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Friedrich Schleiermacher

Aus den »Vortragen und Aufsätzen zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland und Österreich«.

I.

Man darf behaupten, daß die meisten großen Männer sich vorgenommen haben es zu werden; daß ihnen von früh auf, wenn auch in dunklen Umrissen, das erhabene Ziel vorschwebte, dessen Erreichung nachher das Resultat ihres Lebens war.

Alexander der Große berauschte sich an den Helden Homers, ihnen wollte er ähnlich werden. Friedrich der Große gestand höchst unbefangen ein, daß er aus Ehrgeiz, aus Bedürfnis sich hervorzutun, den Schlesischen Krieg begonnen. In Lessing lag ein starkes Element der Ruhmsucht, in seiner Jugend verzehrte ihn eine Zeitlang die heftigste Eifersucht auf Klopstock. Ja, in der ganzen deutschen Literatur des vorigen Jahrhunderts spielt der Wetteifer mit den Fremden, der heftige Wunsch, es den vorgeschritteneren Franzosen und Engländern gleichzutun, die größte Rolle als bewegendes Moment. Man hat ein unbestimmtes Bewußtsein von innerer Kraft und Stärke. Die einstige Nationalgröße wirkt nach. Phrasen, wie die verbreitete von der »uralten deutschen Heldensprache«, spuken in den Köpfen. Man will sich emporarbeiten aus dem Zustande geistiger Zurücksetzung, dem man unter den zivilisierten Völkern Europas verfallen war. Die Neuberin schreibt an Gottsched, daß sie in allen ihren Bestrebungen stets nur »auf den rühmlichsten und besten Nutzen der gesamten deutschen Gesellschaft denke«. Und dem Publikum erklärt sie:

Bedenkt: mein Vorsatz war, das sag' ich öffentlich,
Daß unserm deutschen Reich kein Vorzug sollt' gebrechen.

Und darum versuchte sie die Reform der Schauspielkunst. Mit solchem bewußten Streben ging man an den Unterbau unserer Literatur, und in denen, die das Werk krönten, war das Bewußtsein wahrlich nicht geringer.

Das deutsche Volk hat im 18. Jahrhundert eine große Literatur errungen, weil es sie erringen wollte. Gerade wie es im 19. Jahrhundert seine politische Einheit erringt, weil es sie erringen will.

Die kühne Tat ist die Tochter des bewußten Entschlusses. Wenn man das so hinstellt, scheint es trivial, und doch wird in den weltgeschichtlichen Entwicklungen diese treibende Kraft oft übersehen. Man führt die Ereignisse manchmal vor, als ob das Glück seine Günstlinge im Schlaf damit überraschte. Namentlich in der Kulturgeschichte scheinen mitunter die Begebenheiten wie Pflanzen aufzuwachsen.

Jenes bewußte Streben ganzer Nationen sammelt sich in dem einzelnen als Ehrgeiz, Ruhmsucht, Tatenlust an. Aber dieses Phänomen ist kein ausschließlich gültiges. Es kommt vor, daß der Nationalgeist seine Organe gleichsam wider ihren Willen an ihr Tagewerk heranzwingen muß.

Zu diesen seltenen Naturen gehörte Schleiermacher. Beim Durchlesen seines Briefwechsels Aus Schleiermachers Leben in Briefen. 4 Bünde. Berlin 1860–1863. ist mir nichts so aufgefallen wie die merkwürdige Abwesenheit des Verlangens nach einer Wirksamkeit ins Große.

Dieser Schriftsteller, dessen gedruckte Werke Tausende von Bogen füllen, bekennt, daß es ihm eine höchst unangenehme Empfindung mache, etwas von sich gedruckt zu sehen. Er könne seine Zeit besser brauchen, als um etwas zu schreiben. Bücherschreiben ist ihm »nur ein widerliches Treiben ohne Leben, ohne Anschauung, ohne Nutzen. Das Predigen« – fährt er fort – »ist wohl etwas mehr, aber nach der gegenwärtigen Einrichtung doch auch wenig genug.«

Ein Gelehrter, ein Philosoph, ein Geistlicher, der das Predigen gering anschlägt und die schriftstellerische Wirksamkeit noch geringer! Was will er in der Welt, wenn er das Predigen und das Schreiben verschmäht?

