Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Prinz Günther und die Seinen

Prinz Günther war seit einiger Zeit in Edern angekommen. Er hatte von dem Entschlusse vernommen, durch den der Graf und die Gräfin ihrem Zerwürfnisse mit Gundobald ein Ende gemacht, und während er sich verpflichtet geglaubt, seinen Freunden wegen des schmerzlichen Schlages, der sie betroffen, Worte der Theilnahme und des Trostes zuzutragen, hatte ihn zugleich die Bewunderung der hochherzigen That derselben nach Edern gezogen. Er mußte der Gräfin Wallburg diese Bewunderung aussprechen.

Der tiefgebeugten, zerschmetterten Frau, die um ein Jahrzehnt gealtert schien, that dieser Besuch des Prinzen in hohem Grade wohl; es lag ja ein kindliches Herz, ein wahrhaft liebenswürdiges Gemüth in der Brust des gutmüthigen Mannes, und von den warmen Ausbrüchen der Theilnahme, der Bewunderung und der Verehrung, welche er für sie hatte, konnte sie nicht anders als gerührt sein. Seine Reden, wie sie sein unbedingtes Gottvertrauen, seine innige Gläubigkeit ihm eingab, thaten ihr wohl; konnten sie auch ihren Schmerz nicht viel lindern, so heilten sie doch viel von dem innern Zerwürfnisse in ihr, von diesem Irregewordensein an ihren alten Anschauungen und ihren Ideen, von ihrem Verzweifeln an der Welt, die, von ihren Erlebnissen als einer dunkeln Wolke beschattet, ihr nun in so ganz anderm, ganz entsetzlich düsterm und leichenhaftem Lichte erschien.

Auch Edwine suchte der Mutter Sinn zu erheitern und ihren Gram zu zerstreuen, soviel sie es vermochte; das Geschehene hatte auf das junge Mädchen nicht allein einen sehr tiefen Eindruck gemacht, wie es nicht anders sein konnte, es hatte eine tiefe innere Umwandlung in ihr hervorgebracht. Edwine war so ernst und nachdenklich und von allen Lebenseitelkeiten abgewendet geworden, daß sie für die schwarze Trauertracht, in welcher sie jetzt einherging, wie geboren erschien und auch wol lächelnd sagte, daß sie sie nie verlassen werde, daß sie, sobald Bertha erwachsen und die Mutter ihrer nicht mehr bedürfe, für immer ins Kloster gehen wolle.

Prinz Günther von Welda vernahm das mit mehr Befriedigung als Edwinens Vater. Graf Achatz runzelte die Stirnfalten, wenn Edwine so sprach, und zog seine grauen Brauen über das eine Auge, ohne auch nur im mindesten mit dem andern schelmhaft zu zwinkern; er rief auch wol dazwischen:

Mein Kind, vergiß nicht, daß wir allgemeine Wehrpflicht haben – wir alle! Die Weiber auch! Wo der liebe Gott dich hingestellt hat, da will er dich haben. Davonlaufen, und sich in ein Kloster verkriechen? Laß mich kein Wort davon hören! Stiehl dem lieben Gott aus seinem Marionettentheater, Welt genannt, nicht eine seiner Puppen fort, brich ihm nicht in seiner großen Maschine, das Leben genannt, eins seiner Räder entzwei!

Das waren nun freilich nur Reden des Grafen Achatius; auf dessen Meinungen, da sie von Tage zu Tage wunderlicher und unzusammenhängender wurden, noch weniger Gewicht gelegt werden konnte als früher, wenn auch Gräfin Wallburg sie jetzt mit einer gewissen mitleidigen Milde anhörte und ihnen nie mehr geradezu widersprach. Und Prinz Günther ließ sich dadurch nicht abhalten, Edwinen bei solchen Aeußerungen seine begeisterte Theilnahme mit ihren Gefühlen auszudrücken und wol auch das Auge mit einem schwärmerischen Blicke zu ihr aufzuschlagen, der eine volle Erklärung jener scherzhaften Benennung Prinz Seraph enthielt, die Edwine ihm früher in den Tagen ihres Uebermuths wol selber gegeben.

