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Viertes Kapitel.

 

Sich und sein Boot schickt Jeder nun zum Kampf
Mit Allem, was ein Ungeheuer schreckt,
Mit Pike, Keule, Speer und Hellebarde.
Es konnte wohl nunmehr der Tapfere zeigen,
Was ihm zu thun gebiete Lieb' und Ehre.
Und auf den hohen Felsen standen rings,
Als Zeugen, Greise dort und schöne Mädchen.

Die Schlacht der Sommerinseln.

 

Der Morgen, welcher auf solch' ein Fest folgt, wie das, welches Magnus Troil gegeben hatte, bietet gewöhnlich nicht den Reiz, welcher die Lustbarkeit des vorhergehenden Tages würzte, wie der moderne Leser bei einem öffentlichen Frühstücke, während der Woche des Wettrennens in einer Landstadt wohl bemerkt haben wird; denn in der sogenannten besten Gesellschaft werden diese langweiligen Augenblicke gewöhnlich von Jedem in seinem Ankleidezimmer einsam zugebracht. In Burgh-Westra gab es, wie man sich leicht denken kann, keinen solchen Ort, wohin man sich hätte zurückziehen können, und die Mädchen mit ihren blässeren Wangen, und die älteren Damen mit manchem Kopfnicken und Gähnen, mußten mit ihren männlichen Gesellschaftern (mit Kopfschmerz und Allem) gerade drei Stunden, nachdem sie sich getrennt hatten, wieder zusammentreffen.

Erik Scambester hatte Alles gethan, was ein Mensch vermag, um die Langeweile von dem Morgenmahle zu verscheuchen. Der Tisch seufzte unter der Last von geräuchertem Rindfleisch, nach shetländischer Art zugerichtet, der Pasteten, des Backwerks, der auf alle mögliche Art gekochten und eingesalzenen Fische; es fehlten selbst nicht die fremden Leckereien von Thee, Kaffee und Chocolade, denn die Lage der Inseln trug, wie wir schon bemerkten, dazu bei, sie schon früh mit mehreren Gegenständen des Luxus bekannt zu machen, die damals in Schottland noch Wenige kannten, wo in einer viel späteren Zeit, als die ist, von welcher wir hier reden, ein Pfund grüner Thee von einer ehrlichen Hausfrau, der er als ein seltenes Geschenk überschickt worden war, als Kohl gekocht, und ein zweites von einer andern als grüne Sauce zu gepökeltem Rindfleisch aufgesetzt wurde.

Außer diesen Vorbereitungen zeigte die Tafel noch die kräftigen Getränke, zu welchen die Lebemänner immer ihre Zuflucht nehmen, um Haar von dem Hunde aufzulegen, der sie gebissen hat. Hier war der starke irische Uskebah, ächter französischer Branntwein von Nantes, wahrer Schiedammer, Aquavit aus Caithneß, und Goldwasser aus Hamburg; da war Rum von ehrwürdigem Alter und Liqueure von den westindischen Inseln. Nach diesen Einzelnheiten würde es unnütz sein, noch das selbstgebraute Ale, die deutsche Mumme und das Bitterbier zu nennen, und noch tiefer unter unserer Würde wäre es, die unzähligen Arten von Eingemachtem in Töpfen und das Hafermus zu erwähnen, so wie den Bland und mehreres andere, aus Milch Bereitete, für die, welche schwächere Getränke vorzogen.

Es war kein Wunder, daß der Anblick von so vielen guten Dingen die Eßlust der ermüdeten Gäste erregte und ihre Lebensgeister wieder anfachte. Die jungen Männer begannen augenblicklich ihre Tänzerinnen vom vorigen Abend wieder aufzusuchen und die Gespräche zu erneuern, unter denen ihnen die Nacht so schnell vergangen war, während Magnus mit seinen kräftigen, alten norwegischen Verwandten durch Lehre und Beispiel die Aelteren und Ernsthafteren zu einer soliden Unterhaltung mit den guten Dingen ermunterte, die vor ihnen standen. Nichts desto weniger blieb bis zum Mittagsessen noch ein langer Zwischenraum auszufüllen, denn selbst das am längsten ausgedehnte Frühstück kann nicht über eine Stunde dauern, und es war zu fürchten, daß Claudius Halcro darauf sann, diesen freien Morgen durch eine furchtbare Recitation seiner eigenen Verse zu verkürzen, und nebenher noch durch die ganze Länge seiner Erzählung von seiner Einführung bei dem herrlichen John Dryden. Aber das Glück befreite die Gäste von Burgh-Westra von dieser ihnen drohenden Plage, indem es ihnen die Mittel zu einem Vergnügen sendete, welches zu ihrem Geschmacke und ihren Gewohnheiten vortrefflich paßte.