»Schleiermacher ist eine Beichtvaternatur«, sagte ein witziger Freund. Die Bezeichnung trifft scharf, aber zu scharf, wenn man an die historische Erscheinung des Beichtvaters denkt, die soviel Gehässiges und Unheilvolles mit sich führt. Aber in einem höheren Sinne kann man das Wort vielleicht gebrauchen; in diesem Sinne hat es mit dem Charakter des Erziehers die entschiedenste Verwandtschaft. Und Schleiermacher selbst würde nichts dagegen einwenden, wenn man ihn eine Erziehernatur nennen wollte. »Es scheint mir« – schreibt er – »die unnachläßlichste Pflicht eines jeden Menschen zu sein, andere zu erziehen, es mögen nun Alte sein oder Kinder, eigene oder fremde.« Er fühlt in sich eine überlegene Ruhe und Sicherheit, mit der er den Wirrnissen und Verwicklungen seines Freundeskreises ordnend und klärend gegenübersteht. Darum ist es seine eingestandene Lust, »sich in vieles einzumischen, an vielem teilzunehmen und in vielerlei Verbindungen mit Menschen zu leben«.

Sein Element ist die Geselligkeit, nicht der rauschende Verkehr mit vielen Leuten zugleich, sondern der Verkehr von Mensch zu Mensch, von Seele zu Seele; nicht die Region äußeren Geltenwollens, sondern des Austausches innerer Werte; nicht der glänzende Salon, sondern das stille Plauderstübchen.

»Eigentlich gibt es doch keinen größeren Gegenstand des Wirkens als das Gemüt«; mit diesen Worten bezeichnet er klar die Provinz, in der er zu herrschen wünscht. Das Verborgene einer solchen Wirkung ist ihr größter Reiz. Er stellt sie wie ein heiliges Geheimnis entgegen jener »Tätigkeit der Außenwelt, die so durchaus nur Mittel ist, wo der Wert in dem allgemeinen Mechanismus sich verliert, von der so wenig bis zum eigentlichen Zweck und Ziel alles Tuns hin gedeiht und immer tausendmal soviel unterwegs verloren geht«.

Man versteht es, wie eine so geartete Persönlichkeit sich immer genauer an Frauen anschließen mußte als an Männer. Die Blüte des Verkehrs, »das zarte Gefühl und den feinen Sinn für die lieblichen Kleinigkeiten des Lebens und für die feinen Äußerungen schöner Gesinnungen, die oft in kleinen Dingen unwillkürlich das ganze Gemüt enthüllen«, alles dies konnte er nur bei edlen Frauen in seiner Vollendung finden.

Er braucht die Geselligkeit. Sie ist seine Heimat. Er hat Heimweh danach, wo sie ihm fehlt. Stumpfsinn kommt über ihn, wenn er isoliert ist. Ohne Freund, ohne herzliches Gespräch, ohne Wechsel zwischen Arbeit und geselligem Genuß gibt es für ihn kein Leben. Das sind die Stunden, in denen er »nichts ist«, wie er sich ausdrückt. Er fällt zusammen, wenn es ihm an der wahren und einzigen Nahrung seines Geistes fehlt. »Wahrlich« – schreibt er aus solcher Einsamkeit – »ich bin das allerabhängigste und unselbständigste Wesen auf der Erde, ich zweifle sogar, ob ich ein Individuum bin. Ich strecke alle meine Wurzeln und Blätter aus nach Liebe, ich muß sie unmittelbar berühren, und wenn ich sie nicht in vollen Zügen in mich schlürfen kann, bin ich gleich trocken und welk. Das ist meine innerste Natur, es gibt kein Mittel dagegen, und ich möchte auch keines.«

So spricht Schleiermacher über sein eigenes Wesen, und er ist ein eifriger, gründlicher, scharfsichtiger Beobachter seiner selbst. Er hat den Kern seiner Anlage ohne Zweifel richtig erfaßt. Trotzdem – was ist die Frucht dieser Anlage, und was ist das Resultat dieses Lebens, das aufgehen zu wollen scheint in dem stillen, unscheinbaren Weben des Gemütes?