Es wurde im Laufe der Tage immer häufiger und länger zwischen Prinz Günther und Edwine über ihre Absicht verhandelt, es traf sich dabei auch wol, daß beide dabei die Einsamkeit aufsuchten, in dem Gartenpark oder unter dem Pavillon hinter Haus Edern, um ungestörter alle Seiten eines so wichtigen Gegenstandes erwägen zu können – bis Gräfin Wallburg eines Abend von Edwine erfuhr, daß ihre Gespräche sich in der letzten Zeit nicht gerade mehr ausschließlich derselben Frage zugewendet, sondern einer andern, weniger verhängnißvollen, nämlich der nach den Verdiensten eines echt christlichen Ehebundes; und dann letztlich gar einer dritten von noch weniger melancholischer Natur, die Prinz Günther an Edwine gestellt … nämlich der, ob sie nicht vorziehe, statt ins Kloster zu gehen, seine Hand anzunehmen und Prinzessin von Welda zu werden?

Der Gräfin Wallburg Herz schlug hoch auf bei dieser Mittheilung Edwinens; sie empfand zum ersten male seit Boto's Tode etwas wie Freude, etwas wie eine tiefe innere Genugthuung.

Edwine die Braut des Prinzen … die Braut eines so guten und liebenswürdigen Mannes, der nicht anders konnte, als ihr Kind glücklich machen und dann Prinzessin von Welda … eine Durchlaucht… Gräfin Wallburg Edern empfand etwas in sich, was sie nie mehr empfinden zu können geglaubt hatte!

Und was hast du geantwortet? fragte sie rasch.

Daß ich gern Ja sagen würde, falls der Prinz nur die garstigen Menschen fortsendet!

Nun, das versteht sich! rief Gräfin Edern aus.

Nicht so ganz, wie du glaubst, Mutter, erwiderte Edwine – er nennt es seinen theuersten Wirkungskreis, seinen schönen Lebensberuf! … aber du wirst ja selbst hören, was er darüber sagt; er will morgen mit dir reden.

Sei ruhig, mein Kind, versetzte die Gräfin, es wird sich das leicht schlichten lassen – die unnützen Menschen sollen deinem Glück nicht im Wege sein!

Als der Prinz am andern Morgen bei der Gräfin erschien und nach einigem Zögern ihr die Eröffnung machte, daß die Gedanken, welche er ihr bereits einmal anvertraut und die eine so gütige Aufnahme bei ihr gefunden – nämlich, wie schön es sein würde, wenn er ein weiblich Wesen von tiefem Gemüth und aufrichtiger Frömmigkeit als Gefährtin seines Lebens finde – daß diese Gedanken ihn seitdem nie mehr verlassen, da kam sie ihm mit so großer Herzlichkeit entgegen, daß es dem Prinzen sehr leicht gemacht wurde, seine Werbung auszusprechen.

Schwerer aber, als sie gedacht, fand Gräfin Wallburg es, dem Prinzen klar zu machen, daß sie so wenig wie Edwine das Ja aussprechen könnten, wenn er sich nicht von seinem unangenehmen Gefolge befreie. Die Besserungsanstalt schien nun einmal des Prinzen fixe Idee und er hatte sich ja leider auf zu viel Aeußerungen der Gräfin zu berufen, worin diese sein Werk ganz rückhaltlos gepriesen und bewundert; und wie scharf hatte sie damals Eugenie getadelt, daß diese kein Gefühl für das Glück bewiesen, das ihr zugedacht worden, so gottgefälliges Wirken unterstützen zu sollen … Gräfin Wallburg war ein wenig mit ihren eigenen Worten geschlagen und durfte doch nicht zu offen gestehen, daß eine Sache ihr sofort in einem ganz andern Lichte erschien, sobald es sich um sie oder ein Mitglied ihrer Familie handelte.

