Charles Sealsfield
Nathan der Squatter
Charles Sealsfield

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9.

Nachmittags des folgenden Tages machten wir Besuche bei Nachbarn, und den Abend brachten wir bei Regulator Nolins zu. Den folgenden Tag wollten wir das ersteigerte Land und die Gebäulichkeiten besichtigen. Nathan, hatten wir gehofft, werde sich als Begleiter antragen; die Arbeiten waren jedoch so dringend, daß sich nicht daran denken ließ. Das einzige, was er tun konnte, war, uns seinen Sohn Joshua mitzugeben. Wir hatten im Sinne, von dem ersteigerten Land uns sogleich in die Attakapas zu begeben, dort unsere Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und die Uebersiedlung zu veranstalten. Nathan jedoch schüttelte den Kopf und meinte, wir würden wohl zu Mittag wieder zurück sein, doch möchten wir tun, wie wir es am besten fänden; sein Haus stehe uns immer offen, wenn wir auch ein Jahr blieben.

Wir dankten ihm für sein Anerbieten und ritten gleich nach genossenem Frühstück mit Amadee und Jean ab. Der Major, dessen Begleitung uns sehr lieb gewesen wäre, war auf einer Tour durch die Niederlassung.

Die Entfernung von der Pflanzung Nathans betrug zwölf Meilen. In einer Stunde und einer halben hatten wir Sorrels Pflanzung, wie sie genannt wurde, vor uns.

Die Lage war entzückend. Eine Creek lief durch sie hin, etwa fünfzig Fuß breit, aber, was bei uns ein seltener Fall ist, flüssig das ganze Jahr hindurch. Sie kommt aus den Kieferwaldungen der oberen Opelousas. Das eine Ufer war etwa fünfzig Fuß höher als das andere und hatte schöne Gruppen von Immergrüneichen und Magnolien, das andere war undurchdringlicher Urwald von Peccans und Bohnenbäumen. Im Vordergrund, auf einer Lichtung, die etwa einen Acker betragen mochte, stand eine Hütte.

»Aber wo ist das Haus?«, fragten wir Joshua.

»Das ist es!«, sagte der Junge.

»Das ist es? – Dieses – das zweistöckige Haus?«

Uns wurde grün und blau vor Augen und trostlos im Herzen, und so wurde es Amadee und Jean.

Zwanzig Fuß hohe Zypressenpfähle in die Erde eingerammelt, so ein Viereck bildend, dreißig Fuß lang und ebenso breit; diese palisadenartig in die Erde eingerammelten Zypressenpfähle, durch kleine Balken und Sparren verbunden, die Zwischenräume mit Lehm und spanischem Moos ausgefüllt, die Türen und Fenster gleichfalls aus diesen rohen, acht Fuß langen Schindeln, mit Querhölzern zusammengehalten, der Schornstein, vier lange Bretter, mit Lehm überworfen – das war das zweistöckige Haus. Kein eiserner Nagel, kein Schloß, Fenster oder Riegel am ganzen Bauwerk zu sehen.

Wir lachten laut auf vor Aerger. Hätten wir das Land und alles zusammen in die Hand ballen und dem Versteigerer und seinen Hinterwäldler-Kumpanen an den Kopf werfen können, mit Lust hätten wir es getan.

»Aber in dem Haus können wir doch nicht wohnen, Herr Graf?«, meinte Amadee.

»Wohnen in dieser Bärenhöhle?«, lachte ich. »Der T....l mag da wohnen.«

Noch vor zwei Stunden schien es uns so leicht, eine Pflanzung anzulegen, ein wahres Kinderspiel. Jetzt – ich stand wirr. –

»Ich denke«, sprach der Junge, der uns kopfschüttelnd angesehen, »Ihr geht wieder heim mit mir, Vater wird wissen, was zu tun ist.«

Abermals schauten wir einander an. Es war das klügste, was wir tun konnten. Wir taten es. Ohne Verzug ritten wir zurück. Viel weniger Zeit nahm es uns, heim- als herzukommen.

Als wir vor Nathans Haus abstiegen, schaute er aus dem Tabaksfeld herauf:

»Habe wohl kalkuliert, Ihr würdet bald wieder zurück sein – wußte, daß Euch das Ding so, wie es ist, nicht zweimal gefallen wird.«

»Aber, um Himmels willen, Nathan! Das Ganze ist ja eine so furchtbare Wildnis, das Haus!«

»Ja, für tausend Dollar müßt Ihr leicht erwarten, ein Schloß zu finden, und wer hat Euch geraten, tausend Dollar zu bieten? Solltet geschaut und gehört haben, wie weit andere gehen. Aber nichtsdestoweniger glorreiches Land!«

»Glorreiches Land!«, versetzten wir. »Wollten, es wäre ...«

»Glorreiches Land!«, bekräftigte Nathan, »und mögt Ihr da eine Pflanzung herstellen, die Euch in drei Jahren dreitausend Dollar abwirft.«

»Das ist leichter gesagt, als getan.«

»Habe die Notion« versetzte Nathan. »Kalkuliere aber nichtsdestoweniger, könnt, wenn Ihr die Sache recht anfangt, mit einem Kapital von zehntausend Dollar in zehn Jahren zehntausend Dollar jährliche Einkünfte erringen, und wenn Ihr so schlecht anfangt, in zwei Jahren einem Barbierladen irgendwo in New York oder Baltimore vorstehen – wie viele Eurer Landsleute.«

Wir wußten das. Wir hatten solche trostlose Begegnungen in London mehrere gehabt. – Marquise, Viscounts, die in den Theatern für John Bull die Geige spielten – selbst einen, der ihm inkognito den Bart abnahm; das war es eben, was uns so gefügig gemacht, und noch macht.

