Heinrich Seidel
Kinkerlitzchen
Heinrich Seidel

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Das lustige Buch.

Endlich, endlich hat das neueste Buch unsers allverehrten Humoristen Ludwig Lachewitz die Presse verlassen. Von den Schwierigkeiten, die die Herstellung dieses lustigen Werkes bereitete, und von den Opfern, die diese kostete, macht man sich im Publikum keinen Begriff. Das erste dieser Opfer war der Autor selbst. Er hatte diesmal sich selbst übertroffen, und seine Geschichte war so unbeschreiblich komisch, dass er nur in kurzen Absätzen das Buch schreiben konnte, indem er zwischendurch fleissig Begräbnissen, den ersten Aufführungen neuer Stücke und ähnlichen niederdrückenden Ereignissen beiwohnte, ferner viele Kapitel modern realistischer Romane las und durch solche Gegenmittel glücklich von dem Schicksale bewahrt blieb, sich über sein eigenes Werk todt zu lachen. Als er aber sich hinreissen liess, sein Buch vor der Ablieferung an den Verleger noch einmal einer Durchsicht zu unterziehen, war er geliefert. Der Arzt der Kaltwasserheilanstalt, wo sich unser gefeierter Humorist augenblicklich befindet, behandelt seine unauslöschlichen Lachkrämpfe durch Verordnung starker Graben von historischen und kulturhistorischen Romanen, hat aber bis jetzt nach Verabreichung von 137 Bänden nur eine geringe Besserung erzielen können.

Sein Verleger, der überhaupt keine Bücher liest, sondern nur mit sichern Autoren arbeitet, wobei er dies nicht nöthig hat, blieb vor einem solchen Schaden bewahrt, aber nun kam das Manuskript zum Setzer. Durch das Schicksal des Autors gewarnt, hatte man einen Setzer ausgewählt, der notorisch stets nur ganz mechanisch arbeitete und seine Manuskripte nur Wort für Wort aber nicht im Zusammenhange las. Man hatte schon einmal den alten Setzerscherz mit ihm ausgeübt und ihn sein eignes Todesurtheil setzen lassen, allein er hatte nichts gemerkt. Aber was geschah? Bei der zweiten Seite fing er an zu lachen und zwar so unauslöschlich, dass der ganze Setzersaal aufmerksam wurde, und einer nach dem andern hinzutrat, um in das Manuskript zu blicken. Nach fünf Minuten war der ganze Saal ein donnerndes Gelächter, die Hälfte der Anwesenden wälzte sich konvulsivisch auf der Erde, und mit der Arbeit war es für diesen Tag vorbei. Der findige Buchdruckereibesitzer verfiel auf den Ausweg, sich einen Setzer aus Brüssel kommen zu lassen, der kein Wort deutsch verstand, allein selbst dieser war bei seiner Arbeit in einem fortwährenden Kichern begriffen und behauptete, der blosse Anblick dieser für ihn ganz unverständlichen Wörter erzeuge ihm einen höchst angenehmen Kitzel.

Bei einem Setzer der kein deutsch verstand, war nun der Korrektor doppelt nothwendig, allein der in der Druckerei angestellte, ein griesgrämiger Pedant, der in seinem Leben noch nie gelacht hatte, zog sich bei der ersten Korrekturfahne bereits einen solchen unstillbaren Zwergfellkrampf zu, dass er drei Tage lang arbeitsunfähig wurde. Nun war guter Rath theuer. Da dies vielversprechende Werk um jeden Preis gedruckt werden musste, so gab der Verleger trotz der grossen Kosten, die daraus erwuchsen, die Zustimmung zur vorübergehenden Anstellung von zwölf neuen Korrektoren, zu denen man die grössten Hypochonder, Schwarzseher und Pessimisten auswählte, die nur zu finden waren. Diese arbeiteten nun mit Ablösung, und sobald man bei einem von ihnen die untrüglichsten Zeichen einer herannahenden unaufhaltsamen Lachexplosion bemerkte, was bei manchen schon in zwei Minuten, bei den allerverstocktesten aber erst in beinahe einer Viertelstunde erzielt wurde, entfernte man ihn schnell und brachte ihn in ein schwarz ausgeschlagenes Zimmer, wo er sich in einen Sarg zu legen hatte, indessen ein hinter Blattgewächsen versteckter Chor ihm Sterbelieder vorsang, bis er sich wieder erholt hatte. Trotzdem mussten diese zwölf Herren jeden zweiten Tag Ruhe halten. Sie besuchten dann gemeinschaftlich Sarghandlungen, Trauermagazine, das Leichenschauhaus und ähnliche Anstalten, um die angesammelte Lustigkeit einigermassen wieder abzudämpfen. Trotzdem ist es vorgekommen, dass einer von ihnen beim Anblick einer vierzehntägigen Wasserleiche in Erinnerung an seine letzte Korrekturlesung laut anfing zu kichern.

So wurde unter diesen aussergewöhnlichen Schwierigkeiten der Druck endlich zu Ende geführt. Zum Heften und Binden wählte man wieder Leute, die des Deutschen nicht mächtig waren, und so ging dies Geschäft ohne Hindernisse ab. Die masslose Verwirrung aber zu schildern, die, als das Werk versendet war, in den deutschen Buchhandlungen herrschte, wie die Verkäufer, anstatt das Publikum zu bedienen, den Leuten ins Gesicht prusteten, während andre wieder sich hinter den Ladentischen krümmten wie vergiftete Aale, dies alles zu beschreiben ist meine Feder zu schwach.

Ich nun, der ich als vielbeschäftigter litterarischer Kritiker selbstverständlich überhaupt nicht die Gewohnheit besitze, die Bücher zu lesen, über die ich schreibe, habe mich natürlich wohl gehütet, ausnahmsweise in dieses einen Blick zu thun, obwohl es wie immer pro forma aufgeschlagen neben mir liegt . . . . . . . . . . Verzeihung theuerster Leser, ich liess mich soeben hinreissen doch hineinzublicken und ein Stückchen zu lesen. Mit letzter Kraftanstrengung versuche ich diesen Artikel zu beendigen allein es geht nicht theuerster Leser . . . verzeihe, wenn ich aufhö . . . ha ha ha ha ha ha . . . .!


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