Die meisten Gäste bedienten sich ihrer Zahnstocher; einige fingen an, davon zu reden, was man jetzt anfangen sollte, als Erik Scambester mit hastigen Schritten und blitzenden Augen hereintrat, eine Harpune in der Hand, und der Gesellschaft ankündigte, daß ein Wallfisch an der Küste, oder nahe derselben, sei, an der Mündung des Voe. Diese Nachricht brachte auf einmal ein so freudiges, lärmendes und allgemeines Treiben in die Gesellschaft, wie nur die Liebe zur Jagd und zum Waidwerk, welche so tief in unserem Wesen liegt, es einflößen kann. Ein Haufen von Landedelleuten, der im Begriff ist, nach den ersten Auerhähnen auf die Jagd zu gehen, wäre gegen diese Jagd, sowohl in Rücksicht auf die Fröhlichkeit bei den Anstalten, als auf die Wichtigkeit des Gegenstandes, gar nicht in Betracht gekommen; das Ausgraben eines Fuchsbaues im Ettrikforst, der Aufruhr unter den Jägern aus dem Lennox, wenn einer von den Hirschen des Herzogs aus Inch-Mirran ausbricht, ja, sogar der fröhliche Appell bei der Fuchsjagd selbst, mit seiner ganzen muntern Begleitung von Hunden und Hörnern, bleiben weit hinter der Lebendigkeit zurück, womit die tapfern Söhne Thule's Anstalt trafen, auf das Ungeheuer Jagd zu machen, welches das Meer ihnen zu so gelegener Zeit zur Belustigung sendete.

Die mannigfachen Vorräthe in Burgh-Westra wurden hastig durchwühlt, um Waffen zu finden, welche bei einer solchen Gelegenheit von Nutzen sein konnten. Einigen fielen Harpunen, Schwerter, Piken und Hellebarden zu; Andere begnügten sich mit Heugabeln, Bratspießen und was ihnen sonst noch Langes und Scharfes in die Hand kam. So in der Eile ausgerüstet, eilte eine Abtheilung unter dem Commando des Capitain Cleveland, die Boote zu bemannen, welche in dem kleinen Hafen lagen, während die Uebrigen zu Lande nach dem Schauplatze des Kampfes stürmten.

Der arme Triptolemus wurde in einem Plane, den er gegen die Geduld der Shetländer entworfen hatte, und welcher in einer Vorlesung bestand, die er ihnen über den Ackerbau und die Ertragsfähigkeit des Landes halten wollte, durch diesen plötzlichen Lärm, der auch Halcro's Poesie und seiner nicht weniger furchtbaren Prosa alle Aussicht versperrte, gestört. Man kann sich leicht denken, daß er an dem Jagdvergnügen, welches so plötzlich an die Stelle seiner vorgehabten Erörterungen trat, kein sonderliches Vergnügen fand, und er würde es wahrscheinlich nicht einmal der Mühe werth gehalten haben, einen Blick auf den lebendigen Auftritt zu werfen, der stattfinden sollte, wäre er nicht durch die Ermahnungen der Mrs. Baby dazu veranlaßt worden. »Mach' fort, Mensch,« sagte diese umsichtige Person; »mach' fort, – wer weiß, welcher Segen uns daraus entsprießen kann! – Sie sagen, daß Alle und Jeder seinen Antheil an dem Thran erhält, und ein Maaß davon würde Geldes werth sein, um das Haus in den langen dunkeln Nächten zu erleuchten, von denen sie hier reden – mach' fort, Mensch; – hier ist was für dich zu thun – ein blöder Hund wird selten fett, und wer weiß, ob der Thran, wenn er frisch ist, sich nicht essen läßt und man Butter ersparen kann?«

Wie sehr Triptolemus' Eifer dadurch angespornt wurde, da sich ihm die Aussicht eröffnete, statt Butter frischen Thran zu essen, wissen wir nicht; in Ermangelung eines Bessern schwang er aber das ländische Werkzeug, mit welchem er bewaffnet war, eine Mistgabel, und ging hinab, um den Kampf mit dem Wallfische zu wagen.

