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Drittes Kapitel.

 

– – – Von Mißgeschick
Sagt mir mein Herz. Es ruht noch in den Sternen
Doch bitter ist es sicherlich entsprungen
Von diesem Jubel heute Nacht.

Romeo und Julie

 

Die Neuankommenden waren, nach der häufigen Gewohnheit solcher Lustigmacher in der ganzen Welt, durch eine Art von Masken verkleidet, welche Tritonen und Meerjungfern darstellen sollten, mit denen die alte Sage und der Volksglaube die nordischen Meere bevölkerte. Die Ersteren, von den Shetländern der damaligen Zeit Shoupeltins genannt, wurden von jungen, abenteuerlich gekleideten Leuten mit falschem Haar und Bärten, von Flachs gemacht, und mit Kränzen aus Meergras, mit Muscheln und anderen Produkten des Meeres durchflochten, vorgestellt, womit auch ihre lichtblauen oder grünlichen Mäntel von Wadmaal verziert waren. Sie hatten Harpunen und andere Kennzeichen ihrer angenommenen Würde in den Händen, unter denen der klassische Geschmack Halcros, welcher den Maskenzug angeordnet, die großen Seemuscheln nicht vergessen hatte, welchen einer oder zwei der Meergötter, zum großen Aerger aller Derer, die sich in ihrer Nähe befanden, von Zeit zu Zeit starke und schneidende Töne entlockte.

Die Nereiden und Wassernymphen, welche bei dieser Gelegenheit mit auftraten, zeigten, wie gewöhnlich, in ihren Kleidungen und ihrem Schmucke bei weitem mehr Geschmack, als ihre männlichen Begleiter. Phantastische Gewänder, von grüner Seide und anderen kostbaren und modischen Stoffen, waren benützt worden, ihre Begriffe von den Bewohnerinnen des Wassers zu zeigen, und zugleich den Wuchs und die Gesichtszüge der Schönen in das beste Licht zu setzen. Die Schnüre von Muscheln, welche Hals, Arme und Knöchel der artigen Meerjungfern schmückten, waren bei einigen mit echten Perlen durchflochten, und ihre Erscheinung im Ganzen so, daß sie dem Hofe der Amphitrite keine Schande gemacht haben würden, vorzüglich wenn man die langen glänzenden Locken, die blauen Augen, die zarte Gesichtsfarbe und die angenehmen Züge der Töchter von Thule in Erwägung zog. Wir wollen nicht behaupten, daß eine dieser angeblichen Meerjungfern die wirklichen Sirenen so genau nachgeahmt hätte, wie die Erklärer von den Begleiterinnen der Cleopatra behaupten, welche, obgleich sie den Fischschwanz ihres Originals annahmen, dennoch ihr »Ende« oder ihren »Schwanz« – die Ausleger wissen nicht genau, was, – zu einem Schmucke machten Man sehe eine treffliche Erörterung dieser Stelle in Shakespeare's Variorum.. In der That würde es, wenn ihre Aeußerlichkeiten nicht ohne solchen Zusatz geblieben wären, den shetländischen Sirenen sehr schwer geworden sein, den sehr artigen Tanz auszuführen, mit dem sie die Gesellschaft für den Zutritt erfreuten, den sie ihnen so willig gestattet hatte.

Es wurde bald entdeckt, daß die Verlarvten keine Fremden waren, sondern ein Theil der Gäste, welche sich einige Zeit vorher hinausgeschlichen und so verkleidet hatten, um eine kleine Abwechselung in die Fröhlichkeit des Abends zu bringen. Claud Halcro's Muse, welche bei allen solchen Gelegenheiten thätig war, hatte sie mit einem passenden Gesange versehen, von dem wir hier ein Pröbchen beifügen. Der Gesang wechselte zwischen einer Nereide oder Meerjungfer und einem Meermanne oder Tritonen, ab, während die Männer und Frauen einen Halbchor bildeten, der den Hauptsänger begleitete und die Endstrophen wiederholte.

Ein Meermädchen.

Tief, von Meeresfluth umschlungen,
      Wo uns Perlenschmuck umzieht:
Von den Helden, die gerungen,
      Singen wir, die Niemand sieht.
Wann die Stürme tobend rollen,
      Hören wir sie sanft und mild,
Leise, wie Verliebte zollen
      Ihre Seufzer im Gefild
Aber aus den Fluthen steigen
      Wir, um froh mit Euch zu sein.
Auf, laßt uns im muntern Reigen
      Diesen Tag der Freude weih'n.

