Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.

Karl hatte am andern Morgen in der Frühe Ersatzstücke für die zerbrochene Fischschüssel und die Saucière eingehandelt, um dem N.'schen allerhöchsten Hofe seine Seelenruhe wiederzugeben, und dann hatte er umherzuschlendern begonnen wie am vorigen Tage. An der Straßenecke sah er heute große, mit Holzschnitten verzierte Anschläge prangen, die seine Aufmerksamkeit erregten. Zu oberst auf diesen Blättern war ein großer doppelköpfiger Adler zu sehen, mit der Devise: Sub umbra alarum tuarum, darunter; dann folgte die Ankündigung des »kaiserlich königlich privilegirten Hetzamphitheaters«, daß heute in den Nachmittagsstunden eine: »historische, prächtige, durchaus starke Thierhatz« in acht Auftritten stattfinden werde. Dabei waren die wundersamsten Dinge verheißen, was alles »ein frischer Bär«, was »Schußbartl die Wildsau« oder was ein talentvoller ungarischer Vollstier, der sich in Wien zum Tanzmeister ausgebildet zu haben schien, in ihrem menschenfreundlichen Eifer, das Publicum zu ergötzen, leisten würden. »Die Herren Hetzliebhaber, hieß es zum Schlusse, die gute brauchbare Fanghunde mitbringen, genießen freien Eintritt auf dem für die Hunde und ihre Herren bestimmten Platz.«

Als Karl beim Mittagstische seinen Oheim nach diesem Schauspiel fragte, rieth dieser ihm sehr eifrig, hinauszugehen, und stellte ihm seinen Wagen zur Verfügung, da das Amphitheater eine gute Strecke weit draußen »bei den Weißgerbern« liege. Karl nahm das Anerbieten um so mehr an, als er sich wohl hütete, dem Oheim je wieder zur Zeit der Siesta beschwerlich zu fallen. Er fuhr nach der Mahlzeit hinaus. Schon von weitem hörte er unter Trommelschlag die Hatz ausrufen und sah Scharen Neugieriger nach dem Amphitheater strömen. Dies war ein aus Bietern erbautes hohes und rundes Gebäude, über dem die schwarzgelbe Fahne Oesterreichs flatterte. Im Innern befanden sich zu ebener Erde um den mit Sand bestreuten Circus die Zellen für die wilden Thiere und größere Behälter für die Hunde. Darüber erhoben sich drei Reihen Logen, alle dicht gefüllt mit Zuschauern aus allen Ständen, gepuderte Männer in gestickten Kleidern, Frauen im ganzen geschmacklosen Staate jener Tage und mit Riechfläschchen gegen den furchtbaren Dunst der Thierarena gewappnet. Nach einer Weile Harrens begann unter schallender Blechmusik das Schauspiel; der Hetzmeister gab das Zeichen, die Fallgatter von den Käfigen wurden aufgezogen – aber nichts von dem, was Karl erwartete, geschah – kein zorniges, durch wilde Schönheit und geschmeidige Kraft ausgezeichnetes Thier stürzte sich in den Circus, um seine Gegner zu erwarten und mit ihnen um den Sieg zu ringen; es erfolgte keine Entwickelung der höchsten Gewandtheit und der bewundernswürdigen Stärke eines edeln und muthigen Geschöpfs. Nein, der Bär, der den Kampf beginnen sollte, war ein jammervolles, durch den Blutverlust bei den frühern Aufführungen ermattetes Thier, das sich furchtsam in eine Ecke des Käfigs gekauert hatte und von einigen Knechten mit einem Hebebaum so lange gestoßen wurde, bis es im Schmerze hineinbiß. Nun wurde es auf den Schauplatz gezogen, und darauf entkuppelte man die Hunde, vor denen der Bär sich zu retten suchte, indem er seinem Käfig zueilte. Da er diesen verschlossen fand, wühlte er vor dem Gatter die Erde auf, als ob er wie in Todesangst sich darin verbergen wolle; aber Alles vergebens: die Hunde ergriffen ihn, und nun folgte eine Scene von unbeschreiblicher Scheußlichkeit, ein Zerfleischen und Martern, daß Karl übel zu werden fürchtete.