Als Schleiermacher starb, hatte er eine so großartige Wirksamkeit nach außen hinter sich, wie sie nur wenigen Menschen unseres Jahrhunderts zuteil geworden ist. Er war bei seinem Tode vielleicht der angesehenste und einflußreichste Mann der protestantischen Kirche. Er war das Haupt einer ausgebreiteten theologischen Schule, die noch heute in Kraft steht. Er war das Haupt einer zahlreichen Gemeinde, die von nah und fern ihm ihre Verehrung entgegenbrachte. Er stand als Universitätslehrer wie als Kanzelredner gleich hoch. Er hatte an der Aufraffung des deutschen Staates den hervorragendsten Anteil. Er hat das Feuer, das die Napoleonische Herrschaft in Deutschland verzehrte, redlich geschürt. Er kämpfte für eine freiere Verfassung der protestantischen Kirche. Er war der mächtigste schriftstellerische Vertreter der Union. Er stand im preußischen Agendestreite Mann gegen Mann dem Könige Friedlich Wilhelm dem Dritten selbst gegenüber. Ist das nicht ein reiches Leben, aber reich gerade an äußeren Taten, reich an dem, was er in seiner Jugend so stolz verschmäht hatte, um allein in der Welt des Gemütes seine Wohnung aufzuschlagen?

Wie war das gekommen? Woher ein solcher Gegensatz zwischen Anlage und Ausführung? Was hat ihn vertrieben aus den stillen Regionen, in denen er sich so heimisch fühlte? Was hat ihn hinausgedrängt in das Gewühl, in den Kampf, auf den Schauplatz der Außenwelt?

Im allgemeinen ist die Antwort leicht gegeben. Eine bedeutende Individualität ist wie eine gewaltige Naturkraft. Welche Fesseln man ihr anlegen mag, sie zerbricht sie und stürmt heraus. Auch Schleiermachers Scheu vor dem äußeren Leben ist nur so eine Fessel, wenn auch eine Fessel, welche die Natur sich selber angelegt hat. Das Gemütsleben, das er preist, ist ein religiöses. Er spricht es aus: »Religion war der mütterliche Leib, in dessen heiligem Dunkel mein junges Leben genährt und auf die ihm noch verschlossene Welt vorbereitet wurde; in ihr atmete mein Geist, ehe er noch seine äußeren Gegenstände, Erfahrung und Wissenschaft gefunden hatte; sie half mir, als ich anfing, den väterlichen Glauben zu sichten und das Herz zu reinigen von dem Schutte der Vorwelt; sie blieb mir, als Gott und Unsterblichkeit dem zweifelnden Auge verschwanden; sie leitete mich ins tätige Leben; sie hat mich gelehrt, mich selbst mit meinen Tugenden und Fehlern in meinem ungeteilten Dasein heilig zu halten, und nur durch sie habe ich Freundschaft und Liebe gelernt.«

Religion war der Gegenstand, in den er sich am gründlichsten vertiefte, dem er den größten Ernst widmete, mit dem er so lange rang, bis er ihn bewältigt zu haben glaubte. Von Religion war sein Herz voll. Es quoll über.

Dieser Religiöse stand einer irreligiösen Zeit gegenüber. Er wollte sie bekehren. Es ging ihm wie den großen Religionsstiftern. Zuerst ringen sie in der Einsamkeit, bis sie die Wahrheit, bis sie das Heil gefunden zu haben glauben. Dann drängt es sie, der übrigen Menschheit diesen Segen zuzuführen.

Einem solchen Drange unterlag auch Schleiermacher, als er die »Reden über die Religion« schrieb. Damit war die Fessel gesprengt. Seine Natur stellte ihre Eigentümlichkeit mit dem Anspruch auf Geltung vor die Welt. Er mußte für diese Geltung kämpfend eintreten. Die praktische Tätigkeit im möglichsten Umfang war ihm fortan Pflicht. Der Beichtvater war Priester und Prophet geworden. Er mußte erziehen im großen. Der Nationalgeist hatte ihn an sein Tagewerk herangezwungen.