»Will Euch sagen, was, kalkuliere ich, sich tun läßt. Will Euch meine Meinung auf einmal sagen: Bleibt alle vier hier bei mir, und seht Euch die Wirtschaft an, und geht in die Lehre, und ist das der beste Weg, den Ihr einschlagen könnt, sehen dann, ob sich etwas mit Euch anfangen läßt.«

»Was, in die Lehre gehen?«, lachten wir.

»Ei, jeder muß in die Lehre gehen, der Meister werden will«, versetzte Nathan. »Kommt nur auf den Anfang an.«

Wir fanden nach einigem Ueberlegen den Vorschlag doch so gar übel nicht, aber zu einem Hinterwäldler in die Lehre gehen, zwei kurfähige Kavaliere – das war ein bißchen stark!

»Kommt jetzt bis zum Mittagessen herunter in das Tabaksfeld«, meinte Nathan.

Und wir gingen zu Nathan in das Tabaksfeld.

Es dürfte wohl nicht allgemein bekannt sein, daß der bedeutende Ruf, den unsere Deckblätter, und die von Natchitoches sowie vom Redriver überhaupt, genießen, von dieser Zeit her datiert, und daß ich alle Ursache habe, zu glauben, daß dieser Ruf vorzüglich dieser Niederlassung, und insonderheit Nathan und Nolins zu verdanken ist. Die Sorgfalt dieser beiden in der Auswahl des Bodens, des Anbaues, der Wässerung, und besonders der Blätter, war außerordentlich. Sie waren geborene Virginier, die Arbeiten folglich für sie ein Lieblingsgeschäft. Als solches betrieben sie es. Man konnte wirklich nichts Feineres genießen als eine Zigarre von diesen herrlichen Blättern.

Nathan war gerade mit dem Pflücken der Blätter beschäftigt. Natürlich ergriffen wir diese Gelegenheit, um uns in einem der wichtigsten Zweige der Pflanzerwirtschaft zu unterrichten, und halfen nach seiner Anleitung mit.

»Amadee und John!«, meinte er mit einem Kopfruck in das angrenzende Baumwollenfeld, in dem die Familie sammelte, »habe die Notion, Mistreß Strong schielt zu Euch herüber.«

Amadee und John verstanden den Wink und hatten in der nächsten Viertelstunde jeder einen Korb, in dem sie von nun an täglich ihre hundert Pfund Baumwolle einsammelten.

Alles das gab sich durch Rucke, durch Winke so leicht weg, in einer gewissen vertraulich befehlenden und doch wieder bescheidenen Weise. Nur wenig wurde während der Arbeit gesprochen; Nathan war der Mann von Taten, nicht von Worten, obwohl er wieder zu Zeiten wahrhaft parlamentarisch weitschweifig werden konnte.

Unsere Dilettantenarbeiten hatten unterdessen seine volle Zufriedenheit. »Sehe, habt den Takt« entfuhr ihm es am Abend.

Den folgenden Tag wieder Blättersortierung, den folgenden wieder, so ging es acht Tage fort. Wir verstanden nun die Behandlung des Tabaks so gut wie ein Sohn der alten Dominion.

Nach Verlauf der Woche ging es ans Baumwollepressen. Die damaligen Baumwollenpressen waren noch sehr unvollkommen; die Zylinder, mit Haken versehen, ließen einen großen Teil der Körner in der Wolle, eine Verbesserung im Mechanismus mußte den Flaum reiner und schneller liefern. Wir machten Nathan auf die Mängel seiner Kottonpresse aufmerksam. Er ließ sich von uns erklären, mit dem Pressen innehalten, und wir machten uns an die Verbesserung der Maschine. Es gelang uns, durch eine einfache Vorrichtung die Baumwolle reiner zu liefern, und das Pressen ging um so vieles leichter, daß wir unsere Vorrichtung am Ende der Woche auch auf der zweiten Presse, die noch in der Gemeinde war, anbringen mußten. Nun beaufsichtigte Lassalle die eine der Pressen, ich die andere.

So verging wieder eine Woche. Wir standen nun mit der ganzen Gemeinde in einem Verhältnis, so gastlich freundlich, so ungeniert, und doch wieder so anhaltend beschäftigt, daß uns die Wochen wie Tage, die Tage wie Stunden verflossen.

Die Abende brachten wir in Nathans Familie oder bei den ausgezeichneteren Gemeindegliedern zu, erzählten unsere Abenteuer, sie die ihrigen. Wir waren nun die geachteten Lieblinge der ganzen Gemeinde geworden; von deren zunehmendem Wohlstand man sich eine Idee durch die einzige Bemerkung machen kann, daß mehr denn achthundert Ballen Baumwolle in diesem Herbst gepreßt wurden, von denen auf Nathan und Nolins allein hundertachtzig kamen. –

So waren wir bis in die letzten Tage des Oktober gekommen, die Pflanzerwirtschaft war uns nun eine Lust, wir hatten ganz die Attakapas, selbst unsere eigene Niederlassung vergessen.

