Willy Seidel
Die Himmel der Farbigen
Willy Seidel

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Exotismus in deutscher Literatur

Von Robinson Crusoe, dem schlichten Matrosen, führt eine ziemlich direkte Linie zur »Schatzinsel« Stevensons und zum »Goldkäfer« Poes. Es ist ein Urbedürfnis des in europäisch begrenzte Existenzform eingespannten Menschen, sich für ein paar farbige Stunden über den grauen Stumpfsinn der Tretmühle hinwegzutäuschen und geistig hemmungslos ein wenig von dem zu naschen, was eine ungebundenere Daseinsform ihm vielleicht beschert hätte. Die Atmosphäre für den ersten Robinson war gegeben. Die gebildete Welt, zügellos und doch der selbst auferlegten Fesseln sich halb bewußt, die ihr das Lebenszeremoniell des achtzehnten Jahrhunderts auferlegte, begrüßte diesen neuen Odysseus im Blätterschurz (so verschieden von seinen früheren Kollegen, die mit allem Aufwand barocken Stils gereist) mit der halb erschreckten, halb entzückten Neugierde der Nausikaa. Diese Prinzessin war zwar diesmal nicht antik und verließ sich nicht nur aufs Gefühl, sondern sie war kritisch, sogar »aufgeklärt«; sie nahm den Dulder hin als pittoreske Besonderheit und erhob die Natur mit ihm zum Schlagwort. Auf diese Weise erklären sich Defoes ungeheure Popularität und die Flut der Nachahmungen.

Zunächst waren all diese schiffbrüchigen Lebenskünstler nur Variationen des Originals, bewirkten aber selbst noch in ihrer fortschreitenden Verflachung und Versalbaderung, daß das Moment des Exotischen dauernd als Bestandteil der Literatur anerkannt und gepflegt wurde. Paul und Virginie spielten in Westindien miteinander die unschuldigen Scherze von Daphnis und Chloe, wenn auch gewissermaßen mit ein wenig pietistischer Vorsicht. Seumes »edler Kanadier« schlug sich mit deutlicher Absage an alle Verfeinerungen in die Büsche. Bertuchs Bilderbuch setzte unzerstörbare Begriffe des Fremdartigen in das Hirn der Kinder, Cooper begann seine europäischen Triumphzüge, um als letzter Aufguß viele Jahrzehnte darauf im Vorstellungskreis Karl Mays seine Auferstehung zu feiern. Die Humboldts rückten die neue Welt näher heran mit wissenschaftlicher Durchdringung und schufen dadurch das Prototyp des »Philosophischen Reisetagebuches«, und endlich brachte Chamisso, der Südseefahrer, Urbild des Globetrotters, als letzte verfeinerte Blüte auf dem verzweigten, doch schon ausgelaugten Stamm der Robinsonaden sein »Salas y Gomez« hervor.

Naturgemäß ging der Uranstoß zu Abenteuerromanen, soweit sie in den neueren Begriff »Roman« einzureihen sind, vom Angelsachsentum aus, das seit der Besitzergreifung des »Van-Diemens-Landes« mit dem Orient häufiger und intimer in Berührung kam als das abgewirtschaftete Spanien, ganz zu schweigen von der kurzen brandenburgischen Kolonialerfahrung. Exotische Stoffe, die mit der englischen Literatur verknüpft sind, auch nur andeutungsweise zu streifen, ginge weit über den Rahmen der Skizze hinaus. Es können nicht einmal die Befruchtungen angedeutet werden, die die deutsche Literatur von solchen oft verschollenen Vorbildern empfing und umgestaltend verarbeitete.

Ein starker Hang zum Orient macht sich im deutschen Klassizismus mit Wieland geltend. Goethe schuf seinen »Diwan« mit unerhörter Einfühlung in das Wesen der östlichen Seele; waren doch damals nicht besonders viele Zeugnisse arabischer und persischer Dichtkunst bekannt. Die Romantiker ließen sich, seit die französische (freilich auch französierte) Wiedergabe von »Tausendundeine Nacht« existierte, nur allzugern in die üppige Welt locken und fügten bunte Staffagefiguren aus dem Orient in ihre Träume ein. Einstweilen jedoch behielt der gelehrte Arabismus in Deutschland die Oberhand und die Dichter befaßten sich mehr am Schreibtisch und aus einem spielerischen Kostümierungstrieb, wenn ich so sagen darf, mit derlei Stoffen.