So, wie gesagt, läßt sich die Persönlichkeit Schleiermachers im allgemeinen, in den Umrissen ansehen. Wer Aufschluß darüber verlangt, wie sich im einzelnen der eigentümliche Inhalt seiner Individualität gestaltete, den verweise ich auf Diltheys Buch, dessen erster Band die Entwicklungsgeschichte Schleiermachers enthält, dessen zweiter Band sein philosophisches und theologisches System und seine äußere Wirksamkeit darstellen wird. W. Dilthey, Leben Schleiermachers, Bd. I. Berlin 1870

Diltheys »Leben Schleiermachers« ist eine ganz hervorragende Leistung. Alle Bedingungen, um ein ausgezeichnetes Werk zu schaffen, sind hier zusammengetroffen.

Nicht leicht hat ein geistiger Heros so viel von der verborgenen Arbeit seiner Seele zu Papier gebracht in Tagebüchern, Briefen, Entwürfen, Aufzeichnungen aller Art wie Schleiermacher. Fast alles aber, was Schleiermacher aufzeichnete, sowie alles, was durch schriftlichen Verkehr von Aufzeichnungen anderer bei ihm einlief, ist bewahrt geblieben. Und alles, was bewahrt blieb, hat Dilthey benutzen dürfen. Es ist also ein ganz kolossales Material in seinem Buche verarbeitet.

Weit höher aber schlage ich das an, was dem Verfasser nicht gegeben wurde, sondern was er selbst zur Behandlung seines Gegenstandes mitbrachte.

Alle Probleme, welche Schleiermacher beschäftigten, hat Dilthey selbständig durchdacht. Alle Philosophen, Theologen, Dichter, welche neben und vor Schleiermacher dieselben oder ähnliche Probleme behandelten, hat Dilthey studiert.

Und der Vorteil, der ihm hieraus erwuchs, ist ein doppelter. Der eine wird schon im vorliegenden Bande sichtbar, der andere muß sich erst im zweiten Bande zeigen. Der vorliegende Band sucht Schleiermacher zu erklären, der zweite muß ihn kritisieren.

Schleiermacher erklären heißt: sein Denken und Empfinden auf große Gedanken und Empfindungsrichtungen vor ihm und neben ihm zurückführen. Es heißt nachweisen, wie seine Eigentümlichkeit durch das Allgemeine bedingt ist, wie seine Individualität durch den Gang der Geschichte gefordert und geschaffen wurde. Es heißt zeigen, was alt ist an Schleiermacher und was neu, worin er fortsetzt und worin er anfängt, was er aufnimmt und was er produziert, worin er abhängig ist und worin originell, und wie die Originalität oft nur in der neuen Kombination, in der Zusammenfassung gegebener Richtungen besteht.

Alle die großen Kulturrichtungen, welche Schleiermacher beherrschen, welche Schleiermacher erzeugen, hat der Verfasser exakt erforscht. Und er stellt sie dar – nicht wie sie ihm erscheinen, sondern wie sie den Zeitgenossen erschienen. Alle die Persönlichkeiten um Schleiermacher her, welche jene Richtungen repräsentieren, hat er sich vergegenwärtigt und anschauliche Porträte von ihnen entworfen. So entrollt er das erhebende Schauspiel gewaltiger, gegen- und miteinander arbeitender Kräfte, aus deren gärendem Durcheinanderwogen sich neues Leben gestaltet.

Aber diese Darstellung bedarf einer Ergänzung. Der Verfasser muß den Wert der Schleiermacherschen Lebens- und Weltansicht feststellen. Und er muß noch weiter gehen: er muß den Wert der allgemeinen Kulturrichtungen feststellen, aus denen sie hervorging. Er muß sie messen an der Bedeutung, die sie für unser geistiges Leben bewährten, er muß sie messen an unseren heutigen Überzeugungen, an seinen eigenen Gedanken über die höchsten Probleme.

