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Nur ein Sommertraum

Auf der Berghöhe oben duckt sich ein flachdachig Holzhäusel hinter etliche Schirmbäume wie ein Häslein hinter einen Kronwittbusch, und dahinter strebt aus einer Wildnis von halbmannshohem Heidelbeergestrüppe, mächtigen Steinblöcken, windzerzausten und graubärtigen Fichten und knorrigen Buchen der Eigelstein empor, den man meilenweit im Flachgelände draußen noch allweg wie einen plumpen Rauchfang und den blaudämmerigen Bergrücken ragen sieht.

Mittägige Stille und Ruhe liegt über der weltabgelegenen Blöße, und über den mageren Wiesenflecken und den karg tragenden Feldchen flimmert und flirrt die Luft wie über einem Backofen.

Am Gradeck dengelt einer die Sense, zwei faustgroße Knirpse fuhrwerken daneben mit einem dreibeinigen Holzrosse herum, und auf einem umgestürzten Stöcklein kauert ein etwas größeres Dirndel und stümpert in einem abgegriffenen Schulbüchel herum und silbenweise zusammen, was dort von einem Maulwurfe gedruckt steht, zu den flinselnden Sternen aufschaut und dann ein paar lichte Strahlen aus fernen Himmelshöhen mit hinunternimmt in seine lichtlosen Gänge und Löcher.

Ein alter, zusammengeschundener und zusammengerackerter Weibsscherben schlürfelt über die steingepflasterte, holperige Gred heraus und lässt sich todmüde und ächzend neben dem Dirnlein nieder.

»Jetzt kann ich es nimmer lange mehr ermachen, Bub«, schnauft sie. »Von Tag zu Tage wird es schlechter, und alleweil der Atem kürzer. Jetzt musst du doch einmal zu einem Ernste schauen, auf dass ein junges Leut ins Haus kommt und zu all dieser Arbeit. Ich kann es wahrhaftig nimmer lang dermachen.«

Diese Reden gelten dem Buben, der am Dengelstocke sitzt und ein paar Male vor sich hinnickt, derweil er mit dem Daumennagel die ausgeklopfte Sensenschneide probt.

»Nun ja … wird eh' sein müssen … Wenn das Dirndel da nur ein etwa zehn Jahre älter wäre …«

»Wenn! Und wenn auch: was nutzt es? Heiraten musst du doch einmal, auf dass das Gütl nicht in fremde Hände kommt, und so haben alle Wenn und Aber keinen Wert. Das Birkenoderdirndl … die Leute haben ganz den Antrag auf dich …«

»Mmm … kann eh' sein, aber … ich weiß nicht, ich habe halt keine rechte Zuneigung zu dem Leut.«

»Das nutzt nichts. Oft muss eines auch etwas über Not tun. Das Gütel … die Waislein da … Oder hättest … einen anderen Willen? Mir ist es gleich; aber ein junges Leut sollte ins Haus und zu all dieser Arbeit.«

Nochmals fährt er mit dem Daumennagel die Sensenschneide entlang, und dann nickt er wieder etliche Male vor sich hin, steht auf und befestigt die Sense am Stiele … Das Gütel … die Kinder … Wahr ist es ja: Das Gütlein sollte die letzten Lebenstage etwas erträglicher und ruhiger gestaltet werden, und für des Bruders Waislein hat er auch zu sorgen, bis sie alle flügge geworden. Aber wenn einer halt so wenig Zuneigung hat für … ein ander Leut!

Da kommt eine über den Anger herein, eine Stadtfrau oder … sonst ein Weibstrum. Was kann einer da mutmaßen, wenn er ein Leut nicht kennt? … Die Kinder schauen mit weit aufgerissenen Augen und halbgeöffneten Mäulchen an dem fremden Leut, und auch die Alte verwendet keinen Blick davon.

Ob es beim Brandriegler wäre im Eigelstein?

»Mhm«, bejaht der schnauzbärtige Bub kurz und verdrossen und hängt die Sense an einen Holznagel am Hausgezimmer.

Dann wäre es wohl recht. Der Wirt unten im Dörfl hätte gemeint und geraten, hier heroben wäre vielleicht ein Stübchen leer, wäre Ruhe und Frieden und die schönste Aussicht um und um. Ob wirklich ein Stübel leer und ob es für etwa zwei Wochen zu mieten wäre? Und während des Fragens gleiten die Blicke der Stadtfrau mit schier freudeseligem Behagen über die sonnenüberflirrte Bergeinöde und hinaus in die blaudämmernden Weiten.