Es war eines Abends, bei einer Bouteille Madeira, daß uns Nathan eröffnete, wie er nun der Ansicht sei, daß es Zeit wäre, auch an uns zu denken. Die wichtigste Arbeit sei nun getan, und er halte es für Pflicht und Schuldigkeit, auch für uns etwas zu tun. Die Gemeinde sei einverstanden.

Wir erwiderten ihm, daß der Genuß seiner Gastfreundschaft ja ohnehin Entschädigung und wir eigentlich seine Schuldner wären.

»Will Euch sagen, will Euch meine Meinung auf einmal sagen«, meinte er. »Habt uns einunddreißig Tage geholfen, mit vier Händen, sind Euch dafür hundertvierundzwanzig Hände schuldig.«

Wir verstanden nicht, was er mit seinen Händen meinte.

»Ist Sitte bei uns«, fuhr er fort, »wenn ein Ankömmling sich bei uns niederläßt, der für die Zukunft etwas verspricht, ihm einen Spaß zu veranstalten.«

»Doch keinen Teer- oder Befiederungs-Spaß, hoffen wir.«

»Nein, das nicht«, meinte Nathan mit einem trockenen Lächeln. »Ist eine andere Gattung Spaß. Ist ein Spaß, der Euch ein Haus aufblockt, und wozu die Gemeinde geladen wird. Und habe die Absicht, Ihr tut das morgen.«

»Aber was sollen wir eigentlich tun?«

»Je nun, nichts weiter als bei jedem Haus anrufen und die Männer freundlich ersuchen, ihre Aexte mitzubringen, und bei einem Dutzend Weibern mögt Ihr Eure Angelegenheit gleichfalls anbringen. Sie werden schon wissen, was Ihr meint.«

»Und das ist alles?«

»Alles, das Weitere werdet Ihr sehen. Doch, wie groß wollt Ihr eigentlich Euer Haus haben? Wohl so fünfzig bei vierzig Fuß.«

»Und die Gemeinde will uns wirklich ein Haus aufblocken?«

»Ei, sie will das, und übermorgen abend soll es dastehen, soweit Aexte es bringen können. Wollen übermorgen daran, ist bereits abgemacht, aber müßt die Nachbarn einladen, und vergeßt die Frauen nicht.«

Und wir ritten am nächsten Tag herum, die Nachbarn einzuladen, und vergaßen die Frauen nicht.

Noch immer wußten wir nicht, was das Ganze solle, obwohl wir im Hause große Vorbereitungen treffen sahen. Eine Kuh wurde nämlich geschlachtet, Pfannen, Kessel zurechtgerichtet, im ganzen Hause war alles auf den Beinen.

Das Muschelhorn gab am folgenden Morgen das Zeichen zum Aufbruch; sein weittönender, posaunenartiger Schall hallte aus dreißig Pflanzungen zurück.

Als wir unsere Pferde bestiegen, war die ganze Niederlassung auf den Beinen – Nathan mit Mistreß Strong und Miß Mary waren reisefertig; der erstere zu Pferde, die beiden anderen auf dem Wagen, auf dem Fleisch, Brot, Whisky, Kessel, Pfannen, alle möglichen Geräte wie zu einem Auszug aufgepackt waren. Wir bildeten mit Nathan und seinen zwei älteren Söhnen den Vortrab.

Wir waren etwas mehr als die Hälfte des Weges gekommen, als uns bereits die scharf knallenden Schläge zahlreicher Aexte an die Ohren gellten. Als wir näher kamen, wurden diese Schläge lauter und stärker; wir ritten rascher und sahen endlich an die fünfzig Hinterwäldler im Walde beschäftigt, Bäume zu fällen. Noch immer kamen Reiter mit ihren Aexten von allen Seiten heran.

»Sind uns zuvorgekommen«, meinte Nathan, »ist Zeit, daß wir endlich auch dabei sind.«

Und es war hohe Zeit. Die unbarmherzigen Squatters hatten in ihrer Wut einige der schönsten Magnolien und Immergrüneichen auf der Anhöhe, auf die wir unser Haus hinzustellen gedachten, gefällt. Eine Stunde später, und sie wäre so kahl gewesen, daß sich kein Kaninchen mehr verbergen konnte.

Wir taten natürlich Einhalt, was sich die Squatters um so lieber gefallen ließen, als die Bäume bloß des Platzes wegen umgehauen worden waren.

Diesen Platz, auf den das Haus nun zu stehen kommen sollte, bestimmten wir vereint mit Nathan. Er befand sich auf dem Scheitel der Anhöhe, die sich, wie gesagt, etwa fünfzig Fuß über der Creek erhob und die umliegende Gegend beherrschte.

Das Treiben wurde nun immer lebendiger. An die fünfzig Nachbarn waren mit Umhauen der Stämme beschäftigt, fünfzig andere mit dem Zuhauen. Im ganzen Wald hallte es wider. Auf der Prärie zu unsern Füßen weideten über hundert Pferde, denn alle waren zu Pferde gekommen, und nicht bloß Männer, auch Frauen, Mädchen; an die dreißig Frauen und Mädchen rollten teils auf Wagen, teils galoppierten sie auf Pferden einher, schüttelten uns die Hände und begannen, sobald die Männer die Küche aufgeschlagen hatten, ihr Kochgeschäft. Drei Stangen pyramidenartig in die Erde eingetrieben, von der Spitze herab der Kessel, darunter das angezündete Feuer – in weniger denn einer Stunde prasselte und knisterte es aus zwanzig Pfannen, Kesseln; Roastbeefs, Beefsteaks, Puddings, Cakes bräunten in den Pfannen – Whiskyfässer rollten im Grase. Es war eine Szene, so malerisch, aufregend, der fröhliche Tumult war so überraschend.

