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Drittes Kapitel.

Die Krieger erhuben sich von dem Platze kurzer Ruhe und einfacher Erfrischung, und während sie sorgfältig ihren Thieren das Geschirr wieder an- und auflegten, von welchen sie dieselben für den Augenblick befreit hatten, half Einer dem Andern mit Zuvorkommenheit. Ein Jeder von ihnen schien vertraut mit einer Verrichtung, die zu der Zeit eine nothwendige und wahrhaft unumgängliche Pflicht war. Auch schien ein Jeder von Beiden, so weit es der Unterschied zwischen einem Thier und einem vernünftigen Wesen zuläßt, das Vertrauen und die Zuneigung seines Rosses zu besitzen, das der beständige Gefährte seiner Reisen und Kriegsfahrten war. Bei dem Saracenen beruhte diese Vertraulichkeit auf der frühesten Angewöhnung: denn unter den Zelten der morgenländischen Kriegerstämme nimmt das Roß des Streiters den nächsten, ja an Wichtigkeit fast gleichen Rang mit Weib und Familie ein; und dem europäischen Krieger machten Umstände und vor Allem Nothwendigkeit sein Streitroß kaum weniger theuer als einen Waffenbruder. Darum ließen sich die Thiere geduldig Futter und Freiheit nehmen, und zutraulich umwieherten und umschnaubten sie ihre Herren, während diese ihnen das Geschirr zu weiterer Reise und Beschwerde anlegten. Und jeder der beiden Streiter, während er sein eigenes Werk versah, oder während er dienstfertig seinem Genossen beisprang, achtete mit gespannter Aufmerksamkeit auf die Ausrüstung seines Reisegefährten, und merkte sich besonders, was ihm aufgefallen war in der Art, wie der andere sein Reitzeug ordnete.

Ehe sie aufstiegen, um ihre Reise fortzusetzen, benetzte der christliche Ritter wiederum seine Lippen, und tauchte die Hände in die fließende Quelle, indem er zu seinem heidnischen Gesellen sagte: »Wohl möchte ich den Namen wissen von dieser erquickenden Quelle, auf daß ich ihn bewahren könnte in dankbarem Angedenken: denn nie hat Wasser auf erquickendere Art einen brennenderen Durst gestillt, als der war, den ich heute erlitten habe.«

»Sie wird in der arabischen Sprache,« antwortete der Saracen, »mit einem Namen genannt, der so viel bedeutet, als der Diamant der Wüste.«

»Und wohl verdient sie diesen Namen,« versetzte der Christ. »In dem Thal meiner Heimath sind wohl tausend Quellen, aber an keine derselben werde ich von nun an so werthe Erinnerungen knüpfen als an diese einsame Quelle, die ihr kostbares Naß an einem Orte spendet, wo es nicht allein ergötzlich, sondern fast unentbehrlich ist.«

»Du sprichst wahr,« sagte der Saracen; »denn unser Weg ist noch immer nahe bei jenem todten Meer, und weder Mensch noch Thier trinkt von seinen Fluthen, noch von denen des Flusses, der jenem zuströmt, ohne es zu füllen, bis diese unwirthliche Wüste dahinter liegt.«

Sie stiegen auf, und setzten ihre Reise quer durch die Sandwüste fort. Die Mittagshitze war vorbei, und ein sanfter Wind linderte ein wenig die Qualen der Wüste, obschon er auf seinen Schwingen einen feinen Staub heranwehte, aus dem sich der Saracen wenig machte, während sein schwergerüsteter Gefährte ihn mit solchem Ungemach ertrug, daß er seinen eisernen Helm an den Sattelbogen hängte und die leichte Reiterkappe aufsetzte, in der Sprache jener Zeit Mörser genannt von ihrer Aehnlichkeit mit einem Mörser. Eine Zeitlang ritten sie stillschweigend neben einander; der Saracen versah die Rolle eines Wegweisers; indem er unbedeutende Merkzeichen und die Lage entfernter Felsen beobachtete, deren Rücken sie sich allmählig näherten. Eine Zeitlang schien er in dies Geschäft versunken, gleich einem Steuermann, der ein Schiff durch eine gefährliche Meerenge lenket; aber sie waren noch keine halbe Stunde vorwärts gekommen, als er des Weges versichert schien und aufgelegt, mit einem seinem Volke ungewöhnlichen Freimuth die Unterhaltung zu beginnen.

»Du hast mich,« sagte er, »um den Namen einer Quelle befragt, die wohl dem Anschein nach aber nicht in Wirklichkeit ein lebendiges Ding ist. Erlaube mir, mich um den Namen des Gefährten zu erkundigen, mit dem ich heute in Streit und in Ruhe zusammen gewesen bin, und den ich mir nicht als unbekannt denken kann, selbst hier in den Wüsten von Palästina.«

»Er ist noch nicht werth, bekannt zu sein,« sagte der Christ. »Wisse jedoch, daß ich unter den Streitern des Kreuzes Kenneth genannt werde – Kenneth vom schlafenden Leoparden; zu Hause habe ich andere Titel, die aber hart klingen würden im Ohr eines Morgenländers. Tapferer Saracen, darf ich fragen, welcher von den arabischen Stämmen dich seinen Abkömmling nennt, und unter welchem Namen du bekannt bist?«

»Sir Kenneth,« sagte der Muselmann, »es ist mir lieb, daß Ihr einen Namen habt, den meine Zunge leicht ausspricht. Was mich betrifft, so bin ich kein Araber; aber ich stamme von einem Geschlecht, das nicht weniger furchtbar ist und kriegerisch. Wisse, Sir Ritter vom Leoparden, daß ich Scheerkohf bin, der Löwe des Gebirgs, und daß es in Kurdistan, woher ich stamme, keine Familie gibt, die edler wäre als die der Seldschucken.«

»Ich habe gehört,« antwortete der Christ, »daß Euer großer Sultan sein Blut von der nämlichen Quelle ableitet.«

»Gelobt sei der Prophet, der so sehr unsere Berge gewürdigt hat, daß er aus ihrem Schooße den sandte, dessen Wort Sieg ist,« antwortete der Heide. »Ich bin nur ein Wurm vor dem König von Egypten und Syrien, aber doch vermag mein Name etwas in meinem eigenen Land. – Fremdling, mit wie viel Mann bist du in diesen Krieg gekommen?«

»Bei meiner Treu,« sagte Sir Kenneth, »mit Hülfe von Freunden und Verwandten war es mir schwer, zehn wohlgerüstete Lanzen zu stellen mit vielleicht fünfzig Mann weiter, Schützen und Knechte eingerechnet. Etliche von diesen haben mein unglückliches Banner verlassen – etliche sind im Kampfe gefallen – andere sind an Krankheit gestorben – und ein einziger treuer Schildknappe, für dessen Leben ich die gegenwärtige Wallfahrt unternehme, liegt auf dem Siechbette.«

»Christ,« sagte Scheerkohf, »ich habe hier fünf Pfeile in meinem Köcher; ein jeglicher ist befiedert vom Flügel des Adlers. Wenn ich einen derselben nach meinen Gezelten sende, so steigen tausend Streiter zu Pferd – sende ich einen andern, so erheben sich eben so viele – für die fünfe stehen mir fünftausend Mann zu Gebot – und wenn ich meinen Bogen sende, so erbebt die Wüste unter dem Gestampf von zehntausend Reitern. Und du bist gekommen mit deinen Fünfzigen, ein Land anzugreifen, worin ich einer der Geringsten bin!«

»Nun, bei dem Kreuze, Saracen,« versetzte der westliche Streiter, »du solltest wissen, ehe du prahltest, daß ein stählerner Handschuh vermögend ist, eine ganze Handvoll Hornissen zu erdrücken.«

»Gewiß, aber erst muß er sie in der Faust haben,« sagte der Saracen mit einem Lächeln, das die neue Freundschaft einiger Gefahr hätte aussetzen können, hätte er nicht dem Gespräch eine andere Wendung gegeben durch den Zusatz: »Und ist denn Tapferkeit so hoch geachtet bei den christlichen Fürsten, daß du, der du so wenig mit Mitteln und Leuten versehen bist, dich mir als Schutz und Schirm in dem Lager deiner Brüder anbieten konntest, wie du vorhin gethan?«

»Wisse, Saracen,« sagte der Christ, »da dies deine Benennung ist, daß der Name eines Ritters und das Blut eines Edelmannes das Recht verleihen, sich mit den Fürsten ersten Ranges in eine Reihe zu setzen in Allem, was nicht königliche Machtvollkommenheit und Herrschaft betrifft. Würde Richard von England selbst die Ehre eines Ritters kränken, der so arm wäre, als ich es bin, er könnte ihm, ohne die Gesetze des Ritterthums zu verletzen, den Zweikampf nicht versagen.«

»Fürwahr, es würde mich freuen, ein so seltsames Schauspiel zu sehen,« sagte der Emir, »wo ein lederner Gürtel und ein paar Sporen den Aermsten auf gleiche Linie mit dem Mächtigsten stellen.«

»Du mußt hinzusetzen, freies Blut und ein furchtloses Herz,« sagte der Christ; »dann vielleicht wirst Du von der Ehre der Ritterschaft nicht fälschlich gesprochen haben.«

»Und mischet Ihr Euch eben so frei unter die Frauen Eurer Häuptlinge und Fürsten?« fragte der Saracen.

