William Shakespeare
Troilus und Cressida
William Shakespeare

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Fünfter Aufzug

Erste Szene

Das griechische Lager – vor Achilles' Zelt: Achilles und Patroclus

Ach. Ich heize heut sein Blut mit griechischem Wein
Und morgen kühl ich es mit meinem Stahl.
Patroclus, warten wir ihm reichlich auf!

Pat. Hier kommt Thersites.

Thersites tritt auf

Ach.                                   Nun, gehässige Schwäre,
Du harte Rinde der Natur, was Neues?

Ther. Ei, du Gemälde dessen was du scheinst und Götze von Gimpel-anbetern, hier ist ein Brief für dich.

Ach. Woher, du Brocken?

Ther. Ei, du ganzer Topf von Narren, aus Troja.

Pat. Wer hütet jetzt das Lager?

Ther. Der Wundarzt mit der Büchse oder der Kranke mit der Wunde.

Pat. Brav, Unglücksrabe! und was wollen diese Possen?

Ther. Bitte, sei still, Junge, ich gewinne nichts bei deinem Gerede. Man sagt, du wärst des Achilles leiblicher Bube.

Pat. Leiblicher Bube, du Schuft? Was ist das?

Ther. Ei, seine männliche Hure. Ja, da sollen die scheusslichen Krankheiten des Südens, Bauchgrimmen, Brüche, Flüsse, Blasensteine einen ganzen Sack voll, Starrkrämpfe, Lähmungen und so weiter über und über fallen auf solche widerlichen Entdeckungen.

Pat. Ei, du verdammter Hassbeutel du, was denn willst du so verfluchen?

Ther. Fluche ich dir?

Pat. Ei, nein, du Unheilsbündel, du verflixter rasseloser Köter, nein!

Ther. Nein? Warum bist du denn erbost, du dünnes, federleichtes Seidensträngelchen, du grüner Taftschirm für ein entzündetes Aug, du Quaste an eines Taugenichts Börse? Ach, wie die arme Welt verpestet ist mit solchen Wasserfliegen, solchen Tüttelchen des lieben Gotts!

Pat. Pfui, Gallapfel!

Ther. Finken-ei!

Ach. Liebster Patroclus, mir ist ganz durchkreuzt
Mein grosser Vorsatz für des Morgens Schlacht.
Hier ist ein Brief von Königin Hecuba,
Ein Pfand von ihrer Tochter, meinem Lieb.
Sie tadeln beide mich und mahnen mich
An den geschwornen Eid. Ich will ihn halten.
Fallt, Griechen! Ehr und Ruhm, bleibt oder geht!
Ich folge einem Schwur der höher steht . . .
Thersites, hilf und putz mein Zelt heraus . . .
Die ganze Nacht verbringen wir beim Schmaus!
Komm mit, Patroclus. Achilles und Patroclus ab

Ther. Von zuviel Blut und zuwenig Hirn können diese zwei verrückt werden: aber wenn es von zuviel Hirn und zuwenig Blut geschieht, will ich selber Narren-doktor werden. Da ist Agamemnon: ein ganz braver Bursch und einer der Schnepfen liebt, doch er hat nicht soviel Hirn als Ohrenschmalz. Und die hübsche Verwandlung des Jupiter da, sein Bruder, der Bulle, das allererste Standbild und gekrümmte Denkmal der Hahnreie, ein leichteinzuführendes Schuhhorn das an seines Bruders Bein hängt . . . in welche Gestalt ausser seiner eignen könnte Witz, gespickt mit Bosheit, und Bosheit, gestopft mit Witz, ihn verwandeln? Esel wäre nichts: er ist Esel und Ochs. Ochs wäre nichts: er ist Ochs und Esel. Ein Hund zu sein, ein Maultier, eine Katze, ein Iltis, eine Kröte, eine Eidechse, eine Eule, ein Habicht oder ein Hering ohne Rogen wäre mir einerlei: aber Menelaus zu sein! ich würde mich gegen das Schicksal auflehnen. Fragt mich nicht was ich sein möchte, wenn ich nicht Thersites wäre! Denn es wäre mir einerlei die Laus eines Aussätzigen zu sein, wenn ich nur nicht Menelaus wäre . . . Heida! Geister mit Feuer!

Hector, Troilus, Ajax, Agamemnon, Ulysses, Nestor, Menelaus, Diomedes mit Fackeln treten auf

Aga. Wir gehen irr, wir gehen irr.

Ajax. Nein, dort ists . . . da wo wir die Lichter sehn.

Hec. Ich mach euch Mühe.

Ajax.                                   Nein, nicht im geringsten.

Ulys. Hier kommt er selbst, um euch zu führen.

Achilles kommt zurück

Ach. Willkommen, tapfrer Hector! Herrn, euch allen!

Aga. Jetzt, teurer Prinz von Troja, gute Nacht.
Ajax befehligt eure Ehrenwache.

Hec. Dank und gut Nacht dem Obersten der Griechen!

Men. Gut Nacht, mein Fürst!

Hec.                                       Gut Nacht, geliebter Menelaus!

Ther. Geliebte Kloake! Geliebt, sagt er! Geliebter Rinnstein, geliebter Misthaufen.

Ach. Gut Nacht und Willkomm gleich auf einmal: denen
Die gehen oder bleiben!

Aga.                                       Gute Nacht.