Das ist es, was wir vom zweiten Band erwarten, wenn der großartige Plan, der dem Verfasser vorschwebt, ausgeführt werden soll. Er will nicht erzählen bloß, sondern überzeugen. »Er möchte, daß vor der Seele des Lesers, wenn er dies Buch schließt, das Bild eines großen Daseins stehe, aber zugleich ein Zusammenhang bleibender Ideen, streng begründet, eingreifend in die wissenschaftliche Arbeit und das handelnde Leben der Gegenwart.«

II

»Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern« – unter diesem Titel erschien in Berlin 1799 das erste größere Werk Schleiermachers, das ihn zuerst berühmt machte und an das man immer zuerst denken wird, wenn der Name Schleiermacher genannt wird. Das Buch steht wie ein Wegweiser da, der aus der Religionsauffassung des 18. Jahrhunderts in die des 19. hinüberdeutet. In gewissem Sinne überragt es alle späteren theologischen Schriften Schleiermachers, insbesondere die berühmte und vielbewunderte »Glaubenslehre«. Die Reden stehen in einem unbefangeneren Verhältnis zu den Resultaten der exakten Wissenschaft als die Glaubenslehre. In die Reden könnte man sich das Leben Jesu von Strauß eingeschaltet denken, ohne daß ihr wesentlicher Inhalt irgend alteriert würde; die Glaubenslehre stellt sich mit ihrer Christologie, mit ihrem ebenso urbildlichen als geschichtlichen, ihrem absolut irrtumslosen und sündlosen Erlöser der modernen kritischen Forschung in unversöhnlichem Widerstreit entgegen.

Eine Lehre, in deren Konsequenz es liegt, die höchste Stufe des tierischen Lebens, welche im Menschen erreicht wird, mittels der Vorstellung einer noch höheren Stufe, einer einmaligen übermenschlichen Erscheinung zu durchbrechen – eine solche Lehre wird die heutige Wissenschaft nicht befriedigen können, welche in dem ausnahmslosen Verhältnis von Ursache und Wirkung ein unantastbares Heiligtum erblickt. Aber die »Reden« sind von den eben geschilderten Elementen einer theologisch strengeren Auffassung noch ziemlich frei. Nur wenn ihr Verfasser eine Umprägung theologischer Begriffe vornimmt und Worten, wie »Wunder, Offenbarung, Eingebung, Weissagung, Gnadenwirkung« einen unverfänglichen Sinn unterschiebt, den sie nach dem Sprachgebrauch niemals gehabt haben, so übt er bereits jene Methode, welche ihm in der »Glaubenslehre« gestattet, sich äußerlich merkwürdig genau an die hergebrachten Lehrsätze des kirchlichen Systems anzuschließen und ihnen dabei innerlich eine ganz neue Bedeutung beizumessen.

Der Hauptinhalt der »Reden« hat jedoch hiermit wenig zu tun. Sie entwickeln eine Ansicht über das Wesen der Religion, welche so interessant, so tiefgreifend und dem Standpunkte der Gegenwart in vielen Stücken so nahe ist, daß eine Auseinandersetzung damit auch heute noch lohnt.

Schleiermacher weist der Religion ein besonderes, ihr ganz allein eigenes Gebiet der menschlichen Seele an, unabhängig von der Metaphysik, unabhängig von der Moral.

Unabhängig von der Metaphysik: denn er stand auf den Schultern Kants, er bewegte sich auf dem Boden der Kritik der reinen Vernunft, er durchschaute die Unzulänglichkeit aller Beweise vom Dasein Gottes und von der Unsterblichkeit. Den Begriff Gottes ersetzt er durch den in der Regel ganz unpersönlich gefaßten des Universums. Von der Unsterblichkeit macht er keinen Gebrauch, ja er bezeichnet die Sehnsucht nach ewiger individueller Fortdauer als irreligiös. Der wahrhaft religiöse Mensch sehnt sich vielmehr danach, aufzugehen im Universum.

Unabhängig von der Moral: dieser Punkt ist schwerer zu fassen, vielleicht aber darf man an uralte Vorstellungen dabei anknüpfen.