Die Lage, in welche das böse Geschick des Feindes diesen gebracht hatte, war der Unternehmung der Inselbewohner ganz besonders günstig. Eine ungewöhnlich hohe Fluth hatte das Thier über eine große Sandbank in den Voe oder die Bucht geführt, in der es jetzt lag. Sobald es fühlte, daß das Wasser seicht wurde, bemerkte es die Gefahr, in der es sich befand, und hatte einige verzweifelte Versuche gemacht, über die seichte Stelle hinweg, dahin zu kommen, wo sich die Wellen an der Sandbank brachen, eben dadurch aber seine Lage eher verschlimmert, als verbessert, indem es jetzt zum Theil auf dem Grunde festsaß, und so dem beabsichtigten Angriffe ganz besonders ausgesetzt war. In diesem Augenblicke rückte der Feind gegen ihn an. Die vorderen Reihen desselben bestanden aus den Jungen und Kräftigen, auf die verschiedenartigste Weise bewaffnet, die wir vorhin beschrieben haben, während die jungen Frauenzimmer, um Zeugen ihrer Heldenthaten zu sein und sie anzuspornen, so wie die ältlichen Leute beiderlei Geschlechts, ihren Standpunkt auf den Felsen nahmen, welche den Schauplatz überragten.

Da die Boote ein kleines Vorgebirge umrudern mußten, ehe sie an die Mündung des Voe's kamen, hatten die, welche zu Lande an das Ufer gelangten, Zeit, die nöthigen Recognoscirungen über die Stärke und Lage des Feindes anzustellen, gegen den sie von der See- und Landseite zu gleicher Zeit einen Angriff zu machen beabsichtigten.

Diese Pflicht wollte aber der hochherzige und erfahrene General, denn so kann der alte Udallar genannt werden, Niemanden als sich selbst anvertrauen, und in der That machte ihn sowohl seine äußere Erscheinung, als sein besonnenes Betragen zu dem Oberbefehl vollkommen geschickt. Seinen goldbetreßten Hut hatte er mit einer Mütze von Bärenfell vertauscht, und seinen Rock von feinem blauen Tuche mit Scharlach gefüttert, mit echt goldenen Oehsen und Schleife, gegen eine Jacke von rothem Flanell, mit Knöpfen von schwarzem Horn, über welche er ein Hemd von Seehundsfell trug, welches auf der Brust gar sonderbar gesäumt und gefältelt war, wie es die Eskimo's und zuweilen die Grönlandfahrer tragen, Wasserstiefeln von furchtbarer Größe vollendeten den Anzug, und in der Hand trug er ein gewaltiges Wallfischmesser, welches er schwang, als ob er ungeduldig wäre, es zu dem Abziehen des gewaltigen Thieres, das vor ihnen lag, zu benutzen. Er mußte indeß, bei genauerer Untersuchung, gestehen, daß die Jagd, zu der er seine Gäste geführt hatte, so sehr sie auch mit der prachtvoll-großartigen Weise seiner Gastfreundschaft übereinstimmte, sehr leicht ihre besonderen Gefahren und Schwierigkeiten haben dürfte.

Das Thier, welches über sechzig Fuß lang war, lag ganz still in einem tiefen Theile des Voe's, wohin es sich gewälzt hatte, und wo es die Rückkehr der Fluth abzuwarten schien, von der es sich, wahrscheinlich durch Instinkt, überzeugt hielt. Ein Rath erfahrener Harpunirer wurde augenblicklich gehalten; hier kam man überein, einen Versuch zu machen, den Schwanz des erstarrten Leviathan in eine Schlinge zu bringen, indem man um denselben ein Schiffstau würfe, und dieses mit Ankern an dem Ufer befestigte, um so sich gegen sein Entwischen zu sichern, im Falle die Fluth eintreten sollte, ehe man ihn tödten könnte. Drei Boote wurden zu dieser mißlichen Unternehmung bestimmt, von denen eines der Udallar selbst befehligen wollte, die zwei andern aber Clevelands und Mertouns Führung anvertraut werden sollten. Nachdem dieß entschieden worden war, setzten sich Alle an das Ufer nieder, und erwarteten mit Ungeduld die Ankunft der Seemacht auf dem Voe. Während dieses Zwischenraumes bemerkte Triptolemus Yellowley, nachdem er mit den Augen die außerordentliche Länge des Wallfisches gemessen, daß, nach seinem schlichten Verstande, ein Wagen mit sechs Ochsen, oder auch mit sechzig, wenn es hiesige Landesochsen wären, ein so gewaltiges Thier aus dem Wasser, wo es jetzt läge, nicht an das Ufer ziehen könnten.«

