Heinrich Seidel
Kinkerlitzchen
Heinrich Seidel

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Die Mecklenburger im zoologischen Garten.

Der rastlose Herr Hagenbeck aus Hamburg, der uns im zoologischen Garten schon so manche fremde Völkerschaft vorführte, hat uns eine neue Ueberraschung bereitet. Dem unablässigen Bestreben seines Agenten ist es gelungen, in dem aus Reuters Erzählungen bekannten Lande Mecklenburg eine Truppe von Eingeborenen anzuwerben und sie mit ihren Gerätschaften, Hausthieren, Musikinstrumenten und fremdländischen Gebräuchen uns vorzuführen. Herr Director Bodinus hat durch das Engagement dieser Truppe sich den Dank der Berliner im höchsten Grade erworben, denn die Mecklenburger bilden das Ereigniss des Tages und am letzten 25-Pfennig-Sonntag war der Garten von 118,703 zahlenden Personen besucht, die höchste Ziffer, die seit dem Bestehen des zoologischen Gartens bis jetzt erreicht worden ist. Von den Bediensteten des Gartens wurden am anderen Morgen allein 1¼ Centner im Gedränge verloren gegangener Haarzöpfe, 73 Pfund abgetretener Stiefelhacken, und 5½ Centner Cigarrenstummel aufgesammelt.

Die Mecklenburger gehören sämmtlich der in diesem Lande so sehr verbreiteten Ackerbaukaste an und stehen unter der Führung eines ihrer Unterhäuptlinge, des Inspectors Christian Bohmhamel, eines nahen Verwandten des berühmten Zacharias Bräsig, dem er auch ungemein ähnlich sehen soll. Die Truppe besteht aus 11 Erwachsenen und 5 Kindern, im Ganzen also aus 16 Personen. Ihre Namen sind:

1. Christian Bohmhamel, Inspector.
2. Elise Brathäring, Mamsell.
3. Fritz Kieckebusch, Wirthschaftslehrling.
4. Jochen Römpagel, Statthalter.
5. Trina Römpagel, dessen Frau.
6. Hinnerk Päsel, Tagelöhner.
7. Stina Päsel, dessen Frau.
8. Korl Trilck, Pferdeknecht.
9. Fiek Regelin, Aussenmädchen.
10. Klas Abendsegen, Schäfer.
11. Korlin Krüper, Schweinemädchen.
12. Hanne Römpagel, }
13. Liesch Römpagel, }
14. Fidde Römpagel, } Kinder.
15. Dürten Päsel, }
16. Willem Päsel, }

Besonders die Kinder erregen die Theilnahme der Berliner Damen, und ihr Liebling ist der kleine ¾jährige Willem Päsel. Sie können sich nicht genug verwundern, dass er gerade so trocken gelegt und abgehalten wird, wie sie es selber mit ihren Kindern zu thun gewohnt sind; wiederum ein Beweis, dass gewisse Kulturelemente allen Völkern gemeinsam sind. Den ganzen Beifall der Männerwelt dagegen hat Korlin Krüper, das kraftvolle Schweinemädchen. Das musikalische Element der Gesellschaft vertritt Korl Trilck, der das nationale Instrument, Treckfiedel genannt, mit Virtuosität handhabt. Im Grossen und Ganzen hat dies viel Aehnlichkeit mit der auch bei uns nicht unbekannten Ziehharmonika. Wir waren so glücklich, von einem Kenner der mecklenburgischen Landessprache den untergelegten Text zu einem sehr beliebten Tanze in Erfahrung zu bringen. Sein Anfang lautet:

»Unsre Katt hett nägen Jungen
Dat hett Navers Kater dahn!«

Man wird aus dieser kleinen Probe sehen, dass diese Sprache nicht ohne Wohlklang ist. Grosses Interesse erregt auch der Schäfer und Wetterprophet Klas Abendsegen, wenn er würdevoll auf seinen Stock gestützt seine Schafe hütet und dazu ungemein lange blaue Strümpfe strickt. Der Bock der Heerde ist ein Abkömmling jenes aus Reuter bekannten berühmten Schafbockes, der keine »Poppieren« hatte. Die »Vossische Zeitung« hat sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und bringt seit einigen Tagen ausser der Wetterprophezeihung der Seewarte und des Braunschweigischen Wolkenonkels auch die des erfahrenen Schäfers Klas Abendsegen, so dass die beneidenswerthen Leser dieser Zeitung jetzt die Auswahl zwischen drei Wettern haben, und Jeder sich das aussuchen kann, was ihm am besten passt.