Der Bub wirft der Fremden einen kurzen Blick an und geht ins Haus, die Alte aber schupft ein paar Male wie halb und halb ablehnend die Schultern. Das Stübel wäre wohl leer, doch wär' es eben so eine Sache. Nichts gerichtet und nichts geordnet, wie es die Stadtleute vielleicht haben wollten, und so abgelegen halt, das Haus beim Eigelstein heroben. Etwa fände sich doch etwas anderes weiter unten.

Ihr, der Stadtfrau gefiele es da heroben am besten. Ruhe und schöne Aussicht. Sie machten auch gar keine Ansprüche, sie und ihre Mutter, und wollten nur diese zwei Wochen in weltabgeschiedener Ruhe verbringen. Sie brächten auch gar keine Unruhe ins Haus, wären bei halbwegs gutem Wetter den ganzen Tag über draußen und wollten für diese zwei Wochen zehn Gulden zahlen.

Zehn … Gulden! Das reißt der Alten den Kopf herum. Ihretwegen wohl. Wenn der Bub nichts dawider hätte … Und dann schlürfelt sie ins Haus und redet den Buben dahin, das Stübel für die zwei Wochen zu vergeben. Das stünd eh' nur leer, und … zehn Gulden! Wochenlang müsste sich eines schinden und plagen um so ein Geld, und da wäre es so viel wie gefunden.

Also könnten sie kommen, vermeldet sie nachher der wartenden Stadtfrau, die etwa gar noch ein Dirndel sein mag. Und dann zeigt sie ihr das kleine, leer stehende Stübel, das ihr Auszugsstübel werden sollte.

Der taugt das Stübel, und man macht aus, dass der Bub morgen die Sachen heraufbringen solle aus dem Wirtshäusel im Dorfe unten. Doch der fährt gen Abend noch mit einem Schubkarren hinunter und schindet das ganze Gepäck bei sinkender Nacht auf die Berghöhe beim Eigelstein, um nicht einen Arbeitstag zerreißen zu müssen. Am nächsten Vormittag kommen die beiden Stadtweiber nach. Die alte Brandrieglerin tut sich einiges herum, und sie hilft ihnen ein wenig beim Auskramen der Sachen, der Andres aber, der Bube, hat nur Zeit, den beiden Fremden ein etliche beobachtenden Blicke zuzuwenden. Die Alte schaut mit ihren großen Augengläsern und der etwas gebogenen Nase schier aus wie eine … Nachteul', die Junge aber … So wenn das Birkenöderdirndel wäre, würde ihm der Gang, zu dem die Mutter allweg drängt, kaum recht beschwerlich fallen. Dann wüsste er eigentlich schon selber, was er tun müsste und auch täte.

Hastig schultert er die Sense wieder und geht auf die Wiese, das spärliche Gras zu mähen zum Winterfutter für das Geviehe. Bis gegen Abend hört und sieht er dann nichts mehr von den Fremden, und es ist nicht anders wie allweg die Zeit her. Als er, die Mutter und auch die drei Kinderchen darangehen, das tags zuvor gemähte und zum Trocknen und Dürren ausgebreitete Gras in Schöberchen zu rechen, singt plötzlich etwas durch die abendstillen Lüfte und die gewohnte Ruhe der Bergeinöde wie … Im Augenblicke findet er keinen Vergleich. Es ist nicht gerade wie gesungen und wie gespielt auch nicht. Aber mählig drängt sich ihm die Vermutung auf, es möchte doch von den Fremden eine sein und etwa ein fremdartig oder neumodisch Instrument spielen.