Zu ihrer Erleichterung bemerkte sie jedoch bald, daß, wenn sie selbst Anstand nehmen müßte, nachdrücklich ihre Meinung und ihr Verlangen zu vertheidigen, auch der Prinz nicht ganz aufrichtig gegen sie seine Meinung vertheidigte. Sie glaubte wahrzunehmen, daß den Prinzen im Grunde weniger die Begeisterung für seine Mission, die offenbar hinter seiner Neigung für Edwine zurückgetreten sein mußte, noch auch seine Anhänglichkeit an seine Pfleglinge so hartnäckig machte – sondern daß noch eine andere Regung, eine andere Rücksicht da war, welche die letzte Wurzel seines Widerstandes bildete. War es, weil er den Spott fürchtete? Empfand er eine sensitive Scheu davor, zu gestehen, daß er, das fromme, nur idealen Richtungen zugewandte Gemüth, sein gottgefälliges Unternehmen aufgebe, weil er – sich verliebt habe und heirathen wolle?

Gräfin Wallburg sondirte ihn nach dieser Richtung und fand sehr bald, daß sie das Richtige geahnt habe. Als sie diese Entdeckung gemacht hatte, war auch die ganze Frage für sie gelöst. Es galt nur, die Besserungsanstalt in sich zu sprengen und Gräfin Edern glaubte die Mittel zu finden, dies zu Stande zu bringen!

Sie ahnte nicht, wie bald sich ihr dieses Mittel ganz von selbst bieten würde.

Die prinzliche Suite saß am Nachmittage dieses Tages in dem von wildem Wein umrankten Pavillon im Garten – der sich nahende Herbst hatte das Laubdach über ihren Häuptern schon mit röthlichem Schimmer angehaucht, und Herr von Hugenroth schüttete sich den Körnerinhalt von einigen Samenkapseln abgeblühter Mohnblumen in den Mund, die er für äußerst wohlschmeckend erklärte.

Herr von Hugenroth war ein hoffnungsvoller Jüngling, der an Beltram's Stelle in den Kreis eingetreten; er war ein harmloser Bursche mit wenig entwickelter Intelligenz, obwol, wie Prinz Günther versicherte, die Keime mancher vortrefflichen Anlage und auch der Ehrgeiz, sie zu bethätigen, ihm nicht abgingen. Er schielte ein wenig und sein rechtes Auge schien, wenn er sprach, mehr mit dem Inhalte seiner linken Westentasche beschäftigt als mit seinem Gegenüber. Außerdem war er der letzte seines Stammes, der, wie er voraussagte, einst mit zerbrochenem Schild und Helm begraben werden würde, und diese beklagenswerthe Thatsache schien den Schatten einer stillen Melancholie über all sein Wesen ausgebreitet zu haben, die nur in eine ebenso stille Heiterkeit umschlug, wenn er einen der kleinen Diebstähle hatte ausführen können, für die er ein beachtenswerthes Talent besaß.

Eine arme Menschenseele muß eben etwas haben, worauf sich ihr persönliches Selbstgefühl stützt, womit sie sich ihre Geltung erringt – und da Feodor Hugenroth der Welt keine Aufmerksamkeit durch das, was er ihr gab, abzugewinnen wußte, so erreichte er dies durch das, was er ihr nahm … er hatte die Genugthuung, zu wissen, daß keinen seiner Freunde und Hausgenossen eine Schere, ein Taschenmesser, ein Cigarrenetui oder ein paar Handschuhe fehlen konnten, ohne daß er das Ziel und der Mittelpunkt vieler stillen fragenden Gedanken und auch wol sehr bedeutungsvollen Interpellationen wurde, deren Ausgang dann freilich leider nicht immer zur Erhöhung seines Selbstgefühls gereichte, sondern öfter mit einem Act der ausgleichenden Gerechtigkeit endete.

Wenn du mir nicht meinen Brief herausgibst, so werde ich mich mit dir schießen, Feodor, sagte Graf Axel, während Feodor ruhig den Inhalt der letzten Samenkapsel dem letzten der Hugenroth in einen ziemlich breitgeschlitzten Mund schüttete – Bruno behauptete, dieser Mund gehe um den ganzen Kopf und sei nur aus Koketterie hinten von den aschblonden Haaren Feodor's bedeckt.