So unbedeutend diese Bemerkung dem Leser auch erscheinen mag, so stand sie doch mit einem Gegenstande in Verbindung, welcher das Blut des alten Udallars jederzeit in Bewegung brachte; und mit einem durchbohrenden und starren Blicke auf den Verwalter, fragte er diesen: »Was Teufel verschlägt es denn, wenn auch hundert Ochsen den Wallfisch nicht an das Ufer ziehen könnten?« Wenn Mr. Yellowley auch der Ton, in welchem die Frage gethan wurde, nicht sonderlich wohlgefiel, so fühlte er dennoch, daß seine Würde und sein Vortheil es erforderten, darauf zu antworten, wie folgt: »Ja, aber Ihr wißt selbst, Mr. Magnus Troil, und Jedermann, der nur irgend was weiß, eben so gut, daß Wallfische von solcher Größe, daß man sie nicht ganz gut auf einem mit sechs Ochsen bespannten Wagen an's Ufer schaffen kann, das Recht und Eigenthum des Admirals sind, welche Stelle in diesem Augenblicke von dem edlen Lord bekleidet wird, der überdieß noch Lord-Kämmerling dieser Insel ist.«

»Und ich sage Euch, Mr. Triptolemus Yellowley,« erwiderte der Udallar, »wie ich es Eurem Herrn sagen würde, wenn er hier wäre, daß jeder Mann, der sein Leben daran wagt, diesen Fisch an's Ufer zu bringen, auch, nach unserer alten und liebreichen norwegischen Sitte und Brauch, sein Theil und Part daran haben soll, ja, und wenn auch selbst eine Frau zusähe, und nur das Thau berührte, so sollte sie mit uns theilen, ja und mehr als das, wenn sie nur sagt, daß Grund dazu vorhanden ist, so soll selbst das Kind im Mutterleibe seinen Antheil haben.«

Der Grundsatz strenger Gerechtigkeit, welcher dem Redenden diese letztere Bestimmung eingab, verursachte ein Gelächter unter den Männern, und setzte die Frauen in einige Verlegenheit. Der Verwalter hielt es indessen für schimpflich, sich so leicht überflügeln zu lassen. » Suum cuique tributio,« sagte er; »ich werde meines Herrn Recht und mein eigenes zu behaupten wissen.«

»Wirklich?« erwiderte Magnus. »Nun denn, bei den Gebeinen des Märtyrers, so soll es denn nach keinem andern Theilungsrechte gehen, als nach Gottes und des heiligen Olafs, das wir hatten, ehe wir von Verwaltern, Schatzmeistern, oder Admiralen irgend etwas wußten. – Alle sollen Antheil haben, die eine Hand anlegen, und Niemand weiter. Und so sollt denn Ihr, Herr Verwalter, Euch eben so gut rühren müssen, als andere Leute, und Euch noch glücklich schätzen, wenn Ihr Euern Antheil bekommt, wie andere Leute. Springt in's Boot (denn die Boote hatten unterdessen das Vorgebirge umschifft), und Ihr, meine Jungens, macht bei den Steuertauen Platz für den Verwalter. – Er soll an diesem gesegneten Tage der erste Mann sein, der den Fisch trifft.«

Die laute, gebietende Stimme und das Gebietende, welches in dem ganzen Wesen des Udallars lag, so wie die Ueberzeugung, daß sich in der ganzen Gesellschaft Niemand seiner annehmen und auf seine Seite treten würde, machten es Triptolemus beinahe unmöglich, sich dem Gebote zu entziehen, wenn er auch dadurch in eine, für ihn eben so neue, als gefährliche Lage kam. Indeß zögerte er noch, und mit einer Stimme, in welcher sich Zorn und Furcht mischten, während er Beides unter einen Anschein von Laune zu verstecken und das Ganze als einen Scherz zu betrachten suchte, brachte er Entschuldigungen hervor, – als auf einmal Baby's Stimme ihm in's Ohr brummte: »Willst du deinen Theil an dem Thran im Stiche lassen, während der lange shetländische Winter vor der Thür ist, wo es am hellsten Tage im December noch nicht so hell ist, wie in einer mondlosen Nacht in den Mearns?«

Diese häusliche Ermahnung, verbunden mit der Furcht vor dem Udallar und der Scham, weniger Muth zu zeigen, als Andere, entflammte den Heldengeist des Landwirths dermaßen, daß er die Mistgabel erhob und mit der Miene Neptuns selbst, der den Dreizack schwingt, in das Boot stieg.

Die drei, zu diesem gefährlichen Abenteuer bestimmten Boote näherten sich jetzt der dunkeln Masse, welche, einer Insel gleich, in der tiefsten Stelle des Voe's lag und ihre Annäherung ruhig duldete, ohne das geringste Lebenszeichen zu geben. Schweigend, und mit der bei dieser schwierigen Unternehmung nöthigen Vorsicht, gingen die unerschrockenen Abenteurer daran, ein Tau um den Bauch des regungslosen Ungethüms zu schlingen, welches auch glücklich gelang, nachdem der erste Versuch mißlungen und beträchtliche Zeit darüber vergangen war, worauf die Enden des Taues sogleich an das Ufer gezogen wurden, wo hundert Hände geschäftig waren, sie zu befestigen. Ehe dieß indeß ganz vollbracht werden konnte, fing die Fluth schon an, mit großer Schnelligkeit zu steigen, und der Udallar erklärte seinen Gefährten, der Fisch müßte jetzt entweder getödtet, oder doch wenigstens gefährlich verwundet werden, ehe die Wassertiefe an der Barre ihn wieder flott machte, sonst könnte er sehr leicht ihren vereinten Anstrengungen entgehen.