Agamemnon und Menelaus ab

Ach. Der alte Nestor bleibt . . . ihr, Diomed,
Bringt auch mit Hector ein paar Stunden zu!

Dio. Ich kann nicht, Herr . . . ein wichtiges Geschäft
Ist grade fällig . . . Gute Nacht, Held Hector.

Hec. Gebt mir die Hand.

Ulys. beiseit zu Tro.: Folgt seinem Licht, er geht zu Calchas' Zelt. Ich leiste euch Gesellschaft.

Tro. Ihr ehrt mich, liebster Herr.

Hec.                                           Und so gut Nacht.

Diomedes ab – Ulysses und Troilus folgen

Ach. Kommt, kommt mit mir ins Zelt. Alle ab ausser Thersites

Ther. Besagter Diomedes ist ein grundfalscher Schuft, ein ganz treuloser Schelm. Ich will ihm, wenn er blinzelt, nicht mehr trauen als einer Schlange, wenn sie zischt. Er wird den Mund aufreissen wie Bello der Hund, als ob etwas zu erwarten sei, aber wenn er eine Leistung zeigt, dann verkünden die Sterndeuter, es sei ein Wunderzeichen, es stehe etwas Neues bevor. Die Sonne borgt vom Mond, wenn Diomed Wort hält. Ich verzichte eher darauf Hector zu sehn als ihm nachzuschleichen. Es heisst, er hält sich eine trojanische Vettel und verkehrt in des Verräters Calchas Zelt. Ich will nach. Nichts als Buhlerei! Lauter unsaubre Buben! Ab.

 

Zweite Szene

Vor Calchas' Zelt: Diomedes

Dio. Seid ihr hier auf? He, sagt!

Cal. drinnen: Wer ruft?

Dio. Diomed. Ihr seid doch Calchas? Wo ist eure Tochter?

Cal. drinnen: Sie kommt zu euch.

Troilus und Ulysses, etwas entfernt – dann Thersites

Ulys. Bleibt hier, wo uns die Fackel nicht entdeckt.

Cressida tritt auf

Tro. Cressida kommt auf ihn zu.

Dio.                                             Sieh da, mein Mündel!

Cres. Nun, liebster Vormund! Hört, ein Wort mit euch! Flüstert

Tro. Ah, so vertraut!

Ulys. Sie singt euch jeden Mann beim ersten Blick.

Ther. Und jeder kann sie singen, wenn er nur ihren Schlüssel hat, und nach Noten.

Dio. Wollt ihr dran denken?

Cres. Dran denken? ja.

Dio. Nun, dann tut es auch,
Dass eure Absicht eurem Wort entspricht.

Tro. Woran soll sie denn denken?

Ulys. Horcht!

Cres. Lockt nicht zu weitrer Torheit, süsser Grieche!

Ther. Spitzbüberei!

Dio. Nun, dann –

Cres. Ich sag euch was –

Dio. Ja, einen Quark! Pah, pah, ihr brecht das Wort!

Cres. Ich kann wahrhaftig nicht . . . Was soll ich tun?

Ther. Ein Gauklerstück – sich im Geheimen öffnen.

Dio. Was habt ihr zu gewähren mir gelobt?

Cres. Ich bitte, nehmt mich nicht bei meinem Schwur.
Heisst mich nur das nicht tun, mein süsser Grieche!

Dio. Gut Nacht.

Tro. Verlass mich nicht, Geduld!

Ulys. Nun, Trojaner?

Cres. Diomed!

Dio. Nichts da! gut Nacht. Ich will nicht mehr dein Narr sein.

Tro. Ein Bessrer muss es.

Cres.                                   Hört, ein Wort ins Ohr!

Tro. O Tod und Wahnsinn!

Ulys. Ihr seid bewegt, mein Prinz. Brecht auf, ich bitt euch,
Sonst möcht euch euer Unmut weitertreiben
Zu wütigem Schritt. Der Platz hier ist gefährlich,
Die Stunde droht mit Tod. Ich bitt euch, geht.

Tro. Seht doch nur hin!

Ulys.                               Nein, lieber Prinz, geht fort . . .
Ihr löst euch auf in Wahnsinn. Kommt, mein Prinz!

Tro. Ich bitt euch, bleibt.

Ulys.                               Euch fehlts an Fassung, kommt.

Tro. Ich bitt euch, bleibt. Bei Höll und Höllenqualen!
Ich rede nicht ein Wort.

Dio.                                       Wohlan, gut Nacht.

Cres. Nein, doch ihr geht im Zorn.

Tro.                                                 Betrübt dich das?
O welke Treu!

Ulys.                       Und nun, mein Prinz?

Tro.                                                             Bei Zeus,
Ich will gefasst sein.

Cres.                                 Vormund! . . . ach, mein Grieche! . . .

Dio. Pah, pah . . . Ade, ihr foppt mich.

Cres. Ich tus wahrhaftig nicht. Kommt nochmals her.

Ulys. Was macht euch zittern, Prinz? Wollt ihr nicht gehn?
Ihr brecht noch los.

Tro.                                 Sie streichelt ihn.

Ulys.                                                             Kommt, kommt!

Tro. Nein, bleibt. Bei Zeus, ich sage nicht ein Wort.
Mein Wille steht getrennt von all der Schmach
Durch einen Wall von Fassung. Bleibt ein Weilchen.

Ther. Wie der Teufel Wollust mit seinem fetten Bauch und seinem Kartoffelfinger sie zusammenkitzelt! Brodle, brodle, Buhlerei!