Um vier Uhr stand das Gebäude aufgeblockt – sechzig Fuß lang, fünfzig breit – ein viereckiges Bauwerk auf fußdicken Zypressen, dreißig Fuß hoch aufgezimmert. Die Arbeit war eine ungeheure, unglaubliche. Hätten wir sie nicht mit eigenen Augen geschaut, wir hätten uns die Möglichkeit nimmer träumen lassen. Als alles soweit fertig war, wandte sich Nathan an uns und die Umstehenden:

»Habt jetzt das Haus – das Dach mag später folgen, und die innere Einrichtung und Einteilung müßt Ihr selbst besorgen. Damit Ihr dies aber könnt, wollen wir Euch das Ding da«, auf die Hütte des Syndikus Sorrel deutend, »heraufbugsieren. Könnte Euch sonst das Fieber da unten einen Streich spielen. Wollen aber zuerst eine Brücke haben.«

Und gesagt, getan. Die hundert oder, buchstäblich zu reden, zweihundert Hände ergriffen die von dem Aufblocken übriggebliebenen Zedernstämme, brachten sie über die fünfzig Fuß breite Creek, legten darüber Querbalken, und nachdem die Brücke so fertig war, legten sie das Bauwerk Sorrels auseinander, brachten Balken, Sparren von dem jenseitigen Ufer auf die Anhöhe herauf, rammelten sie wieder ein, und in zwei Stunden stand die Hütte fix und fertig.

Jetzt ging es über das Essen. Obwohl die Squatters während ihrer Arbeit der Schlucke manche versucht, und allenfalls ein Beefsteak oder einen Kuchen zur Gesellschaft mitgenommen, so war das Hauptessen doch bis zum Ende aufgespart worden. Wir waren die Gastgeber, denn die Lebensmittel waren auf unsere Rechnung vorgeschossen worden. Und ein fröhlicheres, vergnügteres Waldmahl wurde nie genossen. Zwanzig Wachfeuer, um diese unsere Squatters und Squatterinnen, wir die geschäftigen Gastgeber. Es war eine einzige Szene. Seelenvergnügt trennten wir uns; der Mond stand schon hoch über den Bäumen, als wir mit Nathans Familie die Pferde bestiegen.

Von dem Hause standen zwar bloß erst die hölzernen Wälle, die die Squatters aufgeblockt, ohne Dach, Fenster, Kamin, Fußboden; für dies alles mußten erst wir sorgen. Aber diese Sorgen waren nun vergleichsweise leichte. Akadier wurden gemietet, um uns das Dach zu decken; andere, um den Kamin aufzubauen; fünf Meilen oberhalb uns befand sich die Sägemühle der Gemeinde, die der Sohn des Majors Gale gebaut, der zugleich Zimmermann und Schreiner war. In acht Wochen konnten wir aus unserer Hütte in das Haus einziehen und unsere Effekten endlich von den Attakapas heraufbringen lassen.

Wir hatten noch immer nicht die Zeit, unsere Freunde oder unsere gepachtete Pflanzung (die »Schenkung«) zu sehen. Wir mußten Amadee senden, der die Heranschaffung unserer Effekten besorgte. Hauterouge hatte den Wunsch geäußert, die von uns gepachtete Pflanzung zu übernehmen. Wir traten sie ihm ab, um unsere Aufmerksamkeit ganz auf unsere neue Wirtschaft lenken zu können.

Wir dachten an nichts als an diese neue Wirtschaft: Musik, Lesen, Billard Freunde – unsere Squatter-Nachbarn ausgenommen –, selbst unser schönes Frankreich hatten wir vergessen, und seine Leiden und Freuden. Kaum, daß wir dazu kommen konnten, unseren Lieben von unserem Treiben Nachricht zu geben. Unsere liebste Unterhaltung war, abends die Arbeiten des Tages zu besprechen. Was wir getan, wie wir es getan, jeder Baum, den wir gefällt, jeder Zaunriegel, den wir gelegt, wie wir ihn gelegt, alles das wurde erörtert. Ich erinnere mich noch, bei einer Gelegenheit, wo wir zehn bis fünfzehn Akadier gedungen hatten, um Zaunriegel für unsere Felder zu spalten, mit welcher Umständlichkeit wir die Geschichte einer seltsam geformten Zypresse, die wir gefällt, besprachen. Wir hatten beide zusammen einen halben Tag damit zugebracht, den sieben Fuß im Durchmesser haltenden Stamm zu fällen, und zwei Aexte zuschanden gearbeitet.

*

Ein Jahr war so vergangen – dieses Jahr hatte uns den Frieden von Amiens gebracht, uns erlaubt, an die Herüberbringung unserer Lieben zu denken. Mir war es nicht möglich, nach Europa zu gehen, die Arbeiten auf der Pflanzung, die Sorge für vierundzwanzig Schwarze, ließ es nicht zu, wenn auch unsere schwächer gewordene Kasse uns hätte zusammen reisen lassen: so ging denn Lassalle ab.