Es sollte noch einige Zeit dauern, bis Rückerts »Makamen«, Bodenstedts »Mirza Schaffy« und die Reisen des Sir Richard Burton den Orient wieder greifbar machten als eine von trächtigstem Leben erfüllte Welt, die der Vitalität der Heimat in nichts nachgab. Freilich entstanden auch in dieser Periode Zwitterprodukte, wie gewisse »historische« Romane, die einem germanischen Völkchen die Rolle und das Kostüm schwer kontrollierbarer (weil einige tausend Jahre zurückliegender) Orientalen zumuteten. Mit Bodenstedt jedoch, der in gewissem Sinne ein Enkel des »Diwan« ist, setzt insofern eine neue Epoche in der Betrachtung des Exotischen ein, weil (abgesehen von schon immer existierenden Reisebeschreibungen) dieses das erstemal ist, daß ein deutscher Künstler Selbsterschautes, Selbsterlebtes literarisch verwertet. Denn seine Zeilen und Verse atmen den Geist des Hafis und des Papageienbuches, wenn auch natürlich seine deutsche Tradition durchschimmert.

Der heutige exotische Roman beginnt als ein seinem Wesen und seiner Tendenz nach scharf umrissenes Gebilde mit den Werken des Dänen Johannes V. Jensen und des Angloinders Kipling. Bei dem ersten ist die seiner Rasse eigene Wikinger-Sehnsucht, wie er diese Vorliebe des Fremdländischen nennt, die treibende Kraft. Bei Kipling ist es die ungeheure Erreichbarkeit und Selbstverständlichkeit, mit der das britische Weltreich überall ein Bollwerk errichtet und behauptet, die ihm seinen Weg erleichterte. Auch mag wohl der Imperialismus dieses Dichters mit der Dankbarkeit für die Anerkennung verknüpft sein, die ihn schon, während erster Versuche, als indischen Redakteur begleitet hat. Wiewohl er nämlich väterlicherseits Engländer war, spukte irgendwo eine indische Ahne in seiner Vorfahrenreihe, die ihm gesellschaftlich sehr hinderlich gefallen wäre, hätte sein Genie nicht diesen »stroke of the tarbrush«, diesen »Spritzer der Teerbürste« (wie der Tory-Ausdruck lautet) hell überleuchtet. Gleichzeitig gab ihm dieser fremde Tropfen wohl auch das große Einfühlungsvermögen in die Seele exotischer Völker. Kipling war auch nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung des modernen französischen Exotismus, wie er sich in Farrère, Pierre Mille oder Loti äußert, obwohl es ihm gleichzutun diesen Franzosen nicht gelingen will, da ihre bestechende Schilderungskunst auch hier in der Oberfläche steckenbleibt. Man kann mit dem an sich blendenden Rüstzeug ihrer Erzählertechnik dem versteckt rauschenden Brunnen östlichen Wesens nicht nahekommen. Es werden gutgeschaute Bilder daraus, die nur von den Sinnen erfaßt und genossen, vom Verstand objektiviert werden; darum dürfen sie oft nur den Reiz der Flimmerleinwand für sich beanspruchen. Typisch dafür ist etwa André Chevrillons »Indien«.

