William Shakespeare
Ein St. Johannis Nachts-Traum
William Shakespeare

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Siebender Auftritt.

Hermia zu den vorigen.

Hermia.
Die Nacht entsezt das Auge seines Amtes,
Und macht des Ohrs Empfindung desto schärfer.
Was sie dem Sehen raubt, ersezet sie
Dem Sinn des Hörens zweyfach. O Lysander,
Mein Auge sucht dich lang' und fand dich nicht;
Allein mein Ohr, Dank sey ihm, brachte mich,
Auf deiner Stimme Spur, zu dir. Warum,
Warum verließst du so unzärtlich mich?

Lysander.
Wie konnt ich bleiben, da die Liebe mich
Zu gehen trieb?

Hermia.
                        Welch eine Liebe konnte
Lysandern weg von meiner Seite treiben?

Lysander.
Lysanders Liebe, die ihm nicht erlaubte
Fern von der schönen Helena zu bleiben,
Die mehr die Nacht vergüldt,
Als alle jene feuerreichen Augen
Des Himmels. Warum suchest du mich noch?
Erklärte nicht die Sache selbst dir deutlich,
Es sey der Haß zu dir, der mich dich fliehen machte.

Hermia.
Du sprichst nicht wie du denkst, es kan nicht seyn.

Helena.
Seh't, sie ist eine von dem edeln Bündniß;
Nun seh' ich, alle drey vereinten sich
Durch diese Mummerey mich zu verhönen.
Boshafte Hermia, undankbares Mädchen,
Was hab' ich dir gethan, daß du dich auch
Zu ihnen schlägst, ein Spiel aus mir zu machen?
Ist alle Freundschaft, die wir einst uns weyhten;
Ist die Vertraulichkeit, die schwesterlichen
Gelübd'; und jene Stunden, da wir ungern
Uns scheidend, die zu schnelle Zeit beschalten;
O! Ist diß alles, alles schon vergessen,
Die Schultags-Freundschaft, und die spielende
Schuldlose Liebe unsrer frohen Kindheit?
Da, Hermia, schuffen wir mit unsern Nadeln
Gleich zween kunstvollen Göttern eine Blume,
Nach einem Riß, auf einem Polster sizend;
Und gurgelten nach einer Melodie
Ein muntres Lied, die Arbeit zu beleben;
Als wären unsre Händ' und Stimm' und Herzen
Verkörpert, nur Ein Leib, beseelt von unsrer Liebe.
So wuchsen wir, wie eine Doppel-Kirsche
Getheilt zwar scheinend, doch in Eins verwachsen
Beysammen auf; zwo anmuthsvolle Beeren,
An einem Stiele reiffend; so zwey Leiber
Dem Scheine nach, doch nur ein Herz in beyden.
Und willt du, kanst du unsre alte Liebe
Vergessen, und um deiner armen Freundin
Zu spotten, dich zu Männern zugesellen?
O! das ist nicht freundschaftlich, nicht jungfräulich
Gehandelt; du verschuldest dich an unserm
Geschlechte, nicht an mir allein, obgleich
Nur ich allein die bittre Kränkung fühle.

Hermia.
Dein hiziges Reden sezt mich in Erstaunen!
Nicht ich, du, scheint's, beleidigst mich!

Helena.
Hast du Lysandern nicht, mir nachzugehen,
Und mein Gesicht und meine Augen
Zu preisen, aufgestiftet? Hast du nicht
Demetrius, deinen andern Freund, der erst
Mich noch mit seinem Fusse von sich stieß,
Gereizt, mich Göttin, Nymphe, überirdisch,
Himmlisch zu nennen? Warum sagt er so
Zu einer die er haßt? Warum verläugnet
Lysander deine Liebe, die sein Herz
Doch ganz erfüllt, und sagt mir Süssigkeiten,
Als, weil du sie gereizt, und eingewilligt?
Wie? wenn ich gleich nicht so begünstigt bin,
Wie du; nicht so beglükt, und so mit Liebe
Behangen, ja von meinem Unstern gar
Zur Schmach verurtheilt, ungeliebt zu lieben;
Diß sollte dich vielmehr zu sanftem Mitleid
Als zu Verachtung reizen! – –