Dio. Doch wollt ihr dann?

Cres. Wahrhaftig, ja . . . sonst traut mir nimmermehr.

Dio. Gebt zur Versichrung dessen mir ein Pfand.

Cres. Ich hol euch eins. Ab.

Ulys. Ihr schwurt Geduld.

Tro.                                   Seid ausser Sorge, Herr!
Ich will nicht ich sein und nicht Kenntnis haben
Von meinem Fühlen. Ich bin ganz Geduld.

Cressida kommt zurück

Ther. Da ist das Pfand. Da, da, da!

Cres. Hier, Diomed, nehmt diese Schleife.

Tro. O Schönheit, wo ist deine Treu?

Ulys.                                                   Mein Prinz!

Tro. Ich will geduldig sein . . . dem Schein nach will ichs.

Cres. Ihr schaut die Schleife an . . . beseht sie gut!
Er liebte mich – o Falsche! . . . Gebt zurück!

Dio. Wem war sie?

Cres. Es liegt nichts dran . . . Nun ist sie wieder mein.
Wir wollen uns nicht treffen morgen nacht.
Ich bitte, Diomed, besucht mich nimmer.

Ther. Jetzt wetzt sie. So ists recht, Schleifstein!

Dio. Ihr gebt es mir.

Cres.                       Was, dieses hier?

Dio.                                                       Ja, das!

Cres. O all ihr Götter! Hübsches, hübsches Pfand!
Dein Herr liegt jetzt in seinem Bett und denkt
An dich und mich . . . und seufzt, nimmt meinen Handschuh
Und presst erinnernd-süsse Küsse drauf,
Wie ich dich küsse . . . Nein, entreisst mirs nicht:
Wer dies mir nimmt der nimmt zugleich mein Herz.

Dio. Eur Herz hatt ich zuvor, dies folgt ihm nach.

Tro. Ich schwur Geduld.

Cres. Ihr kriegt es nicht, Diomed, nein, wirklich nicht.
Ich geb euch sonst-etwas.

Dio. Ich will das hier. Wem wars?

Cres.                                             Es liegt nichts dran.

Dio. Kommt, sagt mir, wem es war.

Cres. Er hat mich mehr geliebt als ihr je tut.
Doch nun ihrs habt, behaltet es.

Dio.                                                     Wem war es?

Cres. Bei allen Zofen der Diana dort
Und bei ihr selbst – ich will nicht sagen wem.

Dio. Ich trag es morgen auf dem Helm und kränke
Im Herzen den ders nicht zu fordern wagt.

Tro. Wärst du der Teufel der am Horn es trüge,
Es soll gefordert sein.

Cres. Ach ja! 's ist hin und ist vorbei . . . und doch nicht!
Ich will mein Wort nicht halten.

Dio.                                                   Dann, leb wohl!
Du sollst des Diomed nicht nochmals spotten.

Cres. Ihr sollt nicht gehn . . . man darf kein Wörtchen sagen –
Gleich fahrt ihr auf.

Dio.                                 Mir passt dies Narren nicht.

Ther. Noch mir, bei Pluto! doch was euch nicht passt
Behagt mir grad.

Dio.                             Wie? Soll ich kommen? Wann?

Cres. Ja, kommt! O Zeus! Kommt! Mir wirds schlecht ergehn.

Dio. Lebt wohl bis dann!

Cres.                               Gut Nacht! Ich bitt euch, kommt.
    Diomedes ab
Troilus, fahr wohl! Ein Aug blickt noch nach dir,
Doch lenkt mein Herz das andre Auge mir.
Wir sind ein arm Geschlecht und schuld hierin:
Des Auges Irrtum leitet unsren Sinn.
Wen Irrtum führt der irrt. O zieht den Schluss:
Dass Herz, regiert vom Auge, freveln muss. Ab.

Ther. Gewichtigern Beweisgrund gibt sie nur
Wenn sie noch sagt: mein Herz ward eine Hur.

Ulys. 's ist alles aus, Prinz.

Tro.                                     Ja.

Ulys.                                         Was wollt ihr noch?

Tro. Ein Denkregister machen meiner Seele
Von jeder Silbe die man hier gesagt.
Doch wenn ich melde was die zwei hier trieben,
Wird meine wahre Kunde nicht zum Lug?
Es ist doch ein Verlass in meiner Brust,
Solch eine störrisch starke Zuversicht
Die Zeugenschaft von Aug und Ohr verwirft,
Als täten diese Sinne Lügendienst,
Geschaffen nur um der Verleumdung willen.
War Cressida hier?

Ulys.                               Ich kann nicht zaubern, Trojer.

Tro. Sie wars gewiss nicht.

Ulys.                                   Ganz gewiss, sie wars.

Tro. Mein Leugnen hat doch nicht den Schmack der Tollheit!

Ulys. Auch meins nicht: Cressida war eben hier.

Tro. O glauben wir es nicht, dem Weib zulieb!
Bedenkt, wir hatten Mütter. Gebt nicht Stoff
Verstockten, Krittlern – ohne Grund bereit
Zur Lästrung – das Gesamt-geschlecht zu messen
Nach Cressida! Nein denkt, das war nicht sie.

Ulys. Was tat sie, Prinz, das unsre Mütter schände?

Tro. Nicht das Geringste, wenn sie das nicht war.

Ther. Will er sich aus seinen eignen Augen herausposaunen?

