Maximilian Schmidt
Maria Pettenpeck
Maximilian Schmidt

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IV.

Der Frühling hatte seine bunten Teppiche über Wald und Fluren des bayerischen Oberlandes ausgebreitet, die neubelaubten Wälder widerhallten von frohem Vogelsang, und mit neuer Hoffnung ward das menschliche Herz erfüllt, so auch dasjenige Marias, der schönen Pettenpeckin. Sie hatte auf ihrem Schlosse ein stilles und einsames Leben geführt. Ihr sonst so fröhlicher Gesang war verstummt, und der Ernst, der sie erfaßt hatte, stach gar seltsam von der Jugend des Mädchens ab. So oft der Vater aus der Stadt eine Nachricht über den Krieg mitbrachte, horchte sie derselben mit einer gewissen Aengstlichkeit, und wenn sie auf die Frage, ob derselbe denn noch nicht bald zu Ende sei, die Antwort erhielt, daß sich das nicht vorher bestimmen lasse, so seufzte sie leise und setzte beklommen und traurig ihre Arbeit fort.

Indessen verbreitete sich der Ruf von Mariens Schönheit und Herzensgüte immer mehr. Man nannte sie ihrer großen Mildthätigkeit wegen den »Engel von Haag«, und in weitem Umkreise wurde sie geehrt und geliebt, wie selten ein Mädchen ihres Alters sich rühmen konnte. Kein Wunder, wenn mancher das seltene Juwel sich zu gewinnen trachtete, wenn mancher Edelmann und Ritter und sogar solche von hohem Range sich bemühten, die Gunst des schönen Mädchens zu erlangen und als Freier öffentlich auftraten.

232 Der bescheidene Vater hatte sich zwar vorgenommen, sein Kind nicht über seinen bürgerlichen Stand hinaus heiraten zu lassen, indessen wäre ihm doch manch adeliger Freier genehm gewesen, und er sowohl, wie Mutter und Muhme drangen oft und ernstlich in das Mädchen, sich zu entscheiden, Maria aber mochte von keiner noch so ehrenvollen Verbindung etwas wissen. Und als man sie gar mit Vorwürfen überhäufte und sie schalt, daß sie in ihrem stolzen Sinn allzu hoch hinauswolle, schnitt sie alles Drängen der Ihrigen mit der Erklärung ab, daß ihr Herz längst vergeben sei, und zwar weder an einen Grafen, noch an einen andern Edelmann, sondern an einen einfachen Jäger des Herzogs Ferdinand, dem sie Liebe und Treue gelobt, und welche sie ihm halten werde bis zum Tode, ob er nun aus dem Feldzuge heimkehre oder nicht.

Nun ging es freilich an ein Fragen und Erforschen, da aber Maria von dem Geliebten selbst nicht viel mehr wußte, als daß er Ferdinand heiße und im unmittelbaren Dienste seines Herzogs stehe, also ein biederer und tugendhafter Mann sein müsse, so blieb nichts übrig, als die Heimkehr des Erwählten abzuwarten.

Endlich kam die Kunde, daß der Krieg am Rheine zu Ende. Freudiges Hoffen bewegte Mariens Herz.

In München war alles geschäftig, dem Sieger, Herzog Ferdinand, und seinen tapferen Kriegern einen festlichen Empfang zu bereiten. Alle Häuser in jenen Straßen, durch welche der Zug gehen sollte, die Neuhauser, Kaufinger-, Dieners- und Burggasse waren von unten bis oben mit grünen Kränzen und farbigen Teppichen geziert, Triumphbögen wölbten sich über den Straßen, und von den Häusern und Stadtthoren flatterten die blauweißen Fahnen.