»Gott verhüte es,« sagte der Ritter vom Leoparden, »daß es dem ärmsten Ritter der Christenheit nicht frei stehen sollte, in jeglichem Ehrendienste seine Hand und sein Schwert, seinen Thatenruhm und seine beständige Herzensneigung der schönsten Prinzessin zu weihen, die je ein Diadem an der Stirn trug!«

»Aber erst kurz vorhin,« sagte der Saracen, »hast du die Liebe als den höchsten Schatz des Herzens beschrieben – sie muß dir ohne Zweifel in einem hohen und edlen Stande gewährt worden sein?«

»Fremdling,« antwortete der Christ, der während seiner Rede tief erröthete, »wir sprechen nicht leichtfertig davon, wo wir unsere erwähltesten Schätze bewahren – es genüge dir zu wissen, daß, wie du sagst, meine Liebe eine hohe und edle ist – eine sehr hohe und sehr edle; aber wenn du von Liebe und gebrochenen Lanzen hören willst, wage dich, wie du sagst, in das Lager der Kreuzfahrer, und deine Ohren werden Beschäftigung finden, und, wenn du willst, deine Hände auch.«

Der östliche Krieger antwortete, indem er sich im Steigbügel erhob und seine Lanze aufwärts bewegte: »Ich fürchte, daß ich schwerlich einen mit bekreuzter Schulter finden werde, der mit mir den Wurf des Dscherrid versuchen wollte.«

»Dafür stehe ich nicht,« versetzte der Ritter; »obgleich im Lager einige Spanier sind, die sich recht gut auf das morgenländische Spiel verstehen, den Wurfspieß zu schleudern.«

»Hunde und Söhne von Hunden!« fuhr der Saracen auf; »was fällt diesen Spaniern ein, daß sie hierher kommen, die wahren Gläubigen zu bekriegen, die in ihrem eigenen Land ihre Herren und Zuchtmeister sind? mit ihnen möchte ich in keinem Kampfspiel zusammentreffen.«

»Hüte dich, daß nicht die Ritter von Leon und Asturien deine Rede vernehmen,« sagte der Ritter vom Leoparden; »aber« fügte er hinzu, indem er bei der Erinnerung an den am heutigen Morgen stattgehabten Kampf lächelte, »wenn du Lust hättest, statt dem Wurf eines Rohres dem einer Streitaxt zu stehen, so fändest du unter den westlichen Kriegern genug, die deinem Verlangen Genüge leisten würden.«

»Bei dem Bart meines Vaters, Sir,« sagte der Saracen mit einem Versuch zu lachen, »dies Spiel ist zu grob für bloßen Scherz – in der Schlacht werde ich's nimmer scheuen, aber mein Kopf« – er preßte die Hand gegen die Stirn – »wird mir für einige Zeit nicht erlauben, es im Scherz zu suchen.«

»Ich wollte, du sähest die Axt von König Richard,« antwortete der westliche Krieger, »mit welcher verglichen die hier, welche an meinem Sattelbogen hängt, federleicht ist.«

»Wir hören viel von diesem Inselkönig,« sagte der Saracene, »bist du einer von seinen Unterthanen?«

»Ich bin einer von denen, die ihm auf diesem Feldzug gefolgt sind,« antwortete der Ritter, »und ich bekleide Ehrenstellen in seinem Dienst; aber ich bin nicht sein geborner Unterthan, obschon ein Eingeborner der Insel, wo er herrscht.«

»Wie meinst du das?« sagte der östliche Krieger; »habt ihr denn zwei Könige auf einer einzigen armen Insel?«

»Wie du sagst,« sagte der Schotte, denn das war Sir Kenneth von Geburt, – »so ist es; aber obschon die Bewohner der beiden Theile der Insel in unaufhörlichem Krieg mit einander sind; so kann das Land, wie du siehst, ein solches Heer Bewaffneter aufstellen, als ausziehen wollen, um die unheilige Gewalt zu erschüttern, die dein Herr den Städten von Zion aufgelegt hat.«

»Beim Barte Saladin's, Nazarener, das ist doch eine wahre kindische Thorheit, und ich muß lachen über den Unverstand deines Sultans, welcher hierher kommt, Wüsten und Felsen zu erobern, und den Besitz derselben denen streitig zu machen, denen eine größere Macht zu Gebote steht, während er einen Theil seiner kleinen Insel, worin er als Herrscher geboren worden, der Gewalt eines andern Scepters gehorchend zurückläßt. Ohne Zweifel, Sir Kenneth, ihr und eure anderen guten Landsleute habt euch wohl der Herrschaft von König Richard unterworfen, ehe ihr euer in sich gespaltenes Geburtsland verließet, um in diesen Krieg zu ziehen?«

Schnell und stolz war Kenneth's Antwort: »Nein bei dem glänzenden Licht des Himmels! hätte der König von England den Kreuzzug nicht eher unternommen, als bis er Herr von Schottland geworden wäre; so möchte, das sage ich und alle ächten Schotten mit mir, der Halbmond auf ewig von den Wällen Zions glänzen.«

So weit hatte er gesprochen, als er sich schnell besann und murmelte: » mea culpa! mea culpa! was habe ich, ein Soldat des Kreuzes, mit der Erinnerung an den Krieg zwischen Christen zu schaffen?«

Die flüchtige Aeußerung des vom Pflichtgebot zurechtgewiesenen Gefühls entging nicht der Aufmerksamkeit des Muselmannes, der, wenn auch nicht Alles vollkommen und in allen Beziehungen begriff, doch wenigstens so viel sah, um sich zu überzeugen, daß bei Christen sowohl als bei Muselmännern Gefühle von persönlichem Haß und volksthümliche Zerwürfnisse genährt würden, deren Besänftigung nie ganz gelingen werde. Aber die Saracenen waren ein Stamm, der vielleicht in dem höchsten Grade, den ihre Religion erlaubt, verfeinert war, und der ganz vorzüglich geeignet schien, hohe Begriffe von Anstand und Bildung zu nähren; und dies verhinderte, daß er ein Aufhebens machte von der Unbeständigkeit Sir Kenneth's, in dessen Charakter der Schotte und der Kreuzfahrer sich widersprachen.

In der Zwischenzeit waren sie vorwärts gekommen, und die Gegend umher hatte sich verändert. Sie befanden sich in einer östlichen Richtung, und hatten die steile und kahle Hügelkette erreicht, die auf dieser Seite die wüste Ebene schließt, und der Landschaft ein anderes Ansehen verleiht, ohne ihr den Charakter der Unfruchtbarkeit zu benehmen. Spitze, felsigte Höhen erhuben sich rings umher, und bald boten tiefe Abhänge und steile Aufwege, die wegen des schmalen Pfades sehr gefährlich waren, den Wanderern Schwierigkeiten dar, die verschieden waren von denen, mit welchen sie kurz vorher gekämpft hatten. Schwarze Höhlen und Abgründe, die in der Bibel so oft erwähnten Grotten, öffneten sich furchtbar zwischen den Felsen zu beiden Seiten des Wegs, und der schottische Ritter erfuhr von dem Emir, daß dieselben wilden Thieren oder Menschen, die noch grausamer als jene seien, weil durch den unaufhörlichen Krieg und die von den Kriegern des Kreuzes und des Halbmonds ausgeübten Erpressungen zur Verzweiflung und zum Räuberleben getrieben, sie weder Stand und Religion, noch Geschlecht und Alter verschonten, zum Schlupfwinkel dienten.