Tro. Dies Cressida? Nein, die ist Diomeds.
Wenn Schönheit Seele hat, ist das nicht sie.
Wenn Seele Schwüre lenkt, wenn Schwüre Weihen,
Wenn Weihen für die Götter Wonnen sind,
Wenn ein Gesetz liegt in der Einheit selbst,
Ist das nicht sie. O Wahn der Überlegung,
Die Gründe aufstellt für und wider sich!
Zwiespältige Ordnung! wo Vernunft sich auflehnt
Ohn Unheil, und ihr Fehlen sich Vernunft nennt
Ohn Aufruhr: Ists und ist nicht Cressida?
In meiner Seele wütet eine Schlacht
So fremder Art, dass ein unscheidbar Ding
Mehr auseinanderklafft wie Erd und Himmel,
Und dass die räumige Grösse dieser Kluft
Kein Öhr weit ist zum Einlass einer Spitze,
Wie das zerrissne Web Arachnes fein.
Beweis, Beweis! stark wie des Pluto Tor:
Cressida ist mein, mit Himmelsband verknüpft.
Beweis, Beweis! stark wie der Himmel selbst:
Das Himmelsband ist ab, gelöst, gesprengt
Und mit fünf Fingern anderweit geknüpft.
Der Treue Trümmer, Abhub ihrer Liebe,
Die Stücke, Krümeln, Brocken, fettigen Reste
Der abgegessnen Treu sind Diomeds.

Ulys. Kann denn der würdige Troilus gepackt sein
Von halb dem was die Leidenschaft hier spricht?

Tro. Ja, Grieche, und das sei geoffenbart
Mit Lettern, purpurn wie das Herz des Mars
Für Venus loht. Kein Jüngling schwärmte je
Mit so unsterblicher, so steter Seele.
Hör, Grieche: so viel Cressida mir lieb ist,
Mit so viel Wucht hass ich den Diomed.
Mein ist die Schleife die ertragen will . . .
Und wär sein Helm durch Kunst Vulkans geschmiedet,
Mein Schwert zerbeisst ihn. Nicht der grausige Guss
Der bei dem Schiffsvolk Hurrikano heisst,
Zuhauf geballt durch die allmächtige Sonne,
Soll brausen mit mehr Lärm ins Ohr Neptuns
Beim Niedersturz als mein gezücktes Schwert
Auf Diomedes fällt.

Ther. Er will ihn kitzeln für sein Lüstchen.

Tro. O Cressida, falsche Cressida! Falsch, falsch, falsch!
Wenn dein befleckter Name vor sie tritt,
Scheint alle Lüge glänzend.

Ulys.                                             O beherrscht euch!
Eur Ausbruch zieht die Lauscher her.

Äneas tritt auf

Äne. Ich suchte euch seit einer Stunde, Prinz.
Schon waffnet Hector sich in Troja . . . Ajax,
Der euch nach Haus geleiten soll, ist fertig.

Tro. Ich bin bereit, Fürst . . . Gütiger Herr, ade! . . .
Leb wohl, abtrünnige Maid . . . und Diomed,
Setzt einen Turm euch auf, wann ihr mir steht.

Ulys. Ich bring euch bis ans Tor.

Tro. Empfangt verstörten Dank! Troilus, Äneas, Ulysses ab

Ther. Könnt ich nur dem Schuft Diomedes begegnen! Ich wollte krächzen wie ein Rabe: Unglücksrufe, Unglücksrufe! Patroclus wird mir was schenken für die Bekanntgebung dieser Hure: der Papagei tut nicht mehr für eine Mandel als er für eine geeignete Metze. Buhlerei, Buhlerei! Immer Krieg und Buhlerei: das allein bleibt in der Mode. Ein brennender Teufel soll sie holen. Ab.

 

Dritte Szene

Troja – vor Priamus' Palast: Hector und Andromache

And. War je mein Herr so ganz unwirsch gestimmt,
Dass er das Ohr verschliesst vor Warnungen?
Legt ab, legt ab und fechtet heute nicht.

Hec. Ihr zwingt mich euch zu kränken. Geht hinein.
Bei all den ewigen Göttern, lasst mich ziehn!

And. Mein Traum zeigt sicher Unheil an für heut.

Hec. Genug davon!

Cassandra tritt auf

Cas.                         Wo ist mein Bruder Hector?

And. Hier, Schwester: blutigen Sinnes und in Wehr.
Stimm in mein laut und innig Flehen ein,
Lasst knieend uns ihn drängen! denn mir träumte
Von blutigem Wirrwarr, und heut nacht war alles
Nur Schatten und Gestalt von Metzelei.

Cas. O, es ist wahr!

Hec.                         Man blase die Trompete!

Cas. Kein Ruf zur Schlacht, beim Himmel, lieber Bruder!

Hec. Geht fort! die Götter hörten meinen Schwur.

Cas. Kein Gott lauscht hitzigen und törigen Eiden:
Es sind befleckte Weihen, mehr verhasst
Als fleckige Lebern bei der Opferung.

And. O, lasst euch raten! Haltets nicht für fromm
Aus Pflicht zu schaden. Grad so rechtlich wärs,
Um viel zu schenken, tüchtigen Raub zu wünschen
Und stehlen der Barmherzigkeit zulieb.

Cas. Was das Gelübde festigt, ist der Zweck,
Doch nicht zu jedem Zweck hält man Gelübde.
Legt ab, mein Hector!

