William Shakespeare
Ein St. Johannis Nachts-Traum
William Shakespeare

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Zweyter Auftritt.

Theseus, Hippolita, Egeus und Gefolge.

Theseus.
Geh' einer von euch, sucht den Forster auf,
Denn unsre Mayen-Andacht ist geendigt;
Und weil die Dämm'rung günstig ist, soll izt
Hippolita die Musik meiner Hunde hören.
Eilt, hohlt den Forster, und entfesselt sie.
Wir wollen, meine schöne Königin,
Auf dieses Berges Gipfel steigen, und
Von da die musicalische Verwirrung
Vom Laut der Hunde mit dem Nachhall hören.

Hippolita.
Ich war mit Herkules und Cadmus einst
Als sie in einem Walde von Dictynna
Den Bären mit Spartanischen Hunden hezten.
Nie hört' ich solch ein prächtiges Getöne.
Nicht nur die Büsche, Luft, und Berg, und Quellen,
Die ganze Gegend schien ein einziges
Zusammenstimmendes Geschrey. Ich hörte nie
Solch eine musicalische Dissonanz,
Solch einen anmuthsvollen Donner.

Theseus.
Auch meine Hunde sind von Spartas Art,
So kurz von Haar, so barticht, so mit Ohren,
Die, schlapp und niederhangend von dem Grase
Den Thau wegwischen, krumm von Knie, und hautig
Am Halse wie Thessaliens Stiere, langsam
Im Jagen, aber wie ein Glokenspiel
Im Laut gestimmt, stets einer unter'm andern.
Nie ward ein schöneres Getön in Creta,
Noch Sparta, noch Thessaliens Plänen,
Vom Jagdgeschrey und Hifthorn aufgemuntert.
Urtheile, wenn du hörst. Doch still, was sind
Für Nymphen hier?

Egeus.
                                Mylord, es ist mein Mädchen;
Diß Helena, des alten Nedars Tochter;
Und diß Lysander, diß Demetrius, alle
Schlafend! Mich wundert, wie sie hier zusammen
Gekommen.

Theseus.
                    Ohne Zweifel standen sie
Früh auf, die festlichen Gebräuche
Des Mayen zu begeh'n, und auf die Nachricht
Von unserm Vorsaz kamen sie hieher
Um unsre Feyrlichkeit zu zieren.
Doch, sprich Egeus, ist diß nicht der Tag,
An welchem Hermia ihre Wahl entdeken soll?

Egeus.
Er ists.

Theseus.
Geh', laß die Jäger sie mit ihren Hörnern weken.

(Hifthörner und Jagdgeschrey innerhalb der Scene.)

Demetrius, Lysander, Hermia und Helena erwachen, und stehen erschroken auf.

Theseus.
Ihr Freunde, guten Tag! Sanct Valentin
Ist schon vorbey: Wie, fangen diese Vögel
Erst izo sich zu paaren an?

Lysander.
                                          Vergebung,
Mein königlicher Herr!

Theseus.
                                      Ich bitte, stehet auf
Ich weiß es, daß ihr Feind' und Nebenbuhler seyd.
Woher dann diese Eintracht, und wie kömmt's
Daß Haß, so fern von Eifersucht, bey Haß
In diesem Hayne schläft, und keine Feindschaft fürchtet?

Lysander.
Halb wach, halb schlafend, und ob allem dem
Was mir begegnet, selbst erstaunt, was soll ich
Zur Antwort geben? Glaubet meinem Schwure,
Ich kan nicht sagen, wie ich eigentlich
Hieher gekommen – – Doch mich dünkt, (denn gerne
Wollt ich die Wahrheit sagen) izo, ja!
Besinn' ich wieder mich, so ist's, mit Hermia
Kam ich hieher. Wir wollten von Athen
An einen Ort entflieh'n, wo wir sicher
Vor dem Athenischen Geseze wohnen könnten.

Egeus.
Genug, genug, mein Fürst; ich ford're wieder ihn
Die Strenge des Gesezes, das Gesez
Auf sein verwürktes Haupt! Ihr Vorsaz war
Sich wegzustehlen, und dadurch, Demetrius
Uns beyde zu berauben; deines Weibes, dich,
Mich meiner Einwilligung – –

Demetrius.
                                        Mylord, die schöne Helena
Verrieth mir ihre Flucht, und ihren Vorsaz,
In diesem Hayne sich bey Nacht zu finden;
In Wuth verfolgt' ich sie, mir folgt' aus Liebe
Die schöne Helena! Nun, mein gnädiger Herr,
Durch was für eine Gottheit weiß ich nicht,
Doch ist es wahrlich einer Gottheit Werk,
Daß meine Leidenschaft für Hermia weg
Wie Schnee geschmolzen ist, mir izo nur
Wie die Erinn'rung scheint an eine Puppe,
Wornach ich mich in meiner Kindheit sehnte;
Und aller Trieb', und Kräfte meines Herzens
Einziger Gegenstand, die Wonne meiner Augen
Diß holde Mädchen ist. Ihr, Mylord, war
Ich schon versprochen, eh ich Hermia sah';
Wie uns in Krankheit sonst geliebte Speisen
Oft widersteh'n, so gieng es mir mit ihr:
Doch da ich nun zu meinem vorigen
Natürlichen Geschmak genesen bin;
Nun wünsch ich, lieb ich sie, und sehne mich
Nach ihr, und werd' ihr immer treu verbleiben.

Theseus.
Ihr habt euch, holde Günstlinge der Liebe,
Zu euerm Glük zusammen hier gefunden.
Egeus, nun übertret' ich euern Willen selbst,
Denn dieses Doppel-Paar soll neben uns
Auf ewig am Altar verbunden werden.
Und da der Morgen nun verstrichen ist,
Soll unsre Jagd auf eine andre Zeit
Verschoben seyn. Kommt mit uns nach Athen,
Und helft die Feyrlichkeit von unserm Fest vermehren.

(Der Herzog, Hippolita, und Gefolge gehen ab.)

Demetrius.
Diß alles was uns hier begegnet ist,
Scheint klein und unerkennbar, gleich entfernten
Gebürgen, die in Wolken sich verliehren.

Hermia.
Mich dünkt, ich sehe diese Dinge mit
Getheilten Augen, die mir alles doppelt
Erscheinen machen.

Helena.
                                  Eben so ist's mir,
Ich fand Demetrius hier gleich einem KleinodHr. Warbürton findet hier den Text dunkel, und glaubt durch Veränderung des Wortes Jewel (Kleinod) in Gemell (Zwilling) alles deutlich zu machen. Weil ich aber seine Verbesserung weit dunkler finde als den Text, so bin ich bey dem leztern geblieben, der meiner Meynung nach, einen ganz richtigen Sinn darbietet.
Mein eigen, und nicht mein eigen.

Demetrius.
                                                    Mich dünkt's
Wir schlafen, träumen noch. Kam's euch nicht vor,
Der Herzog sey hier, und heiß' uns folgen.

Hermia.
Ja, und mein Vater.

Helena.
                              Und Hippolita.

Lysander.
Und sagt uns, in den Tempel ihm zu folgen.

Demetrius.
Wie denn, so wachen wir; laßt uns ihm folgen,
Und unterwegs uns unsre Träum' erzählen.

(Sie gehen ab.)


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