Ich habe deinen Brief nicht, und werde mich nicht mit dir schießen, antwortete dieser breite Mund.

Weshalb nicht? fiel Bruno spöttisch ein – du stiehlst ihm vorher die Kugel aus dem Pistol – dann läufst du keine Gefahr dabei!

Ich nehme keine Forderung von Axel an, versetzte Feodor, weil ich ihn nicht bloßstellen will – er hätte ja doch nicht den Muth, auf dem Kampfplatze zu erscheinen!

Nicht den Muth? rief Graf Axel aus. Lieber Feodor von Hugenroth, letzter und ein wenig verhuzzelter Sprößling deines Stammes, schwermuthsvoller Endpunkt eines majestätischen Stromes, der ein Jahrtausend der Geschichte durchflutete und sich nun, ach, im Sande verläuft … du, du… was wollt ich sagen, Bruno?

Das mag der Teufel wissen, was du sagen wolltest!

Große Menschen finden kein Verständniß! seufzte Axel.

Leg nächstens deine Vordersätze nicht so schwülstig an, dann wird dir dabei nicht so wirr im Kopfe werden, daß du selbst nicht mehr weißt, was du im Nachsatz sagen wolltest!

Ich will aber meinen Brief zurückhaben – du hast ihn mir genommen, Feodor, sagte Axel mürrisch.

Laß mir den Brief, antwortete Feodor, ich möchte ihn behalten!

Du ihn behalten? Wie kann er für dich Werth haben? Du kennst ja Beltram gar nicht.

Ich kenne Beltram nicht, das ist richtig, aber was er aus Rom schreibt, ist mir von Wichtigkeit.

Doch nicht etwa das, was er über sein Zuaventhum berichtet? fragte Bruno.

Vielleicht! antwortete Feodor lakonisch.

Bruno, sagte Axel, hast du noch eine Cigarre?

Nicht eine einzige mehr!

So laß Feodor ins Haus gehen und einige dem alten Achatz stehlen – ich dürste nach einer Cigarre, denn ich habe das lebendige Gefühl, daß, wenn ich die Wolken einer Cigarre sich vor mir kräuseln sähe, mir ein Gedanke kommen würde.

Das sollte man der Merkwürdigkeit halber versuchen! rief Bruno aus. Geh', edler Feodor, thu' ihm seinen Willen und kröne deine Menschenfreundlichkeit dabei, indem du zugleich aus dem Speisezimmer eine Flasche irgendeines stärkenden und erheiternden Stoffes mitbringst …

Es ist besser, erwiderte Feodor, sich lang ausstreckend und die Hände in seine Taschen schiebend, es ist besser, der gute Achatz behält seine Glühstengel und Axel das, was er seinen Gedanken nennt. Ich wette, auch nur eine gestohlene Cigarre daran zu wenden, wäre zu viel!

Es ist mir aber nicht darum zu thun, ihn für mich zu behalten, sagte Axel. Wollt ihr mir unverbrüchliches Schweigen geloben, so sag' ich ihn euch, diesen famosen Gedanken!

Wir geloben, sagte Bruno gähnend.

Nun wohl … Beltram schrieb mir, daß er nach allerlei Abenteuern in Neapel sich in das päpstliche Zuavencorps aufnehmen lassen – daß er sich sehr wohl dabei befinde, daß es dort hübsche Weiber und wundervolle Arten südlichen Weins gäbe, daß die Verpflegung vortrefflich, der Dienst gemüthlich sei, daß eine Menge braver und lustiger Burschen in dem Corps dienten, Leute aus den besten Häusern … also …

Du bleibst wieder in deinem Vordersatze zappeln! sagte Bruno, der lebhaft aufgehorcht hatte.

Wenn du mich jetzt noch nicht verstehst, so bist du dumm, antwortete Axel.