Hec.                                   Hört mich und seid still!
Mir steht die Ehre fest in Schicksals Sturm.
Das Leben wertet jeder . . . doch der Werte
Hält Ehre für weit werter als das Leben.
  Troilus tritt auf
Nun, junger Mann, gedenkst du heut zu fechten?

And. Cassandra, ruf den Vater, ihm zu raten. Cassandra ab

Hec. Nein, junger Troilus. Weg den Harnisch, Knabe!
Die ritterliche Ader spüre ich heut:
Lass deine Sehnen wachsen, bis sie stark sind,
Und trau dich noch nicht ins Gewühl des Kriegs.
Leg ab und geh, und zweifle nicht, mein Sohn:
Heut schütz ich dich und mich und Ilion.

Tro. Bruder, ihr habt ein Laster des Erbarmens
Das mehr dem Löwen ansteht als dem Mann.

Hec. Welch Laster, lieber Troilus? Schilt mich drum.

Tro. Oft wenn gefangne Griechen schon gestürzt
Im Wehn und Sausen eures guten Schwerts,
Rieft ihr: steht auf und lebt!

Hec. Aus Rittersinn.

Tro.                           Aus Widersinn, beim Himmel!

Hec. Nun, nun, wieso?

Tro.                               Bei aller Götter Gunst!
Lasst diesen Klausner Mitleid unsern Müttern,
Und wenn wir unsre Rüstung angeschnallt,
Dann reite hitzige Rache unsre Schwerter,
Das Mitleid zügelnd, sporne sie zu Leid!

Hec. Pfui, Wilder, pfui!

Tro.                               Dann, Hector, ist erst Krieg.

Hec. Troilus, ich sähe gern dich heut nicht fechten.

Tro. Wer soll mich hindern?
Nicht Schicksal, Mannszucht, noch die Hand des Mars,
Wenn sie mir Umkehr winkt mit lohem Stab,
Nicht Priamus und Hecuba auf Knien,
Von Tränenflut die Augen über-wund,
Noch ihr, mein Bruder, der sein treues Schwert
Als Hemmnis nach mir zückt, wehrt mir den Weg –
Erst müsst ich fallen.

Cassandra kommt zurück mit Priamus

Cas. Ergreif ihn, Priamus, und halt ihn fest!
Er ist dein Stab: verlierst du deine Stütze –
Du angelehnt an ihn, an dich ganz Troja –
So stürzt ihr allesamt.

Pria.                                   Komm, kehr um, Hector!
Dein Weib sah Traum-spuk, deine Mutter Geister,
Cassandra weissagt und ich selber muss,
Wie ein Prophet mit einem Mal verzückt,
Dir künden, dieser Tag ist unheilvoll.
Deshalb kehr um!

Hec.                             Äneas ist im Feld,
Und vielen Griechen hab ich gradezu
Der Tapferkeit Versprechen abgegeben
Heut früh zu kommen.

Pria.                                     Doch du sollst nicht gehn.

Hec. Versprechen muss ich halten.
Ihr kennt mich als gehorsam, teurer Vater:
Drum lasst mich nicht der Ehrfurcht spotten, heisst mich
Den Weg mit eurem Wunsch und Jawort gehn
Den ihr mir hier verwehrt, erhabner Priam!

Cas. O Priamus, gib ihm nicht nach!

And.                                                   Nein, Vater!

Hec. Andromache, ich bin erzürnt auf euch.
Bei eurer Liebe zu mir, geht hinein! Andromache ab

Tro. Die tolle, abergläubische Träumrin schafft
All dies Gewarne!

Cas.                             O, fahr wohl, mein Hector!
Schau hin: du stirbst. Schau hin: dein Auge bricht.
Schau hin: aus mancher Öffnung rinnt dein Blut.
Horch: Troja heult. Laut jammert Hecuba.
Andromache, die arme, kreischt vor Schmerz.
Sieh hin: Zerrüttung, Wahnsinn und Entsetzen
Wie blöde Schalksnarrn rennen durcheinander
Und schreien: Hector! Hector tot! o Hector!

Tro. Hinweg! hinweg!

Cas. Leb wohl! doch sanft! Hector, gib mir die Hand.
Du trügst dich selbst und unser ganzes Land. Ab.

Hec. Ihr seid entsetzt, mein Fürst, durch ihr Geschrei.
Geht, macht dem Volke Mut. Wir ziehn zur Schlacht.
Ruhmwürdige Taten meld ich euch heut nacht.

Pria. Fahr wohl: der Götter Obhut schirme dich!

Priamus und Hector einzeln ab

Tro. Man kämpft schon. Frecher Diomedes, glaubt:
Mein Arm ficht um mein Pfand, bis ihr ihn raubt.

Pandarus tritt auf

Pan. Hört doch, Herr, hört doch!

Tro. Was denn?

Pan. Hier ist ein Brief von jenem armen Mädchen.

Tro. Lasst mich lesen.

Pan. Eine verflixte Schwindsucht, eine verflixt niederträchtige Schwindsucht plagt mich so, und das dumme Schicksal von diesem Mädchen . . . und mal das eine, mal das andre, dass ich euch nächster Tage abgehen werde. Und obendrein hab ich einen Fluss in den Augen und ein solches Reissen in den Knochen, dass man verhext sein muss, sonst wüsst ich nicht was es bedeutet . . . Was sagt sie da?