Und diese Scene war auf den Anschlagzetteln mit den Worten: »Ein frischer Bär, der zu allen Dingen den Kopf schüttelt, soll zu einem billigen Jawort gezwungen werden«, dem Volke als ein Vergnügen verheißen, und das Volk jauchzte vor Lust bei diesem Schauspiel und stampfte mit den Füßen und stieß wieherndes Gelächter aus!

Endlich ergriffen die Hetzknechte die Hunde und rissen sie von dem zermarterten Opfer fort, welches für fernere Ergötzlichkeiten dieser Art aufgespart werden sollte.

Ein ungarischer Stier kam dann an die Reihe und hatte ähnliche, aber, nach den brüllenden Ausbrüchen furchtbarer Pein zu schließen, noch größere Schmerzen zu erdulden; ihm wurden beide Ohren und ein Stück des Mauls abgerissen. Darauf wurde ein Hirsch durch eine Anzahl an seinem Körper befestigter Schwärmer, welche man anzündete und die ihn in einen Feuerregen hüllten, wie toll in dem Circus umhergehetzt – das war das Letzte, was Karl von diesen Scheußlichkeiten sah. Er würde längst das Amphitheater verlassen haben, wenn er hätte hoffen dürfen, durch das Gedränge zu entkommen. Jetzt aber gab die Verzweiflung ihm Riesenkräfte – denn erhörte von seinen Nachbarn, es werde nun die Glanzleistung des Tages an die Reihe kommen – zwei hungrige Wölfe werden einen lebendigen Eber auffressen! Zudem sah Karl in seiner Nähe einen hochgewachsenen jungen Mann mit krausen, dunkeln Haaren und mit Zügen, welche den Südländer verriethen, aufspringen, sehr heftig gesticuliren und ebenfalls versuchen, sich Bahn zu brechen, um davonzukommen. Karl war bald so glücklich, über mehre Bänke fort, den Platz des Entrüsteten zu erreichen, und Beide schoben sich nun mit vereinten Kräften durch die Menge und erreichten endlich das Freie.

Che bestialità! sagte der Fremde, als sie draußen waren, und wischte den Schweiß von seiner gebräunten Stirn.

Hören Sie! Ein donnerndes Beifallsjubeln! Der süße Pöbel! rief Karl aus – welcher Greuel!

Ich hätte Lust, Feuer an diese Mordhöhle zu legen – fiel der Italiener ein.

Wie kann der Kaiser so etwas dulden? Das ist unbegreiflich!

Es trägt 5000 Gulden Pacht ein und Das Volk will es! Freilich, hätte man meine Oper: »Der Reiche von einem Tage« mit ordentlicher Besetzung und zu rechter Zeit gegeben, so hätte man die 5000 Gulden in drei Abenden ersetzt haben können und brauchte das Volk nicht um den schlechten Mammon zu brutalisiren, sagte zornig der junge Mann.

Beide schritten rasch davon, und Karl fragte, wie um die Rede auf einen andern Gegenstand zu bringen: Sie schreiben Opern?

Si, Signor – mein Don Giovanni, den ein gewisser Mozart in Musik gesetzt hat, ist in Prag mit wüthendem Applaus des Publicums aufgenommen worden.

Wie mag man sich von einem Publicum applaudiren lassen, von solchem Volke! sagte Karl erbittert, indem er auf das Amphitheater zurückdeutete, von welchem her eben ein furchtbares Beifalldröhnen den beiden Forteilenden nachschallte.

Lieber Herr, antwortete der Operndichter, unser Publicum besteht nun einmal aus dem Publicum! Das ist eine herzlich schlechte Einrichtung, ich gebe es zu, aber die Welt ist leider mit dem Publicum bevölkert, und die Blumen und Sterne hören uns nicht an, so oft wir auch an sie die Rede richten.

So schwieg' ich lieber und verschlösse meine Ideen in meiner Brust.