Ich zählte unterdessen die Wochen, Tage, Stunden, die mich von meiner Eleanor trennten. Sie verflossen, und am Ende von vier Monaten schloß ich sie endlich in meine Arme.

Alles ließ sich zu glücklichen Tagen an. Und glücklich wurden sie – glücklich, wie wir sie nie zuvor gesehen. Unser Heimwesen begann unter unserer herrlichen Frauen Aegide zu blühen; unsere Schwarzen, die eine Mutter gefunden, begannen den Menschen mehr und mehr anzuziehen; wir waren geliebt von den Akadiern, geachtet von unseren Squatter-Freunden, unsere Bedürfnisse nicht nur befriedigt, wir konnten an das Bequeme, allmählich an Luxusgegenstände denken. Wochen, Monate, Jahre verflossen, im heitersten, ungetrübtesten Still- und doch wieder regen Leben. Ich würde jeden nur gewünscht haben, Nathan und Madame Vignerolles zu sehen, zu hören, sie in ihrer fröhlich-freundlichen Grazie, die denn doch wieder einen leicht mutwilligen Anstrich hatte, ihn kalkulierend und die Notion habend, Mistreß Vignerolles sei die lieblichste Hinterwäldlerin, die je in Pettikoats und ihren eigenen Schuhen stak.

So waren drei Jahre wie so viele Stunden verstrichen, da kam die Nachricht, daß Louisiana infolge des letzten Friedens mit Spanien an Frankreich zurückgegeben werden würde; eine Nachricht, die uns Briefe aus der Hauptstadt bald als offiziell bestätigten, mit dem Zusatz, daß der Uebernahmekommissionär der französischen Regierung jeden Tag erwartet werde.

Wir beschlossen daher, nach New Orleans hinabzugehen und uns von der Lage der Dinge an der Quelle zu unterrichten. Ohnedem, sahen unsere Frauen ihrer Niederkunft entgegen, und man weiß es ist Modesache in Louisiana, diese in New Orleans abzuwarten.

Den Tag vor unserer Ankunft war Monsieur Lauzat, der Präfekt, eingetroffen. Zwei Stunden nach unserm Aussteigen wurden wir ihm bereits vorgestellt. Wir fanden an ihm einen Mann von Ehre, einen Franzosen durch und durch, und das war alles, was wir wünschten.

Trotz der vielen und gehäuften Geschäfte fand er noch Zeit, uns unsere Schenkungen, die wohl in allen Punkten richtig und gültig, aber von der lässigen spanischen Regierung nicht fest ausgemittelt worden waren, gehörig zu fixieren und so jedem künftigen Anstand zu begegnen.

Am dreißigsten November übernahm er die Kolonie von den spanischen Kommissären, dem Marquis de Caza Calvo, und Gouverneur de Salcedo, um die zwanzig Tage darauf, am zwanzigsten Dezember, an Messieurs Clayborn und Wilkinson, die amerikanischen Bevollmächtigten, zu übergeben.

Den für Franzosen allerdings sehr empfindlichen Umstand abgerechnet, daß unsere schöne Hoffnung, gewissermaßen auf französischem Boden zu leben, getäuscht worden, fanden wir keine Ursache, uns über die Veräußerung Louisianas zu beklagen. Der Erste Konsul hatte mehrere für uns sehr günstige Artikel in dem Abtretungsvertrag stipuliert. Die Schenkungen sowohl der französischen als der spanischen Regierung sollten respektiert, die Einwohner Louisianas ohne Unterschied den geborenen Bürgern der Union in jeder Hinsicht gleichgestellt werden; mit einem Wort, alles war getan worden, die bürgerliche sowohl als politische Existenz der Verkauften zu sichern.

Gern wären wir unserm lieben Asyl zugeeilt, ja, der Aufenthalt in der Hauptstadt wurde uns allmählich drückend; denn das Gerücht brachte uns seltsame Dinge von dem Treiben unserer neuen Landsmänner und Regenten im Lande zu Ohren. Ganze Schwärme von Abenteurern und sogenannten Landsharks, wie sie die Landspekulanten nennen, waren aus dem Norden wie Heuschrecken angekommen, waren in Gehöfe, Pflanzungen, Hütten und Häuser gedrungen, kalkulierend nach Ländereien, und darunter Männer von großem politischen Einfluß. Dann gab es wieder junge, Whisky trinkende Leutnants, jetzt Kommandanten der Forts, Tischler, Gerber und derlei ehrenwerte Leute, die zu Sheriffs und Richtern avanciert waren, und Gerechtigkeit verwalten sollten, in einem Lande, dessen Sitten, Gebräuche und Gesetze sie nicht kannten, von dessen Sprache sie kein Wort verstanden. Mehrere Wegweisungen von Ländereien, wo die Besitztitel nicht gehörig befunden worden waren, sollten gleichfalls stattgefunden haben. Amadee bat dringend, unsere Nachhausekunft zu beschleunigen; wir würden in der Niederlassung seltsame Veränderungen finden.