»Deßwegen,« sagte er, »müssen wir an's Werk gehen, und der Verwalter soll die Ehre haben, den ersten Wurf zu thun.«

Der tapfere Triptolemus hörte dieß, und es ist nöthig zu bemerken, daß die Geduld des Wallfisches, der sich ohne Widerstand eine Schlinge umwerfen ließ, seinen Schrecken vermindert und das Thier in seinen Augen herabgesetzt hatte. Er behauptete ganz laut, der Fisch hätte nicht mehr Verstand und Beweglichkeit als eine schwarze Schnecke, und warf daher, von dieser ungebührlichen Verachtung seines Feindes erfüllt, ohne ein weiteres Zeichen abzuwarten, oder sich eine passendere Waffe geben zu lassen, seine Mistgabel mit aller Gewalt nach dem unglücklichen Ungethüm. Als diese unüberlegte Eröffnung der Feindseligkeiten stattfand, hatten die Boote sich noch nicht bis zu der Entfernung zurückziehen können, die zu ihrer Sicherheit erforderlich war.

Magnus Troil, der mit dem Verwalter nur scherzte und den Wurf des ersten Speeres einer viel erfahreneren Hand zudachte, hatte gerade noch so viel Zeit, auszurufen: »Nehmt Euch in Acht, Jungens, oder wir schlagen Alle um,« als das Ungeheuer, durch den Stich von der Waffe des Verwalters aus seiner Unthätigkeit aufgeschreckt, mit einem Geräusche, das dem Zerspringen einer Dampfmaschine glich, einen ungeheuren Wasserstrahl in die Luft schleuderte, und zugleich die Wellen nach allen Richtungen mit seinem Schwanze zu peitschen begann. Das Boot, welches Magnus führte, bekam den Regenschauer, welchen das Thier in die Luft schleuderte, und der kühne Triptolemus, welcher ebenfalls seinen vollen Theil an der Taufe erhielt, erschrak über die Folgen seiner Heldenthat so sehr, daß er rückwärts zwischen die Beine der Bootsleute fiel, welche zu sehr damit beschäftigt waren, das Boot außer des Wallfischs Bereich zu bringen, und nicht auf ihn achteten. Hier lag er einige Minuten, während die Bootsleute immer auf ihn traten, bis sie die Ruder einlegten, als der Udallar ihnen befahl, nach dem Lande zu halten, um den Ueberflüssigen auszusetzen, der die Fischerei so unglücklich begonnen hatte.

Während dieß geschah, hatten die übrigen Boote sich ebenfalls in die gehörige Entfernung zurückgezogen, und nun wurde der unglückliche Meerbewohner von ihnen aus, so wie vom Lande, mit allen Arten von Wurfwaffen überschüttet. Harpunen und Speere flogen von allen Seiten, Flinten wurden abgeschossen, und Alles gegen ihn versucht, was ihn dazu reizen konnte, seine Kräfte in den Ausbrüchen unnützer Wuth zu erschöpfen. Als der Wallfisch fand, daß er auf allen Seiten von Untiefen umgeben sei, und zugleich das Ankertau um seinen Leib fühlte, machte er krampfhafte Bewegungen, zu entkommen, und diese, so wie die Töne, welche er ausstieß, und die tiefen und lauten Seufzern glichen, würden gewiß das Herz eines Jeden, das eines erfahrenen Wallfischfängers ausgenommen, gerührt haben. Die wiederholten Wasserströme, welche er ausspritzte, waren jetzt mit Blut gemischt, und die Wellen, welche ihn umflossen, nahmen nach und nach eine hochrothe Farbe an. Unterdessen verdoppelten seine Gegner ihre Angriffe, besonders aber strengten sich Mertoun und Cleveland dabei auf das Aeußerste an und wetteiferten darin, die meiste Herzhaftigkeit zu zeigen, sich dem, in seinem Todeskampfe so fürchterlichen Ungethüme zu nähern und ihm die tiefste und tödtlichste Wunde beizubringen.