Der Italiener schüttelte den Kopf: Das geht nicht – das Dichten ist eine Seelenkrankheit, es ist ein Schnupfen, den die Psyche hat, und – das Niesen kann man nicht lassen.

Karl mußte lachen über den lebhaft gesticulirenden Poeten, der Alles in einem komisch gebrochenen Deutsch vorbrachte. Als sie die Stelle erreicht hatten, wo der Wagen Karl's hielt, lud dieser seinen Begleiter ein, mit ihm zurückzufahren. Der Verfasser des Don Giovanni nahm dieses Anerbieten an und machte während der Fahrt, trotz alles Wagengerassels und Stoßens, aufs eifrigste die Unterhaltung; er weihte Karl in alle seine Verhältnisse, zum berühmten Abbé Casti, zum Maestro Salieri, zu Mozart, zu Martini und zur ganzen italienischen Oper ein, ließ an seinem Intendanten, dem Grafen Rosenberg, kein gutes Haar, sah im Kaiser dagegen einen Engel des Lichts und theilte überhaupt die gesammte Menschheit haarscharf in zwei Classen ab: in teuflische Bösewichter und göttliche Wesen. Als der Wagen durch eine der Straßen der innern Stadt rollte, fuhr er plötzlich in die Höhe.

Um Gottes willen, lassen Sie halten, lassen Sie halten! Hier ist meine Wohnung – wir fahren an meiner Wohnung vorüber – das geht nicht, Sie müssen bei mir eintreten, Sie müssen eine Flasche Alliatico bei mir leeren.

Ablehnen, Widerstand fruchtete nichts bei dem excentrischen Menschen; Karl mußte den Wagen allein heimkehren heißen und zwei Treppen zu der Wohnung des Italieners ersteigen.

Er wurde hier in einen Salon gewiesen, während sein Begleiter zurückblieb, um seine Haushälterin zu suchen und sie in den Keller zu schicken.

Karl trat in das hübsch eingerichtete, mit einer gewissen Phantasie geschmückte Empfangzimmer des Poeten, blieb aber an der Thür von einem höchst unerwarteten Anblick wie gefesselt stehen.

Ihm gegenüber, auf einem in der Fensternische stehenden Sessel, ruhte ein weibliches Wesen von einer so wunderbaren Schönheit, wie Karl nie etwas Aehnliches gesehen. Sie war in schwarze nonnenhafte Tracht gekleidet und hatte eine Basquine von dunkler Seide über den Kopf geworfen; aber die faltenreiche, verhüllende Gewandung konnte dem seltenen Reize dieser Erscheinung nicht Eintrag thun. Sie war groß und schlank gebaut, die vorgeschobenen, über einander ruhenden Füße, welche das Kleid unbedeckt ließ, die feinen, durch die straffe Seide des Strumpfes sich abzeichnenden Knöchel, die Taille und die im Schooße ruhenden Hände, das Alles war von vollendeter Form; die Taille so schlank wie eine Lilie, und doch hatte sich die Fremde von der geschmacklosen zusammenschnürenden Tracht jener Tage emancipirt, so daß die weich geschwellten Umrisse ihrer schlanken Gestalt sich ungezwängt durch den Faltenwurf des schweren und dunkeln Kleides abzeichneten. In der Form ihrer gerundeten Schultern, des voll Anmuth geschwungenen Nackens, des kleinen, etwas vorgebogenen Kopfes, über dessen üppige Flechten von kastanienbraunem Haar die Basquine nur halb verhüllend niederhing – und endlich in diesen wunderbar klaren, idealen Zügen lag ein unwiderstehlicher Reiz. Ihre Augen waren groß und dunkel, aber nicht glühend und herausfodernd wie die Augen des Südens, an den die ganze Erscheinung mahnte; sie hatten etwas Feuchtes, Verhaltenes, nach innen Gerichtetes, und die breiten Lider mit den langen seidenen Wimpern schienen sich gewöhnt zu haben an eine fortwährende Senkung, als ob diese himmlischen Augen die Welt nur halber Blicke würdigten. Die Stirn war hoch, schmal, gerundet und blendend weiß, an den Schläfen schimmerte hell das blaue Adergeflecht, und die Röthe der Wangen war so zart, als ob ein bloßer Hauch sie dahin gezaubert habe. Kurz, dieses Weib war eine ungetrübte Erscheinung dessen, was, so lange die Welt steht, die Künstler und die Dichter zu erringen gestrebt haben, dem die Herzen Tausender in allen Jahrhunderten voll heißer Sehnsucht schlugen – es war die Schönheit selber.