Tro. Nur Worte, lauter Worte, nichts von Herzen.
Die Wirkung kommt heraus auf anderm Weg . . .
  Zerreisst den Brief
Geht, Wind zu Wind, kehrt euch und dreht mit ihm.
Die meine Liebe stopft mit Wort und Trug
Tut einem andren mit dem Werk genug. Ab.

 

Vierte Szene

Ebene zwischen Troja und dem griechischen Lager – Getümmel – Ausfälle: Thersites

Ther. Nun katzbalgen sie sich gegenseitig: ich will mirs ansehn. Der heuchlerische, abscheuliche Gesell Diomed hat die Schleife jenes lausigen vernarrten dummen jungen Kerls von Troja auf seinen Helm getan: ich möchte gern sehn wie sie sich treffen. Der besagte junge trojanische Esel der die Hure dort liebt sollte diesen schuftigen Hurenjäger von Griechen mit der Schleife heimschicken zu der heuchlerischen liederlichen Vettel mit einer ungeschliffenen Botschaft . . . Auf der andern Seite zeigt sich dass das feine Spiel dieser listigen schwörenden Tröpfe – der schale alte mäuse-zerknabberte Magerkäse Nestor und jener Fuchs Ulysses – keine Brombeere wert ist. Da hetzen sie mit ihrem feinen Spiel den Bastardköter Ajax gegen diesen ebenso schlechtrassigen Hund Achilles, und jetzt ist der Köter Ajax noch frecher als der Köter Achilles und will heut nicht fechten. Und nun heben die Griechen die Barbarei auf den Schild und das feine Spiel kommt in Verruf . . . Still, da kommt der Herr Schleife und der andre.

Diomedes tritt auf, Troilus folgt

Tro. Flieh nicht! Denn wenn du auch den Styx erreichst,
Ich schwimme nach.

Dio.                                 Du nennst den Rückzug falsch:
Das ist nicht Flucht . . . nur nützlicher Bedacht
Entrückte mich der Übermacht der Menge.
Ich bin dabei.

Ther. Halte deine Hure, Grieche! Jetzt für deine Hure, Trojer! Jetzt die Schleife! jetzt die Schleife!

Troilus und Diomedes fechtend ab – Hector tritt auf

Hec. Wer bist du, Grieche? Bist du Hectors wert?
Bist du von Stand und Ehre?

Ther. Nein, nein! ich bin ein Tropf, ein schäbiger, schimpfender Tropf, ein ganz schmutziger Schuft!

Hec. Ich glaub dir. Lebe! Ab.

Ther. Gott sei Dank, dass du mir glauben willst. Aber die Pest breche dir den Hals, dass du mich erschreckt hast . . . Was ist aus den Menscher-kerlen geworden? Ich denke, sie haben einander verschlungen. Über das Wunder müsst ich lachen. Doch freilich frisst die Buhlerei sich selbst. Ich will sie suchen. Ab.

 

Fünfte Szene

Anderer Teil des Schlachtfeldes: Diomedes und sein Diener

Dio. Geh, geh, mein Knappe: nimm des Troilus Pferd,
Das schöne Ross bring Fräulein Cressida.
Entbiete ihrer Schönheit meinen Dienst,
Sag dass ich den verliebten Trojer strafte
Und ihr bewährter Ritter bin.

Dien.                                             Ich gehe, Herr. Ab.

Agamemnon tritt auf

Aga. Nochmals! nochmals! Der wilde Polydamas
Schlug Menon nieder. Bastard Margarelon
Nahm Doreus fest und steht wie der Koloss,
Den Baumstamm schwingend, auf zermalmten Leibern
Der Könige Epistrophus und Cedius . . .
Polyxenes erlag . . .
Thoas, Amphimachus todwund . . . Patroclus
Fiel oder ist gefangen . . . Palamedes
Schwerwund gequetscht. Der grausige Bogenschütz
Bleicht unsre Scharen. Eilig, Diomed!
Kommt nicht Verstärkung, sind wir all verloren.

Nestor tritt auf

Nes. Geht, tragt Patroclus' Leichnam zu Achill . . .
Die Schnecke Ajax waffne sich aus Scham!
Ein ganzes Tausend Hectors steht im Feld:
Hier ficht er von dem Rosse Galathee . . .
Dort braucht man ihn, gleich ist er dort zu Fuss:
Dann flieht und stirbt man dort, wie schuppige Schwärme
Vorm speienden Walfisch, und dann steht er drüben
Und vor ihm fallen, reif für seine Schneide,
Die griechischen Halme wie des Mähders Schwad.
Hier, dort und überall lässt er und nimmt.
Behendigkeit entspricht so sehr dem Drang,
Dass was er will er schafft und solches schafft,
Dass vorm Beweis man sagt: Unmöglichkeit.

Ulysses tritt auf

Ulys. O Mut, ihr Fürsten, Mut! Der Held Achill
Bewaffnet sich, flucht, jammert und schwört Rache.
Patroclus' Tod erweckt sein schläfrig Blut –
Und sein verstümmelt Myrmidonen-volk,
Das ohne Nas und Hand, zerfleischt, zerhackt,
Ihm naht und »Hector« heult. Ajax verlor
Den Freund . . . er schäumt und stürmt bewaffnet ein,
Brüllend nach Troilus, der heut vollführt
Ganz wilde und wahnsinnige Metzelei,
Der sich hineingestürzt und sich befreit
So sorglos kraftvoll und so schwach besorgt,
Als hiesse ihn das Glück, zum Trotz der Klugheit,
In allem siegen.