Der Kampf schien endlich beinahe vorüber zu sein, denn wenn das Thier auch von Zeit zu Zeit noch verzweifelte Versuche machte, sich in Freiheit zu setzen, so schien doch seine Stärke schon so sehr erschöpft zu sein, daß es sich selbst mit Hülfe der Fluth, welche inzwischen bedeutend gestiegen war, nun nicht mehr frei machen konnte.

Magnus gab jetzt das Signal, sich dem Wallfische mehr zu nähern, indem er zugleich ausrief: »Dicht heran, Jungens, er ist nun nicht mehr halb so toll; – nun, Herr Verwalter, wird es bald Winteröl für die beiden Lampen in Harfra geben; – haltet mehr heran, Jungens.«

Ehe seine Befehle vollzogen werden konnten, waren die andern beiden Boote seinen Gedanken schon zuvorgeeilt und hatte Mordaunt Mertoun, begierig, sich vor Cleveland auszuzeichnen, mit seiner ganzen Kraft dem Thiere eine Halbpike in den Leib gestoßen. Der Leviathan nahm indeß, wie ein Volk, dessen Hülfsguellen durch vorhergegangene Verluste und Unglücksfälle ganz erschöpft scheinen, seine ganze Stärke zusammen, um noch einen letzten Versuch zu machen, der zugleich verzweifelt und glücklich ausfiel. Die letzte Wunde, welche er empfangen hatte, war wahrscheinlich durch die äußere Speckrinde bis zu einem empfindlicheren Theile seines Innern gedrungen, denn er brüllte laut, indem er einen aus Blut und Wasser gemischten Strahl in die Luft schleuderte, zerriß das starke Ankertau, gleich einem Faden, warf Mertouns Boot mit einem Schlage seines Schwanzes um, schwang sich mit einem kräftigen Ruck über die Barre, über welche die Fluth jetzt schon bedeutend emporgestiegen war, und schoß in das Meer, einen ganzen Wald der Werkzeuge mitnehmend, die in seinem Körper staken, und hinterließ im Wasser eine dunkelrothe Blutspur.

»Da geht Euer Oelkrug zur See, Mr. Yellowley,« sagte Magnus, »und Ihr müßt jetzt Hammelstalg brennen, oder im Finstern zu Bette gehen!«

» Operum et oleum perdidi,« brummte Triptolemus; »aber wenn man mich je wieder mit auf den Wallfischfang bringt, so soll mich der Fisch verschlingen wie den Propheten Jonas.«

»Aber wo ist denn Mordaunt Mertoun?« rief Claud Halcro, und man bemerkte nun, daß der Jüngling, der betäubt worden, als sein Boot umgeschlagen war, nicht, wie die andern Seeleute, an das Ufer schwimmen konnte, sondern besinnungslos auf den Wogen trieb.

Wir haben oben von dem sonderbaren und unmenschlichen Aberglauben gesprochen, welcher die Shetländer der damaligen Zeit abhielt, denen beizustehen, die man ihm Begriff sah, zu ertrinken, obgleich dieß ein Unglücksfall ist, dem Inselbewohner sehr häufig ausgesetzt sind. Drei Männer waren indeß über diesen Aberglauben erhaben. Der erste war Claudius Halcro, der sich von einem kleinen Felsen kopfüber in die Wellen stürzte, und dabei, wie er nachher selbst sagte, ganz vergaß, daß er selbst nicht schwimmen konnte, und wenn er auch die Harfe Arions führte, doch keine Delphine in Bereitschaft hatte. Bei dem ersten Sprunge, den der Dichter in das tiefere Wasser machte, überzeugte er sich von dieser Unfähigkeit; er mußte sich an den Felsen anklammern, von dem er herabgesprungen war, und am Ende noch froh sein, mit durchnäßten Kleidern das Trockene wieder zu erreichen.

Magnus Troil, dessen redliches Herz all' seine Kälte gegen Mordaunt vergaß, als er den Jüngling so in Gefahr sah, würde ihm sogleich wirksameren Beistand geleistet haben, aber Erik Scambester hielt ihn fest.