Das Mittelalter unterschied zwei große Lebensrichtungen: die Vita activa und Vita contemplativa, das tätige und das beschauliche Leben. Es war unvermeidlich, diese Sphären einander entgegenzusetzen und gegeneinander abzuwägen, wobei stets die Kontemplation vor der Aktivität den Vorzug erhielt. Mußte man doch im Mönche den Repräsentanten des beschaulichen, im ritterlichen Kriegsmann den Repräsentanten des tätigen Lebens erblicken.

Eine ähnliche Unterscheidung schwebt Schleiermacher vor, nur daß er natürlich Tätigkeit und Beschaulichkeit im weitesten Sinne nimmt. Das tätige Leben weist er ausschließlich der Moral zu; das, was man im Mittelalter Vita contemplativa nannte, entspricht ungefähr der Schleiermacherschen Religion. Als einen Typus des echt religiösen Lebens feiert er Spinoza.

Ausschließlich der Religion weist er die Gefühle der Ehrfurcht, Demut, Liebe, Dankbarkeit, des Mitleids und der Reue zu: kurz alles, was die Alten als Frömmigkeit zusammenfaßten und ebenfalls unmittelbar auf die Religion bezogen.

Alle diese Gefühle aber glaubt er aus der Betrachtung des Universums (Spinozas cognitio Dei intuitiva) ableiten zu dürfen. Er schildert des näheren, was er unter dieser Betrachtung oder »Anschauung«, wie er es nennt, versteht. Er meint jene Totalanschauung des Universums, welche schon Herder in den »Ideen« auf ähnliche Weise entwickelt hatte. Er meint eine Betrachtung der äußeren Natur, welche nicht bei der Pracht der Erscheinung, nicht bei der Versenkung in die ungeheuren Massen, Zahlen und Größen stehenbleibt, sondern die Gesetze ins Auge faßt. »Erhebt euch zu dem Blick, wie diese alles umfassen, das Größte und das Kleinste, die Weltsysteme und das Stäubchen, welches unstet in der Luft umherflattert, und dann sagt, ob ihr nicht anschaut die göttliche Einheit und die ewige Unwandelbarkeit der Welt.«

Er meint eine Betrachtung des geistigen Lebens, welche aus allen Individuen zusammengenommen sich die vollkommene Anschauung der Menschheit verschafft, der Menschheit als eines organisierten Ganzen, worin die einzelne Persönlichkeit nur ein verschwindender Teil ist, worin ein unaufhaltsamer Fortschritt stattfindet, worin das Rohe, das Barbarische, das Unförmliche immer mehr verschlungen und in organische Bildung umgewandelt wird. Blinder Instinkt, gedankenlose Gewöhnung, toter Gehorsam, alles Träge und Passive soll vernichtet werden. »Dahin deutet das Geschäft des Augenblicks und der Jahrhunderte, das ist das große, immer fortgehende Erlösungswerk der ewigen Liebe.«

Aber die Menschheit verhält sich zum Universum wie die einzelnen Menschen zu ihr. Die Menschheit ist nur eine einzelne Form des Universums. Darum strebt die Ahnung über sie hinaus ins Unendliche.

Man sieht, daß das Universum der Hauptbegriff ist in Schleiermachers Religionsansicht. In der Betrachtung des Universums durchdringt uns Ehrfurcht; demütig fühlen wir unsere Kleinheit; wir lieben unsere Brüder als dasselbe, was wir sind, als Darstellungen der Menschheit; wir sind denen dankbar, welche aus Religiosität – »als solche, die sich mit dem Ganzen schon geeinigt haben und sich ihres Lebens in demselben bewußt sind« – uns in unserem Dasein und Streben fördern; wir bemitleiden die Egoisten, die sich in ihr Ich verschanzen; wir bereuen alles in uns, was dem Genius der Menschheit feind ist.

So fließt aus der Betrachtung des Universums die »Frömmigkeit« oder – warum sollen wir es nicht nennen, wie das 18. Jahrhundert es zu nennen pflegte, wie es Herder verkündigte? – die Menschlichkeit, die Humanität.

Die Religion also ist Anschauung und Gefühl des Universums.