Ajax tritt auf

Ajax. Troilus, du Memme Troilus! Ab.

Dio.                                                 Ja, dort, dort!

Nes. So, so, wir ziehn zusammen.

Achilles tritt auf

Ach. Wo ist der Hector?
Komm, komm, du Knabenwürger! Zeig die Stirn!
Lern was es heisst Achill in Wut zu treffen.
Hector! Wo ist Hector? Ich such nichts als Hector. Ab.

 

Sechste Szene

Anderer Teil des Schlachtfeldes: Ajax

Ajax. Troilus, du Memme Troilus, zeige dich!

Diomedes tritt auf

Dio. Troilus, hört! Wo ist Troilus?

Ajax.                                             Was willst du?

Dio. Ich will ihn züchtigen.

Ajax. Wär ich der Feldherr, eher liess ich dir
Mein Amt als diese Züchtigung. Troilus, hör! He, Troilus!

Troilus tritt auf

Tro. Verräter Diomed!
Zeig deine falsche Stirne, du Verräter,
Und zahl mit deinem Leben mir mein Pferd!

Dio. Ha, bist du da?

Ajax. Ich kämpf allein mit ihm. Bleib, Diomed!

Dio. Er ist mein Fang . . . ich sehe hier nicht zu.

Tro. Kommt beide, griechische Gauner! Beide heran!

Sie gehen fechtend ab – Hector tritt auf

Hec. Ei, Troilus? Brav gekämpft, mein jüngster Bruder!

Achilles tritt auf

Ach. Nun find ich dich. Ha, Hector, nun heran! Sie fechten

Hec. Mach eine Pause, wenn du willst.

Ach. Lass deine Höflichkeit, du stolzer Trojer!
Sei froh dass meine Waffen ausser Dienst.
Mein Ruhn und Säumen kommt dir jetzt zugut,
Doch du sollst gleich von mir aufs neue hören.
Bis dahin such dein Heil. Ab.

Hec.                                         Gehab dich wohl.
Du wärest als weit Frischerem mir begegnet,
Hätt ich mich dein versehen . . . Nun, mein Bruder?

Troilus kommt zurück

Tro. Ajax fing den Äneas. Soll das sein?
Nein, bei dem Licht des herrlichen Himmels dort!
Er soll ihn nicht behalten: ich befrei ihn,
Sonst fange man mich auch! Schicksal, merk auf:
Heut sei mirs recht, du endest meinen Lauf! Ab.

Ein Mann in prächtiger Rüstung tritt auf

Hec. Steh, Grieche, steh! Du bist ein stattlich Ziel.
Nein, willst du nicht? Dein Harnisch sagt mir zu.
Ich will ihn brechen, alle Nieten sprengen,
Wenn er nicht mein wird. Tier, bist du so schnell?
Flieh nur! ich will dich jagen für dein Fell. Ab.

 

Siebente Szene

Anderer Teil des Schlachtfeldes: Achill mit Myrmidonen

Ach. Kommt hier um mich, ihr meine Myrmidonen!
Merkt auf mein Wort: wohin ich sause, folgt!
Führt keinen Streich, dass ihr bei Atem bleibt,
Und wenn ich auf den blutigen Hector stiess,
Zäunt ihn mit euren Waffen ringsum ein.
Gebraucht auf grimmste Weise euren Arm.
Folgt mir, dass jeder mich im Aug behält.
Es ist bestimmt: der grosse Hector fällt. Ab.

 

Achte Szene

Anderer Teil des Schlachtfeldes: Menelaus und Paris fechtend, dann Thersites

Ther. Der Hahnrei und der Hahnreimacher sind am Werk. Drauf, Bulle! Drauf, Hund! Drauf, mein Spatz mit dem Doppelweibchen! Hetz, Paris, hetz! Der Bulle gewinnt. Achtung: Hörner! Juchhe!

Paris und Menelaus ab – Margarelon tritt auf

Mar. Sklav, wende dich und ficht!

Ther. Wer bist du?

Mar. Ein Bastardsohn des Priamus.

Ther. Ich bin auch ein Bastard. Ich liebe Bastarde. Ich bin geborener Bastard, gelernter Bastard, Bastard an Sinn, Bastard an Mut, in allem unehelich. Ein Bär beisst den andern nicht: warum sollte es ein Bastard? Nimm dich in acht, der Streit ist verhängnisvoll für uns: wenn der Sohn einer Hure für eine Hure kämpft, so fordert er die Gerechtigkeit heraus. Leb wohl, Bastard. Ab.

Mar. Der Teufel hol dich, Memme! Ab.

 

Neunte Szene

Anderer Teil des Schlachtfeldes: Hector mit dem Erschlagenen im schönen Panzer

Hec. Ganz fauliger Kern, nur äusserlich so schön:
Dein prächtiger Panzer kostet dich dein Leben . . .
Nach solchem Tagwerk tut Verschnaufen gut:
Ruh, Schwert! du trankst dich satt an Tod und Blut.

Er tut den Helm ab und legt sein Schwert beiseit – Achilles mit den Myrmidonen tritt auf

Ach. Sieh, Hector, wie bereits die Sonne sinkt
Und düstre Nacht um ihre Fersen wallt!
Grad wie die Sonne untergeht und bleicht
Am Schluss des Tags, des Hector Leben weicht.