Ist aber doch nur eine gewöhnliche Geige. Als sie heimkommen, wird er das inne. Die Junge fragt, ob es nicht störe, wenn sie ab und zu einmal ein wenig spielte … Stören? Nein, gar nicht. Erstens höre er überhaupt gern spielen, und nachher hätte er so schön spielen noch nie gehört. Die Spielleute im Dorfe unten scharrten und kratzten halt ihre eingelernten Stücklein und Weisen in der altgewohnten Art herunter, aber so ein Spiel wäre schier wie gesungen. Wenn sie vielleicht auch ab und zu einmal in der Abendzeit nach Feierabend spielen wollte …

So spielte sie auch nach Feierabend, als man sich nach des Tages Arbeit und Mühe und nach der Nachtsuppe noch ein Weilchen auf die Gredbank setzte … Wie wenn lauter Silberkügelchen auf dein Silberplättlein niederrieseln, perlen die Töne manchmal aus dem singenden Holze der Geige, manchmal kommt es heraus, als steckten in dem kleinen, braunen Kästchen lauter neckische Kobolde, die bald übermütig jauchzten und jubelten und einander allerhand Schalkheit zuriefen, und manchmal wieder kommt es so weich und so innig heraus wie märchenschönes Sinnen und schier uferloses Sehnen, das einen ungerufen umschleicht, wenn die Weihenacht mit ihrem geheimnisreichen Zauber ins Land und auf die Berge kommt oder wenn in holder Maienzeit die ersten Blaublümelein der Erde entsprießen … Wie sie ehedem als faustgroße Knirpslein den ersten Kindermärlein gelauschet, schier so andächtig lauscht er nun zum uferlosen Sehnen nach etwas, von dem eines nicht einmal den Namen weiß, wie das Nebelgewoge zur Todherbstzeit, wenn es die Täler der Vorberge und das weite Flachland davor überdeckt und in uferlosen Weiten mit dem Himmel in das gleiche Lichtgrau verschwimmt und verschlummert.

Und dazwischen schwatzt und plaudert das … Dirndel von dem und jenem, was in der Welt draußen vorkommt oder was die ganze Menschheit angeht, vom Guten und Üblen und vom Schönen und Erstrebenswerten. Und manchmal kommt es ihm vor, als hätte er selber schon irgendwann einmal so gesonnen und das Gleiche herausgefunden. Spielleute wissen, dass von zwei gleichgestimmten Saiten die eine mitklingt, wenn man die andere anschlägt oder anstreicht, er aber, der Brandriegler-Andres, weiß das nicht, und trotzdem schleicht ihn ein dunkles, unbestimmtes Ahnen nach dieser Richtung hin an. Wie wenn sie all zwei Geschwister wären oder so etwas und in ein und derselben Stube und unter den gleichen Verhältnissen aufgewachsen und doch wieder nicht.

Wie ein flüchtiger Vogel huscht diese Feierabendzeit vorüber, und als er sich zur Ruhe gibt, freut er sich schon wieder auf den folgenden Abend.

Nun kommt für ihn, den Brandriegler-Andresen, eine Zeit, wie wenn sich im Bergwalde oben der Frühling verstohlen einschleicht, nicht mit Sturmgebrause und Bersten von Eis und Waldesriesen, ganz heimlich und verstohlen. Der ganze Himmel wird ihm schier eine einzige Sonne, jedes Lüftchen trägt Schwaden von Wildrosenduft über Höhen und Hänge, und selbst aus den ödesten Winkeln und Steinhaufen wähnt er eitel Geblume sprießen zu sehen. Er ist nie der redseligste Mensch gewesen, und Singen oder Jubeln war ihm selbst zur freudestrotzendsten Kirchweihzeit nicht gegeben, aber nun drängt sich ihm doch hin und wieder ungedanks ein etwas ungefüg' Liedlein aus der Brust, und er vermag aus den nichtigsten Ursachen mit den Kindern oftmals so herzlich zu lachen wie diese selber.

So wachsen Tage und Abende ineinander und auseinander hervor, und er freut sich wie ein der gabenbringenden Weihenacht entgegensehend Kind von dem einen auf den folgenden, bis … jählings einmal der Abend kommt, wo die Fiedel das letzte Mal in den sinkenden Tag und in die Märchenstille der Bergeinöde hinaus singt und ihm die molligsten Weisen wie frisch gefeilte Sägeblätter durchs Herz und durch sein Sinnen schneiden … Morgen wollen und müssen sie wieder fort … Morgen abends schon wird es auf dem Gredbänkchen vor dem Brandrieglerhause wieder so einsam und öde sein wie all die Jahre und Zeiten her, und morgen abends schon wird der schöne Märchenwahn und Märchentraum verschwunden und in lediges Nichts verflossen sein wie ein kreiselnd Rauchringlein in den Lüften. Morgen abends schon wird die leidige Alltäglichkeit wieder neben ihm sitzen und vielleicht auch die Mutter mit ihrem Rate drängen: Jetzt musst du doch einmal zu einem Ernste schauen, auf dass ein junges Leut' ins Haus kommt und zu all der Arbeit um und um!