Karl war elektrisirt von diesem Anblick und starrte, an den Boden geheftet, mit geöffnetem Munde die Fremde an. Diese erhob sich und trat ihm einen Schritt entgegen, indem sie hoch erröthend einige Worte in italienischer Sprache sagte. Karl hätte in den Boden sinken mögen vor Scham, daß er kein Wort Italienisch verstand.

Sie sind nicht Herr da Ponte? fragte sie jetzt, und ihre Stimme hatte nichts von dem sirenenhaften Wohlklange verloren, den sie eben zeigte, als sie die sonoren Worte des südlichen Idioms aussprach.

Hier ist da Ponte – Lorenz da Ponte, kaiserlich königlicher Hoftheaterdichter! Was beliebt? rief dieser, der in demselben Augenblick mit einer Korbflasche unter dem Arme eintrat; gleich darauf aber verstummte auch er, als er einen Blick auf die Fremde geworfen.

Sie antwortete in italienischer Sprache. Der Hoftheaterdichter hörte sie mit großer Spannung an. Karl sah, wie sie ihm einen Brief übergab, welchen da Ponte durchflog und wonach sich seine Aufregung nur noch vergrößerte. Nach einem langen eifrigen Gespräch verabschiedete sie sich und da Ponte bot ihr mit allen Zeichen des tiefsten Respects den Arm, um sie die Treppe hinunterzuführen. Als Karl allein war, fiel sein Blick auf den Brief, welchen der Italiener auf den Tisch geworfen hatte; da er in italienischer Sprache geschrieben war, so hätte er ihn nicht verstehen können, auch wenn er indiscret genug gewesen, ihn lesen zu wollen. Aber er las die Unterschrift, sie hieß: Migazzi, Cardinale-Archevescovo di Vienna. Einen Augenblick darauf stürmte da Ponte wieder ins Zimmer und tobte in fabelhafter Lebhaftigkeit auf und ab.

Wissen Sie, wer das war? Eine Gräfin, – eine Gräfin aus einem der ältesten italienischen Häuser – und was sie will? Sie will Komödiantin werden! – Sie will in einem allegorischen Stücke, das ich schreibe, zuerst auftreten – sie kommt mir wie vom Himmel gesendet, denn ich hatte Niemand, Niemand, der schön genug gewesen wäre für die Rolle! Welches Schicksal – gütiger Gott, und welcher Edelmuth! Welch herzerschütterndes Geschick!

Um Gottes willen, sagte Karl, auf den die Fremde den allertiefsten Eindruck gemacht hatte, – um Gottes willen, spannen Sie mich nicht durch Ihre Ausrufe auf die Folter, reden Sie, erzählen Sie mir, was ist mit dieser Fremden? Woher ist sie, wie heißt sie, was kann sie zu einem, für eine Dame von solchem Stande so unerhörten Schritt bewegen?

Das sind Geheimnisse, die sie mir anvertraut hat, mein Freund, Geheimnisse, welche ewig in meiner Brust verschlossen werden sollen, neben der unaussprechlichsten Verehrung dieses Engels!

Und wo wohnt sie denn?

Vor meinem Munde hangen sieben Siegel, junger Freund.

Aber Ihr Stück, in welchem sie auftreten wird, werden Sie mir doch nennen? Welche Rolle will sie übernehmen? wann wird sie auftreten? welchen Namen wird sie für das Publicum haben?