Ein Meermann.

Seht, wir bänd'gen Wasserpferde,
      Wie die Fluth vor ihnen bricht!
Tobt der Sturm auch auf der Erde,
      Unsre Ruhe stört das nicht.
Mag die Schlange drohend schwellen,
      Die Bewohnerin der Fluth,
Streift sie hin durch Schaum und Wellen,
      Naht der Meermann wohlgemuth.
Aber aus den Fluthen steigen
      Wir, um froh mit Euch zu sein.
Auf, laßt uns im muntern Reigen
      Diesen Tag der Freude weih'n!

Meermänner und Meermädchen.

Tief, von Meeresfluth umschlungen,
      Hörten wir den Jubel hier,
D'rum sind wir emporgedrungen,
      Ihn zu theilen wünschen wir.
In Palasten zwar, voll Schimmer,
      Von der klaren Fluth umwallt,
Fehlt es uns an Festen nimmer,
      Und an Wonnen mannigfalt.
Aber aus den Fluthen steigen
      Wir, um froh mit Euch zu sein.
Auf, laßt uns im muntern Reigen
      Diesen Tag der Freude weih'n!

Der Schlußchor wurde von Allen gesungen, ausgenommen die, welche die Seemuscheln trugen, und auf diesen eine Art von Accompagnement bliesen, welches eine recht gute Wirkung machte. Die Dichtung sowohl, als die Ausführung derselben durch die Masken erhielten lauten Beifall von allen Denen, welche Anspruch darauf machten, in solchen Dingen ein Urtheil fällen zu können; besonders aber von Triptolemus Yellowley, dessen Ohr die Ackerbauklänge »Pflug« und »Furche« aufgefaßt hatte, und dessen Kopf so ganz davon eingenommen war, diese Ausdrücke nur in ihrer nächsten Bedeutung zu gebrauchen, daß er laut erklärte, und Mordaunt zum Zeugen aufrief: Obgleich es eine Schande sei, so viel guten Flachs zu verschwenden, wie zu den Bärten und Perücken der Tritonen verwendet worden sei, enthielte doch der Gesang die einzigen Worte von gesundem Sinn und Verstand, die er den ganzen Tag über gehört hätte.

Aber Mordaunt hatte keine Zeit, die Aufforderung zu beantworten, da er damit beschäftigt war, auf das Genaueste die Bewegungen des einen der Meermädchen zu beobachten, das ihm während des Eintretens ein besonderes Zeichen gegeben hatte, welches ihn vermuthen ließ, daß er von ihr irgend eine wichtige Mittheilung zu erwarten hätte, obgleich er nicht wußte, wer sie war. Die Sirene, welche so kühn seinen Arm berührt, und diese Berührung mit einem Blicke begleitet hatte, welcher seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, war viel sorgfältiger maskirt, als ihre Mitmasken; ihr Mantel war weit und lose genug, um ihre ganze Gestalt zu verhüllen, und ihr Gesicht wurde durch eine seidne Maske verborgen. Er bemerkte, daß sie sich allmählig von den übrigen Masken entfernte, und endlich, wie um der Kühlung zu genießen, in die Nähe der Thür einer offenstehenden Stube trat; hier sah sie ihn wieder an, und dann benutzte sie einen Augenblick, während dessen die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft sich auf einen andern Punkt lenkte, und verließ das Zimmer.

Mordaunt zögerte nicht, augenblicklich seiner geheimnißvollen Führerin zu folgen, denn so dürfen wir die Maske nennen, welche einen Augenblick stehen blieb, um ihm die Richtung zu zeigen, die sie nehmen wollte, und dann so schnell auf das Ufer eines Voe, oder Meerwasser-See's zuging, der jetzt in seiner ganzen Ausdehnung vor ihnen lag, und dessen kurze Sommerwogen in dem hellen Mondlichte glänzten und sich kräuselten, das, verbunden mit der starken Dämmerung, welche in jenen Gegenden während der Sommer-Sonnenwende gewöhnlich ist, die Abwesenheit der Sonne nicht empfinden ließ, deren letzte Spuren man, im äußersten Westen, noch auf den Wellen bemerken konnte, während der Horizont im Osten schon von der Tagesdämmerung erhellt zu werden anfing.