Der schottische Ritter hörte mit Gleichgiltigkeit auf den Bericht von den Verwüstungen, welche die wilden Thiere oder die verwilderten Menschen verursacht hatten: er verließ sich auf seine eigene Kraft und Stärke; aber ein geheimes Schaudern befiel ihn, als er bedachte, daß er sich nun in der furchtbaren Wildniß der vierzigtägigen Fasten befände, und als er sich die Versuchung vergegenwärtigte, womit der Fürst der Finsterniß des Menschen Sohn antasten durfte. Er entzog nach und nach seine Aufmerksamkeit der eitelen, weltlichen Unterhaltung des ungläubigen Kriegers zu seiner Seite, und ein so angenehmer Gefährte dieser letztere wegen seiner munteren und gefälligen Redseligkeit überall anders gewesen sein würde, Sir Kenneth glaubte, daß in dieser Wildniß, an diesen wüsten und dürren Oertern, wohin die bösen Geister zu wandern pflegten, wenn sie aus den Menschen, deren Leiber sie besessen, vertrieben worden seien, ein Bruder Barfüßer ein besserer Reisegeselle wäre, als ein munterer aber ungläubiger Heide.

Dies Gefühl beengte ihn um so mehr, als des Saracenen Aufgeregtheit mit der Reise zu wachsen schien, und als, je weiter sie in den düsteren Schluchten des Gebirgs vordrangen, die Unterhaltung desselben desto ausgelassener wurde, und, da sie endlich unbeantwortet blieb, zu einem desto lauteren Singen anwuchs. Sir Kenneth verstand genug von den morgenländischen Sprachen, um sich zu vergewissern, daß er Liebeslieder sang, in welchen die morgenländischen Dichter so schlüpfrig sind, und die darum desto weniger mit einer ernsten, frommen und der Wüste der Versuchung angemessenen Gedankensammlung übereinstimmten. In großem Widerspruch mit sich selbst sang der Saracen auch Lieder zum Lob des Weins, des flüssigen Rubins persischer Dichter, und seine Fröhlichkeit wurde auf die Länge dem christlichen Ritter, dessen Gemüth ganz anders gestimmt war, so unerträglich, daß, wäre nicht das Versprechen guten Vernehmens geleistet worden, Sir Kenneth leicht Maßregeln würde ergriffen haben, den Ton des Liedes zu ändern. Es kam dem Kreuzfahrer vor, als hätte er an seiner Seite eine Art von einem munteren, schlüpfrigen, bösen Feind, der seine Seele zu berücken und sein ewiges Heil zu gefährden trachte durch Eingebung eiteler Gedanken an irdische Lust, und der auf diese Weise seine Andacht besudele zu einer Zeit, wo sein Christenglaube und sein Pilgergelübde eine ernste und bußfertige Gemüthsverfassung von ihm erheischten. Er war demnach sehr beunruhigt, und wußte nicht, was er thun solle; endlich unterbrach er mit dem heftigen Ton des Mißfallens das Lied des berühmten Rudpiki, in welchem derselbe das Mal auf dem Busen seiner Geliebten allen Reichthümern von Bokhara und Samarkand vorzieht.

»Saracen,« sagte der Kreuzfahrer ernsthaft, »wie blind du auch sein magst und wie tief versunken in den Irrthümern eines falschen Gesetzes, du solltest dennoch wissen, daß es Orte gibt, die heiliger sind als andere, und wieder andere, wo der Böse außergewöhnliche Macht hat über sündhafte Menschen. Ich will dir den wichtigen Grund nicht angeben, warum dieser Ort – diese Felsen – diese Höhlen mit ihren düsteren Thoren, die aussehen, als wenn sie in die Mitte des Abgrunds führten – als ein vornehmlicher Aufenthalt des Satans und seiner Engel angesehen werden. Genug, daß weise und heilige Männer, denen die Beschaffenheit der unheiligen Gegend wohl bekannt war, mich vor diesem Orte längst gewarnt haben. Darum, Saracen, laß ab von deiner thörichten und unzeitigen Lustigkeit, und wende deine Gedanken Dingen zu, die diesem Orte angemessener sind, wenn schon – ich beklage dich! – auch dein bestes Gebet nur Lästerung und Sünde ist.«

Der Saracen horchte mit einigem Befremden; dann antwortete er mit guter Laune und mit Lustigkeit, die nur, so weit es die Höflichkeit verlangte, versteckt war: »Guter Sir Kenneth, fürwahr du handelst ungerecht gegen deinen Gefährten, oder die Höflichkeit wird nur unvollkommen gelehrt bei euren westlichen Stämmen. Ich nahm keinen Anstoß, als ich dich Schweinefleisch essen und Wein trinken sah, und ließ dich ruhig deines Mahles dich erlaben, das ihr eure christliche Freiheit nennet, indem ich bloß in Gedanken eure abscheulichen Genüsse bemitleidete. – Warum denn nun wolltest du Aergerniß nehmen, wenn ich mir, so viel es in meinen Kräften steht, einen traurigen Weg mit einem lustigen Lied erheitere? Was sagt der Dichter – Gesang gleicht dem Thau des Himmels in der Mitte der Wüste; er kühlt den Pfad des Wanderers.«

»Freund Saracen,« sagte der Christ, »ich tadle nicht die Liebe der Sängerschaft und der gaie science; wiewohl wir verstatten ihnen zu viel Raum in unsern Gedanken, wenn diese auf bessere Dinge gerichtet werden sollten. Aber Gebete und heilige Psalmen sind angemessener als Trink- und Liebeslieder, wenn man durch dieses Thal des Schattens des Todes wandert, das voll ist von bösen Geistern und Dämonen, die, auf das Gebet heiliger Männer aus den Wohnstätten der Menschen vertrieben, nach Plätzen wandern, verflucht wie sie selber.«

»Sprich nicht so von den Genien, Christ,« antwortete der Saracen, »wisse, daß du mit einem sprichst, dessen Stamm und Volk ihren Ursprung von jenen Unsterblichen herleiten, die eure Secte fürchtet und lästert.«

»Ich dacht' es wohl,« antwortete der Kreuzfahrer, »daß euer blindes Geschlecht vom bösen Feind abstammen müsse, ohne dessen Hülfe ihr es nie würdet vermocht haben, dieses gelobte Land gegen so viele Streiter Gottes zu behaupten. Ich spreche nicht so von dir besonders, Saracen, sondern im Allgemeinen von deinem Volk und deiner Religion. Jedoch es wundert mich, nicht daß ihr euren Ursprung vom bösen Geist haben könnet, sondern daß ihr euch dessen rühmet.«

»Von wem denn sollte sich der Brave abzustammen rühmen, wenn nicht von dem Bravsten?« sagte der Saracen; »von wem könnte der Stolze seinen Stamm würdiger herleiten als von dem finsteren Geist, der es vorzog, Hals über Kopf vor der Gewalt zu fallen, als sein Knie freiwillig zu beugen? Eblis mag gehaßt werden, Fremdling; aber er muß gefürchtet werden; und wie Eblis ist, so sind seine Nachkömmlinge von Kurdistan.«

Mährchen von Magie und schwarzer Kunst waren die Gelehrsamkeit der Zeit, und Sir Kenneth hörte seinen Gefährten von seiner satanischen Herkunft reden, ohne daran zu zweifeln oder sich groß zu verwundern; doch fühlte er ein geheimes Schaudern, sich in dieser furchtbaren Gegend mit einem Gesellen zusammen zu finden, der eine solche Abstammung offen bekannte. Aber von Natur der Furcht unzugänglich, wie er war, bekreuzte er sich, und sprach herzhaft den Saracenen um Aufschluß über das Geschlecht an, dessen derselbe sich rühmte. Dieser fügte sich bereitwillig seinem Verlangen.

