Christian Friedrich Daniel Schubart
Gedichte
Christian Friedrich Daniel Schubart

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Auf die Leiche eines Regenten

        Seyd ihr, Götter dieser Erde,
Seyd ihr Menschenstaub, wie wir?
O! so zittert! Der Gefährte
Eurer Größe lieget hier.
Steigt von goldnen Stufen nieder
Zu den Särgen eurer Brüder;
Denkt beim Leichenpompe heut
Auch an eure Sterblichkeit.

Habt ihr, wenn der junge Waise,
Vor euch klagte, auch gehört?
Und den fetten Bauch vom Schweiße
Einer Wittwe nie genährt?
Seyd ihr willig, reiche Sklaven
Schwarzer Laster zu bestrafen?
Helft ihr auch dem Tugendfreund,
Wann er hülflos vor euch weint?

Fröhnt ihr selber nicht den Lüsten,
Die ihr scharf an andern straft?
Seyd ihr Bürger, seyd ihr Christen?
Seyd ihr weis' und tugendhaft?
Sieht man nie von stolzen Höhen
Euch verächtlich niedersehen?
Kennt ihr eure Ritterpflicht?
O! so kommt, und zittert nicht.

Denn hier schlummert ein Regente,
Der Verlaß'nen Gutes that,
Und die richterlichen Hände
Nie mit Blut gefärbet hat;
Der auf Lasterthaten blitzte
Und der Wittwen Recht beschützte;
Der dem Waisen und der Noth
Willig seine Hände bot.

Unpartheyisch, wie der Sonne
Warmer, segenschwangrer Strahl,
Der den Eichen strömet Wonne,
Wie dem Veilchen in dem Thal,
Strahlt' von seines Stuhles Höhen
Allgemeines Wohlergehen
In der Reichen Marmorhaus,
Wie in arme Hütten aus.

Noch in halbentnervten Händen
Trug er den Regentenstab,
Und das Schwert an schlaffen Lenden,
Das Gerechtigkeit ihm gab.
Und, wie Helden, wenn sie sterben,
Sprach er, ohne zu entfärben:
Gott, hier ist die schwere Last,
Die du mir vertrauet hast.

Aufgelöst in Thränen schwanken
Arme hinter seiner Bahr;
Stimmen der Verlaßnen danken
Ihm, der ihre Stütze war.
Goldne Zierde deines Standes,
Vater unsers Vaterlandes,
Unser unerkauftes Ach!
Fliege deiner Seele nach.

Große, hebt die Angesichter
Ueber jene Sternenbahn!
Dorten trefft ihr euren Richter,
Wie der ärmste Bettler, an;
Ihn, vor dessen Ungewittern
Auch der Cedern Wipfel zittern.
Drum so übt noch in der Zeit
Tugend und Gerechtigkeit.

 


 


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