Das Alles machte es Mordaunt nicht schwer, seine verkleidete Führerin im Auge zu behalten, während sie über Hügel und Thal dem Meere zutrippelte, und zwischen den Felsen hindurch den Weg nach einem Platze einschlug, wo er während seines früheren genaueren Umgangs mit den Bewohnerinnen von Burgh-Westra mit eigener Hand einen wohlbeschatteten einsamen Sitz erbaut hatte, auf welchem Magnus' Töchter bei gutem Wetter einen großen Theil ihrer Zeit zuzubringen pflegten. An diesem Orte nun sollte die Erklärung erfolgen, denn die Verlarvte blieb stehen, und setzte sich, nach einem Augenblicke des Besinnens, auf den ländlichen Sitz. Aber von wessen Lippen sollte er jene Erklärung erhalten? Zuerst fiel ihm Norna ein; allein ihre hohe Gestalt und ihr langsamer, majestätischer Gang waren durchaus verschieden von dem Wuchse und dem Gange der feenhaft gebauten Sirene, welche ihm mit so leichtem Schritte vorausgeeilt war, als sei sie eine wirkliche Nereide, die zu lange am Ufer verweilte und nun, Amphitrite's Unwillen fürchtend, ihr angeborenes Element wieder zu erreichen eilte. Da es also nicht Norna war, so konnt' es, dachte er, nur Brenda sein, die ihn so herausgelockt hatte, und als sie sich auf die Bank gesetzt und die Maske abgenommen hatte, fand er, daß es wirklich Brenda war. Mordaunt hatte in der That nichts gethan, um ihre Gegenwart fürchten zu müssen; und dennoch – so groß ist die Macht der Schüchternheit bei dem Zusammentreffen junger, unverdorbener Leute beiderlei Geschlechts – empfand er jetzt die ganze Verlegenheit eines Menschen, welcher sich unerwartet einer Person gegenübersieht, die gerechte Ursache zum Unwillen gegen ihn hat. Brenda's Verlegenheit war eben so groß, als die seinige; da sie indeß diese Zusammenkunft herbeigeführt hatte, und fühlte, daß sie nur kurz sein dürfte, mußte sie nothgedrungen die Unterredung anfangen.

»Mordaunt,« sagte sie mit stockender Stimme, fuhr aber dann, sich verbessernd, fort: »Es muß Sie befremden, Mr. Mertoun, daß ich mir diese ungewöhnliche Freiheit genommen habe.«

»Erst seit diesem Morgen, Brenda,« antwortete Mordaunt, »könnte mich ein Beweis der Freundschaft oder Vertraulichkeit von dir oder deiner Schwester befremden. Ich bin bei weitem mehr darüber verwundert, daß du mich ohne Grund schon so viele Stunden lang gemieden hast, als daß du mir jetzt eine Zusammenkunft verstattest. Sage mir um des Himmels willen, Brenda, womit habe ich dich beleidigt? Oder warum stehen wir auf so ungewöhnlichem Fuße?«

»Ist es dir nicht genug, wenn ich dir sage,« erwiderte Brenda, »daß es meines Vaters Wille ist?«

»Nein, das ist nicht genug,« entgegnete Mertoun. »Dein Vater kann seine Gesinnung und sein Benehmen gegen mich nicht so plötzlich geändert haben, ohne daß eine grobe Täuschung auf ihn wirkte. Ich verlange von dir nur zu wissen, worin diese Täuschung besteht, denn ich will in deiner Achtung niedriger stehen, als der geringste Knecht auf diesen Inseln, wenn ich nicht beweise, daß diese Sinnesänderung sich nur auf einen niederträchtigen Betrug, oder auf einen ganz ungewöhnlichen Irrthum gründet.«

»Es mag so sein,« sagte Brenda; »ich hoffe, es ist so, und daß ich dieß hoffe, dafür mag dir mein Wunsch, dich heimlich zu sprechen, der stärkste Beweis sein. Aber es ist schwer, – kurz, es ist mir unmöglich, dir die Ursache von der Erbitterung meines Vaters gegen dich mitzutheilen. Norna hat gerade heraus darüber mit ihm gesprochen; ich fürchte, sie schieden in Unfrieden von einander, und du weißt wohl, daß das nicht wegen etwas Unbedeutendem geschehen konnte.«