»Wisse, tapferer Fremdling,« sagte er, »zur Zeit als der grausame Zohauk, ein Abkömmling von Giamschid, auf dem Throne Persiens saß, machte er einen Bund mit den Mächten der Finsterniß in den verborgenen Grotten von Istakhar, welche die Hände der Urgeister, lange bevor Adam war, in die Felsen gehauen. Hier nährte er mit täglicher Darbietung von Menschenblut zwei gefräßige Schlangen, die, den Dichtern zufolge, ein Theil von ihm geworden waren, und zu deren Ernährung er täglich Menschenopfer forderte, bis die erschöpfte Geduld seiner Unterthanen Einige antrieb, das Schwert der Empörung zu erheben, wie den tapferen Grobschmied und den siegreichen Feridoun, von welchen der Wütherich endlich entthront, und eingeschlossen wurde auf immer in die furchtbaren Höhlen des Gebirgs Damavend. Aber noch vor dieser Befreiung, als die Macht des blutdürstigen Wütherichs noch auf ihrer Höhe war, brachte der räuberische Sclavenhaufen, den er aussandte, um sich mit Vorrath für sein tägliches Opfer zu versehen, in die Grotten des Pallastes von Istakhar sieben Schwestern, die an Schönheit sieben Houris zu sein schienen. Diese sieben Jungfrauen waren die Töchter eines Weisen, der keine andere Schätze hatte, als diese Schönheiten und seine eigene Weisheit. Aber die Weisheit des Vaters sah die Gefahr nicht voraus, und die Schönheit der Töchter schien zur Abwendung derselben nicht geeignet. Die älteste war nicht über zwanzig Jahre alt, die jüngste hatte das dreizehnte kaum erreicht; und alle sahen sich so ähnlich, daß sie nur durch ihre Größe, wodurch eine die andere in der gefälligen Abstufung überragte, wie die Stufen der Treppe, die zum Thore des Paradieses führt, von einander unterschieden werden konnten. So lieblich waren diese sieben Schwestern, als sie aller Kleidung beraubt und, nur von einem weiß-seidenen Gewande bedeckt, in der schwarzen Grotte standen, daß ihre Reize die Herzen unsterblicher Geister rührten. Der Donner rollte, die Erde bebte, die Wand der Grotte zerriß, und durch den Spalt trat einer herein, gekleidet wie ein Jäger, mit Pfeil und Bogen, und begleitet von sechs anderen, seinen Brüdern. Alle waren von hohem Wuchs, und wenn gleich von dunkler Farbe, doch freundlich anzuschauen; aber ihre Augen hatten mehr das Glimmern der Augen des Todes, als das Licht, das unter dem Augenliede des Lebens strahlt. Zeineb, sagte der Führer der Sieben – und während er sprach, hielt er die älteste Schwester bei der Hand, und seine Stimme war sanft, gedämpft und wehmüthig – ich bin Cothrob, König der Unterwelt und Oberherr von Ginnistan. Ich und meine Gebrüder gehören zu denen, die aus dem reinen Urfeuer geschaffen, es selbst gegen das Gebot des Allmächtigen verschmähten, einem Erdenkloße zu huldigen, dem der Name Mensch gegeben ward. Vielleicht hast du von uns gehört, wir seien grausam, unbarmherzig, verfolgungssüchtig. Es ist falsch. Wir sind von Natur gütig und großmüthig, nur dann rachsüchtig, wenn man uns beschimpft, nur dann grausam, wenn man uns trotzet. Wir sind denen getreu, die uns trauen, und wir haben auf die Stimme deines Vaters, des weisen Mithrasp, gehört, der weislich nicht allein den Ursprung des Guten, sondern auch die sogenannte Quelle des Uebels verehrt. Du und deine Schwestern – ihr seid in den Schlingen des Todes; aber gebet uns zum Zeichen der Treue nur ein einziges Haar aus euren schönen Locken, und wir bringen euch viele Meilen von hier nach einer Zufluchtsstätte, wo ihr Trotz bieten könnet dem Zohauk und seinen Dienern. – Die Furcht vor dem Tode, sagt der Dichter, gleicht dem Stab des Propheten Haroun, der alle anderen in Schlangen verwandelte Stäbe vor den Augen des Königs Pharao verschlang; und die Töchter des persischen Weisen waren weniger als andere im Stand, vor den Bewerbungen eines Geistes zu erschrecken. Sie gaben das Geschenk, das Cothrob verlangte, und in einem Augenblick waren die Schwestern in ein verzaubertes Schloß in dem Gebirge Turgut in Kurdistan versetzt, und keines Sterblichen Auge sah sie jemals wieder. Aber im Verlauf der Zeit erschienen in der Nähe des Geisterschlosses sieben Jünglinge, ausgezeichnet in Kampf und Jagd. Sie waren schwärzer, größer, stolzer und kühner als alle anderen, welche in den Thälern von Kurdistan zerstreut wohnen; und sie nahmen Weiber, und wurden die Väter der sieben Stämme der Kurdmannen, deren Heldenmuth bekannt ist in aller Welt.«

Der christliche Ritter hörte mit Verwunderung diese seltsame Erzählung, von der Kurdistan noch heute Spuren besitzt, und nach einem kurzen Bedenken antwortete er: »In der That, Herr Ritter, Ihr habt wohl gesprochen, Eure Abstammung mag gefürchtet und gehasset werden; aber man kann sie nicht verachten. Auch wundere ich mich nicht mehr über Eure Hartnäckigkeit in einem falschen Glauben; denn ohne Zweifel ist es ein Theil der teuflischen Gemüthsverfassung, die ihr von Euren Vorfahren, den höllischen Jägern, wie Ihr sie beschrieben, geerbt habt, Falschheit lieber zu haben, als Wahrheit; auch soll es mich nicht länger befremden, daß Eure Stimmung aufgeregt und schwärmerisch wird, und sich in Versen und Tönen äußert, wenn Ihr Euch den Orten nähert, die von Schlupfwinkeln der bösen Geister angefüllt sind: denn das muß in Euch jenes angenehme Gefühl erwecken, das Andere verspüren, wenn sie dem Land ihrer Väter sich nähern.«

»Bei meines Vaters Bart, ich glaube du hast Recht,« sagte der Saracen, mehr erheitert, als gekränkt über den Freimuth, womit der Christ seine Meinung geäußert hatte; »denn, obschon der Prophet – gelobt sei sein Name! – die Saat eines besseren Glaubens als der war, den unsere Vorfahren in den Geisterhallen von Tugrut lernten, unter uns ausgestreut hat; so waren wir doch nicht geneigt, eine schnelle Verdammung über die erhabenen und mächtigen Urgeister auszusprechen, deren Geschlecht wir in Anspruch nehmen. Diese Genien sind, unserer Meinung und Erwartung gemäß, nicht alle verworfen, sondern sie sind noch auf dem Wege der Prüfung, und haben in der Zukunft Lohn oder Strafe zu erwarten. Ueberlassen wir das den Mollahs und Imams. Genug, daß bei uns die Verehrung jener Geister durch das, was wir aus dem Koran gelernt haben, noch nicht gänzlich ausgetilgt werden konnte, und daß Viele von uns noch immer zur Erinnerung an den alten Glauben der Väter Verse singen, wie die folgenden sind.«

Als er so gesprochen, schickte er sich an, Verse zu singen, die ihrem Bau und ihrer Sprache nach sehr alt sein mußten, und die von Einigen für das Werk der Verehrer des bösen Wesens – Arimanes gehalten werden.

O Ahriman, du finstrer Geist
Des Bösen, den noch Irak preißt!
Wenn wir in finstrer Nacht
Gebückt vor deinem Throne steh'n;
Und furchterfüllt das Dunkel seh'n;
Was gleicht dann deiner Macht!

Verleiht der güt'ge Geist den Quell,
Der in der Wüste silberhell
Dem müden Wandrer blinkt;
Dein ist der Brandung Schreckgewalt,
Der Sturmwind, der Verderben hallt,
Daß Schiff auf Schiff versinkt.