Eisiges Frösteln überläuft ihn, und ein unguter Gedanke müht sich aus seinem Sinnen empor.

Auf der Geierhöhe drüben flammt ein Feuer auf, und da fällt es ihm erst ein, dass heute Sonnwendnacht ist …

Langsam wendet er den Blick herum, und dabei streift er ungedenks und verstohlen … des Dirndels wunderschönes Gesicht, das im Widerschein der verglimmenden Abendröte wie beinahe erglühend ausschaut. Ein glutheiß Aufwallen jagt dem Frösteln von vorhin nach, und für ein paar Augenblicke pocht sein Herzschlag wie ein Zeughammer. Wenn die das Birkenöderdirndel wäre oder … eine andere, wie seine Mutter sagt! Eigentlich wäre sie ja wohl eine andere, aber …

»Ein Sonnwendfeuer wohl? … Sagt man in dieser Gegend hier auch, dass die Sonnwendnacht eine Glücksnacht wäre, wo allerhand geheime Kräfte wirksam würden und Zaubermächte walteten wie in der Christnacht?« redet und plaudert sie in ihrer ruhigen, klugen Weise. Von allerhand seltsamen Volksbräuchen weiß sie zu erzählen und von mancherlei Kräutern, die in der Sonnwendnacht völlig Zauberkraft besäßen. Auch die sagenhafte blaue Blume sollte diese Nacht blühen und besonderen Glückskindern sich zeigen. Wohl hätte sie noch keiner gefunden, aber männiglich wüsste, dass sie in mondscheinmildem Lichte strahlte und dem Finder jeglichen Wusch erfüllte, der in guter Meinung oder gar in Lebensnöten getan.

Glücksnacht! … Er könnte fast auflachen zu dieser Meinung. Die Nacht, wo diese Zauberfiedel das letzte Mal singt auf der Gred des Brandrieglerhauses, und die einschmeichelnden Weisen sich wie Wildrosenduft hinausziehen in die Dämmerstille der Bergeinöde und sich wie Märchenzauber in sein Sinnen und Sehnen schleichen und wo dieses … handsame und gescheite Leut das letzte Mal neben ihm sitzt auf der abgewetzten Gredbank, soll eine Glücksnacht sein? …

Als die beiden Fremden sich dann zur Ruhe rüsten, steht er auf und richtet sich zum Fortgehen. Er wollte noch ein wenig hinüber zum Sonnwendfeuer, sagt er zur Mutter. Aber das Sonnwendfeuer war schon längst zusammengebrannt.

Er irrt nur eine Weile auf der Ödheide herum und sinnet trübdüster vor sich hin … Glücksnacht? Glück! … Die Alten möchten recht gehabt haben, wenn sie das Glück mit einer rollenden Kugel verglichen. Auch ins Haus unterm Eigelstein war es vor zweier Wochen Frist gerollt, um … ihn ein wenig zu narren. Nun kollert es wieder davon. Wenn … Aber was nutzet alles, wenn, wenn es nicht anders ist? Könnte es nicht so sein, dass das Glück keine rollende Kugel wäre, sondern die sagenhafte blaue Blume, die jedwedem in seiner Art erblühete wie ein Blumenstöcklein am Fensterbrette und so, wie er dies wünschte und haben wollte? Ja … wie ein Blumenstöckel! Alle Fenster stellte er dann voll solcher Blumenstöckel, und rund um das Häusel pflanzte er eine Rosenstaude um die andere und dazwischen Liebstöckel und Nelkenbüsche, wenn dieses Leut im Hause bliebe und … bleiben könnte, wenn es seine Lebens- und Arbeitsgefährtin wäre, und ein ewiger Maientag müsste ihm und ihr das ganze Leben scheinen … Arbeitsgefährtin! … Dieses raurindige Wort hat sich all die zwei Wochen her noch nie in sein Sinnen gedrängt, und nun zwängt es sich auf einmal ein … Wie wenn sich im kiesigen Gefelse des Eigelsteins plötzlich ein tischgroßes Steintrum loslösete und hopsend und wuchtend über die Ödheide niederpolterte, zwängt und bringt es durch und in sein glücktraurig Grübeln … Arbeitsgefährtin! In den Bergeinöden heroben gibt es sonst nichts wie Arbeit und wieder Arbeit vom frühen Morgen bis zum späten Abend, vom ersten Gehen weg bis zu letzten Schritte zum Grabe. Für andere Gegenden mag der Spruch gelten, wie er lautet: Bete und arbeite! In den Bergeinöden, wo der karge, widerborstige Boden kein Körnlein und kein Erdäpfelknöllchen gibt, wenn er nicht um und um mit lebendigem Schweiße gedüngt ist, heißt er: »Arbeite und bete!« Und mit der Arbeit mag es nicht weit her sein bei diesem Leut. Vielleicht hat es solche auch gar nicht gelernt und gewöhnt, vielleicht war dies auch gar nicht notwendig, oder es … lernte andere Arbeit … Wenn nun wirklich alles wäre und leichtlich ginge, wie er es wünschte und ersehnte, und es fehlte an diesem Stücke, wäre es nochmals nichts, erst recht nichts. Geigen kann sie und reden und klug schwatzen, dass einer darob Welt und kiesraue Wirklichkeit vergisst, aber … arbeiten, wie es in den Bergeinöden der Brauch ist und sein muss …? Und wenn auch, wenn sie dies könnte und wollte: ob sie gerade seine Arbeitsgefährtin sein wollte?