Für den nächsten Sonntag ist ein ganz besonders interessantes Programm aufgestellt. Unter Anderem wird Herr Fritz Kieckebusch mit seiner braunen Stute »Strangschläger« die nationale Methode der Bändigung stätischer Pferde vorführen. Diese besteht bekanntlich darin, dass man einen mit Wasser gefüllten irdenen Topf mit auf das Pferd nimmt und diesen in demselben Augenblick, wo es stätisch wird und nicht weiter will, auf dem Kopfe des Thieres entzweischmettert. Man weiss, dass Fritz Triddelfitz damit seiner Zeit bedeutende Resultate erzielte.

Die Hauptanziehungskraft wird aber jedenfalls die von sämmtlichen Mitgliedern veranstaltete Darstellung des höchsten nationalen Festes der Mecklenburger, der sogenannten »Austköst«, ausüben. Es ist ein den Göttern nach glücklich vollendeter Ernte gebrachtes Dankfest, wobei eine aus Aehren geflochtene und buntgezierte Krone geopfert wird. Herr Inspector Christian Bohmhamel wird dabei eine fulminante missingsche Rede halten. Der Festzug wird als ungemein sehenswürdig geschildert. Später werden unsere fremdländischen Gäste ihre nationalen Spiele vorführen, wobei besonders ein Spiel der Männer, Namens »Frischback« als sehr erheiternd gerühmt wird. Einer der Männer wird mit verbundenen Augen auf eine Bank gelegt und die hinteren Enden seines Rockes aus einander gethan. Dann naht sich einer der Genossen nach dem andern und ertheilt ihm einen herzhaften Schlag auf den fleischigsten Theil seines Körpers. Erräth der Geschlagene den Thäter, so tritt dieser an seine Stelle, wo nicht, muss er weiter dulden. Später werden zum Klange der Treckfiedel nationale Tänze aufgeführt und den Beschluss bildet ein Festessen, bestehend aus den ständigen Festgerichten: Rindfleisch, Pflaumen und Reis. Als Getränk werden die beliebten Nationalgetränke »Lüttjedünn« und »Kähm« genossen. Ersteres ist bierähnlich und das zweite ähnelt unserem Gilka. Für gewöhnlich werden die Leute mit Speck, Eiern, Häring, Schwarzbrod, Schmalz und viel Kartoffeln und Gemüse verpflegt. Herr Christian Bohmhamel jedoch als Unterhäuptling seines Stammes führt mit der Mamsell und Fritz Kieckebusch einen besonderen Tisch. Ihm werden täglich zwei Flaschen Langkork geliefert, eine Rothweinsorte, die auch sein berühmter Verwandter Bräsig sehr liebte und die man extra aus Lübeck verschrieben hat. »Kähm« und Tabak von Saniter und Weber aus Rostock nach Belieben.

Unsere fremdländischen Gäste werden sich nur noch kurze Zeit hier aufhalten, da sie in Dresden bereits mit Schmerzen erwartet werden. Zum Schluss noch ein Zug rührender Pietät des Inspectors Bohmhamel. Sofort nach der Ankunft der Gesellschaft liess er sich zum Lamagehäge führen, wo sein berühmter Verwandter damals das unliebsame Abenteuer erlebte. Er betrachtete sich ein Lama, das an das Geländer kam, vorsichtig von ferne und sprach: »Wie die Kretur veninsch kucken thut. Ja dir kenn ich, weisst' woll von wegen meinen Vetter Zacharias. Na, hätt' ich dir man auf meinen Hof in Krupmannshagen – das Spucken wollt' ich dir schon ablernen! Ne, was's doch all für Kreturen giebt!« Damit ging er befriedigt zu seiner Gesellschaft zurück.


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