Hermia.
                                        Ich verstehe nicht,
Was du mit allem diesem meyn'st – –

Helena.
                                                    So recht!
Fahr immerfort, verstelle deine Minen,
Zieh' Mäuler gegen mich, wenn ich mich drehe,
Winkt euch einander zu! o haltet ja
Diß schöne Spiel recht aus, es ist der Chronik würdig.
Wenn ihr ein fühlend menschlich Herz, ja nur
Manieren hättet, würdet ihr aus mir
Den Inhalt eines solchen Spiels nicht machen.
Jedoch der Fehler ist zum Theil an mir;
Bald soll Entfernung oder Tod ihn heilen.

Lysander.
Steh', holde Helena! hör', o hör' mich an!
Mein Licht, mein Leben, meine schönste Liebe!

Helena.
Vortrefflich!

Hermia.
                    Lieber Freund, verspotte sie nicht so.

Demetrius.
Vermag ihr Bitten nichts, so kan ich zwingen.

Lysander.
Du kanst es so, wie sie erbitten kan.
Dein Droh'n hat nicht mehr Kraft als ihre schwache Bitten.
Helena, ich liebe dich; bey meinem Leben,
Ich liebe dich; bey dem was ich für dich
Verliehren will, dem der es widerspricht
Es zu beweisen, daß er lügt – –

Demetrius.
                                                Ich sage,
Ich liebe dich weit mehr als er dich liebt.

Lysander.
Wenn du das sagst, so komm es zu beweisen.

Demetrius.
Nur gleich – –

Hermia.
                    Lysander, wozu soll diß alles?

Lysander.
Aus meinem Weg, du Mohr!

Demetrius.
                                            Besorge nichts,
Er thut nur so dergleichen; es ist nicht
Sein Ernst mit mir zu kommen – – Geh', Lysander,
Du bist ein zahmer Mann – –

Lysander zu Hermia.
Hinweg du Kaze, du Klette, du nichtswürdigs Ding;
Laß mich, sonst schleudr' ich dich wie eine Schlange
Von mir hinweg – –

Hermia.
Warum so rauh? welch eine Änd'rung
Ist das, mein Herz!

Lysander.
Dein Herz? Fort, du schwarzgelber Tartar, fort,
Du ekelhafte Medicin, hinweg!

Hermia.
Scherzt ihr, Lysander?

Helena.
Freylich, wie du auch.

Lysander.
Demetrius, ich will dir mein Wort unfehlbar halten!

Demetrius.
Du must mir Bürgschaft stellen, denn ich merke,
Daß deinem Wort nicht viel zu trauen ist.

Lysander.
Wie? soll ich sie denn stossen, schlagen, tödten?
Haß' ich sie gleich, so will ich ihr doch nichts
Zu Leide thun.

Hermia.
                        Und welch ein grösseres Leid
Kanst du mir thun, als hassen? wie? Mich hassen?
Wofür? weh mir! welch eine Neuigkeit!
Bin ich nicht Hermia? Bist nicht du, Lysander?
Ich bin izt noch so schön, als vor so kurzer Weile.
Noch diese Nacht, war ich von dir geliebt,
Und doch, in dieser Nacht verließst du mich!
Warum verliessest du mich? – – (O! die Götter
Verhüten es!) in Ernste, soll ich sagen?

Lysander.
So ists, bey meinem Leben! Ganz in Ernst,
Und mit dem Wunsche, nimmer dich zu sehen.
Sey also ausser Hoffnung, Frag und Zweifel,
Versichre dich's: Nichts kan gewisser seyn,
Ich hasse dich, und liebe Helena.

Hermia.
Weh mir! du Taschenspielerin, wurmstich'ge Blume,
Du Liebes-Diebin, kamst du bey der Nacht,
Mir meines Freundes Herz hinweg zu stehlen?

Helena.
In Wahrheit! fein! – – Hast du denn kein Gefühl
Von Sittsamkeit, von jüngferlicher Schaam?
Willt du von meiner sanften Zunge Worte
Der Ungeduld erzwingen! Schäme dich,
Du angestrichnes Bild, du Puppe, du!

