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Zweites Kapitel.

 

Gebt eine Fackel mir, – laßt Gecken, leichten Herzens,
Die unnützen Gelage mit ihren Fersen kitzeln;
Ich bin versehen mit alter Väter Spruch!
Ein Leuchter will ich sein, und zuseh'n.

Romeo und Julia

 

Der Jüngling, sagt der Moralist Johnson, kümmert sich nicht um des Knaben Steckenpferd, noch der Mann um des Jünglings Geliebte; deßwegen wird Mordaunt Mertouns Kummer, als er sich von dem fröhlichen Tanze ausgeschlossen sah, manchem meiner Leser kindisch erscheinen, der sich indeß für beleidigt halten würde, wenn man ihn seines gewöhnlichen Platzes in einer Versammlung anderer Gattung beraubte. Es fehlte indessen für die, welche an dem Tanze keinen Geschmack fanden, oder die keine Tänzerin nach ihrem Sinne bekommen konnten, nicht an Unterhaltung. Halcro, der jetzt ganz in seinem Elemente war, hatte um sich einen Kreis von Zuhörern versammelt, dem er seine Gedichte mit dem Feuer des herrlichen John selbst vortrug, und von dem er dafür als Lohn den gewöhnlichen Beifall empfing, welcher den Barden zu Theil wird, die ihre eigenen Reime vortragen, wenigstens so lange, als der Verfasser noch in der Nähe des Beurtheilenden ist. Halcro's Gedichte würden indeß sowohl für den Alterthumsforscher, als für den Bewunderer der Musen anziehend gewesen sein, denn mehrere derselben waren Uebersetzungen oder Nachahmungen der skaldischen Sagen, welche von den Fischern dieser Eilande noch vor kurzer Zeit gesungen wurden, so daß die alten Leute, als Gray's Gedichte zuerst auf die Orkney-Inseln gelangten, sogleich in der Ode »die Schicksalsschwestern« die runischen Reime erkannten, welche sie in ihrer Kindheit unter dem Namen der »Zauberinnen« erschreckt hatten, und welche die Fischer von Nord-Ronaldschaw und andern entfernten Inseln noch immer zu singen pflegten, wenn man sie um ein norwegisches Lied bat.

Halb zuhörend, halb in seine eigenen Betrachtungen versunken, stand Mordaunt Mertoun nahe an der Thüre des Zimmers und in der äußersten Reihe des kleinen Kreises, welcher sich um den alten Halcro gebildet hatte, während der Barde – nach einer dumpfen, wilden, einförmigen Weise, welche nur zuweilen durch die Bemühung des Sängers, gewissen Stellen eine größere Anziehungskraft oder Nachdruck zu geben, Veränderung erlitt – die folgende Nachahmung eines nordischen Kriegsgesanges vortrug.

Blutroth sieht man die Sonn' aufgeh'n,
Bang, drückend ist des Windes Weh'n;
Von Klippen steigt der Aar empor,
Der Wolf kömmt aus der Kluft hervor;
Es späht der Hund aus dem Versteck,
Der Rabe lauscht auf seinem Fleck;
Man hört nur Kreischen, Krächzen, Stöhnen,
Und Jedes sagt in wilden Tönen:
»Ei, bald zum Todtenmahl es geht!
Des blonden Harold Flagge weht!«

Die Mähne fliegt im Winde wild,
Es glänzt der Helm, es blitzt der Schild,
Und mancher Arm die Streitaxt schwingt,
Die durch den Wald von Lanzen dringt.
Der Rosse Wiehern, Waffenklang
Tönt durch die dichten Reih'n entlang;
Führer rufen, Cymbeln klingen,
Laut hört man den Barden singen:
»Kommt Ihr Tapfern, Mann bei Mann;
»Norweger! kommt zum Kampf heran!

»Denkt nicht an Schlummer, nicht an's Mahl,
»Erwäget Vortheil nicht, noch Zahl;
»Muntre Schnitter, kommt zu mäh'n
»Die Halm' im Thal und auf den Höh'n;
»Dicht oder dünn, hart oder weich,
»Fall' Alles unter Eurem Streich.
»Vorwärts mit der breiten Schneide,
»Bringt der Ernte blut'ge Beute!
»Vorwärts, Fußvolk, – Reitersmann!
»Auf Norweger! – Muthig dran!

