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Der Volksschriftsteller Anton Schott

Obwohl Anton Schott von den Nöten der Zeit nicht verschont blieb und seine wirtschaftliche Existenz oft bedroht war, verlief sein Leben doch ohne große äußerliche Erschütterungen. Als Sohn eines armen Webers und Kleinhäuslers wurde er am 8. Februar 1866 in Hinterhäuser im Böhmerwald geboren. Damals besaß sein Heimatort noch keine Schule. So wurde der Vater der erste Lehrer des begabten Jungen. Lesen, Schreiben und Rechnen lehrte er ihn. Da eröffnete der »Brunnkressenhansl« – sein eigentlicher Name war Johann Gerl – in Hinterhäuser eine eigene Schule; ein Schulhaus bestand noch nicht, und so wanderten Lehrer und Schüler von Haus zu Haus; jede Woche musste ihnen ein Raum in einem anderen Gebäude zur Verfügung gestellt werden. Unter den Schülern des Brunnkressenhansl finden wir auch Anton Schott. Inzwischen konnte eine einklassige Volksschule errichtet werden, und so besuchte der Weberssohn auch diese.

Als Dreizehnjähriger kam Anton Schott nach Pilsen an die Realschule, musste sie aber nach kaum zwei Jahren wieder verlassen, weil es dem Vater unmöglich wurde, die Kostgelder aufzubringen. So betätigte sich der Fünfzehnjährige als Schreiber bei einem Rechtsanwalt in Neuern und später als »provisorischer Aushilfslehrer«. Nach eifrigem Selbststudium legte er 1886 die Reifeprüfung an der Prager Lehrerbildungsanstalt ab. Zehn Jahre war er Lehrer. In dieser Zeit baute er an dem erworbenen Wissensfundament fleißig weiter und beschäftigte sich viel mit Naturwissenschaft, Mathematik und Sprachen. Und dazwischen schrieb er Geschichten. Seine erste Erzählung »Schwarzblattl« erschien 1891 in der »Kölnischen Volkszeitung«. Als ihm weitere schriftstellerische Arbeiten in den nächsten Jahren schöne Erfolge brachten, entschloss sich Schott, den Lehrberuf an den Nagel zu hängen und freier Schriftsteller zu werden.

Aus dem eine Wegstunde von seinem Heimatort entfernten St. Katharina hatte er eine Bauerstochter zur Frau genommen, die ihm 32 Jahre lang die beste Lebensgefährtin und sieben Kindern die beste Mutter werden sollte. 1895 erwarb er in Hinterhäuser ein kleines Anwesen, das er neben seinem schriftstellerischen Schaffen selbst bewirtschaftete. Seit 1908 lebte er auf dem eigenen Gut in Bergham bei Linz. Als er es nach dem ersten Weltkriege infolge unleidlicher Verhältnisse veräußerte, blieben ihm vom Verkaufspreis (600.000 Kronen) wegen der inzwischen eingetretenen Inflation ganz 60 Schilling in der Hand. Sippachzell und Peuerbach in Oberösterreich sind Schotts weitere Lebensstationen. Im Jahre 1929 erwarb er den verträumten Besitz Hueb bei Mettmach (Bezirk Ried i. I.), wo er bis zu seinem Tode am 4. April 1945 lebte und unermüdlich studierte und schrieb.

Über ein halbes Jahrhundert war der Name des ungemein fruchtbaren und fleißigen Schriftstellers in den deutsch-sprachigen volkstümlichen Zeitschriften und Kalendern oft anzutreffen. Aber auch Schotts zahlreiche Romane – ungefähr 50 erschienen in Buchform und über ein Dutzend befinden sich im Nachlasse! – besaßen eine große Lesergemeinde. Die Themen dieser Bücher kreisen um das Bauernleben und die Geschichte des Böhmerwaldes, doch erschienen sie nie auf den Ort der Handlung festgelegt und somit anderen Landschaften uninteressant, sondern emporgehoben ins Allgemeingültige. Andere Bücher behandeln auch soziale und zeitgenössische Fragen. Von seinen erfolgreichsten Romanen seien genannt: »Gottestal« (1902 von der Deutschen Literaturgesellschaft in München preisgekrönt), »Der Wildhof« (1898), »Das Glücksglas« (1902), »Eines Verganteten Kinder« (1912), »Schwedenzeit« (1912), »Der Schichtmeister von Lameck« (1914), »Hussenzeit« (1927), »Eine Geißel Gottes« (1938). Als Sechsundsiebzigjähriger schrieb Anton Schott sein letztes großes Werk, das die Entstehung des Nibelungenliedes zum Inhalt hat.

Seine zahlreichen Erzählungen und Novellen sind in über dreißig Bänden vereinigt. Viele Geschichten erschienen in Zeitschriften, Zeitungen und Kalendern. Aus diesen bringt unser Bändchen eine Auswahl, die durch unveröffentlichte Arbeiten aus dem Nachlasse ergänzt ist. Hier spiegelt sich so recht Anton Schotts Eigenart. Auf alles Außergewöhnliche verzichtend, zeichnet er den einfachen Menschen, wie er sich mit den vielen Fragen des Lebens herumquält und herumschlägt, wie er in hartem seelischem Kampfe Für und Wider abwägt, bevor er zur Tat schreitet. Nicht das äußere Ereignis, die spannende Handlung stehen ihm als einzig erstrebenswerte Ziele vor Augen, es ist ihm wichtiger, die Gründe darzustellen, die seine stillen, nachdenklichen Helden – mögen sie tragisch oder komisch sein – zu diesem oder jenem Tun veranlassen.

Breit fließt seine Erzählung dahin. Oft scheint es sogar, als würde der Erzähler eine dem Höhepunkte entgegen schreitende Handlung mit Absicht hemmen, und dennoch erhält der Leser den Eindruck eines erregenden Geschehens. Auch der Humor Anton Schotts besitzt jene volkstümliche Gemächlichkeit, ja Schwerfälligkeit, die den Menschen seiner Heimat eigen ist.

Die stimmungsvolle Zeichnung der Landschaft, das Sinnierertum der Gestalten und das Ringen um klare Lösungen in schweren Konflikten machen uns diese Geschichten liebenswert. Man muss sich nur in sie »hineinlesen«, dann eröffnet sich eine durchaus wirkliche Welt, in der Menschen von echtem Schrot und Korn leben. Menschen, von denen Anton Schott einmal sagte, dass sie gelebt haben und er sie »nach der Natur« gezeichnet habe: und er fuhr fort: »Sie wissen nichts mehr davon, dass ich ihr bescheidenes und verstohlenes Leben vor das lesende Volk gezerrt, und wenn mein Flämmchen erlischt, wird der Schlüssel zu diesen Rätseln in die Tiefe sinken …«

Wilhelm Formann.



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