233 Die heimkehrenden Truppen hatten den Befehl, sich zwischen Pasing und München zu sammeln. Ferdinand hatte im Schlosse zu Dachau Quartier genommen. Wieder, wie vor dem Ausmarsch, beschloß er, einen Wallfahrtsritt nach Tuntenhausen zu machen, um dem Himmel für den gelungenen Sieg zu danken. So sprengte er denn einen Tag vor dem festlichen Einzuge in München im einfachen Jagdkleide, nur von seinem Leibdiener begleitet, abermals dem Wallfahrtsorte zu und nachdem er dort seine Andacht verrichtet, nahm er seinen Weg nach Haag. Sein flüchtiges Pferd ließ ihn die ziemlich weite Strecke in kurzer Frist zurücklegen. Nahe bei der Hütte der armen Witwe hielt er an und übergab das dampfende Roß dem Knechte. Er selbst suchte die Alte auf, die sich sofort bereit erklärte, das Schloßfräulein von der Ankunft des Jägers in Kenntnis zu setzen.

»Da sagen die bösen Leute immer,« meinte sie lächelnd, »die alten Weiber brächten nur Unglück. Bei mir trifft das gewiß nicht zu; ich bringe das Glück in eigener Person.«

»Geht nur und seid versichert, daß auch Euch dieser Gang Glück bringen wird. Aber seid vorsichtig! Niemand außer dem Fräulein darf von meinem Hiersein erfahren.«

Die Alte eilte mit verständnisvollem Kopfnicken davon. So schnell sie ihre alten Füße tragen konnten, lief sie nach dem Schlosse; der Jäger folgte ihr langsam nach. Nicht lange währte es, so schloß er an derselben Stelle, wo er vor zwei Jahren Abschied genommen, Maria wieder in seine Arme.

Dieses Wiedersehen war für beide der schönste Augenblick ihres ganzen Lebens.

234 Nachdem das erste Entzücken verrauscht war, sahen sie sich gegenseitig verwundert an, denn beide hatten sich äußerlich verändert. Maria, eine voll erblühte Jungfrau, war womöglich noch schöner geworden, Ferdinands wettergebräuntes Gesicht umrahmte ein dichter Vollbart. Aber ihre Blicke sprachen noch gleich innig und leuchteten von unnennbarem Glücke. Und nun ging es an ein Fragen und Erzählen, und Maria verschwieg nicht, daß sie, von ihrer Familie gedrängt, dieser erklärt habe, daß ihr Herz bereits an ihn vergeben wäre, daß der Vater begierig sei, ihn kennen zu lernen, und daß ihrer Verbindung gewiß nichts im Wege stehen würde.

Ferdinand erwiderte ihr, daß sein ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet sei, und daß er übermorgen zu ihrem Vater kommen und um ihre Hand bitten würde. Bis dahin möge auch sie sich gedulden; nur bitte er sie und sie müsse es ihm versprechen, morgen zum Truppeneinzuge nicht nach München zu kommen. Und als Maria dies befremdend fand, sprach er von dem Herzudrängen adeliger Freier, von Eifersucht und dergleichen und bat sie noch einmal dringend, seinem Wunsche zu willfahren.

»Uebermorgen,« schloß er, »erwarte mich im Schlosse, wo ich vor deinen Vater treten und frei um dich werben will. Versprich mir, daß du mir dann nicht zürnen wirst, wenn ich komme!«

»Zürnen?« rief Maria. »Meinem Ferdinand? Mit offenen Armen empfange ich dich!«

»Auch dann, wenn mir deines Vaters Mißfallen zuteil würde?«

»Das wird gewiß nicht der Fall sein. Er ist so gut, er liebt mich so sehr und will nur mein Bestes. Erst vor 235 wenigen Tagen teilte er mir mit, daß eine sehr einträgliche Försterei in Wartenberg erledigt sei und er sich bei dem Herzoge verwenden wolle, daß du dieselbe erhältst. Ist dir das recht?«

»Alles ist mir recht, mein Engel. Uebermorgen sprechen wir weiter davon. Bis dahin lebe wohl! Sei standhaft, wie ich – wer standhaft ist, wird siegen, denn semper constantia victrix ist der Wahlspruch Herzog Ferdinands. Uebermorgen harre meiner!« Er umarmte sie nochmals stürmisch und eilte dann von dannen.