»Die Ihr gewählet Kampf und Schlacht,
»Euch Odins Tochter treu bewacht.
»Hort, was sie Euch prophezeiht:
»Sieg und Reichthum, Herrlichkeit
»Und Walhalla's rauschend Heil
»Wird Euch Tapfern dann zu Theil;
»Der Tafel und des Kampfes Freuden
»Wird Euch die Ewigkeit bereiten;
»Zum Angriff, Fußvolk, Reiterei;
»Kämpft wie Norweger, sterbet frei!«

»Die armen, unglücklichen, blinden Heiden!« sagte Triptolemus, mit einem Seufzer, so tief, daß er beinahe zu einem Gestöhne wurde: »sie sprechen von ihrem ewigen Becher, von Meth und Bier, und es ist sehr die Frage, ob sie wußten, wie man ein Koppel Land behandelt.«

»Desto besser, Nachbar Yellowley,« versetzte der Dichter, »wenn sie es verstanden, Ale ohne Gerste zu brauen.«

»Gerste! du mein Himmel!« erwiderte der besserbewanderte Landwirth, »wer hat je von Gerste in jenen Gegenden gehört? Vierzeilige, mein theuerster Freund, Vierzeilige ist Alles, was sie haben, und ich muß mich wundern, daß sie je eine Aehre daran sehen. Ihr grabt die Erde mit einem kleinen Dinge, das ihr Pflug nennt – eben so gut könnt ihr sie mit dem Zahne eines weiten Kammes aufritzen. O, die Schaar und das Hintertheil und das Sohlenstück eines wirklichen, tüchtigen schottischen Pfluges zu sehen, mit einem Kerl, wie ein Simson zwischen den Pflugsterzen, der ein Gewicht auf sie legt, das einen Berg niederdrücken könnte; zwei stattliche Ochsen und eben so viel breitbugige Pferde an dem Strange, die über gepflügtes und ungepflügtes Land gehen, und eine Furche im Boden zurücklassen, durch welche das Wasser ablaufen könnte, wie durch eine Straßenrenne! – Wer so Etwas gesehen hat, der weiß von etwas Besserem zu reden, als von den unglücklichen alten Geschichten von Krieg und Schlachten, wovon das Land nur zu viel erlebt hat, trotz alle dem, daß Ihr so zum Lobe von solchen blutdürstigen Dingen singt und sprecht, Mr. Claud Halcro.«

»Es ist eine Ketzerei,« sagte der lebendige kleine Dichter, indem er sich emporhob und aufblähte, als ob die Vertheidigung des ganzen orknadischen Inselmeeres von seinem Arme allein abgehangen hätte; »es ist eine Ketzerei, eines Mannes Vaterland nur so zu nennen, wenn er nicht darauf vorbereitet ist, wo und wie er sich vertheidigen soll – ja, und noch dazu einen Andern zu langweilen. Es gab eine Zeit, wo wir sehr wohl das Bier und den Branntwein zu finden wußten, der schon fertig für uns da war, obgleich wir selbst keines brauen oder brennen konnten; jetzt sind aber die Abkömmlinge der Seekönige, der Kämpen und der Berserker so unfähig geworden, ihre Schwerter zu brauchen, als ob sie eben so viele Weiber wären. Sie mögen wohl auch jetzt ihr Ruder ganz gut zu regieren, und auf einer Klippe festzustehen wissen, aber was könnte selbst der herrliche John mehr zu eurem Lobe sagen, ihr guten Hialtländer?«

»Wie ein Engel gesprochen, edler Dichter,« sagte Capitain Cleveland, der während einer Pause im Tanze dem Theile der Gesellschaft, wo dieses Gespräch stattfand, näher getreten war. – »Die alten Kämpen, von denen Ihr gestern sprach't, waren noch die Männer, zu deren Lobe eine Harfe ertönen konnte; tapfere Leute, Freunde des Meeres und Feinde aller Derer, die darauf segelten. Ihre Schiffe mögen wohl plump genug gewesen sein, aber wenn es wahr ist, daß sie bis zur Levante auf Streifzüge gingen, so glaube ich, daß es nicht leicht bravere Kerle geben konnte, ein Marssegel zu hißen.«