O, mein Stück, das ist erst recht ein Geheimniß, lieber Herr, sagte lachend da Ponte – aber seien Sie unbesorgt deßhalb; wenn Sie der Diplomatie angehören, wie Sie mir erzählt haben, werden Sie ganz gewiß bei der Aufführung zugegen sein!

Sie sprechen, als handele es sich um eine wahre Kriegs- und Staatsaction, versetzte Karl und fügte zwischen den Zähnen murmelnd hinzu: Hole der Henker deine Geheimnißkrämerei!

Da Ponte trank in seiner Aufregung ein Glas des dicken schwarzen Weines nach dem andern und entwickelte dabei die ganze unermeßliche Geläufigkeit seiner Zunge. Karl vermochte bald nicht mehr dem Strome seiner Rede zu folgen; er versuchte es auch nicht, sondern ließ seine Gedanken der schönen Fremden folgen, welche durch da Ponte's geheimnißvolle Andeutungen vollends unwiderstehlich geworden war. Endlich brach er auf und verabschiedete sich von seinem neuen Bekannten. Dieser entließ ihn mit einer Flut von Höflichkeitsbetheurungen und verschwor sich hoch und theuer, Karl solle so sicher wie irgend Jemand in Wien zu der ersten Aufführung seines allegorischen Bühnenspiels eine Einladung erhalten.

Als Karl zu seinem Oheim zurückkehrte, empfing ihn dieser in großer Aufregung.

Um Gottes willen, junger Mensch, wo steckst du, wo treibst du dich umher? Es ist die höchste Zeit, daß du dich umkleidest, um mit mir in die Soirée zu fahren, die Fürst Kaunitz gibt, vielleicht ist der Kaiser da – also spute dich, fort!

Karl eilte in sein Zimmer, der Kammerdiener folgte ihm, um ihn zu frisiren, – ein Manöver, welches unser Landjunker zu seinem Entsetzen – es war das erste Mal in seinem Leben – geduldig über sich ergehen lassen mußte. Während er vor dem Spiegel saß, fiel ihm die Physiognomie des hinter ihm beschäftigten Kammerdieners auf. Der Mensch war der wahre Typus eines pfiffigen Dieners und Factotums im Hause eines alten Hagestolzen: es lag in den Zügen dieser gewandten, etwas untersetzten Figur ein Ausdruck von Habgier und von Schlauheit, von Sinnlichkeit und Keckheit, daß Karl keinen Augenblick zweifelte, wenn er dies Wieselgesicht auf seine Seite ziehe, hinter alle Geheimnisse der Welt kommen zu können.

Sie geben sich so viele Mühe mit meinen widerspenstigen Haaren, daß Sie mir erlauben müssen, Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen, leitete Karl das Gespräch ein, indem er seinem Adonisateur einen Ducaten über die Schulter reichte.

Der Kammerdiener schien dies für eine höchst anständige Weise zu halten, eine Conversation anzuknüpfen, und antwortete mit großer Unterwürfigkeit, durch welche ein besserer Menschenkenner vielleicht ein wenig Ironie hätte schimmern sehen:

Herr Baron! ich kann so viel nur annehmen, wenn Sie mir die Hoffnung geben, Ihnen in wichtigern Dingen von Nutzen sein zu können!

Vielleicht können Sie das – versetzte Karl mit einem gewissen Nachdrucke.

Es würde mich glücklich machen, antwortete der Kammerdiener und legte die Hand auf die Brust. Sein Gesicht sah in diesem Augenblicke so ehrlich, so aufrichtig aus, daß Karl ihm in voller Unbefangenheit seine Begegnung mit der Italienerin erzählte, sie ihm aufs genaueste beschrieb und mit den Worten schloß: Wenn Sie mir Nachricht, nur eine Spur von ihr aufzutreiben wissen, so erhalten Sie das Doppelte von dem, was ich Ihnen gegeben.

Der Kammerdiener machte ein so kluges, so überlegen lächelndes Gesicht, als ob es ihm eine Kleinigkeit sei, binnen vierundzwanzig Stunden über jeden Sterblichen auf dem Erdenrunde Auskunft zu haben.