Der Hufschlag flüchtiger Rosse tönte kurz darauf von der Landstraße her. Maria horchte darauf, ihr Herz aber bebte vor lauter Glückseligkeit.

Da kam eilenden Laufes eine Zofe aus dem Schlosse und beschied sie zum Vater.

»Auf und schmücke dich, Maria!« rief ihr der Vater mit seltenem Frohmut entgegen. »Herzog Wilhelm hat mir soeben durch einen reitenden Boten dieses Schreiben zugesandt, worin er mir befiehlt, sofort mit dir nach München zu reisen, wo man uns noch heute erwartet. Frau Herzogin Renata wünscht dich unter den Festjungfrauen zu sehen, welche morgen die heimkehrenden Sieger begrüßen. Du bist dazu bestimmt, Herzog Ferdinand den Siegeskranz zu überreichen. Mädchen, spute dich! In einer Stunde reisen wir; Schwester Paulana wird uns begleiten.«

»Das ist eine Freude!« rief diese. »Komm nur, Maria, wir wollen bald bereit sein. Freust du dich denn nicht über das Glück, das dir zu teil wird?«

»Ein Glück?« fragte Maria. »Ich bliebe lieber zu 236 Hause. Was soll ich in München? Warum wollen sie gerade mich?«

»Kind, wenn die Großen wollen, dürfen wir nicht fragen, warum. Sie wollen meistens, weil sie wollen, aus Güte, aus Laune, aus Zufall. Bei unserer Frau Herzogin hat man dies Wollen nicht zu fürchten.«

»Ach, Vater, lieber Vater, trotzdem blieb ich lieber hier.«

»Bist du krank?«

»Ach nein. Ich hoffe, gesund an Leib und Seele,« sprach Maria ganz verwirrt.

»Du hoffst? Was sind das für Redensarten?«

»Wäg nicht die Worte! Du weißt, ich verhehle dir nichts mehr. Mein Ferdinand – er war da.« Das Mädchen schmiegte sich liebkosend an den Vater.

»War da?« fragte dieser. »Und kommt nicht zum Vater?«

»Uebermorgen!« versetzte Maria.

»Uebermorgen? Kind, du bist so wunderlich.«

»Ich bin ein Kind, du hast ganz recht, doch finde ich mich bald wieder. Wollt ich vorlaut mein Empfinden deuten – wie eine Ahnung weht's mich an – mein Ferdinand hat mich gebeten, morgen nicht dem Einzug beizuwohnen – nicht nach München zu gehen – hier in Haag ihn zu erwarten.«

Der Pfleger schüttelte mißbilligend das Haupt.

»Höre, Kind,« sagte er, »dein Jägersmann gefällt mir nicht. Er kommt nicht zum Vater, will dich ferne halten von der Stadt –?«

»Er wird seine guten Gründe hiezu haben,« beschwichtigte Maria.

237 »Das glaub ich auch!« platzte der Pfleger heraus. »Sei dem, wie ihm wolle, der Befehl unsers gnädigsten Herrn geht vor dem Wunsche deines unbekannten Jägers. Wir wollen dann schon sehen, was er uns übermorgen zu sagen hat. Jetzt spute dich! Es bleibt dabei: in einer Stunde reiten wir. Damit basta!«

Diesem bestimmten Befehle des Vaters war nicht entgegenzutreten. Die Mutter hatte bereits alles Nötige zur Reise vorbereitet und war hoch erfreut über die hohe Ehre, welche der Tochter zu teil werden sollte.