Nicht so dumm, wie du meinst! Aber ich möchte wissen, wie wir dahin kommen sollten? Zum Aushalten ist's freilich hier nicht länger. Seit Beltram fort, ist aller Humor zum Teufel gegangen, es ist nicht so viel lustige Bosheit mehr unter uns, wie ein Schuljunge nöthig hat, um die Katzen seiner Straße in Respect zu halten. Hier in Edern nun gar ist's langweilig zum Sterben – ich bring' nicht einmal mehr so viel gute Laune zusammen, um zwei Verse in der Litanei auf den Prinzen zu dichten; und wenn mich der grausame Durst und die ungelöschte Verzweiflung anfassen, sodaß ich mir den Hals abschneiden möchte, so hat mir Feodor mein Rasirmesser gestohlen. Das halt' der Teufel aus! Wahrhaftig, ich hab' das fromme Gewinsel satt; laß uns durchgehen, Axel – Prinz Seraph wird wüthend sein, aber was schad'ts, er kann sich ja mit dem Feodor trösten, an dem hält er immer noch einen wundervollen Affen für die Stange vor seiner Menagerie … ich aber, was mich betrifft, habe nicht länger Lust, seinen Hauptbaribal darin zu spielen, sein großes, durch seine fromme Heilmethode gründlich bekehrtes und gebessertes Musterthier – seinen lieben Baron Bruno, der epileptische Anwandlungen bekommt, sobald in seiner Nähe eine Flasche Wein entkorkt wird – zum Teufel mit der Heuchelei, zum Teufel mit dem Bitterwasser – ich will

Ein anderweit Getränke han!

Nun ja, sagte Axel, dessen langes verdrossenes Gesicht sich ungewöhnlich belebt hatte, ich stimme dir ja vollkommen bei; aber wie fortkommen? Würdest du mitgehen, Feodor, oder bleiben und die Rolle, die Bruno dir anweist, geduldig spielen?

Seid ihr denn in unserer Menagerie schon so verthiert, daß ihr gar nicht gemerkt habt, daß ich es war, der zuerst auf die glorreiche Idee kam? antwortete Feodor.

Dann habe auch die Idee, wie wir die Mittel finden! sagte Bruno.

Das ist nicht schwer, erwiderte Feodor; wir führen uns, jeder auf seine Weise, ganz grenzenlos unschicklich und empörend gegen Comteß Edwine auf – und ich steh' euch dafür, daß der Prinz uns selber zum Henker schickt!

Die beiden andern lachten, der Plan schien gut, denn des Prinzen Schwäche für das junge Mädchen war ihnen natürlich nicht entgangen; sie begannen auch bereits unter ziemlich unsaubern Späßen sich die Rollen für dies Spiel zu vertheilen, als Comtesse Bertha in den Garten kam und von ihrem Lachen herbeigezogen, unter den Pavillon trat.

Sie kommen just recht, kleine Comteß! sagte Axel … wir richten eben ein Corps Zuaven ein, und da sollen Sie als Marketenderin mitziehen!

Mit Ihnen? rief Comtesse Bertha höchst verächtlich aus.

Weshalb nicht? Sind Sie zu stolz dazu, an einem so verdienstlichen Werke theilzunehmen? fragte Bruno. Unser Prinz wird an unserer Spitze einherziehen, als männliche Jungfrau von Orleans …

Dann kann er ja Ihr rothes Gesicht als Oriflamme dabei gebrauchen, Baron Bruno, antwortete Bertha und lief davon.

Comteß Bertha lief davon, wie eine Libelle fortflattert, wie ein von der Luft fortgetragener Vogel, an dessen Gefieder sich ein wenig Samenstaub, ein Körnchen festgesetzt hat, das in der Ferne irgendwo niederfallen oder haften bleiben und dort eine Blüte befruchten, einen Keim treiben soll.

Es war keine Viertelstunde verflossen, das sinnige, verständnißvolle Kind hatte kaum mit ihrer Mutter gesprochen und ihres kurzen, mit den Zöglingen der Wandernden Besserungsanstalt gepflogenen Zwiegesprächs erwähnt – als der Keim im Haupte der Gräfin Wallburg am Treiben war.