Spricht Jener; sprießt vom Erdenschooß
Manch' heilend Kraut, manch' heilend Moos,
Doch können sie nicht heilen
Von Schwindsucht oder Weh, das fest,
Von rothem Fieber oder Pest –
Von deines Köchers Pfeilen.

Du herrschest über's Menschenherz;
Oft eilen Worte himmelwärts
Zum güt'gen Geist hinan;
Doch welch' Gewand sie auch umwallt,
Der Sinn, der aus den Tönen schallt,
Gilt dir, o Ahriman.

Sprich, lebst du in Persönlichkeit
Mit Donnerstimme, Wolkenkleid,
Wie Ostens Magier glaubt,
Mit einem Herz, das hassen kann,
Schwebst du auf Fittichen die Bahn,
Wo deine Kralle raubt?

Sprich, oder bist du nur die Kraft,
Die aus dem Guten Böses schafft
Am ew'gen Lebensborn;
Bist du die Lust, die stets erpicht
Und siegreich gegen's Beßre ficht,
Und die uns angebor'n?

Wer sichtet und entscheidet dies!
Doch du beherrschest ganz gewiß
Den Körper wie die Seel'.
Haß, Liebe, Ehrgeiz, Furcht und Lust,
Und was bewegt des Menschen Brust,
Du treibst's zu Sünd und Fehl.

So oft ein heller Sonnenstrahl
Herniederglänzt in's Jammerthal,
Alsbald weißt du darum.
Und bei dem flücht'gen Saus und Braus
Kehrst du die Messer von dem Schmaus
In Todeswaffen um.

So lenkst Du von der Wiege an
Und durch die ganze Lebensbahn
Der Menschheit Schicksalslauf;
Dein ist des Todes bange Stund',
Und höret dann – wer thut es kund! –
Dein Reich mit einmal auf! Der würdige und gelehrte Geistliche, der diese Art von Lobgesang übersetzt hat, wünscht aus Furcht vor Mißverständniß, daß wir dem Leser bemerken sollen, daß diese Hymne von einem Heiden verfaßt ist, dem die wahren Ursachen des sittlichen und moralischen Uebels unbekannt waren, und der das Uebergewicht derselben im Weltsystem mit einem Auge betrachtet, wie alle, die der Wohlthat der christlichen Offenbarung nicht theilhaftig sind, diese niederschlagende Wahrheit betrachten müssen. Wir unsrerseits fügen noch bei, daß wir in dieser Uebersetzung mehr Umschreibungen in Form und in Stoff finden, als diejenigen, welche das Original kennen, billigen werden. Der Uebersetzer scheint daran gezweifelt zu haben, den Schwung orientalischer Poesie in englischen Versen wiedergeben zu können, und vielleicht hat er da, wo er den Sinn des Originals nicht enthüllen konnte, dem Beispiel anderer gelehrten und geistreichen Männer folgend, seine eigenen Gedanken untergeschoben.

Diese Verse mochten vielleicht die nicht unnatürliche Ergießung eines halb aufgeklärten Weltweisen sein, der in der erdichteten Gottheit des Arimanes nur das Uebergewicht des natürlichen und sittlichen Bösen erkannte; aber in dem Ohr von Sir Kenneth vom Leoparden machten sie einen anderen Eindruck, und, da sie von einem gesungen wurden, der sich eben erst seiner dämonischen Abkunft gerühmt hatte, so klangen sie wie eine dem Erzfeinde selbst dargebrachte Huldigung. Er überlegte still für sich, ob es genug sei, wenn er dem Saracenen seinen Abscheu für das Anhören solcher Lästerung in derselben Wüste, wo Satan statt der geforderten Huldigung Verweise empfangen, durch ein plötzliches Abschiednehmen zu erkennen gäbe, oder ob er nicht vielmehr durch sein Kreuzfahrergelübde verbunden wäre, den Ungläubigen auf der Stelle zum Kampf herauszufordern, und ihn den Thieren der Wildniß zur Speise zu lassen, als seine Aufmerksamkeit plötzlich durch eine unerwartete Erscheinung gefesselt wurde.

Der Tag hatte sich nun geneigt; doch konnte der Ritter noch so viel sehen, daß sie Beide nicht allein in dem Walde seien, und daß sie genau beobachtet würden von einer großen und mageren Riesengestalt, die mit so viel Leichtigkeit über Felsen und Büsche sprang, daß er sich, das wilde haarige Aeußere dieses sonderbaren Wesens bemerkend, an die Faune und Silvane erinnerte, deren Bilder er in den alten Tempeln Rom's gesehen hatte. Da nun der ehrliche Schotte nie einen Augenblick daran gezweifelt hatte, die Götter der alten Heiden für wirkliche Teufel zu halten, so zögerte er jetzt auch nicht, anzunehmen, daß die gotteslästerliche Hymne des Saracenen einen höllischen Geist heraufgerufen habe.

»Doch was thut das!« sagte Sir Kenneth herzhaft zu sich selbst; »nieder mit dem bösen Feind und seinen Verehrern!«

Er hielt es indessen für unnöthig, die nämliche Herausforderung an zwei Feinde zu richten, die er gewiß an einen einzigen würde gerichtet haben. Seine Hand hatte die Streitaxt gefaßt, und vielleicht hätte der arglose Saracen, ohne Anhörung eines Grundes, für seine persische Poesie auf der Stelle mit zerschmettertem Gehirn gebüßt; doch der schottische Ritter wurde bewahrt vor einer That, die ein schwarzer Fleck auf seinem Wappenschild gewesen sein würde. Die Erscheinung, auf die seine Augen eine Zeitlang gerichtet gewesen waren, schien zuerst hinter Felsen und Büschen versteckt dem Pfad der Wanderer folgen zu wollen, indem sie die Vortheile des Bodens mit großer Geschicklichkeit benutzte, und die Unregelmäßigkeiten desselben mit erstaunlicher Leichtigkeit überstieg. Endlich aber, gerade als der Saracen zu singen aufhörte, sprang die Gestalt, welche die eines in Ziegenfellen gekleideten Mannes war, in die Mitte des Pfads und faßte mit der einen und der anderen Hand einen Zügel vom Zaum des Saracenen, sich dermaßen entgegenstemmend und das edle Roß nach hinten stoßend, daß dasselbe, unfähig, die Art zu ertragen, mit welcher der unvermuthete Angreifer das langstängige Gebiß und die starke Kinnkette preßte, die nach morgenländischer Art aus einem dicken Eisenringe bestand, sich aufrecht richtete, und endlich rückwärts auf seinen Herrn fiel, der jedoch der Gefahr des Falles entging, indem er sich schnell auf die Seite drehte.

Der Angreifer ließ nun den Zaum des Rosses und packte die Kehle des Reiters; er warf sich über den sich sträubenden Saracenen, und hielt denselben ungeachtet seiner Jugend und Gewandtheit unter sich am Boden, indem er seine langen Arme um die seines Gefangenen schlang, der zornig und doch dabei halb lachend ausrief: »Hamako – Rasender – laß mich los – du nimmst dir zu viel heraus – laß mich los, oder ich brauche meinen Dolch.«

»Deinen Dolch, – Heidenhund!« sagte die Gestalt in den Ziegenfellen, »halt ihn fest, wenn du kannst!« und in einem Nu wand er die Waffe aus der Hand ihres Herrn, und schwang sie über dem Haupt desselben.

»Hülfe, Nazarener!« schrie Scheerkohf, nun ernstlich beunruhigt; »Hülfe, oder der Hamako tödtet mich!«

»Tödtet dich!« versetzte der Bewohner der Wüste; »und wohl hast du den Tod verdient für deine Lästerlieder, die du singst nicht nur zum Lob deines falschen Propheten, der des Teufels Kämmerer ist, sondern zum Lob des Vaters des Bösen selbst.«

Der christliche Ritter hatte bis jetzt wie verblüfft zugeschaut, so seltsam hatte dies Abenteuer in seinem Fort- und Ausgang seiner Vermuthung widersprochen. Endlich jedoch fühlte er es, daß seine Ehre von ihm heische, sich zu Gunsten seines in Gefahr schwebenden Gesellen in's Mittel zu schlagen; und darum richtete er das Wort an die siegreiche Gestalt in den Ziegenfellen.