Auf einem weißen Zelter trabte Maria bald darauf zwischen Vater und Muhme, von zwei Dienern gefolgt, der Hauptstadt zu. Je näher sie dem Weichbilde Münchens kam, desto banger klopfte ihr Herz. Dort angekommen, ritten sie zur alten Hofburg. Der Kastellan hatte bereits Befehl, für ihre Unterkunft und Verpflegung Sorge zu tragen.

Herzog Wilhelm hatte die neue, von ihm gebaute Burg, damals Wilhelmsburg, später Herzog Maxburg genannt, bezogen; seines Bruders Ferdinand Hofhaltung und Residenz war auf dem Rindermarkt. Nur die Mutter der beiden Herzoge, Herzogin Anna, wohnte noch mit ihrer Tochter in der alten Burg. Auch zum Festakte des morgigen Tages war der Hof der alten Veste bestimmt und daselbst schon eine Tribüne erbaut.

Georg Pettenpeck begab sich des nächsten Tages schon zeitig mit Tochter und Schwester in das neue Schloß, um die Befehle seines herzoglichen Herrn und der Frau Herzogin einzuholen. Paulana und Maria waren auf das prächtigste herausgeputzt, und die reichen Stoffe ihrer 238 Kleider ließen sie von Edeldamen nicht unterscheiden. Doch kleidete Maria mehr noch ihre natürliche Schönheit.

In der herzoglichen Residenz wimmelte es von Garden, Hellebardieren, Dienern und Pagen. Die Vorzimmer waren gedrängt voll mit festlich geputzten Menschen; denn Herzog Wilhelm wollte alle sehen und begrüßen, die auf seinen Wunsch erschienen waren. Es war der ganze Adel Bayerns anwesend, Namen von altem, berühmtem Klang, deren Träger im Verlaufe der Jahrhunderte dem Lande und seinen Fürsten große Dienste geleistet. Gar manches hübsche Mädchenangesicht sah neugierig darein, das zum ersten Male die stillen Mauern des elterlichen Hauses verlassen und sich unbehaglich fühlte in der fremden Welt. Als Pettenpeck mit seiner Tochter eintrat, überstrahlte diese an Schönheit und Anmut alle Anwesenden, und selbst alte Männer mußten zugestehen, niemals ein so reizendes Mädchenbild gesehen zu haben. Pettenpeck ward allenthalben von seinen Bekannten als glücklicher Vater begrüßt.

Alsbald war Pettenpeck mit den Seinigen in das kleine Audienzgemach befohlen, in welchem sich Herzog Wilhelm mit seiner Gemahlin Renata, sowie dessen Mutter, Herzogin Anna, des Kaisers von Oesterreich stolze Tochter, befanden. Letztere war eine hohe, ehrfurchtgebietende Gestalt mit scharfen Augen und strengen Zügen.

Als Pettenpeck mit den Seinen eingetreten war, erhob sich Herzog Wilhelm und führte Maria seiner Gemahlin und Mutter zu.

»Das ist die Blume,« sprach er lächelnd, »die, stets verborgen, in meinem Garten zu Haag erblüht.«

Die beiden Herzoginnen betrachteten das liebliche 239 Mädchen mit Wohlgefallen. Maria wußte nicht, wie ihr geschah. Sie war nicht im stande, ein Wort hervorzubringen, so sehr war sie voll des Eindrucks, den die beiden Damen auf sie machten. Der Pfleger und seine Schwester dagegen verneigten sich tief vor ihnen.

»Laßt, gnädigste Frau Herzogin, dieses mein Kind Eurer hohen Huld und Gnade empfohlen sein,« bat er, »damit Mariens künftige Lebensbahn nur eine glückliche und ehrenvolle sei!«

Renata sowohl, wie Herzogin Anna unterhielten sich nun mit dem schönen Mädchen in huldvollster Weise, und erstere äußerte den Wunsch, dasselbe recht bald in ihre unmittelbare Nähe ziehen zu können. Doch Maria bat mit bescheidenen Worten, sie in Haag zu lassen. Ihr Begehren ginge nicht nach Ehren und nach der großen Welt.