Diese wiederholten Aufforderungen hatten uns unruhig gemacht. Inzwischen hatten die Entbindungen stattgefunden, so daß wir mit Frauen und Kindern an die Heimreise denken konnten. Amadee war benachrichtigt worden, uns Pferde an den Redriver entgegenzusenden. Unsere Ungeduld, Nathan zu sehen, war so groß, daß wir die Frauen und die beiden Kinder nach Hause fahren ließen und Amadees und des ihn begleitenden Negers Pferde bestiegen, um den drei Meilen langen Abstecher zu Nathan zu machen.

Wir ritten, was die Pferde laufen konnten. Es war, als ob eine Ahnung uns sagte, daß wir zu spät kamen. Eine tiefe, unheimliche Stille herrschte in der Niederlassung, wir trafen keine lebendige Seele in der ersten, zweiten, dritten Pflanzung, die Nathans war die vierte. Uns wurde nun wirklich bange; wir spornten die Pferde und fanden uns endlich vor dem so wohlbekannten Blockhaus.

James, der älteste Sohn Nathans, kam uns entgegen. Er war ungemein ernst, ja düster, als er uns die Hand schüttelte:

»Wo ist Freund Nathan?«

»Weit von hier zu dieser Zeit, Oberst.«

»Weit von hier zu dieser Zeit? Seid so gut, ihm zu sagen, daß wir zurück sind.«

»Das dürfte einem guten Gaul manchen harten Tagritt nehmen, ihm das zu sagen« versetzte der junge Squatter; »Vater ist weggezogen.«

»Weggezogen!«, rief ich. »wie meint Ihr dies, Mister Strong?«

»Wegezogen mit Weib und Kind – Mutter und Schwester Mary, und Bruder Joshua, und Neger und Vieh und allem, und zwanzig Familien mehr. Seht ja, daß ein Wegziehen gewesen ist«, sprach der junge Mann, auf den nackten Flur deutend.

»Weggezogen!«, riefen wir. Mir wurde beinahe übel bei dieser Nachricht. »Weggezogen, ohne ein Wort zu sagen!«

»Das nicht, hat Aufträge hinterlassen, schriftlich und mündlich, und versieht sich, daß Ihr uns in Ausrichtung derselben freundlich beistehen werdet.«

»Weggezogen!«, rief ich abermals.

»Weggezogen!«, wiederholte James. »Kalkulierte, es wäre Zeit, zu gehen, als das Gesetz und der Sheriff sich zu melden begannen.«

»Aber was hat Euer Vater mit dem Gesetz, dem Sheriff zu tun? Er hat doch keinen Mord noch Diebstahl begangen?«

»Ei, kalkuliere er hat nicht; aber ist den Gesetzmännern nicht um Mord und Diebstahl zu tun, ist ihnen um das Land zu tun, und haben für unser Land, wißt Ihr keine Besitztitel, keine Schenkungen, die wir vorzeigen könnten, und kam vor sechs Wochen eine Schar, die die Niederlassung von allen Seiten abmaß, und wieder maß, und zwei Wochen darauf ein Sheriff, mit Amtsstab der das Land als Kongreßland ansprach und uns ein Haus weiter wies, weil wir von der spanischen Regierung keinen Besitztitel aufzuweisen hätten.«

»Und Euer Vater ließ sich wegweisen?«

»Was konnten wir gegen das Gesetz?«, sprach der junge Mann. »Vater sah, daß nichts helfe als das Land zu kaufen, hat mir deshalb Auftrag gegeben und ein Schreiben hinterlassen; scheint, es gefällt einem der Regierungskommissare der die gute Gelegenheit gern nützen möchte.«

James zeigte mir das Schreiben oder, besser zu sagen die Vollmacht, denn dies war sie. Ich wurde darin mit Lassalle ermächtigt das von ihm in Besitz gehabte Land für seine Familie und Freunde, nämlich James, Geoffroy, Jonathan, Mistreß Barclay, die gewesene Miß Elisabeth, usw., die es vorzogen, in Louisiana zu bleiben, zu ersteigern, und dazu die in meinen Händen befindlichen Gelder, beiläufig sechstausend Piaster, anzuwenden. Sollten wir nicht imstande sein, das Land zu ersteigern, so ersuchte er mich, die zurückgebliebenen Mobilien und Immobilien, worunter die beiden Kottonpressen, bestmöglich anzubringen. Gleiches ersuchte er für seine Freunde Nolins und Barclay, deren Kinder es gleichfalls vorzogen, in Louisiana zu bleiben.

»Aber ums Himmels willen, warum schrieb mir Euer Vater nicht, warum wartete er nicht? Mir wäre es möglich gewesen, in New Orleans die Sache auszugleichen.«

»Kennt bei alledem, Oberst, den Vater nicht«, meinte James kopfschüttelnd, »wenn Ihr der Ansicht seid, er würde das erst kaufen, was er für sein Eigentum hält, und wofür er keinem Menschen auf Erden ein gutes Wort geben würde; aber Gesetz ist ein anderes. Wollte nichts mehr mit Louisiana zu tun haben; wollte ein Land suchen, wo kein Sheriff, kein Gesetz ihn ein Haus weiter weisen kann.«

»Dann wird er lange suchen müssen, in irgendeinem erst zu entdeckenden Weltteil suchen müssen«, versetzte ich unmutig; »aber ich sehe, Euer Vater zieht vor, es lieber mit spanischen Musketen als mit dem amerikanischen Gesetz aufzunehmen.«

»Ei, wer wird es mit dem Gesetz aufnehmen«, erwiderte der junge Mann. »Lieber mit fünfundachtzig spanischen Musketen, als dem Gesetz. Der Himmel verhüte.«

Der junge Mann sprach die Worte mit einer Art Scheu, die uns, die wir damals das Grauen der Hinterwäldler vor dem Gesetz noch nicht kannten, notwendig auf den Gedanken hätte bringen müssen, daß der alte Nathan mit diesem Gesetz in seinem Lande zerfallen sein müsse, wenn wir vom Gegenteil nicht vollkommen durch den Umstand überzeugt gewesen wären, daß er zu wiederholten Malen seine frühere Heimat nicht nur besucht, sondern auch in fortwährender Verbindung mit ihr gestanden.