»Wessen du auch sein magst,« sagte er, »des Guten oder des Bösen, wisse, daß ich für jetzt eidlich gehalten bin, dem Saracenen, den du unter dir hältst, ein treuer Gefährte zu sein; ich bitte dich darum, laß ihn aufstehen; wo nicht – so werde ich darum mit dir kämpfen.«

»Das wäre ein Kampf eigener Art,« antwortete Hamako, »für einen Kreuzfahrer – wegen eines ungetauften Hundes einen Mitgenossen seines heiligen Glaubens zu bekämpfen. Bist du in die Wüste gekommen, um für den Halbmond gegen das Kreuz zu fechten? Du bist ein trefflicher Streiter Gottes, da du auf die horchest, die das Lob des Satans singen!«

Jedoch, indem er so sprach, stand er auf, und ließ den Saracenen auch aufstehen, und gab ihm seinen Dolch zurück.

»Du siehst nun, in welche Gefahr deine Vermessenheit dich gebracht hat,« fuhr der in den Ziegenfellen fort, sich nun an Sheerkohf wendend, »und durch welch' schwache Mittel deine geübte Geschicklichkeit und gerühmte Gewandtheit überwältigt werden können, wenn's also des Himmels Wille ist. Darum, o Ilderim! nimm dich in Acht; denn wisse, blinkte nicht in dem Stern deiner Geburt etwas, das zu guter Himmelsstunde etwas Gutes und Heilsames von dir verheißet, wir beide wären nicht von einander gekommen, bis ich dir die Kehle zerrissen hätte, die kurz zuvor Lästerungen gesungen.«

»Hamako,« sagte der Saracen mit einem Anscheine, als ob er über die Sprache und über den noch heftigeren Anfall, dem er unterlegen war, ganz unverdrossen sei, »ich bitte dich, guter Hamako, dich in Acht zu nehmen, daß du deine Freiheit nicht überschreitest; denn wiewohl ich als guter Muselmann diejenigen verehre, denen der Himmel den gewöhnlichen Verstand geraubt hat, um sie mit dem Geist der Prophezeiung zu begaben, so will ich doch keines Fremden Hände weder am Zaume meines Pferdes, noch an meinem eigenen Leibe leiden. Reden kannst du, wie du willst, ohne Furcht, daß ich dir böse werden möge; aber raffe deine Besinnung genug zusammen, um zu begreifen, daß, wenn du wieder eine Gewaltthat gegen mich beginnen solltest, ich dir dein zottiges Haupt von den mageren Schultern hauen werde. Und dir, Freund Kenneth,« fuhr er fort als er sein Roß wieder bestiegen hatte, »muß ich nothgedrungen sagen, daß ich von einem Gefährten in der Wüste hülfreiche Thaten lieber habe, als schöne Worte. An diesen letzteren hast du mir es nicht fehlen lassen; aber es wäre besser gewesen, wenn du mir eine schleunigere Hülfe geleistet hättest in meinem Kampfe mit diesem Hamako, der in seinem Wahnsinn mich fast des Lebens beraubt hätte.«

»Bei meiner Treu',« sagte der Ritter, »ich habe gewissermaßen gefehlt – ich war ein wenig langsam, dir augenblicklichen Beistand zu leisten; aber die Sonderbarkeit des Angreifers, die Raschheit des Vorfalls – es war, als ob dein tolles, schlechtes Lied den Teufel zwischen uns gerufen hätte – und meine Bestürzung war so groß, daß zwei oder drei Minuten vergingen, ehe ich meine Waffe zu fassen vermochte.«

»Du bist ein kalter, bedachtsamer Freund,« sagte der Saracen; »und, wäre der Hamako um ein weniges wüthender gewesen, dein Gefährte wäre zu deiner ewigen Schande an deiner Seite erschlagen worden, ohne daß du einen Finger zu seinem Beistand gerührt hättest, obgleich du dabei warest beritten und bewaffnet.«

»Auf mein Wort, Saracen,« sagte der Christ, »wenn du die reine Wahrheit hören willst, ich hielt diese seltsame Gestalt für den Teufel; und da er aus deiner Vewandtschaft ist, so wußte ich nicht, ob Ihr Euch nicht irgend ein Familiengeheimniß mittheiltet, als Ihr Euch so freundschaftlich auf dem Sand herumwälztet.«

»Dein Spott ist keine Antwort, Bruder Kenneth,« sagte der Saracen; »denn merk' es dir, wäre mein Angreifer wirklich der Fürst der Finsterniß selbst gewesen, du würdest nichts desto weniger verbunden gewesen sein, ihn zum Vortheil deines Gefährten zu bekämpfen. Wisse ferner, daß Alles, was der Hamako Widriges oder Teuflisches an sich haben mag, mehr deine Verwandtschaft anlangt, als die meinige: denn dieser Hamako ist in der That der Einsiedler, den zu besuchen du hierher gekommen bist.«

»Dieser!« sagte Sir Kenneth, die athletische, doch abgezehrte Gestalt vor seinen Augen betrachtend – »dieser! – du scherzest, Saracen – das kann der ehrwürdige Theodorich nicht sein!«

»Frage ihn selbst, wenn du mir nicht glauben willst,« antwortete Scheerkohf; und ehe diese Worte über seine Lippe gekommen waren, gab der Einsiedler in Bezug auf sich selbst gewisse Auskunft.

»Ich bin Theodorich von Engaddi,« sagte er, – »ich bin der Wanderer in der Wüste – ich bin der Freund des Kreuzes und die Geißel aller Ungläubigen, Ketzer und Teufelsverehrer. Fort mit Euch, fort mit Euch! – Nieder mit Mahommed, Termagant und ihren Anhängern!« – So sprechend, zog er unter seiner haarigen Bekleidung eine Art von Geißel oder gelenkigem, mit Eisen umgebenem Prügel hervor, den er mit einer seltsamen Fertigkeit um sein Haupt herumschwang.

»Da siehst du deinen Heiligen,« sagte der Saracen, anfangs lachend über das sichtbare Erstaunen, womit Sir Kenneth die abenteuerlichen Bewegungen und das wunderliche Gemurmel Theodorichs beobachtete, der, nachdem er seine Geißel nach allen Richtungen geschwungen, augenscheinlich ganz unbesorgt, ob er den Kopf eines oder des anderen seiner Gefährten treffen könne, endlich eine Probe seiner eigenen Stärke und der Festigkeit seiner Waffe ablegte, indem er einen großen Stein, der in der Nähe lag, in Stücke schlug.

»Das ist ein Verrückter,« sagte Sir Kenneth.

»Nichts desto weniger aber ein Heiliger,« entgegnete der Muselmann, der nach der bekannten Meinung des Morgenlandes glaubte, daß Verrückte unter dem Einfluß unmittelbarer Begeisterung ständen. »Merke dir, Christ, wenn das eine Aug' erblindet ist, so wird das andere desto schärfer – wenn eine Hand verstümmelt ist, so wird die andere desto stärker; eben so, wenn unser Verstand in menschlichen Dingen verwirrt und zerstört ist, dann wird unser Blick gen Himmel desto schärfer und vollkommener sein.«

In diesem Augenblick wurde die Stimme des Saracenen von der des Einsiedlers überboten, der laut aufzuschreien begann in einer wunderlichen Gesangsweise: »Ich bin Theodorich von Engaddi – ich bin die Geißel der Ungläubigen! Der Löwe und der Leoparde sollen meine Gesellen sein und nahe bei meiner Zelle Herberge machen; und die Ziege wird sich nicht fürchten vor ihren Krallen – ich bin die Fackel und die Leuchte – Kyrie eleison!«

Er beschloß seinen Gesang mit einem kurzen Lauf, und machte dann drei Sprünge vorwärts, die ihm großes Ansehen in einer gymnastischen Akademie würden verschafft haben, die aber zu seinem Einsiedler-Charakter so wenig paßten, daß der schottische Ritter zugleich beschämt und verwirrt darüber ward.