»Ja,« erwiderte Halcro, »da laßt Ihr ihnen Gerechtigkeit widerfahren. In jenen Tagen konnte Niemand sein Leben und seine Lebensmittel für sicher halten, wenn er nicht zwanzig Meilen weit vom blauen Meere wohnte. Ja, in jeder Kirche in Europa wurden öffentliche Gebete um Befreiung von der Plage der Normänner gehalten: das geschah in Frankreich und England, ja, und in Schottland ebenfalls; denn so hoch wie sie da jetzt auch die Nasen tragen, war damals doch keine Bucht oder kein Hafen, in denen nicht unsere Vorfahren freiere Herren gewesen wären, als die armen Teufel von Eingeborenen selbst; – und jetzt sollen wir nicht einmal unsere eigene Gerste ohne die Hülfe eines Schotten säen können – (hier warf er einen spöttischen Blick auf den Verwalter); ich wollte, ich erlebte es noch, daß wir uns wieder einmal mit ihnen messen können.«

»Wiederum wie ein Held gesprochen,« sagte Cleveland.

»Ach!« fuhr der kleine Barde fort, »ich wollte, ich sähe noch unsere Barken, einst die Wasserdrachen der Welt, mit der rabenschwarzen Flagge vom Hauptmast wehen, und das Verdeck von Waffen glänzen, statt mit Stockfisch beladen zu sein. – So würden wir mit unsern furchtlosen Händen das noch gewinnen, was uns der karge Boden versagt – alten Hohn und neue Beleidigung vergelten – ernten, wo wir nicht gesäet, fällen, wo wir nicht gepflanzt haben – durch die Welt leben und lachen, und mit Lächeln der Anmahnung entgegen sehen, daß wir sie verlassen sollen.«

So sprach Claud Halcro in keiner ernsten Stimmung, oder wenigstens gewiß nicht nüchternen Muthes, da sein Gehirn (das nie zu den stärksten gehörte), noch unter der Einwirkung von fünfzig wohlbehaltenen Sagas, nebst fünf vollen Gläsern Uskebah und Branntwein kreiste, und Cleveland schlug ihn, halb im Scherz und halb im Ernst, auf die Schulter, und sagte: »Gesprochen, wie ein Held!«

»Gesprochen, wie ein Narr, denk' ich,« sagte Magnus Troil, dessen Aufmerksamkeit durch die Heftigkeit des kleinen Barden erregt worden war. – »Wo und gegen wen wollt Ihr denn kreuzen? Wir sind doch Alle Unterthanen Eines Reiches, mein' ich, und ich bitte Euch, zu bedenken, daß Eure Seereise leicht bei dem Hinrichtungs-Werft endigen kann. Ich liebe die Schotten nicht – nehmt es nicht übel, Mr. Yellowley – das heißt, ich hätte sie recht gern, wenn sie nur ruhig in ihrem eigenen Lande bleiben und uns, mit unserem Volke, unseren Sitten und Gewohnheiten in Frieden lassen wollten; und wenn sie dort ganz still wären, bis ich sie wie ein toller alter Berserker anfiele, so blieben sie gewiß bis zum jüngsten Tag in Frieden. Mit dem, was uns das Meer schenkt und das Land bringt, wie das Sprüchwort sagt, – und mit unsern ehrlichen Nachbarn es verzehren zu helfen, – damit, denk' ich, so wahr mir Sanct Magnus helfe, sind wir nur zu glücklich!«

»Ich weiß, was Krieg ist,« sagte ein alter Mann, »und ich wollte lieber in einer Muschelschale oder in noch einem schlechteren Fahrzeuge durch die Strömung von Sumburgh fahren, als mich noch einmal daran wagen.«

»Und welche Kriege hat denn Eure Tapferkeit kennen lernen?« fragte Halcro, der zwar seinem Wirthe aus Ehrerbietung nicht widersprechen wollte, doch keineswegs geneigt war, seinen Satz aufzugeben.