»Ei« sprach der junge Mann der unsere Gedanken erraten mochte. »Ei war eine trübe Stunde, mögt es glauben wie der Vater das Blockhaus zum letzten Male so ansah und Asas Gebeine herausnahm, ohne die die Muhme Barclay, die gewesene Mistreß Strong, wißt Ihr, nicht gehen wollte.«

»Und sie haben Asas Gebeine aus dem Blockhaus mitgenommen?«

»Ei, so haben sie«

Wir standen schmerzerfüllt halb schaudernd, Tränen entquollen unseren Augen. Was muß der eiserne Mann nicht gefühlt haben als er denselben Landsleuten weichen mußte, aus demselben Lande weichen mußte das für sie zu erobern er alle seine Geisteskräfte angestrengt, zehn Jahre hindurch angestrengt hatte!

»Sehe, Ihr seid der Mann, Oberst, für den Euch Vater gehalten. Vielleicht kommt die Zeit ...«

»Wo wir ihn wiedersehen, nicht? Sagt, junger Mann, er kommt zurück. Nicht wahr?« riefen wir beide zugleich.

Der junge Mann schüttelte den Kopf.

»Wollte das nicht sagen. Wollte sagen, daß Vater sich nicht in Euch getäuscht hat, als er uns sagte, daß Ihr seine Aufträge ausrichten würdet.«

»Das wollen wir, so gewiß, als wir Männer von Ehre sind. Jetzt lebt wohl, morgen sehen mir uns.«

Wir ritten ab, unserer Sinne kaum mächtig, so hatte uns der Schlag betäubt; denn Nathan war uns mehr als Freund, er war uns Wegweiser, Führer, Bedürfnis geworden, uns ans Herz gewachsen, die ganze Niederlassung erinnerte an ihn, unser Haus, alles erinnerte an ihn, aus allen Ecken sprach er. Nichts war ohne seinen Rat, seine Zustimmung getan worden. Als wir unser Haus betraten, kamen uns die Frauen jammernd entgegen, sie wußten jetzt gleichfalls den Verlust, den wir, sie erlitten.

Dieser Abend, und noch viele nachher, gehörten zu den traurigsten, die wir in Louisiana verlebten. Nathan fehlte uns, den Frauen, Amadee, den Dienern, allen. Immer sich gleich, war er allen alles in allem geworden, geblieben. Er war die Würze unseres Hinterwäldlerlebens gewesen, das durch ihn erst seinen rechten Geschmack erhalten hatte.

Am folgenden Morgen kamen Nathans zurückgebliebene Söhne mit ihren Freunden, um sich in ihrer Eltern Namen über die uns anvertrauten Kommissionen Rechenschaft ablegen zu lassen und zugleich die Maßregeln wegen des zu ersteigernden Landes zu besprechen. Wie James angedeutet hatte, so war es einer der Regierungsbeamten, durch die Nathan sowohl als einige der übrigen Glieder weggewarnt worden. Doch waren diese Landsharks, wie sie so passend genannt werden, nicht mit allen Squatters gleich verfahren. Einigen, die sich williger fanden, hatten sie ihren Beistand zur Behauptung ihrer Pflanzungen angeboten, andern wieder angetragen, sie als Lehensleute zu belassen, wieder andere weggewarnt. Man kennt ja die Kunstgriffe, die sich diese Gattung von Menschen, die an Härte und Selbstsucht oft den abgefeimtesten Seelenverkäufern nicht weichen, so gern erlaubt. Mit Nathan waren sie gleich beim ersten Zusammentreffen so hart aneinandergestoßen, daß sie eilig die Niederlassung verließen. Die Folge war Wegwarnung – oder Wegweisung. Sehr schlau hatten, wie wir später erfuhren, die Spekulanten in New Orleans die Niederlassung als bloß von einigen unruhigen Squatters usurpiert vorgestellt.

Wir sahen wohl ein, daß wir es mit ebenso mächtigen als gewissenlosen amerikanischen Feinden zu tun haben würden, und schlugen daher einen anderen Weg ein. Wir setzten sogleich eine Petition in englischer und französischer Sprache auf, in der wir die Territorialregierung angingen, so bald als möglich zur Versteigerung des von Nathan und seinen Freunden beurbarten Landes zu schreiten und so seine zeitweiligen Besitzer, mehr denn achtzig achtbare Familien, aus dem Zweifel zu reißen. Wir beriefen uns auf die vielen Opfer, die diese Ansiedler gebracht, auf die Wege, die sie angelegt, das Gute, das sie dem Lande getan, und machten es so der Regierung gewissermaßen zur Pflicht, Gerechtigkeit zu üben. Die Petition ließen wir mit so vielen Unterschriften in den Attakapas und Opelousas versehen, als unserm Einfluß nur möglich war. Es waren ihrer an die Tausend.

