieder allein waren, fuhr Mama Minka wieder fort, ihnen gute Lehren zu geben, daß sie folgsam und höflich sein sollten; aber die Dackelkinder machten es wie die Menschenkinder: die guten Lehren gingen ihnen zum einen Ohr hinein, zum anderen wieder hinaus. Sie dachten nur an die Speisekammer und freuten sich darauf, in die weite Welt zu kommen, wo es gewiß wunderschöne Speisekammern gab.


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