Christian Friedrich Daniel Schubart
Gedichte
Christian Friedrich Daniel Schubart

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Oetingers Mantel

            Als den Elias unsrer Zeit,
Als Oetingern ein Cherubswagen
Ins Reich von Christus Herrlichkeit
In sanftem Säuseln aufgetragen,
Ließ er den Mantel schnell von Strahlenschultem fliegen;
Er wogte durch die Luft herab –
Und blieb an des Propheten Grab
In sanftem Mondenschimmer liegen.
Viel Modeweise unsrer Zeit,
Zu blind für Oetingers verborgne Herrlichkeit,
Und stolz auf ihr Gewand von Spinneweben,
Verachteten den Mantel; ihn
Vom Grab nur aufzuheben,
War viel zu klein für ihren stolzen Sinn.
Auch Herder kam auf seinem Riesengange
Zum Hügel Oetingers, und funkelt lange
Mit Augenblitz den Mantel an;
Doch wandelt' er mit kühnen Schritten
Bald wieder fort auf seiner Bahn,
Und dacht': Mein Mantel ist aus gleichem Stoff geschnitten.
Auch Hahn, des Todten Jünger kam, und stumm
Blieb er am Hügel seines Lehrers stehen;
Sah demuthsvoll hinauf zu Gottes Höhen,
Bückt' sich, und warf den Mantel um.

 


 


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