Die Idee ist wirklich gut, murmelte diese vor sich hin – Prinz Günther kann keinen Einwurf dagegen machen, er darf sich einem so verdienstlichen Vorhaben nicht widersetzen – ich will mit Edwinen darüber reden – sie muß es zuerst bei ihm berühren! Ich selbst will unterdeß mit den jungen Menschen reden, um zu erfahren, ob dies mehr als ein flüchtiger Einfall bei ihnen ist – wenn nicht, so werde ich es schon dahin bringen, daß sie es ernster nehmen und sich entschließen! Die Anwerbung vermittelt ja, glaub, ich, Herr Böhmer – die Sache kann keine Schwierigkeiten bieten.

Und in der That, sie bot nicht die mindeste Schwierigkeit. Nicht zehn Tage waren verflossen, in welchen Tagen Prinz Günther fleißig Briefe an die Angehörigen seiner jungen Freunde geschrieben und rasche Antworten empfangen hatte, deren Abfassung augenscheinlich viel weniger Zeit in Anspruch genommen als das Abfassen der Briefe – und alle Anstände waren geebnet; und um die Mittagszeit des elften Tages entlud die Postkutsche auf dem Posthofe der Hauptstadt drei wackere und mannhafte Jünglinge, aus deren Augen unter den militärischen Schirmmützen hervor das Gefühl einer großen Bestimmung und das Feuer glänzte, welches der Blick, der in eine abenteuerreiche Zukunft schaut, annimmt. Sie fragten nach der Wohnung des Herrn Böhmer, und als ihnen diese gezeigt worden und als sie dann ein wenig geräuschvoll in Herrn Böhmer's Arbeitszimmer eingedrungen – da empfing sie der vielbeschäftigte Mann mit herzlicher Zuvorkommenheit und sagte:

Meine Herren, ich begrüße Sie von ganzem Herzen … ich weiß von Ihrem Prinzen, weshalb Sie zu mir kommen … Sie sind die ersten, welche meine Vermittelung in Anspruch nehmen – lassen Sie mich Ihnen dazu Glück wünschen … und was Böhmer für Sie thun kann in dieser Sache, das thut Böhmer – darauf mögen Sie bauen! Aber was, sagen Sie mir, was sagt eigentlich der Prinz, der gute edle Prinz zu Ihrem Entschlusse? Er schreibt mir kein Wort darüber!

Der Prinz, versetzte lachend Bruno, wird sich heute mit Gräfin Edwine Edern feierlich verloben und – wir glaubten, ihm unsere Theilnahme mit seinem Schritt und unsere Dankbarkeit für all seine Güte nicht rührender an den Tag legen zu können, als indem wir heute abmarschirten!

Der Prinz … wird sich verloben? Ei, ei, ei, wer hätte das gedacht! rief Herr Böhmer schmunzelnd und sehr überrascht aus. Also darum – darum! Nun, meine Herren, ich sehe, es gebricht Ihnen durchaus nicht an Intelligenz … wahrhaftig … wahrhaftig … und bei dem kriegerischen Muthe, der Sie erfüllt… ich wette mit Ihnen, bevor ein halbes Jahr vergeht, sind Sie alle drei Offiziere! Aber bitte, nehmen Sie Platz. Wir wollen dazu übergehen, Ihre Namen in das Buch einzutragen!

Herr Böhmer trug ihre Namen in sein Buch, auf die erste weiße Seite desselben, ein, und als er es dann zuschlug, war für unsere drei jungen Helden das Siegel auf eine neue Lebenslaufbahn gedrückt, auf der wir ihnen nicht mehr zu folgen haben. Wir würden sonst wol von allerlei bald zerstörten Illusionen zu berichten haben und vom schwermüthigen Anstellen stiller Vergleiche der milden Leitung des Prinzen Günther mit der ernsten Zucht und strengen Disciplin eines zu strammem Dienst und täglichen Anstrengungen berufenen Militärcorps!


 << zurück weiter >>