Sie werden mit mir zufrieden sein, sagte er. – Die Toilette Karl's war nach einer starken halben Stunde beendet: Dank einiger gewandten Griffe mit dem Brenneisen, prangte er im schönsten Lockenkopfe à la Antinous; dann fuhr er in einen hellblauen, mit schmalen Goldborten besetzten Rock, und als er sich nun von der Scheitel bis zu den weißseidenen Strümpfen und den lackirten Schuhen mit glänzenden silbernen Schnallen hinab im Spiegel besah, mußte er sich selber gestehen, daß er gewachsen sei wie eine Tanne. Der Kammerdiener verließ ihn, und während er den Degen mit dem vergoldeten Gefäße durch die Kuppel steckte, sagte er für sich: Es wäre gewissenlos, diese räthselhafte Italienerin ihrem Schicksale zu überlassen! Ich muß mir durchaus bestimmte Auskunft über sie zu verschaffen suchen – wer weiß, wie leicht sie von einem Schritte zurückgehalten würde, der sie an den Rand des Verderbens zu bringen droht! Wer weiß, wie sie eine uneigennützige Hand segnen würde, die sich ihr zur Rettung böte! Ich will mir keinen Tag Ruhe gönnen, bis ich sie gefunden habe!

Während Karl mit solchen philanthropischen Vorsätzen die Unruhe zu beschwichtigen suchte, welche ihn bei dem Gedanken an die Italienerin erfüllte, schritt der Kammerdiener durch einen Corridor zur Wohnung seines Gebieters, um ihm mitzutheilen, daß sein Neffe fertig sei und ihn erwarte. Sein Gesicht trug keine Spur mehr von der unterwürfigen Höflichkeit, die eben noch in allen Zügen desselben zu lesen gestanden hatte; vielmehr sagte er für sich hin mit einem Ausdrucke äußerster Verachtung: Dieser arme Teufel! er glaubt mich mit einem armseligen Kremnitzer bestechen zu können!

Als er im Zimmer des Gesandten angekommen und seine Botschaft ausgerichtet, setzte er hinzu: Ihr Neffe ist auf dem besten Wege der Heilung, gnädiger Herr!

Wie meinst du das, Philipp?

Er hat in einer jungen Italienerin das Ideal aller Schönheit entdeckt, und ich soll ihm vermittels eines Ducaten ihr Herz oder mindestens Nachrichten von ihr verschaffen!

In der That? Du spaßest!

Baarer Ernst! sehen Sie hier den Kremnitzer!

In der That! Der arme Junge! … Höre, Philipp, dies läßt sich ganz vortrefflich an, aber man muß es ausbeuten. Ich verlasse mich auf dich – bringe ihm Nachrichten von seiner Schönen – erfinde ihm Märchen über das Mädchen, die seine Einbildungskraft erhitzen, mache ihm Versprechungen, laß ihn Billetsdoux schreiben, die du mir bringst – dies wird ihn von seiner unglücklichen Dorfpassion abziehen.

Aber wenn er endlich seine Italienerin zu sehen verlangt – wenn er die Geduld verliert?

Nun, dann ist sie abgereis't oder todt, oder was du willst – er wird sich trösten, und seiner kindischen Leidenschaft ist unterdeß die Spitze abgebrochen.

Der verlassenen Braut daheim sind unterdeß die Billetsdour in die Hände gespielt.

Vielleicht – vielleicht ist es nicht einmal nöthig, versetzte der Gesandte und drückte noch einmal seine aufgekleisterten Ailes de pigeon an den Schläfen fest. Uebrigens, nebenbei gesagt, Philipp, mein Neffe ist nicht reich! Schone seine Kremnitzer, hörst du!

Philipp verbeugte sich lächelnd, und sein Gebieter schritt die Treppe vor seinen Appartements hinunter, um seinen Wagen zu besteigen, an dessen Schlage Karl ihn bereits erwartete.

*


 << zurück weiter >>