Es ist erklärlich, daß sich der eigentliche Kolonialroman in Deutschland erst richtig entfalten konnte seit der jungen Erwerbung auswärtiger Interessengebiete; und selbst dann zehrte man zunächst an Vorbildern noch; allerdings sehr zum Nutzen deutscher Kunst, da in erster Linie Dänemark, Holland, und schließlich auch England befruchtend wirkten. Bücher wie Dauthendeys »Raubmenschen« oder »Lingam«, Norbert Jacques' »Piraths Insel« und »Funchal« (um nur zwei neuere Autoren zunächst zu nennen) wären undenkbar ohne holländische oder englische Befruchtung. Kellermanns »Tunnel«, diese phantastische Farce, bliebe totgeboren ohne den Einfluß amerikanischer Magazinnovellen. Es fällt bezeichnenderweise bei den zuerst genannten Autoren auf, daß sie undeutsche Namen tragen. Leitet doch Dauthendey seine Herkunft aus dem Schottland Stevensons, und Jacques aus dem halbgallischen Luxemburg her. Aber sie schreiben beide Deutsch, und glänzendes Deutsch dazu. Man möchte dazu neigen (wenn man die paar deutschen Autoren überblickt, die sich erfolgreich in Exotismus bis jetzt versucht haben), für gute Schilderung des Fremdländischen und dessen psychologische Vertiefung eine gewisse Rassenmischung vorauszusetzen. Doch Deutschland beweist, daß es gleich den alten Kolonialmächten Dichter hervorbringen kann, die bodenständig sind und dennoch scharfe Augen für die Eigentümlichkeit des Fernliegenden haben.

Um den spezifischen Wert deutscher »exotischer« Dichtungen näher festzustellen, muß man mit einer Negierung beginnen. Sie sind nie ganz echt, aber nur im besten Sinn gesprochen. Ebenso wie Kiplings beste Produkte noch den englischen Puritanismus atmen, freilich in versteckter und dem künstlerischen Genuß nie hinderlicher Form, so zeigen gewisse deutsch-exotische Romane spezifisches Deutschtum. Sie betonen nämlich auf ihre Weise, daß eine Loslösung vom europäischen Begriffsvermögen selbst bei größter Einfühlung ins Fremde nie ganz möglich ist, und stempeln eben diese Unfähigkeit der Loslösung zum Objekt ihrer Betrachtung. Sie schildern zwar die Dinge mit oft bizarrer Distanzierung, aber diese Kühlheit ist nicht angeboren wie bei den Franzosen, sondern anerzogenes oder bequem in Vorbildern vorgefundenes, gebrauchsgerechtes Mittel zum Zweck. So sehen wir bei dem Germanen Jensen französische Stilrequisiten, um die Innigkeit seiner Betrachtung zu dämpfen. Täuschen wir uns nicht: immer ist es sein Herz, das spricht, und er verbirgt eine edle Scham vor dem eigenen Gefühlsdrang hinter geschliffener Maske.

Das deutsche oder englische Herz ist viel verletzlicher als das romanische, weil das Sentiment bei ihm ins Überpersönliche dringt und deshalb viel größere Gefahr läuft, sentimental (im schlechten heutigen Sinn) zu werden. Und nichts schadet der künstlerischen Betrachtung und Behandlung des Exotischen, Wesensfremden mehr als Gefühlsduselei. Es entsteht in solchem Fall Schreibtischüberschwang, kostümiertes Puppenspiel, bestenfalls Chinoiserie oder gefälliges Fabelwerk, wie etwa Bonsels »Indienfahrt« oder Bruun's »van Zanten«. Es versteht sich: auch die Bourgeoisie, ebenfalls wie die höhere Töchterschule, brauchen das »Indien«, das sie verlangen, und wollen es durchaus so wie es sich in ihren Köpfen malt. Unsere Betrachtung handelt von der inneren Wahrheit, mag auch der Vorgang erfabelt sein. Drehen wir den Standpunkt um! – Da naht jener schöngepflegte Greis Tagore, bringt echte Vorgänge, aber innere Unwahrheit, und zwar deshalb in aller Unschuld unwahr, weil unser Magier mehr Oxford in den Knochen hat als er selber ahnt, und weil seine Moral sich nur soweit indisch gibt, als der englische oder kontinentale Durchschnittsleser sie nachempfinden kann. Bringt er »neue, gute Mär«? Nein; weder neue, noch besonders gute. Wäre dieser ondulierte Inder so echt wie Wilson als Yankee-Schulmeister, so wäre er dreier Nobel-Preise würdig.