Das Resultat war günstig. Die Regierung, die vor allem die öffentliche Meinung, und besonders die Kreolen und Franzosen in dem neu erworbenen Territorium zu schonen hatte, bestimmte den Tag, an dem die Versteigerung stattfinden sollte; die Landspekulanten, die ihre fein gesponnenen Netze, die Squatters zu fangen, entdeckt sahen, wurden durch die ominösen Symptome des allgemeinen Mißfallens eingeschüchtert und erschienen nicht, und unsere Freunde ersteigerten ihre Ländereien zu dem gewöhnlichen Kongreßpreis.

Sie besitzen sie großenteils bis auf diese Stunde und gehören zu den rechtlichsten und reichsten Familien Louisianas.

Wir hatten noch immer gehofft, Nathan möchte, wenn er das Resultat erfahren würde, mit seinen Freunden zurückkommen, allein – unsere Hoffnung ging nicht in Erfüllung.

Jahre verliefen; oft dachten wir des rauhen und doch wieder so originell herzig trefflichen Regläters, unter dessen Schutz und Schirm wir in den Hinterwäldern flügge geworden. Der Strom der Zeiten und Begebenheiten, Familienverluste, Sorgen, die uns die allmählich groß gewordene Pflanzung verursachte, stellten sein Andenken nach und nach in den Hintergrund, verwischt wurde es nie. –

Acht Jahre verliefen so nach dem Verschwinden Nathans. Es war im Herbst 1811, jenem unglücklichen Herbst, der mir das Teuerste entriß, meine Eleanor. – Dieser Verlust, der dritte und größte, den mir Louisiana gekostet, hatte mein physische und moralische Kraft auf eine Weise gebrochen, die nur derjenige begreiflich finden wird, der in den Hinterwäldern gelebt, und da seine letzte Ressource sich entrissen sieht. Das Leben hatte für mich allen Reiz verloren. Mit Widerwillen betrachtete ich selbst die unschuldig lächelnde Genievre, das letzte Pfand unserer Liebe, das mich ein so großes Opfer gekostet. Lefebvre schlug, um mich diesem Zustand zu entreißen, eine Exkursion in die westlichen Präries vor. James, der nun Kongreßmitglied geworden war, unterstützte, obwohl die Kottonernte im Gange war, freudig den Vorschlag. Einige Söhne angesehener Nachbarn schlossen sich an, und als wir am Fort von Natchitoches hielten, bat auch der Kommandant, uns mit mehreren seiner Leute begleiten zu dürfen.

Bald drangen wir in das spanische Gebiet ein.

Wir waren zu einem solchen Zug sehr gut gerüstet, und da alle Vorkehrungen durch unsere Freunde dazu getroffen waren, so genossen wir das Vergnügen mehrerer Büffel- und Pferdejagden, ohne jenen Entbehrungen, die dergleichen Exkursionen in der Regel mit sich führen, unterworfen zu sein. Wir hatten uns gegen Rio del Norte hingezogen und befanden uns in der mexikanischen Provinz Texas, wohl an die fünfhundert Meilen von unserem Heim entfernt.

Es war an einem Abend nach einer solchen Büffeljagd, daß wir an einen Hügel kamen, von dem herab wir eine herrliche Aussicht auf einen bedeutenden Fluß hatten, der, sich krümmend, eine große, wohl an die zehn Meilen lange und breite Halbinsel bildete. Wir standen überrascht über die außerordentliche Schönheit des herrlichen Landstriches, dem wir selbst in Louisiana nichts Vergleichbares aufzustellen hatten. Noch mehr aber wurden wir es, als wir zwischen den Gruppen der kolossalen Bäume Wohnungen, Pflanzungen – kurz, eine förmliche Niederlassung erblickten. Ich riß das Fernrohr heraus und hatte es noch nicht vor die Augen gebracht, als unsere indianischen Führer bereits »Amerikaner!« riefen. Es war eine amerikanische Niederlassung.

Man kann sich leicht vorstellen, daß wir nicht lange stehen blieben. Mit einem Ausruf der Ueberraschung eilten wir alle, so schnell wir es vermochten, den Hügel hinab, drangen durch den Wald und kamen am Ufer an. Einige Schüsse machten die Bewohner der dem jenseitigen Ufer nächstgelegenen Pflanzung auf uns Aufmerksam. Ein Boot kam herüber mit zwei jungen Männern. Die Männer mich sehen: Oberst! schreien, ans Ufer springen: wir ihnen entgegen, das war eins. Es war Joshua, der jüngste Sohn Nathans. In einer halben Stunde darauf schlossen wir den alten Regläter, unsern lieben, lieben, unvergeßlichen Nathan, in die Arme.

Er war wieder mit Nolins Regläter, hatte wieder ein Blockhaus, das aber mehr Fort genannt werden konnte, erbaut, und endlich hier, vor allen Landspekulanten, Sheriffs und Landoffizen Ruhe gefunden.

Und lebt da als Regläter, Präsident, Gouverneur, kurz: als Oberhaupt von nahe an tausend Ansiedlern. Oestlich von seiner Niederlassung hat ein gewisser Oberst Austin eine zweite Kolonie gegründet, aber den eigentlichen Nerv des werdenden Staates bildet die seinige.

 

ENDE


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