»Halt – Sir, halt!« rief der treue Diener. »Capitain Cleveland hat Mr. Mordaunt schon gepackt; laßt die beiden Fremden einander helfen, und wartet den Ausgang ab. Das Licht des Landes darf wegen zwei solcher Leute nicht in Gefahr gerathen zu verlöschen. Seid ruhig, Sir, sage ich – Brendneß Voe ist keine Punschbowle, daß man einen Menschen, wie ein Stück geröstetes Brod, mit einem langen Löffel herausfischen könnte.«

Diese sehr vernünftige Vorstellung würde indeß bei Magnus nichts gefruchtet haben, hätte er nicht in demselben Augenblicke gesehen, daß Cleveland in der That aus dem Boote gesprungen, zu Mordaunt geschwommen war, und ihn über Wasser hielt, bis das Boot Beiden zu helfen herbeikam. Sobald die Gefahr, welche so dringend nach Beistand rief, vorüber war, verschwand auch des alten ehrlichen Udallars Wunsch, Hülfe zu leisten, und indem er sich der Ursache zum Groll gegen Mordaunt Mertoun, die er hatte, oder zu haben glaubte, wieder bewußt wurde, schüttelte er den alten Haushofmeister ab, wendete sich unwillig vom Ufer ab, und schalt Erik einen alten Narren, daß er glaube, ihm sei etwas daran gelegen, ob der junge Mensch ertränke oder schwämme.

Aber trotz dieser angenommenen Gleichgültigkeit konnte Magnus es nicht unterlassen, über die Köpfe des Kreises hinwegzusehen, welcher Mordaunt umstand, sobald er an's Ufer gebracht worden war, und sich mitleidig bemühte, ihn wieder in's Leben zurückzurufen; auch gewann er den Schein gänzlicher Unbefangenheit nicht eher wieder, als bis der junge Mann am Ufer saß und man sehen konnte, daß der Unglücksfall keine wesentlichen Folgen haben würde. Dann erst ging er mürrisch fort, als ob er sich um des Jünglings Schicksal gar nicht kümmere, schalt aber vorher noch die Umstehenden, daß sie dem Burschen nicht ein Glas Branntwein gäben.

Die Frauen, stets genau darin, die verrätherischen Bewegungen Anderer ihres Geschlechts genau zu beobachten, verfehlten nicht, zu bemerken, daß, als die Schwestern von Burgh-Westra Mordaunt in den Wellen versinken sahen, Minna todtenbleich wurde, während Brenda einen Schrei des Schreckens nach dem andern ausstieß. Aber wenn man sich auch durch Kopfnicken, Winke und Fingerzeige zu verstehen gab, daß die alte Liebe nicht roste, so gab man im Ganzen doch auch zu, daß man von ihnen kaum weniger als diese Beweise des Antheils hätte erwarten können, als sie den Gefährten ihrer Jugend vor ihren Augen auf dem Punkte sahen, zu ertrinken.

Wie groß aber die Theilnahme gewesen sein mochte, welche Mordaunts Lage erregte, während sie so bedenklich schien, fing sie doch an abzunehmen, sobald er sich erholte, und als er wieder bei voller Besinnung war, blieb nur noch Claudius Halcro mit zwei oder drei Anderen bei ihm. Ungefähr zehn Schritt davon stand Cleveland, Haar und Kleider triefend vom Wasser, und mit einem so eigenthümlichen Ausdrucke in den Gesichtszügen, daß er sogleich Mordaunts ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Es lag auf seinen Lippen ein unterdrücktes Lächeln, und in seinem Auge ein Stolz, welcher, zugleich die Befreiung von einem peinlichen Zwange und etwas wie befriedigten Hohn aussprach. Claudius Halcro eilte, Mordaunt zu sagen, daß er Cleveland sein Leben verdanke, und der Jüngling stand sogleich auf und trat, alle anderen Empfindungen über die der Dankbarkeit vergessend, auf ihn zu und reichte ihm die Hand, seinem Erhalter den wärmsten Dank zu sagen. Erstaunt blieb er aber stehen, als Cleveland einen oder zwei Schritte zurücktrat, die Arme übereinander schlug und die dargebotene Rechte zurückwies. Auch Mordaunt trat nun zurück und betrachtete mit Erstaunen die unfreundliche Weise und den beinahe beleidigenden Blick, mit welchem Cleveland, der früher gegen ihn, dem Anscheine nach, ungezwungen und herzlich war, oder doch wenigstens ein offenes Betragen zeigte, jetzt, nachdem er ihm einen so wichtigen Dienst erwiesen, seinen Dank ablehnte.