Schleiermacher aber geht noch einen Schritt weiter. Er behauptet, es helfe nichts, alle diese Anschauungen und Gefühle sich zu vergegenwärtigen, sie vollkommen zu verstehen, sie zu haben im klarsten Bewußtsein; um wahrhaft religiös zu sein, um als Ausfluß einer wirklich religiösen Natur gelten zu dürfen, müssen sie in dem Menschen ursprünglich eins und ungetrennt gewesen sein, er muß Momente in sich erlebt haben, in welchen keines dieser Gefühle und Anschauungen ihm gegenwärtig war, worin aber eine Empfindung über ihn kam, welche sie alle enthielt.

Und Schleiermacher beschreibt einen solchen Moment mit allem Aufwand sprachlicher Mittel, die ihm zu Gebote standen. Die Stelle ist bekannt, aber hier unentbehrlich.

»Könnte und dürfte ich ihn doch aussprechen –jenen Augenblick – andeuten wenigstens, ohne ihn zu entheiligen! Flüchtig ist er und durchsichtig wie der erste Duft, womit der Tau die erwachten Blumen anhaucht, schamhaft und zart wie ein jungfräulicher Kuß, heilig und fruchtbar wie eine bräutliche Umarmung; ja nicht wie dies, sondern er ist alles dies selbst. Schnell und zauberisch entwickelt sich eine Erscheinung, eine Begebenheit zu einem Bilde des Universums. Sowie sie sich formt, die geliebte und immer gesuchte Gestalt, flieht ihr meine Seele entgegen, ich umfange sie nicht wie einen Schatten, sondern wie das heilige Wesen selbst. Ich liege am Busen der unendlichen Welt, ich bin in diesem Augenblick ihre Seele, denn ich fühle alle ihre Kräfte und ihr unendliches Leben wie mein eigenes, sie ist in diesem Augenblicke mein Leib, denn ich durchdringe ihre Muskeln und ihre Glieder wie meine eigenen, und ihre innersten Nerven bewegen sich nach meinem Sinn und meiner Ahnung wie die meinigen. Die geringste Erschütterung – und es verweht die heilige Umarmung, und nun erst steht die Anschauung vor mir als abgesonderte Gestalt, ich messe sie, und sie spiegelt sich in der offenen Seele wie das Bild der sich entwindenden Geliebten in dem aufgeschlagenen Auge des Jünglings, und nun erst arbeitet sich das Gefühl aus dem Innern empor und verbreitet sich wie die Röte der Scham und der Lust auf seiner Wange.

»Dieser Moment ist die höchste Blüte der Religion. Könnte ich ihn euch schaffen, so wäre ich ein Gott – das heilige Schicksal verzeihe mir nur, daß ich mehr als eleusische Mysterien habe aufdecken müssen. Er ist die Geburtsstunde alles Lebendigen in der Religion.«

Soweit Schleiermacher. Er schildert mit diesen Worten zunächst ein ganz subjektives psychologisches Phänomen, das sich auch sehr wohl erklären läßt.

Die stärksten religiösen Impulse hat Schleiermacher in der Gemeinde der Herrnhuter bekommen. Die herrnhutische Religion war sozusagen eine genießende, eine schwelgerische Religion. Die Herrnhuter schwelgten in der Betrachtung des Osterlammes und seiner Wunden. Die Äußerung ihrer Gefühle bewegte sich dabei zum Teil in Formen, welche schon dem Mittelalter geläufig waren und wodurch die Seele als Braut Gottes dargestellt wurde. Eben diese Auffassung finden wir hier bei Schleiermacher. Mit Recht sagt Julian Schmidt: »Die Zärtlichkeit des Redners für das Universum hat immer etwas von der Zärtlichkeit des Herrnhuters für Jesus.« Die persönliche innere Erfahrung Schleiermachers wird also wohl klar sein. Die Gefühle seiner gläubig religiösen Zeit gegenüber einem Gegenstande, den seine Phantasie mit aller erdenklichen Vollkommenheit ausstattete, waren ihm geblieben, als jener Gegenstand selbst ihm durch ernste, wissenschaftliche Arbeit, nach langen, schweren Kämpfen verloren ging. Ein neuer Gegenstand der Verehrung bot sich ihm dar im Universum, auf ihn übertrug er die alten Gefühle. Nicht ohne Schaden für die Auffassung des Gegenstandes. Man kann nichts lieben, was keine Person ist. So läuft es denn ohne mythologische Personifikation auch in den Reden nicht ganz ab. Manchmal erscheint der Weltgeist oder das Göttliche, das Allmächtige statt des Universums.