»Ich habe öfters bemerkt,« sagte Mordaunt, »daß dein Vater sehr viel auf Norna's Rath hält, und daß er sich ihre Sonderbarkeiten leichter gefallen läßt, als die anderer Leute; das habe ich allerdings bemerkt, wenn er auch an die übernatürlichen Eigenschaften, welche sie zu besitzen behauptet, nicht sehr glauben mag.«

»Sie sind entfernte Verwandte und waren Jugendfreunde, ja, wie ich gehört habe, glaubte man einst sogar, daß sie einander heirathen würden; allein Norna's Sonderbarkeiten zeigten sich gleich nach ihres Vaters Tode, und damit war die Sache zu Ende, wenn überhaupt Etwas daran war. Gewiß ist es indeß, daß mein Vater sie mit vielem Antheil betrachtet, und ich fürchte, es ist ein Zeichen, wie tief seine Vorurtheile gegen dich gewurzelt sind, daß Beide sich deinetwegen erzürnten.«

»Des Himmels Segen über dich, Brenda, daß du Vorurtheile sagtest,« rief Mertoun mit Wärme und Eifer, »tausendfacher Segen über dich! Du hattest immer ein weiches Herz, du würdest selbst den Schein der Unfreundlichkeit nicht lange haben beibehalten können.«

»Es war auch nur ein Schein,« sagte Brenda, welche allmählig wieder zu dem vertraulichen Tone überging, in welchem sie von Kindheit an miteinander gesprochen hatten; »ich konnte mir es nie denken, Mordaunt – nie, das heißt wirklich glauben, daß du irgend etwas Unfreundliches von Minna oder mir gesagt hättest.«

»Und wer wagt es, zu behaupten, daß ich das gethan hätte?« sagte Mordaunt, indem er der natürlichen Heftigkeit seines Charakters den Zügel schießen ließ: »Wer wagt es, zu sagen, daß ich das gethan hätte, und glaubte, daß ich seine Zunge ruhig in seinem Munde lassen würde? Bei Sanct Magnus, dem Märtyrer, ich will die Falken damit füttern.«

»Nein,« sagte Brenda, »dein Zorn erschreckt mich nur, und wird mich nöthigen, dich zu verlassen.«

»Mich zu verlassen?« fragte er. »Ohne mir die Verleumdung zu enthüllen, oder mir den Namen des schändlichen Verleumders zu nennen?«

»Mehr als Einer,« erwiderte Brenda, »hat meinem Vater eine Meinung beigebracht – die ich dir nicht wieder erzählen kann – aber es ist mehr als Einer, der sagt ...«

»Und wären es Hundert, Brenda, so thue ich ihnen doch nicht weniger, als was ich gesagt habe! – Heiliger Märtyrer, mich zu beschuldigen, schlecht von denen gesprochen zu haben, welche ich vor Allen unter dem weiten Himmel am meisten ehrte und schätzte! – Ich will sogleich zurück in den Saal, und dein Vater soll mir vor aller Welt Gerechtigkeit widerfahren lassen.«

»Geh' nicht, um des Himmels willen!« sagte Brenda, »geh' nicht, wenn du mich nicht zum unglücklichsten Geschöpfe von der Welt machen willst.«

»So sage mir wenigstens, ob ich recht gerathen habe, wenn ich diesen Cleveland als Einen von denen nenne, die mich verleumdet haben?«

»Nein, nein,« sagte Brenda heftig; »du verfällst aus einem Irrthum in einen andern, noch gefährlicheren. Du sagst, du bist mein Freund – ich bin deine Freundin; – aber sei jetzt einen Augenblick ruhig und höre, was ich dir zu sagen habe; – unsere Zusammenkunft hat schon zu lange gedauert, und jeder Augenblick bringt neue Gefahr.«

»So sage mir denn,« erwiderte Mertoun, den des armen Mädchens Besorgniß und Angst rührten, »sage mir, was du von mir forderst, und glaube mir, daß es Nichts gibt, das ich nicht zu thun bereit wäre.«

»Nun wohl, – dieser Capitain,« sagte Brenda, »dieser Cleveland ...«

»Ich wußte es, beim Himmel!« sagte Mordaunt, »mein Geist sagte mir, daß dieser Mensch auf irgend eine Art an all' dem Unglück und Mißverständniß Schuld sei.«