Der Saracen schien ihn besser zu verstehen. »Du siehst,« sagte er, »er erwartet, daß wir ihm folgen zu seiner Zelle, die in der That die einzige Zuflucht ist, die uns für diese Nacht bleibt. Du bist der Leoparde – von dem Bild auf deinem Schilde – ich bin der Löwe, wie mein Name bedeutet – und unter der Ziege versteht er sich selbst, indem er auf seine Kleidung von Ziegenfellen anspielt. Doch wir müssen ihn im Gesicht behalten: denn er ist flüchtig wie ein Dromedar.«

In Wahrheit, die Aufgabe war schwer wie eine, denn obgleich der ehrwürdige Führer von Zeit zu Zeit inne hielt, und mit der Hand winkte, um sie einzuladen, ihm zu folgen, so führte er doch als einer, der mit allen Windungen und Wegen der Wüste wohl vertraut, und mit einer außerordentlichen Beweglichkeit, die ein unruhiger Geist vielleicht durch die beständige Bewegung gewinnt, ausgerüstet war, die beiden Ritter durch Klüfte und auf Fußpfaden hin, wo selbst der leicht bewaffnete Saracen mit seinem wohldressirten Berber in großer Gefahr schwebte, und wo der eisengerüstete Europäer und sein überladenes Roß so drängender Noth ausgesetzt waren, daß der Ritter mit Freuden dieselbe gegen die Gefahren einer großen Schlacht würde vertauscht haben. Er war darum froh, als er endlich den heiligen Mann, der diesen harten Wettlauf angeführt hatte, am Eingang einer Höhle stehen sah, eine große Fackel haltend, die aus einem in Erdharz getauchten Stück Holz bestand, und ein großes, flackerndes Licht auswarf, von einem starken Schwefelgeruch begleitet.

Unabgeschreckt von dem erstickenden Dampf schwang sich der Ritter vom Pferd und trat in die Höhle hinein, die einen geringen Anschein von Bequemlichkeit darbot. Die Zelle war in zwei Abtheilungen geschieden; in der äußeren war ein steinerner Altar und ein aus Rohr gemachtes Krucifix: dieser Theil diente dem Einsiedler zur Kapelle. An der einen Seite dieser Abtheilung band der christliche Ritter sein Pferd an und beschickte es für die Nacht, obgleich nicht ohne eine fromme Scheu, die aus der Ehrfurcht entsprang, welche er für die ihn umgebenden Gegenstände nährte; er folgte jedoch dem Beispiele des Saracenen, der ihm zu verstehen gab, daß dies des Ortes Brauch wäre. Der Einsiedler war unterdessen beschäftigt, das innere Gemach zum Empfang seiner Gäste in Ordnung zu bringen, und diese gesellten sich bald daselbst zu ihm. Im Hintergrund der äußeren Höhle führte eine mit einer rauhen Bretterthüre verschlossene kleine Oeffnung in das Schlafgemach des Einsiedlers, das bequemer eingerichtet war. Der Fußboden war durch die Arbeit des Bewohners ziemlich geebnet und dann mit weißem Sand bestreut worden, den er täglich mit Wasser aus einer kleinen Quelle besprengte, die in einer Ecke aus dem Felsen sprudelte; und die unter diesem erstickenden Himmelsstrich für Ohr und Gaumen gleich erquicklich war. Matratzen, aus Binsen geflochten, lagen an den Wänden, die gleich dem Fußboden rauh bearbeitet waren und mit Kräutern und Blumen mancher Art umhangen. Zwei Wachskerzen, die der Einsiedler anzündete, gaben dem Ort ein heiteres Ansehen, und Wohlgeruch und Kühlung machten ihn angenehm.

In der einen Ecke des Gemachs lag Arbeitsgeräthe, in der anderen war eine Nische für ein grobes Bild der heiligen Jungfrau. Ein Tisch und zwei Stühle kündigten sich als die Arbeit des Einsiedlers an, da sie an Gestalt von den morgenländischen Geräthschaften abwichen. Jener war nicht allein mit Schilf und Hülsenfrüchten gedeckt, sondern auch mit gedörrtem Fleisch, das Theodorich sorgsam auf eine Art darlegte, welche die Eßlust seiner Gäste zu reizen im Stande war. Dieser obwohl stumme und nur in Handlungen vernehmbare Ausdruck von Höflichkeit schien dem Sir Kenneth etwas ganz Unvereinbares mit dem früheren wilden und gewaltthätigen Betragen desselben Mannes zu sein. Die Haltung des Einsiedlers war nun angemessen, und augenscheinlich war es nur die fromme Demuth, die seinen Zügen, abgemagert wie sie waren durch die harte Lebensweise, den Ausdruck des Edlen und Majestätischen benahm. Er schritt in seiner Zelle einher wie einer, der geboren ward über Menschen zu herrschen, und der dieser Herrschaft entsagt hat, um ein Diener des Himmels zu werden. Jedoch es muß zugegeben werden, daß sein riesenmäßiger Wuchs, die Länge seines ungeschornen Bartes und Haares und das Feuer seines tiefen, lebhaften Auges eher die Merkmale eines Kriegers, als eines Mönches waren.

Selbst der Saracen schien den Einsiedler mit einer gewissen Ehrfurcht zu betrachten, während derselbe so beschäftigt war, und er lispelte leise dem Sir Kenneth zu: »Der Hamako ist nun in seiner guten Laune; aber bevor wir gegessen haben, wird er nicht reden – das ist sein Gelübde.«

Folglich war es nur stillschweigend, daß Theodorich dem Schotten vorschlug, auf einem der ärmlichen Stühle Platz zu nehmen, während sich Scheerkohf nach der Sitte seines Volks auf ein Strohpolster niedersetzte. Der Einsiedler erhob hierauf die Hände, wie wenn er die seinen Gästen vorgesetzten Erfrischungen segnen wollte, und diese schickten sich an zu essen, indem sie ein so tiefes Stillschweigen wie jener beobachteten. Dem Saracenen war diese Ernsthaftigkeit natürlich, und der Christ ahmte die Schweigsamkeit desselben nach, während er seine Gedanken damit beschäftigte, über die Seltsamkeit seiner Lage nachzudenken und über den Unterschied zwischen den ausgelassenen, wüthenden Bewegungen, dem lauten Geschrei und dem gewaltthätigen Verfahren, wodurch sich Theodorich bei der ersten Begegnung zu erkennen gegeben hatte, und der ernsthaften, feierlichen, würdevollen Beflissenheit, womit er nun die Pflichten der Gastlichkeit ausübte.

Als das Mahl geendet war, räumte der Einsiedler, der selbst noch keinen Bissen gegessen hatte, die Ueberbleibsel vom Tische weg, und, indem er vor den Saracenen einen Krug Scherbet setzte, bestimmte er dem Schotten eine Flasche Wein.

»Trinkt,« sagte er, »meine Kinder,« – es waren die ersten Worte, die er sprach, – »die Gaben Gottes sind da, daß man sich ihrer erfreue, wenn man dabei des Gebers gedenkt.«

Als er so gesprochen hatte, zog er sich in die vordere Zelle zurück, wahrscheinlich zur Verrichtung seiner Andacht, und ließ seine Gäste in dem hinteren Gemache beisammen, wo denn Sir Kenneth sich bestrebte, durch mancherlei Fragen von Scheerkohf zu erfahren, was dieser Emir in Hinsicht dieses Wirthes wisse. Es war mehr als bloße Neugierde, was ihn vermochte, diese Erkundigungen einzuziehen. War es schwer, das ausgelassene Betragen des Einsiedlers bei seinem ersten Erscheinen mit seinem gegenwärtigen demüthigen und gefälligen Benehmen in Einklang zu bringen; so schien dasselbe noch unvereinbarer mit dem hohen Ansehen, in welchem, wie Sir Kenneth aus Erfahrung wußte, dieser Einsiedler bei den ausgezeichnetsten Geistlichen der Christenheit stund. Theodorich war in der Eigenschaft des Eremiten von Engaddi mit Päpsten und Concilien in Briefwechsel gewesen, und seine Briefe hatten denselben mit feuriger Beredsamkeit die Unterdrückungen, welche die Ungläubigen gegen die lateinischen Christen im heiligen Lande ausübten, in Farben beschrieben, die denen fast gleich waren, welche Peter der Einsiedler, den ersten Kreuzzug predigend, auf der Kirchenversammlung zu Clermont in Anwendung brachte. Und nun in einem so verehrungswürdigen und verehrten Manne das rasende Benehmen eines verrückten Fakirs anzutreffen, vermochte den christlichen Ritter, zu warten, ehe er sich entschließen konnte, ihm gewisse wichtige Mittheilungen zu machen, wozu er von einigen Führern des Kreuzzuges den Auftrag erhalten hatte.