»Ich wurde gepreßt,« sagte der alte Triton, »um unter Montrose zu dienen, als er um 1651 herkam, und, mir nichts, dir nichts, so Einige von uns wegnahm, um uns in den Wildnissen von Strathnavern die Hälse abschneiden zu lassen Bei seiner letzten unglücklichen Unternehmung gegen Schottland vermehrte Montrose seine kleine Armee von Dänen und schottischen Royalisten durch einige Banden, die auf den Orkney- und Shetlands-Inseln hastig ausgehoben oder vielmehr gepreßt wurden, die aber, da sie weder der Sache, noch der Art des Dienstes gewogen waren, nur wenig leisteten, als sie zum Gefecht kamen.; ich werde es nie vergessen. Wir hatten großen Mangel an Lebensmitteln; was hätte ich für ein Stück von dem Rindfleische von Burgh-Westra und für ein Gericht saurer Sillocks gegeben! Wenn da unsere Hochländer eine schöne Heerde Kühe herbeitrieben – wurden nicht viel Umstände gemacht, denn wir schossen und stachen nieder und zogen ab, und brieten und rösteten, wie es Jedem gerade in die Hand kam – gerade aber, als wir mit den Bärten am festesten Stücke waren, hörten wir, Gott behüt' uns, Pferdegetrapp, dann zwei oder drei einzelne Schüsse, dann eine volle Salve, und als die Offiziere uns zuriefen, zu stehen, und die Meisten sich umsahen, wohin wir laufen sollten, da kamen sie, Roß und Mann, mit dem alten John Urry, oder Hurry Hier leitete des Shetländers Gedächtniß ihn gewaltig irre, wie auch später in dem Text bemerkt wird. Sir John Urry, ein tapfrer Glücksritter, diente unter Montrose, und wurde mit diesem gefangen genommen. Er hatte den Dienst so oft gewechselt, daß dieser Irrthum wohl verzeihlich ist. Nach der Schlacht wurde er durch die Covenanter hingerichtet. – Straham kommandirte das Corps, durch welches Montrose geschlagen wurde., wie sie ihn nannten, über uns her, und nun fielen unsere Leute nieder, so dicht, wie die Ochsen, die wir noch vor fünf Minuten gefällt hatten.«

»Und Montrose,« sagte die sanfte Stimme der lieblichen Minna, »was wurde aus Montrose, und wie sah der aus?«

»Wie ein Löwe, der die Jäger vor sich hertreibt, aber ich sah nicht zweimal hin, wo er blieb, denn mein Weg ging über den Hügel!«

»Und so ließest du ihn also im Stich?« sagte Minna im Tone der tiefsten Verachtung.

»Es war nicht meine Schuld, Miß Minna,« antwortete der alte Mann etwas verlegen; »aber da war nicht viel zu wählen, und überdieß, was hätte ich viel nützen können? Alle die Uebrigen rissen aus, wie Schafe, und warum hätte ich allein stehen bleiben sollen?«

»Du hättest mit ihm sterben sollen,« sagte Minna.

»Und hättest dann mit ihm, in unsterblichen Versen, für die Ewigkeit gelebt!« fügte Claud Halcro hinzu.

»Ich danke Euch, Miß Minna,« sagte der gerade Shetländer, »und auch Euch, mein alter Freund Claud, aber ich will denn doch lieber Eure Gesundheit in diesem guten Becher Ale trinken, als Euch Gesänge zu meiner Ehre dichten lassen, wenn ich schon seit vierzig oder fünfzig Jahren im Grabe gelegen habe. Und was hätte es auch geholfen? Davonlaufen oder fechten, das kam Alles auf Eines heraus; sie nahmen den armen Montrose, trotz aller seiner tapfern Thaten, gefangen, und mich dazu, der ich keine gethan hatte; er wurde gehangen, der arme Mann, und ich –«

»Ich hoffe zu Gott, sie peitschten dich aus, und salzten dich ein,« sagte Cleveland, der bei der breiten Erzählung von des friedfertigen Shetländers Feigherzigkeit, deren sich derselbe gar nicht zu schämen schien, alle Geduld verloren hatte.