»Wenn du nicht einen Augenblick schweigen und ruhig sein kannst,« antwortete Brenda, »so muß ich dich augenblicklich verlassen; was ich dir sagen wollte, bezieht sich nicht auf dich, sondern auf Jemand Anderes – mit einem Worte, auf meine Schwester Minna. Ich habe über ihre Abneigung gegen dich nichts zu sagen, wohl aber viel Besorgliches über seine Aufmerksamkeit gegen sie

»Die ist klar, in die Augen springend, auffallend,« sagte Mordaunt, »und ist, wenn mich meine Augen nicht trügen, willkommen, wird vielleicht gar erwidert.«

»Das ist die wahre Ursache meiner Besorgniß,« sagte Brenda, »aber auch auf mich machten das Aeußere, das ungezwungene Betragen und die romantische Unterhaltung dieses Mannes Eindruck.«

»Sein Aeußeres!« sagte Mordaunt; »nun ja, er ist kräftig und wohlgebaut genug; aber, wie die alte Sinclair von Quendale zu dem spanischen Admiral sagte: ›Hohn sein Gesicht! Ich habe manchen Hübscheren auf dem Borough-Moor hängen sehen!‹ – Nach seinem Betragen kann er ein Caper-Capitain sein, und nach seiner Sprache der Trompeter bei seinem eigenen Puppenspiel, denn er spricht fast von nichts Anderem, als von seinen eigenen Thaten.«

»Du irrst,« sagte Brenda, »er spricht nur zu gut über alles Das, was er gesehen und erfahren hat; überdieß ist er wirklich in manchen Ländern gewesen und bei manchem blutigen Gefechte, wovon er mit eben so viel Geist als Bescheidenheit erzählt. Man sollte glauben, man sähe den Blitz und hörte den Donner der Kanonen. Er erzählt auch noch von anderen Dingen, von den herrlichen Bäumen und Früchten anderer Klimaten, und wie die Leute das ganze Jahr über einen Anzug tragen, der nicht halb so warm ist, als unsere Sommerröcke, und in der That wenig mehr als Cambrics und Musseline.«

»Wahrhaftig, Brenda, der Mann scheint es zu verstehen, junge Damen zu unterhalten,« erwiderte Mordaunt.

»Ja, das kann er in der That,« sagte Brenda mit großer Natürlichkeit. »Ich versichere dich, daß ich ihn Anfangs noch weit lieber hatte, als Minna, und doch weiß ich, wenn sie gleich bei weitem klüger ist, als ich, mehr von der Welt, als sie, denn ich habe mehr Städte gesehen; – ich bin einmal in Kirkwall gewesen, und dreimal in Berwick, als die holländischen Schiffe dort waren, und so kann ich mich nicht leicht in den Menschen irren.«

»Und warum, Brenda,« fragte Mordaunt, »bist du in deiner guten Meinung von dem jungen Manne, der so anziehend zu sein scheint, zurückgekommen?«

»Hm,« sagte Brenda nach kurzem Besinnen, »er war Anfangs weit lebhafter, und die Geschichten, die er erzählte, waren nicht so traurig, nicht so schrecklich, und er lachte und tanzte mehr.«

»Und tanzte vielleicht mehr mit Brenda, als mit ihrer Schwester?« fügte Mordaunt hinzu.

»Nein, wahrlich nicht,« sagte Brenda; »und doch, die Wahrheit zu sagen, konnte ich auch gar keinen Verdacht gegen ihn hegen, so lange er gegen uns Beide gleiche Aufmerksamkeit zu haben schien, denn so konnte er uns nicht mehr gelten, als du selbst, Mordaunt Mertoun, oder der junge Swaraster, oder jeder andere junge Mann auf der Insel.«

»Aber,« sagte Mordaunt; »warum sahest du es denn nicht gleichgültig mit an, als er mit deiner Schwester bekannter wurde? – Er ist reich, oder scheint es wenigstens zu sein. Du sagst, er ist gebildet und angenehm; kann es einen bessern Liebhaber für Minna geben?«

»Du vergißt, Mordaunt, wer wir sind,« sagte das Mädchen, indem es eine Miene der Bedeutsamkeit annahm, welche sie bei ihrer Natürlichkeit eben so gut kleidete, als der Ton, in dem sie jetzt sprach. – »Dieß Shetland ist eine kleine Welt, und steht vielleicht, wenigstens wie Fremde sagen, andern Theilen der Erde weit nach; allein es ist unsere eigene kleine Welt, und wir, die Töchter Magnus Troils, behaupten eine der ersten Stellen darin. Es würde, denk' ich, sich für uns wenig schicken, wenn wir, die wir von Seekönigen und Jurls abstammen, uns so wegwerfen wollten, mit einem Fremden in Verbindung zu treten, der, wie die Eidergans im Frühling, an unsere Küste kommt, wir wissen nicht, woher, und sie vielleicht im Herbst verläßt, um zu gehen, wir wissen nicht, wohin.«