Herzog Wilhelm aber, der mit dem Pfleger abseits von den Damen stand, fragte Pettenpeck, wie es denn komme, daß seine Tochter noch keinen Gatten erwählt, da es wohl bekannt sei, daß mehrere seiner Edelleute schon um des Mädchens Hand geworben.

»Maria strebt nicht nach Rang und Reichtum,« erwiderte der Pfleger, »sie ist bescheidenen Sinnes. Ihr Herz gehört einem einfachen Jäger in Eures Herrn Bruders, des Herzogs Ferdinand, Gefolge, den ich morgen kennen lernen soll. Ich weiß von ihm nicht mehr, als daß auch er Ferdinand heißt und ich möchte ihn, falls ich ihn dessen würdig finde, Eurer herzoglichen Gnade empfehlen.«

»Daß das züchtige Mädchen keinem Unwürdigen sein Herz geschenkt, dessen dürfen wir gewiß sein,« meinte der 240 Herzog gnädig, Maria wohlgefällig betrachtend. »Meiner Gnade sei er im voraus versichert.«

Während dieses Zwiegespräches hatte Herzogin Renata dem Mädchen das Blatt übergeben, auf welchem der Willkommgruß für den einziehenden Sieger geschrieben stand.

»Man hat es mir anheimgestellt,« sagte sie, »die Auswahl unter den Mädchen zu treffen, und ich habe dich erwählt, meinem Herrn Schwager den Siegeskranz zu überreichen. Willst du mir den Spruch vorlesen, Maria?«

Diese gehorchte sofort und las mit klangvoller und inniger Stimme die wenige Zeilen enthaltende Strophe.

Die herzoglichen Damen waren von dieser Probe hoch befriedigt und gaben Auftrag, der Pettenpeckin und ihrer Muhme im Schlosse ein Gemach anzuweisen, wohin sie sich bis zur Stunde des Einzuges zurückziehen und Maria ihren Part auswendig lernen könnte.

Der Pfleger aber ward vom Herzoge eingeladen, sich seinem Gefolge anzuschließen, mit welchem er gegen Mittag seinem Bruder eine Strecke weit entgegen ritt, umgeben von dem gesamten in der Stadt weilenden Adel.

Vieltausendstimmiger Jubel begleitete ihn auf seinem Wege. Nicht weit außer München, auf der Straße nach Dachau, trafen sich die beiden Herzoge. Sie stiegen vom Pferde und umarmten und küßten sich. Wilhelm rief gerührt:

»Wie dank ich Gott, daß er mich diese Stunde erleben ließ! Mein Gebet und mein Flehen wurden erhört.«

Der Einzug begann. Sämtliche Glocken von den Türmen der Stadt ertönten, die Geschütze donnerten ihren 241 Willkommgruß von den Wällen, aber der Jubel und das Freudengeschrei des Volkes übertönte alles. Als Herzog Ferdinand im blinkenden Helm und Harnisch durch das Thor geritten kam, flog ihm aus allen Fenstern ein Regen von Blumen und Kränzen zu, so daß die ganze Straße mit duftigen Blüten bedeckt war. Frauen und Mädchen winkten ihm mit ihren Tüchern entgegen, und aus aller Munde ertönte der Ruf: »Hoch Herzog Ferdinand, der Eroberer von Bonn und Burg, der Sieger von Godesberg!« Und »Hoch! Hoch!« pflanzte es sich wie Echo fort durch alte Gassen und nahm kein Ende.

Von den Truppen kamen voran die Doppelsöldner mit den langen Spießen, dann die Hellebardiere, die Musketiere; diesen folgten die Schützen, dann die Reiterei, und den Schluß machten die Feldgeschütze. Sie waren in zehn Fähnlein eingeteilt. Helme und Sturmhauben hatten sie mit Eichenlaub geschmückt, Trommler und Trompeter marschierten neben der Fahne.