Wie eine stockfinstere Wolke schiebt sich solches Zweifeln vor sein märchenmollig Glückeswähnen und Glückesträumen, und die dämmerige, sternhelle Sonnwendnacht kommt ihm beinahe so finster vor wie mit sackdichtem Nebel gefüllte Adventnacht.

Bei manchem ist es schon so, dass er überall nur Spieße und Dornen findet und fühlt, wohin er sich auch wenden mag, dass überall ein Schlagbaum liegt, wo er einen Weg such.

Ein steinharter Seufzer entringt sich seiner Brust, und er kommt sich allmählich vor wie ein Baum auf herbstödem Gefilde, dem der plodernde und reißende Sturmwind die letzten bunten Blättlein aus dem Gezweige gerissen und von dannen geweht, und über den sich nun die kohlrabenschwarze Herbstnacht senket.

Warum? Das fragt er wohl fünfzig und hundert Male und findet keine Antwort darauf. Nur allerwegen: bei manchem ist es eben so, und auch bei ihm. Erst als in der Nähe des mitternächtigen Himmels schon wieder der schwache Schein des kommenden Tages emporstrebt über den Weiten des Flachgaues, hellt sich sein Sinnen mählig auf, und trutziges Fürnehmen schleicht sich mählig an. Es wird so nichts Rechtes werden und wurde es vielleicht auf andere Weise noch weniger. Aber warum nicht? Warum ist dies bei manchem so und auch bei ihm? Warum zeigt sich manchem für ein paar Augenblicke ein märchenhaftes Glück wie ein farbenschillernder Falter, der wieder von dannen gaukelt, wenn er einen genarret? Warum muss einem etwas wie ein schöner Traumwahn in den Sinn kommen und im Herzen ein … dummes Sehnen wecken? …

Wenn die Mutter nicht wäre, das Heimatlein und des Bruders hilflose Waisen, nachher könnte ihm wahrhaftig die ganze Welt auf den … Kirschbaum steigen. Die Welt wär groß genug, und wer weiß … Aber so? Was will einer tun, wenn er … muss? … Ach was? Wer sich zur Kirchweihzeit keinen Rosmarinstrauch auf den Hut stecken kann, der steckt sich einen Kronwittbuschen darauf und juchzet auch. Gilt er sich notgedrungen auch und muss sich schließlich so denken.

Am Vormittag werden die … zwei Fremden fortgehen. Da ist er … nicht daheim, und in der Mittagszeit schafft er nachher das Gepäck zum Dorfwirte hinunter und rennt wieder seiner Bergeinöde zu. Am Abende oder … irgendwann geht er nachher einmal zum Birkenöder und spricht um das Dirndel an. Wird sich schon ausgehen mit gutem Willen. Wenn sie nur gut sein will gegen die Mutter und zu des Bruders hilflosen Waislein. Er? Was liegt eigentlich an ihm … Bei manchem ist es eben so und auch bei ihm …



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