Hec. Ich bin entwaffnet: nutz dies nicht, Achill!

Ach. Trefft, Burschen, trefft: der ist es den ich will, Hector fällt
So fall auch Ilion! Troja, nun stürz ein!
Hier liegt dein Herz, dein Nerv und dein Gebein . . .
Auf, Myrmidonen, ruft mit aller Macht:
Achilles hat den Hector umgebracht . . .
Man hört zum Rückzug blasen bei den Griechen.

Myrmidonen. Von Troischen Trompeten gleichfalls, Herr.

Ach. Die Nacht mit Drachenschwingen deckt die Erde
Und trennt die Heere einem Schiedsmann gleich . . .
Mein Schwert, halbsatt, das gern sich ganz geletzt,
Froh dieses leckern Bissens, legt sich jetzt . . .
Kommt, schnürt ihn fest an meines Rosses Schweife,
Dass ich den Trojer durchs Gefilde schleife. Ab.

 

Zehnte Szene

Anderer Teil des Schlachtfeldes: Agamemnon, Ajax, Menelaus, Nestor, Diomedes und andre auf dem Marsch

Aga. Horch, horch! welch ein Gejauchze!

Nes.                                                           Trommeln, schweigt!

    Rufe draussen: Achill! Achill! Hector ist tot! Achill!

Dio. Man schreit, Hector ist tot, und durch Achill.

Ajax. Wenn dem so ist, prahlt dennoch nicht so sehr:
Held Hector war ein Mann so gut wie er.

Aga. Zieht langsam eures Wegs., schickt zu Achill,
Ob er in unsrem Zelt uns treffen will . . .
Wenn seinen Tod der Götter Gunst uns sendet,
Ist Troja uns, der heisse Krieg geendet. Ab.

 

Elfte Szene

Andrer Teil des Schlachtfeldes: Äneas mit troischen Truppen

Äne. Steht fest, ihr! Noch sind wir die Herrn im Feld. Kein Rückzug! Hungern wir die Nacht hier aus.

Troilus tritt auf

Tro. Hector ist tot.

Alle.                       Hector? Verhütets, Götter!

Tro. Er fiel, und an des Rosses Schweif zerrt viehisch
Sein Mörder ihn durch das beschämte Feld.
Grollt, Himmel! Schnell entladet eure Wut!
Sitzt auf den Thronen, Götter, lacht auf Troja,
Ja, euren schnellen Stoss lasst Gnade sein
Und schleppt den sichern Untergang nicht hin!

Äne. Prinz, ihr entmutigt unser ganzes Heer.

Tro. Ihr missversteht mich, wenn ihr also sprecht.
Ich rede nicht von Flucht, von Furcht, von Tod.
Ich trotze jedem Dräun drin Gott und Mensch
Ihr Schrecknis kleiden. Hector ist dahin.
Wer sagt dies Priamus und Hecuba?
Wer ewig Unglückseule heissen will
Der mach in Troja kund: Hector ist tot.
Dies Wort verwandelt Priamus in Stein,
Macht Frau und Maid zur Niobe, zur Quelle,
Zum starren Bild den Jüngling – kurz gesagt:
Bringt Troja ausser sich. Doch auf, zieht fort!
Hector ist tot. Es braucht kein weitres Wort.
Verweilt noch . . . Ihr verruchten schnöden Zelte,
So frech gepflöckt auf unsrem phrygischen Plan:
Erhebe Titan sich, so früh er mag –
Ich dringe durch und durch . . . Und du breitknochiger Tropf,
Kein Raum der Erde trenne unsren Hass!
Ich jage stets dich wie ein bös Gewissen,
Das Albe schafft schnell wie der Fieberwahn . . .
Blast laut zum Marsch nach Haus. Fasst euch ein Herz:
Der Rache Hoffnung berge unsren Schmerz.

Äneas mit den Trojanern ab – während Troilus abgehen will, tritt von der andern Seite Pandarus auf

Pan. Hört doch! Hört doch!

Tro. Fort, Makler, Knecht! es hänge Schimpf und Schmach
Dein Lebtag dir und deinem Namen nach. Ab.

Pan. Eine hübsche Arznei für meine Knochenschmerzen! O Welt, Welt! So stösst man den armen Vermittler beiseite. O Verräter und Kuppler, wie eifrig schickt man euch an die Arbeit und wie übel vergilt man euch! Warum findet man nur unsre Mühe so wünschenswert und unsre Leistung so widerwärtig? Gibts keinen Reim darauf? Gibts kein Gleichnis dafür? Lasst sehn:

Die Hummel ganz vergnüglich musiziert,
Bis Honig oder Stachel sie verliert.
Hat sie im Kampfe eingebüsst den Schwanz,
Fehlt süsser Sang und süsser Honig ganz.

Ihr lieben Händler im Fleische, schreibt euch das an eure Wand.

Ihr all hier, die ihr passt in Pandars Stall,
Weint euch – schon halb – ganz blind bei Pandars Fall.
Könnt ihr nicht weinen, seufzet ein paar Mal,
Wenn nicht um mich, um eurer Glieder Qual.
Brüder, die ihr das Türsteh-handwerk kennt,
Heut in acht Wochen mach ichs Testament.
Ich tat es jetzt, doch kam die Furcht dazwischen,
'ne böse Gans von Winchester könnt zischen.
So schwitz ich erst und pflege mich aufs beste
Und dann vermache ich euch mein Gebreste. Ab.

 


 


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