»Peitscht Pferde, und salzt Rindfleisch ein,« sagte Magnus, »Ich will doch nicht hoffen, daß Ihr mit all' Eurem Deck's-Wesen meinen armen, alten Nachbar Haagen darüber erröthen machen wollt, daß er sich vor einigen Mal zwanzig Jahren nicht tödten ließ? Ihr habt dem Tode in's Auge gesehen, mein männlicher junger Freund, aber dieß geschah auch mit den Augen eines jungen Mannes, der von sich reden machen will; wir aber sind ein friedliebendes Volk – friedliebend, das heißt, so lange, wie Jemand friedliebend sein muß, und das ist so lange, bis Jemand die Unverschämtheit hat, uns oder unsere Nachbarn zu beleidigen, und dann wird er vielleicht unser nordisches Blut nicht viel kälter in unsern Adern finden, als das der alten Skandinavier, die uns unsern Namen gaben und unsern Stamm gründeten. Und nun geht, geht hin zum Schwerter-Tanz, damit die Fremden, die unter uns sind, sehen, daß unsere Hände und unsere Schwerter noch mit einander bekannt sind.«

Ein Dutzend Hirschfänger, die schnell aus einem alten Gewehrschranke hervorgesucht wurden, und deren rostiges Aussehen verrieth, wie selten sie aus der Scheide gekommen waren, diente dazu, eine eben so große Anzahl junger Shetländer zu bewaffnen, mit denen sich sechs Jungfrauen verbanden, die Minna Troil anführte; und die Spielleute begannen sogleich die Weise eines alten norwegischen Kriegertanzes zu spielen, der vielleicht noch jetzt auf jenen entfernten Inseln üblich ist.

Die erste Bewegung war angenehm und majestätisch; die Jünglinge hielten die Schwerter gerade aufrecht und ohne viele Bewegung; aber die Weise und die ihr entsprechenden Bewegungen der Tänzer wurden allmählig lebendiger, – sie schlugen die Schwerter nach dem Takte an einander, und zwar mit einem Feuer, welches der Uebung in den Augen des Zuschauers etwas sehr Gefährliches gab, obgleich die Festigkeit, das Geregelte und die Genauigkeit, mit welcher die Tänzer bei dem Schlagen der Waffen Takt hielten, für die Sicherheit bürgte. Das Auffallendste bei dieser Aufführung war der Muth, den die Darstellerinnen zeigten, welche bald, von den Schwertträgern umringt, den Sabinerinnen in der Gewalt ihrer römischen Entführer, bald, unter dem Bogen von Stahl, den die jungen Männer bildeten, indem sie ihre Waffen über den Häuptern ihrer schönen Tänzerinnen kreuzweis über einander hielten, dem Haufen der Amazonen glichen, als diese sich zuerst mit den Begleitern des Theseus zu dem pyrrhischen Tanze vereinigten. Am Ausgezeichnetsten erschien indeß dabei Minna Troil, der Halcro schon lange den Beinamen »Königin der Schwerter« gegeben hatte, und welche sich in der That zwischen den Schwertträgern mit einer Leichtigkeit bewegte, welche alle die gezogenen Klingen, wie zu ihrer Person gehörig, und die Werkzeuge ihres Vergnügens erscheinen ließ. Und als nun der Tanz immer labyrinthischer wurde, als das rasch aufeinander folgende, fortdauernde Klirren der Schwerter einige ihrer Gefährtinnen zurückschaudern machte, und ihnen Zeichen der Furcht entlockte, schienen ihre Wange, ihre Lippe und ihr Auge eher zu verkünden, daß sie sich in dem Augenblicke, wo die Waffen am schnellsten um sie blitzten, und am lautesten um sie erklangen, am meisten in ihrer Gewalt habe, und sich in ihrem Elemente fühle. Ganz zuletzt, als schon die Musik aufgehört hatte, und sie einen Augenblick allein stehen geblieben war, wie es die Regel des Tanzes gebot, erschienen die Schwertträger und Jungfrauen, wie sie sich von ihr entfernten, als ihre Leibwache und das Gefolge einer Fürstin, welches, durch ein Zeichen von ihr verabschiedet, sie der Einsamkeit überläßt. Ihr Blick und ihre Stellung stimmten in diesem Augenblicke, wo sie wahrscheinlich irgend ein Gebilde der Phantasie verfolgte, wunderbar mit der hohen Würde überein, welche ihr die Zuschauer beilegten; sie kam indeß beinahe augenblicklich wieder zu sich, erröthete, als ob sie es fühle, daß sie, wiewohl nur auf einen Augenblick, der Gegenstand der ungetheilten Aufmerksamkeit gewesen sei, und reichte dann ihre Hand mit freundlichem Anstande an Cleveland, der sie auf ihren Platz führte, obgleich er an dem Tanze nicht Theil genommen hatte.

