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Drittes Buch.

Der Welt als Vorstellung zweite Betrachtung:
Die Vorstellung, unabhängig vom Satze des Grundes:
die Platonische Idee: das Objekt der Kunst.

 

 

Τι τὸ ὄν μὲν ἀεὶ, γένεσιν δὲ οὐϰ ἔχον; ϰαὶ τι τὸ γιγνύμενον
μὲν ϰαὶ ὐ πολλύμενον, ὔντως δὲ οὐδέποτε ὄν;

ΠΛΑΤΩΝ

 

 

§. 30.

Nachdem wir die im ersten Buch als bloße Vorstellung, Objekt für ein Subjekt, dargestellte Welt im zweiten Buch von ihrer andern Seite betrachtet und gefunden haben, daß diese Wille sei, welcher allein als dasjenige sich ergab, was jene Welt noch außer der Vorstellung ist; so nannten wir, dieser Erkenntniß gemäß, die Welt als Vorstellung sowohl im Ganzen als in ihren Theilen, die Objektität des Willens, welches demnach besagt: der Objekt, d. i. Vorstellung, gewordene Wille. Wir erinnern uns nun ferner, daß solche Objektivation des Willens viele, aber bestimmte Stufen hatte, auf welchen, mit gradweise steigender Deutlichkeit und Vollendung, das Wesen des Willens in die Vorstellung trat, d. h. sich als Objekt darstellte. In diesen Stufen erkannten wir schon dort Platons Ideen wieder, sofern nämlich jene Stufen eben die bestimmten Species, oder die ursprünglichen, nicht wechselnden Formen und Eigenschaften aller natürlichen, sowohl unorganischen, als organischen Körper, wie auch die nach Naturgesetzen sich offenbarenden allgemeinen Kräfte sind. Diese Ideen also insgesammt stellen sich in unzähligen Individuen und Einzelnheiten dar, als deren Vorbild sie sich zu diesen ihren Nachbildern verhalten. Die Vielheit solcher Individuen ist durch Zeit und Raum, das Entstehen und Vergehen derselben durch Kausalität allein vorstellbar, in welchen Formen allen wir nur die verschiedenen Gestaltungen des Satzes vom Grunde erkennen, der das letzte Princip aller Endlichkeit, aller Individuation und die allgemeine Form der Vorstellung, wie sie in die Erkenntniß des Individuums als solchen fällt, ist. Die Idee hingegen geht in jenes Princip nicht ein: daher ihr weder Vielheit noch Wechsel zukommt. Während die Individuen, in denen sie sich darstellt, unzählige sind und unaufhaltsam werden und vergehen, bleibt sie unverändert als die eine und selbe stehen, und der Satz vom Grunde hat für sie keine Bedeutung. Da dieser nun aber die Form ist, unter der alle Erkenntniß des Subjekts steht, sofern dieses als Individuum erkennt: so werden die Ideen auch ganz außerhalb der Erkenntnißsphäre desselben als solchen liegen. Wenn daher die Ideen Objekt der Erkenntniß werden sollen; so wird dies nur unter Aufhebung der Individualität im erkennenden Subjekt geschehen können. Die näheren und ausführlichen Erklärungen hierüber sind nunmehr was uns zunächst beschäftigen wird.


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