»Und der nichts desto weniger eine shetländische Goldforelle verleiten konnte, ihn auf seiner Wanderung zu begleiten.«

»Ich will keinen Scherz über einen solchen Gegenstand hören,« erwiderte Brenda unwillig. »Minna ist so gut die Tochter Magnus Troils, des Freundes der Fremden, als des Vaters von Hialtland. Er gewährt diesen die Gastfreundschaft, deren sie bedürfen; aber selbst der Stolzeste von ihnen mag es sich nicht in den Sinn kommen lassen, daß er sich nach seinem Belieben mit unserem Hause näher verbinden könnte.«

Sie sagte dieß mit besonderer Wärme, milderte aber ihren Ton sogleich und setzte hinzu: »Nein, Mordaunt, glaube nicht, daß Minna Troil vergessen kann, was sie ihrem Vater und dem Blute ihres Vaters schuldig ist, um sich mit diesem Cleveland zu vermählen; aber sie kann vielleicht seinen Worten so lange Gehör geben, daß ihr ganzes künftiges Glück dabei vernichtet wird. Ihr Geist ist der Art, daß sich ihm alle Eindrücke tief einprägen. Du wirst dich erinnern, wie Ulla Storlson Tag für Tag nach dem Gipfel von Vaßdale-Head ging, um nach dem Schiffe ihres Geliebten auszusehen, das nie zurückkehrte? – Wenn ich noch an ihren langsamen Schritt, ihre bleiche Wange, ihr immer trüber und trüber werdendes Auge denke, das der Lampe glich, die aus Mangel an Oel erlischt, – wenn ich mir ihren aufgeregten Blick zurückrufe, den Strahl der Hoffnung, womit sie des Morgens die Klippe erstieg, die starre Verzweiflung, welche auf ihrer Stirne lag, wenn sie zurückkehrte, – wenn ich an das Alles denke, kannst du dich dann noch wundern, wenn ich für Minna fürchte, deren Herz ganz dazu gemacht ist, einen Eindruck, den es einmal empfangen hat, mit so tief eingewurzelter Treue zu bewahren?«

»Ich wundere mich nicht,« – sagte Mordaunt, der an der Betrübniß des armen Mädchens den wärmsten Antheil nahm; denn außer dem Zittern ihrer Stimme konnte er beinahe die Thränen sehen, welche in ihrem Auge glänzten, als sie das Bild ausmalte, das ihre Phantasie mit dem ihrer Schwester verwebt hatte; – »ich wundere mich nicht, daß du fühlst und fürchtest, was die reinste Zuneigung nur gebieten kann; und wenn du mir nur andeuten kannst, was ich deiner schwesterlichen Liebe zu nützen vermag, so sollst du mich bereit finden, wenn es nöthig ist, mein Leben eben so zu wagen, als ich wohl auf die Klippen hinausgestiegen bin, den Eiern der Seetaube nachzugehen, und, glaube mir – was auch dein Vater oder du davon gehört haben magst, daß ich die geringsten Gedanken von Mangel an Achtung oder Unfreundlichkeit gegen euch hegte – es ist Alles so falsch, als der höllische Feind es nur erdacht haben könnte.«

»Ich glaube es,« sagte Brenda, indem sie ihm die Hand reichte; »ich glaube es, und mein Busen ist jetzt leichter, da mein Vertrauen zu einem so alten Freunde zurückgekehrt ist. Wie du uns helfen kannst, weiß ich nicht, allein es geschah auf Norna's Rath, ja, ich möchte sagen, auf ihren Befehl, daß ich dir diese Eröffnung zu machen wagte, und ich wundere mich selbst beinahe,« setzte sie hinzu, indem sie um sich blickte, »daß ich den Muth dazu hatte. Jetzt weißt du Alles, was ich dir über die Gefahr sagen kann, in welcher meine Schwester schwebt. Habe ein wachsames Auge auf diesen Cleveland, hüte dich aber, mit ihm in Streit zu gerathen, da du, einem erfahrenen Soldaten gegenüber, gewiß den Kürzeren ziehen würdest.«