Es war der Hauptzweck von Sir Kenneth's Wallfahrt, die auf einer so außergewöhnlichen Straße unternommen wurde, diese Mittheilungen zu machen; aber das, was er diesen Abend gesehen hatte, bestimmte ihn zu warten und zu überlegen, ehe er seines Auftrags sich entledige. Von dem Emir war kein großer Aufschluß zu erhalten; der Inhalt seiner Mittheilungen war folgender: der Einsiedler sei, wie er gehört habe, vormals ein braver und tapfrer Krieger gewesen, weise im Rath und siegreich im Kampfe, welches Letztere er gerne glaube, die große Stärke und Gewandtheit in Betracht ziehend, wovon er ihn oft habe Beweise geben sehen; – in Jerusalem sei er nicht in der Eigenschaft eines Pilgers erschienen, sondern als einer, der das Gelübde gethan, den Rest seines Lebens im heiligen Lande zuzubringen. Kurz darauf habe er seinen bleibenden Aufenthalt mitten in der Wüstenei gewählt, wo sie ihn heute gefunden, und wo er die Achtung der Lateiner genoß wegen seiner strengen Frömmigkeit und die der Türken und Araber wegen der Zeichen von Wahnsinn, die er gab, und die jene der Begeisterung zuschrieben. Darum hatten ihm jene auch den Namen Hamako gegeben, was in der türkischen Sprache einen solchen Charakter bezeichnet. Der Hamako ist, sagte er, ein weiser Mann gewesen, und konnte nicht selten stundenlange Vorträge über Tugend und Weisheit halten ohne den geringsten Anschein von Unverstand. Zu einer anderen Zeit war er wild und heftig; aber noch nie war er in einer so heillosen Stimmung, wie die von vorhin gewesen ist. Seine Wuth wurde hauptsächlich durch irgend eine Beschimpfung seiner Religion veranlaßt; und man erzählt eine Geschichte von einigen wandernden Arabern, die seinen Gottesdienst verspottet und seinen Altar geschändet hatten, und die er aus dieser Ursache angriff und mit seiner Geißel erschlug, die er statt aller anderen Waffen immer mit sich führt. Diese That hat großen Lärm gemacht, und es war eben so sehr die Furcht vor der eisernen Geißel des Einsiedlers, als die Scheu vor seinem Charakter als Hamako, was die Räuberstämme bewog, seine Wohnung und seine Kapelle zu ehren. Sein Ruf hat sich so weit verbreitet, daß Saladin zu seinem Schutz und Schirm eigens Befehle gegeben hat. Mehr als einmal hatte der Letztere und andere vornehme Muselmänner von Rang die Grotte besucht, theils aus Neugier, theils in der Absicht, von einem so gelehrten Mann wie der christliche Hamako einige Einsicht in die Geheimnisse der Zukunft zu erlangen. »Er hat,« fuhr der Saracene fort, »ein Rashid oder Sternwarte von beträchtlicher Höhe, bestimmt zur Beobachtung der Himmelskörper und hauptsächlich des Planetensystems, nach deren Bewegung und Einfluß, wie Christen und Muselmänner glauben, der Lauf menschlicher Begebenheiten sich richtet und vorausgesagt werden kann.«

Dies war der Inhalt der Auskunft, die Emir Sheerkohf gab, und die Sir Kenneth im Zweifel ließ, ob der Wahnsinn des Einsiedlers ein von Zeit zu Zeit wiederkehrender überspannter Schwärmereifer sei, oder ob er nicht gänzlich auf Verstellung beruhe, und nur um der Freiheiten willen, die er gewähre, angenommen sei. Es schien jedoch, wenn man den Fanatismus der Mohammedaner, in deren Mitte er als erklärter Feind ihres Glaubens lebte, in Betracht zog, als hätten die Ungläubigen die Gefälligkeit in Rücksicht seiner ungewöhnlich weit ausgedehnt. Auch glaubte Sir Kenneth, daß zwischen dem Einsiedler und dem Saracenen eine genauere Bekanntschaft bestehe, als die Worte des letzteren ihm kundgegeben hätten; und es war ihm nicht entgangen, daß der erstere den letzten bei einem Namen genannt hatte, der verschieden war von dem, den er sich selber beigelegt. Alle diese Erwägungen heischten Vorsicht, wenn nicht Argwohn. Er beschloß, seinen Wirth in der Nähe zu beobachten, und sich mit der Mittheilung des ihm anvertrauten wichtigen Auftrags nicht zu übereilen.

»Saracen,« sagte er, »es kommt mir vor, als wenn die Einbildungskraft unseres Wirthes sich in Rücksicht der Namen so gut irrt wie in Rücksicht anderer Gegenstände. Dein Name ist Sheerkohf, und er hat dich vorhin bei einem anderen genannt.«

»Unter dem Zelt meines Vaters,« versetzte der Kurdmann, war Ilderim mein Name, und bei diesem nennen mich immer noch Viele. Im Feld und bei den Kriegern bin ich bekannt als der Löwe des Gebirgs, ein Name, den mir mein gutes Schwert erkämpft hat. – Doch stille, der Hamako kommt – er wird uns heißen zur Ruhe gehen – ich kenne seine Gewohnheit – Niemand darf ihn beobachten bei seinem Nachtwachen.«

Alsbald trat der Einsiedler herein, und, indem er die Arme über die Brust legte, sagte er, als er vor ihnen stund, mit feierlicher Stimme: »Gesegnet sei der Name dessen, der es also geordnet hat, daß die stille Nacht folge dem geräuschvollen Tage, und daß der ruhige Schlaf die müden Glieder erfrische und die bekümmerte Seele befriedige!«

Beide Krieger antworteten »Amen!« und, als sie vom Tische aufgestanden waren, schickten sie sich an, sich zu ihren Lagerstätten zu begeben, die ihnen ihr Wirth durch ein Winken mit der Hand bezeichnet hatte, als derselbe, Beiden eine Verbeugung machend, sich wiederum aus dem Gemache zurückzog.

Der Ritter vom Leoparden legte hierauf seine schwere Rüstung ab; sein saracenischer Gefährte half ihm freundlich, Gürtel und Spangen auflösen, bis er endlich in der engen Bekleidung von Gemsenleder dastund, welche Ritter und Gewappnete unter ihrer Rüstung zu tragen pflegten. Hatte der Saracen die Stärke seines Gegners bewundert, als derselbe in Stahl gehüllt war, so war er jetzt nicht weniger erstaunt über das richtige Ebenmaaß, das sich in dieser nervigen und wohlgebauten Gestalt ausdrückte. Der Ritter, nachdem er zur Erwiederung empfangener Höflichkeit dem Saracenen behülflich gewesen war, seine Oberkleider auszuziehen, damit er bequemer schlafen möge, konnte seinerseits nicht begreifen, wie eine so schmal und schmächtig gebaute Gestalt im Stande gewesen sei, so viel Kraft und Nachdruck in dem stattgehabten Kampfe zu entfalten.

Jeder der beiden Krieger verrichtete sein Gebet, ehe sie sich auf ihr Lager hinstreckten. Der Muselmann wandte sich gegen die Kebla, den Punkt, nach welchem die Gebete aller Nachfolger des Propheten gerichtet werden, und murmelte sein heidnisches Gebet, während der Christ, der verunreinigenden Nähe des Ungläubigen sich entziehend, sein großes, mit einem Kreuzgriff versehenes Schwert aufrecht pflanzte, und, vor demselben als Zeichen der Erlösung niederknieend, seinen Rosenkranz mit einer Andacht hersagte, die gesteigert wurde durch die Erinnerung an die Gegenden, durch welche er gekommen, und an die Gefahren, denen er entgangen war im Laufe des heutigen Tages. Beide Krieger, von Mühe und Anstrengung erschöpft, waren bald fest eingeschlafen, jeder auf seinem besonderen Lager.


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