Um noch ein drittes Beispiel heranzuziehen: Ossendowski ist (man sage was man will) ein wirklicher Dichter. Ein Mann, der Übersetzungen in jeder Sprache unbeschadet seiner Wirkung verträgt, muß Qualitäten haben. Worin beruhen diese? Nun, in der Anschauung Asiens, die die richtige ist. Die Dinge, die er schildert, könnten möglich gewesen sein; und darauf allein kommt es an. Eine sekundäre Frage ist, ob Herr Ossendowski diese Abenteuer in ihrer komprimierten Kinodramatik wirklich am eigenen Leib erlebt hat, wie er zum Schaden seines persönlichen Renommees wahr haben will. Es war mithin lediglich ein Kunstfehler, »Ich, ich« zu sagen, anstatt etwa: »Mein polnischer Romanheld, Soundso.«

Hier steckt auch der Angelpunkt des Wertes deutscher Exotik. Es ist die Betrachtungsform als solche, frei von französischer oder polnischer persönlicher Eitelkeit, mit Verzicht auf billige Globetrotter-Genugtuungen, mit Ausschaltung also des erlebenden Ichs und mit Einschaltung der großen, allgemein menschlichen Herzensperspektive. Solch deutsche Produkte betonen, daß eine Loslösung von der europäischen Empirie trotz größter Einfühlung ins Uneuropäische nie ganz möglich ist. Das erzeugt jene behutsame Bescheidenheit im Anfassen des Exotischen und (im kleinen Horizont) deshalb die größte relative Wahrheit. Wir kennen den Exoten nicht. Wir sagen aber nicht: »so oder so ist er«, und lassen ihn abschnurren wie eine Zweckpuppe für ein möglichst exotisches Spectaculum, sondern wir sagen: »möglicherweise könnte er sich in diesem oder jenem menschlichen Fall so oder so verhalten«; wir beschreiben ihn genau, stellen ihn aber dann in die Luft und registrieren lediglich seine uns wirklich bekannte Menschlichkeit.

Weiß doch das deutsche Gewissen: kein Mensch, der die Merkmale einer abgrenzbaren Rasse an sich trägt, ist imstande, die Gefühlswelt einer anderen in einem Sinn objektiv zu schildern, daß sein Werk ebensogut von einem typischen Vertreter dieser anderen Rasse stammen könnte!

Wenn er es dennoch versucht, so bleibt naturgemäß etwas objektiv Unwahres daran haften. Wie stellt man sich nun zu dieser Unwahrheit? – Sie hat zwei Seiten: eine unkünstlerische und eine künstlerisch berechtigte. Unkünstlerisch ist sie in dem Moment, wo sie zu sensationeller Unterhaltung ausgeschlachtet wird; wo ein sächsischer Maharadja in der Lüneburger Heide über die Flimmerleinwand gespenstert, wo ein Winnetou katholisch wird.

Künstlerisch ist sie immer dort, wo eine philosophische Seele (ich denke nicht unbedingt an Keyserling) sich der fremden Erscheinung in höherem Sinn annimmt, sich ihrer als Symbol bedient für den eigenen Ausdruck (was ja überhaupt das Wesen künstlerischen Schaffens ist). Dadurch entsteht in jedem Falle etwas Neues und in seiner Art Vollkommenes. Flauberts »Ägyptisches Tagebuch« mag Mißverständnisse enthalten. Sein Wert bleibt der gleiche – ein Symbolwert, gleichzustellen an Intensität dem der »Bovary« (ein Mißverständnis Flauberts ist schließlich auch immer interessanter als die journalistische Korrektheit des Herrn Schulze). Gefühlsmäßiges Erfassen nichteuropäischer Volksseele ist manchem Europäer, besonders manchem Deutschen gelungen, wenn viele solche Fälle auch der Literatur verlorengingen, weil es durchaus kein ausschließliches Privileg der Schriftsteller ist, bei Bedarf innerlich das Kostüm zu wechseln.