»Ich sehe nicht recht ein, weßhalb das so gewiß der Fall sein sollte. Das weiß ich aber wohl, daß ich, bei den tüchtigen Armen und dem unverzagten Herzen, die mir Gott gegeben, und bei einer guten Sache dazu, mich vor einem Zwiste mit Cleveland nicht fürchte.«

»Wenn es nicht deiner selbst willen geschieht,« sagte Brenda, »so vermeide Minna's, meines Vaters, meinetwegen, unser Aller wegen, jeden Streit mit ihm; begnüge dich, ihn zu beobachten, und suche wo möglich herauszubringen, wer er ist und was er für Absichten auf uns hat. Er hat oft davon gesprochen, nach Orkney zu gehen, um sich nach dem Gefährten zu erkundigen, mit dem er in See gegangen ist; allein ein Tag nach dem andern, eine Woche nach der andern vergeht, und er macht noch keine Anstalten zur Reise; während er so meinem Vater bei der Flasche Gesellschaft leistet und Minna romanhafte Geschichten von fremden Völkern, von Kriegen in wilden und unbekannten Ländern erzählt, verfließt die Zeit unvermerkt, und der Fremde, von dem wir nichts weiter wissen, als daß er dieß ist, wird nach und nach ein immer vertrauteres und unzertrennlicheres Glied unseres Kreises. Und nun leb' wohl; Norna hofft, meinen Vater mit dir auszusöhnen, und läßt dich bitten, Burgh-Westra morgen noch nicht zu verlassen, so kalt auch mein Vater und meine Schwester gegen dich sein mögen. Auch ich,« sagte sie, indem sie ihm die Hand reichte, »muß die Maske kalter Freundschaft gegen den unwillkommenen Gast tragen, aber im Herzen sind wir noch immer Brenda und Mordaunt. Und nun müssen wir uns schnell trennen, denn man darf uns nicht beisammen sehen.«

Sie reichte ihm mit diesen Worten ihre Hand, zog sie aber mit leichter Verwirrung lächelnd und erröthend zurück, als er sie, von einem natürlichen Gefühle getrieben, an seine Lippen drücken wollte. Einen Augenblick versuchte er es, sie zurückzuhalten, denn die Zusammenkunft hatte einen Zauber für ihn, den er noch nie empfunden hatte, so oft er auch früher mit Brenda allein gewesen war. Sie riß sich indeß von ihm los, winkte ihm noch ein Lebewohl zu, zeigte auf einen Weg, der nach einer andern Richtung führte, als die, welche sie selbst verfolgen wollte, eilte nach dem Hause zu, und war bald hinter der Anhöhe verschwunden.

Mordaunt blickte ihr in einer Gemüthsstimmung nach, die ihm bis jetzt fremd gewesen war. Es kann Jemand auf dem zweifelhaften neutralen Grunde und Boden zwischen Freundschaft und Liebe lange und sicher einhergehen, aber er sieht sich endlich doch plötzlich aufgefordert, die Oberherrschaft der einen oder der andern Macht anzuerkennen; und dann trägt es sich häufig zu, daß der, welcher sich Jahre lang nur für einen Freund hielt, sich auf einmal in einen Liebhaber umgewandelt findet. Daß eine solche Veränderung in Mordaunts Gefühlen von diesem Augenblicke an vorgehen würde, obgleich er nicht im Stande war, deren eigentliche Beschaffenheit zu bestimmen, ließ sich erwarten. Er fand sich auf einmal, mit der unbefangensten Offenheit, zum Vertrauten eines jungen und reizenden Mädchens erhoben, von dem er sich noch vor ganz kurzer Zeit verachtet und zurückgesetzt glaubte, und wenn eine in sich selbst so überraschende und angenehme, ja berauschende Umwandlung durch irgend Etwas hervorgebracht werden konnte, so mußte es durch die schuldlose und offenherzige Einfalt Brenda's geschehen, welche über Alles, was sie sagte oder that, einen Zauber ergoß. Auch die Umgebung konnte wohl zu der Veränderung in Mordaunts Gefühlen mitgewirkt haben, obgleich diese Hülfe nicht einmal nöthig war. Ein schönes Gesicht sieht indeß beim Schimmer des Mondes immer noch schöner aus, und eine angenehme Stimme tönt bei dem leisen Geflüster einer Sommernacht immer noch süßer; Mordaunt, der jetzt nach dem Hause zurückgekehrt war, hörte daher mit ungewöhnlicher Geduld und Gefälligkeit die enthusiastische Lobrede an, welche Claudius Halcro dem Mondscheine hielt. Der Dichter war dazu durch einen Spaziergang begeistert worden, den er in freier Luft machte, um die Dünste verfliegen zu lassen, welche von den während des Festes genossenen Getränken aufgestiegen waren.