»Es ist genug,« sagte Cleveland, der sein Staunen bemerkte, »und unnöthig, mehr davon zu sagen. Ich habe meine Schuld zurückgezahlt, und wir sind nun quitt.«

»Ihr seid mehr als quitt, Capitain Cleveland,« antwortete Mordaunt, »denn Ihr wagtet Euer Leben, um das für mich zu thun, was ich ohne die geringste Gefahr für Euch that; und überdieß,« fügte er hinzu, indem er dem Gespräche eine angenehmere Richtung zu geben versuchte, »habe ich ja noch Eure Flinte.«

»Nur feige Menschen rechnen die Gefahr nach allen einzelnen Punkten ab,« sagte Cleveland. »Die Gefahr ist mein ganzes Leben hindurch meine Gefährtin gewesen und hat mich auf tausend schlechteren Reisen begleitet; und was Flinten betrifft, so habe ich deren noch genug, und Ihr sollt, wenn Ihr wollt, versuchen, wer sie am besten zu brauchen versteht.«

In dem Tone, womit dieß gesagt wurde, lag Etwas, das Mordaunt sehr auffiel, es war »hinterlistige Bosheit«, wie Hamlet sagt, und deutete auf eine verborgene Absicht. Cleveland sah seine Verwunderung, trat näher zu ihm heran und sagte mit gedämpfter Stimme: »Hört einmal, mein junger Freund. Es ist unter uns Glücksrittern Sitte, wenn wir auf eine Prise Jagd machen und einander den Wind abgewinnen, sechzig Yards Entfernung am Strande und ein paar gezogene Flinten für den besten Weg zur Ausgleichung der Sache zu halten.«

»Ich verstehe Euch nicht, Capitain Cleveland,« sagte Mordaunt.

»Ich glaube nicht, daß Ihr es thut, – ich dachte nicht, daß Ihr es würdet,« erwiderte der Capitain; und indem er sich auf dem Absatze umdrehte, mischte er sich unter die Gäste, wo ihn Mordaunt kurz nachher an der Seite Minna's sah, die so mit ihm redete, als wollte sie ihm für sein wackeres und großmüthiges Betragen danken.

»Wäre es nicht Brenda's wegen,« dachte Mordaunt, »so wünschte ich beinahe, er hätte mich in dem Voe gelassen, denn Niemand scheint sich darum zu bekümmern, ob ich todt oder lebendig bin. Zwei gezogene Flinten und sechzig Yards Entfernung am Seestrande – ist es das, worauf er hinzielt? – Nun, das wird auch kommen, doch nicht an dem Tage, an dem er mein Leben mit Gefahr seines eigenen gerettet hat.«

Während er so nachdachte, flüsterte Erik Scambester dem Halcro zu: »Wenn die beiden Bursche sich nicht ein Leid anthun, so glaube ich nicht mehr an Anzeichen. Mr. Mordaunt rettet Cleveland; – gut; Cleveland zieht zur Vergeltung allen Sonnenschein von Burgh-Westra auf sich; und bedenkt nur, was das sagen will, die Gunst eines solchen Hauses zu verlieren, wo der Punschkessel nie kalt wird. Nun, und der Cleveland ist dann wieder solch' ein Narr, Mordaunt aus dem Voe herauszufischen, wir wollen sehen, ob ihm der nicht seine sauren Sillocks für Stockfisch gibt!«

»Bah, Bah!« erwiderte der Dichter, »das sind alles alte Weiber-Gedanken, Freund Erik, denn was sagt der herrliche Dryden – der heilige Johannes?

Die gelbe Galle nur, die in den Busen dringt,
Ist es allein, die uns so düstern Sinn nur bringt!«

»Der heilige Johannes oder der heilige Jakob können sich dann sehr wohl irren,« sagte Erik, »denn so viel ich weiß, lebten Beide nicht in Shetland. Ich sage nur, wenn man noch an alte Sagen glauben kann, so thun sich die beiden Bursche ein Leid an, und wenn das geschieht, hoffe ich, trifft es Mordaunt Mertoun.«

»Und warum, Erik Scambester,« sagte Halcro hastig und zornig, »wünscht Ihr gerade diesem jungen Manne Böses, der mehr werth ist, als fünfzig von den Andern?«

»Wer unter den Wölfen ist, muß mit heulen,« erwiderte Erik. »Mr. Mordaunt ist für das elende Wasser, wie der alte Seehund, sein Vater; aber Capitain Cleveland, seht Ihr, der trinkt sein Glas mit, wie ein ehrlicher Kerl und ein Ehrenmann.«

»Richtig geurtheilt und nach deinem eigenen Geschmack,« sagte Halcro, brach die Unterhaltung ab, und schlug den Weg nach Burgh-Westra ein, wohin Magnus' Gäste jetzt zurückkehrten und dabei, indem sie mit großer Lebhaftigkeit die verschiedenen Begebenheiten bei dem Angriffe auf den Wallfisch besprochen, nicht wenig ärgerlich darüber, daß er ihnen nach allen ihren Bemühungen doch noch entgangen war.

»Ich hoffe, Capitain Donderdrecht von der Eendrag von Rotterdam soll nichts davon erfahren,« sagte Magnus; »denn der würde schwören, wir taugten, Donner und Blitz! zu weiter nichts, als Flundern zu fangen.«


 


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