Als Beide vorübergingen, bemerkte Mordaunt Mertoun, daß Cleveland Minna etwas in's Ohr flüsterte, und daß diese ihre kurze Antwort mit weit mehr Verlegenheit gab, als sie in dem Augenblicke gezeigt hatte, wo die Augen der ganzen Versammlung auf sie gerichtet gewesen waren. Mordaunts Argwohn wurde durch das, was er bemerkte, auf das Heftigste erregt, denn er kannte Minna's Charakter, und wußte, mit welcher Gelassenheit und Gleichgültigkeit sie die gewöhnlichen Komplimente und Galanterien aufnahm, welche ihre Schönheit und ihre Verhältnisse ihr zu etwas Wohlbekanntem machten.

»Wäre es möglich, daß sie wirklich diesen Fremden liebt!« Dieser unangenehme Gedanke fuhr Mordaunt augenblicklich durch den Kopf, – »und wenn es wirklich der Fall wäre, was geht das mich an?« war der zweite, und diesem folgte schnell die Betrachtung, daß er zwar immer nur als ein Freund an ihr Theil genommen hätte, daß diese Theilnahme jetzt aufgehört, daß er aber in Rücksicht auf ihre frühere Vertraulichkeit doch noch immer ein Recht hätte, verdrießlich und böse über sie zu sein, wenn sie ihre Neigung an Jemand verschwende, den er ihrer unwürdig hielt.« Bei dieser Betrachtung nahm wahrscheinlich gekränkte Eitelkeit, oder ein unmerklicher Funke selbstsüchtigen Bedauerns, die Maske uneigennütziger Großmuth an; allen unsern besten Gedanken ist so viel Böses beigemischt, daß es wirklich ein trauriges Geschäft ist, die Beweggründe, selbst die unserer ausgezeichnetsten Handlungen genauer zu untersuchen; wenigstens würden wir es Jedem empfehlen, die seiner Nächsten ungehindert vorübergehen zu lassen, so genau er auch die Reinheit seiner eigenen prüfen mag.

Dem Schwertertanze folgten mehrere ähnliche Uebungen, auch Gesänge, in denen die Sänger ihre ganze Seele aussprachen, während die Zuhörer dann und wann eine Lieblingsstrophe im Chor wiederholten. Bei solchen Gelegenheiten übt die Musik, wenn sie auch nur einfach oder selbst roh ist, ihre natürliche Herrschaft über das Gemüth dennoch aus, und bringt jene gewaltige Aufregung hervor, welche die gelehrtesten Compositionen der ersten Meister nicht zu bewirken vermögen, die für das gewöhnliche Ohr Caviar sind, wenn sie auch denen, deren natürliche Fassungskraft, oder deren Erziehung sie in den Stand gesetzt hat, diese schweren Verbindungen der Harmonie zu begreifen und zu genießen, unendliches Vergnügen gewähren.

Es war bereits gegen Mitternacht, als ein Pochen an der Hausthüre, von dem Klimpern des Gue- und des Langspiels begleitet, die Ankunft neuer fröhlicher Gäste verkündigte, denen nach der gastfreien Sitte des Landes die Zimmer sogleich gewährt wurden.


 


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