In den Straßen und auf den Plätzen, durch welche sich der Zug bewegte, stand das Volk dicht gedrängt. Die Zünfte hatten sich mit den ihren Handwerken eigenen Attributen zu beiden Seiten des Weges aufgestellt, ihre Standarten und Fahnen bildeten im Vereine mit dem reichen Häuserschmucke ein malerisches Gepränge. Die Tuchmacher standen zunächst dem Thore; sie hatten seit der Schlacht von Alling das Vorrecht, bei Aufzügen und Festlichkeiten die ersten zu sein. An die Zünfte reihten sich die Söldner und Trabanten der Stadt in ihren schwarzgelben Wämsern und ihren eisernen Sturmhauben. Ihre Bewaffnung waren mächtige Hellebarden. Vor dem Rathause erwarteten die 242 Ankommenden auf einer Tribüne der innere und äußere Rat.

So kam der Zug durch den schönen Turm, die Kaufingergasse entlang, am Rathause vorüber, durch die Burggasse zur alten Veste, wo die beiden Herzoginnen mit den Prinzessinnen und Edeldamen auf der prächtig dekorierten Tribüne ungeduldig des Siegers harrten, während der ganze Schloßhof dicht gedrängt voll Menschen war.

Die beiden Herzoge schwangen sich von den Pferden und begaben sich auf die Tribüne, wo die Heimgekehrten von den Damen aufs herzlichste begrüßt wurden.

Maria Pettenpeck stand mit den übrigen Festjungfrauen, die sämtlich prächtige Blumensträuße in den Händen hielten, zur Seite der Tribüne. Jetzt erhielt sie das Zeichen, vorzutreten und dem Helden den Siegeskranz auf blausamtenem Kissen zu überreichen. Noch hatte sie dessen Gesicht nicht gesehen. Mit niedergeschlagenen Augen trat sie vor, ließ sich auf ein Knie nieder und begann, als ringsum alles still, den Festgruß:

»Den Vielgeliebten zu begrüßen –«

Weiter kam sie nicht. Ferdinand, vom Tone der Sprecherin sichtlich ergriffen, rief unwillkürlich: »Maria!«

Diese erhob im gleichen Momente ihr Haupt und – erkannte Ferdinand. Rasch empor springend, ließ sie Kranz und Kissen fallen und rief mit einem Aufschrei des Staunens und der Ueberraschung: »Ferdinand!«

Dann wankte sie und wäre rücklings die Stufen hinabgefallen, wenn sie nicht Herzog Ferdinand rechtzeitig in seinen Armen aufgefangen hätte.

»Maria! Meine Maria!« rief er.

Paulana war herbei geeilt und führte das totenbleiche 243 Mädchen durch die Thüre neben der Tribüne in die Burg. Vater Pettenpeck folgte besorgt nach.

Das höchste Erstaunen über diesen Zwischenfall hatte alle erfaßt.

Einer der Kavaliere trug Sorge, daß sofort eine andere der Ehrenjungfrauen den Kranz überreiche und Herzog Wilhelm, obwohl auf das peinlichste berührt, denn er erinnerte sich sofort der Rede Pettenpecks und ahnte nicht unschwer den Zusammenhang, ergriff nunmehr das Wort. Er dankte dem Bruder für seine Heldenthaten und gab ihm das Schloß und Gebiet von Dachau mit allen Erträgnissen und Rechten zum Lehen. Renata übergab ihm eine goldene Kette mit ihrem Bildnisse. Hierauf wurden die tapferen Kriegsgefährten Ferdinands der Reihe nach durch Geschenke und Ehrensolde ausgezeichnet.

Die gesamten Truppen erhielten Extrasold und von den Bürgern Freimahl – die ganze Stadt war erfüllt von Jubel. Nur in dem Gemache der Hofburg, das die Familie Pettenpeck beherbergte, hatten Gram und Schmerz jedes freudige Empfinden unmöglich gemacht. 244


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