Hermia.
Puppe? wie so? – – Ha, ha! So ligt das Spiel!
Nun merk ich es! Sie hat ihn das Verhältniß,
Von ihrer Länge zu der meinigen,
Bemerken lassen; sie hat ihre Höhe
Gelten gemacht, und ihm mit ihrer
Person, mit ihrer langen aufgeschoßnen
Person, bey meiner Treu! mit ihrer Höhe
Das Herz genommen – – Seyd ihr darum also
So hoch in seiner Gunst emporgewachsen,
Weil ich so klein, so Zwergen-mässig bin?
Wie klein bin ich? Du Bohnenstikel, sprich,
Wie klein bin ich? Ich bin doch nicht so klein,
Daß meine Nägel nicht an deine Augen reichen.

Helena.
Ihr Herr'n, ich bitte euch, so gram ihr mir
Auch seyn mög't, laßt sie mich nicht schlagen!
Ich war nie zänkerisch, und habe gar
Gar keine Gabe mich mit ihr zu rauffen.
O! laßt sie nicht an mich! Ihr denkt vielleicht,
Weil sie um etwas kleiner ist als ich,
Ich könnte sie bezwingen – –

Hermia.
                                        Kleiner! horcht!
Schon wieder! – –

Helena.
                          Liebe Hermia, sey doch nicht
So bitter gegen mich. Ich liebte dich
Ja immerdar, that dir nie was zu Leide;
Und schloß, was du mir anvertrautest, schweigend
In meinen Busen, ausser dißmal nur
Diß einzige mal entdekt' ich deine Flucht
In diesen Wald, Demetrio, den ich liebe.
Er folgte dir. Aus Liebe folgt' ich ihm,
Allein er schalt mich fort, und drohte mir
Mich wegzustossen, ja mich gar zu tödten.
Und nun, wenn ihr mich ruhig gehen lasset,
Nun will ich meine Thorheit nach Athen
Zurüke tragen, und euch nicht mehr stören.
O! laßt mich geh'n! Ihr seh't, was für ein schwaches
Einfältigs Ding ich bin.

Hermia.
                                      Geh' deines Weges,
Wer hindert dich?

Helena.
Ein thöricht Herz, das ich zurüke lasse.

Hermia.
Wie? Bey Lysander?

Helena.
                                    Bey Demetrius.

Lysander.
Sey ohne Furcht, sie soll kein Leid dir thun
Geliebte Helena! – –

Demetrius.
                              Nein, Herr! sie soll nicht,
Ob du dich gleich zu ihrem Schüzer aufwirfst.

Helena.
O! wenn sie zornig ist, so ist sie kühn;
Sie war ein böses Ding, wie sie zur Schule gieng;
Und hat, so klein sie ist, so viele Stärke.

Hermia.
Schon wieder klein, und nichts als klein und klein.
Wie könnt ihr leiden, daß sie so mich höhne?
Laßt mich an sie! – –

Lysander.
                              Geh', pake dich, du Zwerg,
Du Minimus, aus Besem-Kraut gemacht;
Du Eichel, du, du Paternoster-Kralle.

Demetrius.
Ihr seid allzudienstfertig, Herr Lysander,
Für eine die sich eurer Dienste weigert.
Laß sie allein, sprich nicht von Helena,
Und laß sie unbeschüzt; denn wenn du dich
Noch einmal untersteh'st von deiner Liebe
So wenig als es sey, ihr anzutragen,
So sollt du es bereun.

Lysander.
                                  Izt hält sie mich nicht mehr;
Nun folge, wenn du darfst, es wird sich zeigen,
Ob dein Recht, oder mein's an Helena
Das Stärk're ist.

Demetrius.
Dir folgen? Nein, ich will dich Stirn' an Stirne
Begleiten – – Komm!

(Lysander und Demetrius gehen ab.)

Hermia.
Ihr, Frauenzimmer, aller dieser Lerm
Ist eure Schuld – – Nein, geh' nicht fort! – –

Helena.
Ich traue dir nicht, ich, noch werd' ich länger
In deiner zänkischen Gesellschaft bleiben.
Zum Rauffen hast du schnellere Händ' als ich,
Doch zum Entlauffen hab' ich längere Beine.

(Sie gehen ab. Hermia verfolgt Helena.)


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