Was Flaubert mit seinem großen Kunstverstand erreichen konnte, hat er erreicht: photographische Bildhaftigkeit, Gruppierung, Kontrastierung. Was ist aber unsere deutsche Aufgabe? Brücken zu bauen; denn nur durch das Hinüberschlagen von Begriffsbrücken von uns zum Fremden ziehen wir dies ins Herz, wird es unser Besitz, wird es vergleichbar mit uns. Also Belebung ist's, nicht museale Klassifizierung.

Wie belebt nun der Franzose seine Exoten? Er kleidet sie ein, so echt, wie sein scharfes Auge sie nur irgendwie in der Linse sammeln kann. Er häuft gute Beobachtungen aller erdenklichen Details der Äußerlichkeit auf sie. Dann löst der Meister-Mechaniker die Feder aus: siehe da! der Exote spaziert, legt und setzt sich, spricht und singt: brünstig, weise, tückisch, je nach Belieben und Bedarf! Er ist die Meister-Marionette. Kaum jemals hört man in den »Civilisés« von Farrère die Feder schnurren.

Wie belebt der Deutsche seine Exoten? Ja – der Deutsche hat, wie vor allen Nachbarvölkern, so auch vor den Farbigen viel zu viel Respekt, um sie einfach tanzen zu lassen wie er sie sieht. Nein, er will ihnen, wie der liebe Gott dem Klumpen Lehm, wirkliches Leben einblasen. So werden es keine Puppen, sondern unsere (wenn auch reichlich verschiedenen) Brüder; also Menschen. Und mit dieser Intuition, diesem seelischen Anschmiegungsbedürfnis an das Fremde trifft der Deutsche das Richtige. Was sein politischer Fehler ist: die allzu große Behutsamkeit und Anerkennung wesensfremder Gedankengänge, der rabiate Objektivierungstrieb mit Ausschaltung national-egoistischer Bedenken, ist im Künstlerischen sein Plus und darin sein unbedingter Vorzug. Ein neues, ungewohntes Erlebnis wirkt stets tiefer und einschneidender als alte Gewohnheit, besonders in an sich verblüffenden Dingen. So warfen wir uns mit unserer jungen Kolonialerfahrung mit viel größerem Verständnis und Eifer ins Studium der uns anheimgegebenen Völker, als die satten alten Sklavenhaltermächte. Schon in Gerstäckers Romanen in ihrer knabenhaft vagabundierenden Abenteuerlichkeit, schon in des Österreichers Sealsfield »Kajütenbuch« sind die Charakteristika des großen Staunens erkennbar. Der exotische Mensch und das exotische Tier sind uns keine bloße biologische Erscheinung; es war dem Deutschen Schillings, dem Vorläufer Bengt Bergs, vorbehalten, mit dem Blitzlicht zuerst an das Tier heranzugehen, wo anfangs nur Schießerei herrschte. Die deutsche Seele wehrt sich eben gegen ein ausgestopftes Okapi und wünscht sich das lebendige; sie will das Milieu und die Schwesterseele (sei es auch nur die des Tieres); sie will keine bloße Staffage oder das Echo eines überflüssigen Flintenschusses. Sie haßt den amerikanischen Geist, der im Stabil-Exotischen (etwa im Tropischen) lediglich ein Hindernis für »Fortschritt« sieht. Wittert doch der Deutsche, soweit er Künstler, also »Romantiker« ist, all die ungenutzten wunderbaren Schätze des »Stabilen« – des Rückschrittlichen, unter der Walze des seelenfeindlichen »Fortschritts«. Er sieht sie nicht gefördert, sondern nur verwässert.

Es ist schwer und auch bedenklich, Rückschlüsse aus eigener Theorie aufs eigene Schaffen zu ziehen. Was mir mein Gefühl nahelegte, habe ich vorgetragen. Vielleicht habe ich dennoch eine leise Berechtigung, über derlei mich auszulassen – und ich identifiziere mich mit meinem »Buschhahn«, dem Inselbesitzer und Don Quijote der Südsee, Grothusen.

Denn er ist mein Geschöpf. Ich habe ihn auf die Beine gestellt. Folglich ist er eine Fiktion. Doch eine Fiktion mit einer besonderen deutschen Eigenschaft: er ist durchaus möglich.


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