»Die Sonne, mein Junge,« sagte er, »ist jedes elenden Arbeiters Tagslaterne. Dort steigt sie hell aus dem Osten auf, eine ganze Welt zur Arbeit und zum Elend zu wecken, während der sanfte Mond uns Allen zu Fröhlichkeit und Liebe leuchtet.«

»Und zu Thorheiten, wenn man über ihn nicht lügt,« sagte Mordaunt, um doch Etwas zu sagen.

»Mag das auch sein,« erwiderte Halcro, »wenn er uns nur nicht zu traurigen Thoren macht. Mein theurer, junger Freund, die Leute in dieser mühseligen Welt sind alle viel zu besorgt, ihren ganzen Verstand zu besitzen, oder, wie sie sagen, beisammen zu haben. Wenigstens weiß ich, daß sie mich oft halb unklug genannt haben, und doch bin ich eben so gut durch die Welt gekommen, als wenn ich die doppelte Quantität gehabt hätte. Aber halt, wo war ich? Ach ja, bei dem Kapitel vom Monde – nun hör' 'mal, das ist die wahre Seele der Liebe und Dichtkunst. Ich glaube, daß es nicht einen wahren Liebhaber gegeben hat, der nicht in einem Sonnet zu seinem Lobe, wenigstens bis zu: O du! gekommen wäre.«

»Der Mond,« sagte der Verwalter, dessen Zunge ziemlich dick zu werden anfing, »bringt das Korn zur Reife, wenigstens wie die alten Leute sagen, und macht die Nüsse voll, woran freilich weniger gelegen ist, – sparge nuces, pueri

»Strafe gegeben, Strafe gegeben,« sagte der Udallar, der jetzt auf seiner Höhe war, »der Verwalter spricht Griechisch. Bei den Gebeinen meines heiligen Namensvetters Sanct Magnus, er soll die Jölle voll Punsch austrinken, wenn er uns nicht auf der Stelle etwas singt!«

»Zuviel Wasser ertränkt den Müller,« antwortete Triptolemus. »Mein Kopf bedarf eher der Austrocknung, als der Ueberschwemmung mit noch mehr Getränk.«

»So singe,« sagte der despotische Hausherr, »denn Niemand soll hier eine andere Sprache reden, als ehrliches Norwegisch, lustig Holländisch oder Dänisch, oder wenigstens platt Schottisch. Also bring' die Jölle, Erik Scambester, und fülle sie bis zum Rande als Wartgeld.«

Ehe das Fahrzeug jedoch den Landwirth erreicht hatte, der es unter Segel und in kurzen Wendungen auf sich zusteuern sah (denn Scambester selbst war um diese Zeit nicht mehr sehr gerade auf seinem Course), machte dieser eine verzweifelte Anstrengung, und begann ein Yorkshirer Erntelied zu singen, oder vielmehr zu krächzen, welches sein Vater zu singen pflegte, wenn er etwas selig war, und welches nach der Melodie von: »Heh, Dobbin, fort mit dem Wagen,« ging. Der schmerzliche Ausdruck im Gesichte des Sängers und die furchtbaren Mißtöne, die er hervorbrachte, bildeten einen so köstlichen Gegensatz zu der Lustigkeit der Worte und der Melodie, daß der ehrliche Triptolemus der Gesellschaft eben so viel Vergnügen machte, wie ein Lustigmacher, der bei einer Festlichkeit in dem Feierkleide seines Großvaters erschienen wäre. Dieser Scherz schloß die Vergnügungen des Abends, denn selbst der kräftige und starrköpfige Magnus erkannte die Herrschaft des Schlafgottes an. Die Gäste gingen, so gut Jeder konnte, zu ihren besondern Krippen und Ruheplätzen, und nach kurzer Zeit herrschte in dem Hause, das noch vor wenigen Augenblicken der Schauplatz so lauter Freude gewesen war, vollkommenes Schweigen.


 


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