Welcher Art aber tatsächlich jene Gefühle waren, die er sich durch bloße Arbeit der Phantasie so persönlich färbte, das verrät er deutlich, wenn er das unendliche Chaos des Sternenhimmels als das schicklichste und höchste Sinnbild der Religion bezeichnet. Jene Gefühls waren ästhetischer Natur. Das Gefühl des Erhabenen überkam ihn im Anschauen des Universums. Dieses brachte die Stimmung der Ehrfurcht und Demut über ihn.

War es nun richtig, eine so ganz persönliche Empfindung für das Wesen der Religion überhaupt zu erklären?

Ganz gewiß nicht. Die historische Forschung widerspricht entschieden.

Die ältesten Religionen sind ohne Metaphysik, will sagen ohne Mythologie, gar nicht zu denken. Teils stammen die Mythen aus bloßen poetischen Ausdrücken, deren ursprünglicher Sinn in späteren Sprachepochen verloren ging. Sie stellen sich dann als eine Art Allegorie dar. Ich will ein Beispiel geben. Was kann einfacher klingen als folgender Satz: »Odin senkte den Blick in den Born der Erinnerung, um daraus Weisheit zu schöpfen.« Die altnordische Mythologie hat aus. dem Born der Erinnerung einen wirklichen Brunnen gemacht, den ein Riese »Erinnerung« ( Mimir) hütet und worin Weisheit und Verstand verborgen sind. Dahin kommt Odin und verlangt einen Trunk, erhält ihn aber nicht eher, als bis er sein eines Auge zum Pfande setzt, d.h. in die Weisheitsquelle versenkt.

Teils muß man die Mythen als Anfänge der Physik betrachten. Der Mensch sucht sich die Naturphänomene zu erklären, indem er menschliches Tun als ihre Ursache voraussetzt. Er hört Lärm und Gepolter in den oberen Luftregionen. Das erweckt ihm die Erinnerung an Getöse und Schreien bei menschlichen Kämpfen. Also schließt er: da oben wird auch gekämpft, da schlagen sich die Leute. Er dichtet eine Schlacht und ergänzt die aus menschlichen Kämpfen bekannten Motive dazu. Die beteiligten Personen nimmt er aus der unmittelbaren Anschauung. Er sieht dunkle Wolken, er sieht den hellen Himmel davon umdüstert und dann wieder hell. Er personifiziert die Wolken und personifiziert den Himmel. Er träumt von einer Schlacht, welche der Himmelsgott den Wolkendämonen siegreich geliefert hat. Und das Gewitter ist für ihn erklärt.

Die gewaltigen entfesselten Naturkräfte aber fürchtet er in ihrer unwiderstehlichen Macht. Er sucht ihnen beizukommen in seiner Weise, durch Zauberei, durch Opfer, durch Gebet. Das alles ist nichts anderes als verschiedene Mittel, um die Kräfte der Natur in seinen Dienst zu zwingen.

Die stolze Formel »Beherrschung der Natur zu menschlichen Zwecken« gilt nicht bloß für unsere erleuchteten Zeiten. Was wir mit Eisenbahnen und Telegraphen tatsächlich erreichen, das glaubte der Naturmensch durch Zauberei, Opfer, Gebet zu erlangen. Wie jene Gewittermythen zu unserer Kenntnis von Dampf und Elektrizität, so verhalten sich Zauberei, Opfer, Gebet zu unserer heutigen Mechanik.

Jene urweltliche Mechanik ist auch heute noch nicht ausgestorben, selbst auf den Höhen der Zivilisation. Aber verträgt sie sich mit dem gegenwärtigen Stande der exakten Wissenschaft?

Wenn nicht, so ist auch bewiesen, daß Schleiermacher vollkommen recht hatte, die Metaphysik, die Fragen nach Gott und Unsterblichkeit gänzlich auszuscheiden aus der Religion. Schleiermacher irrte, wenn er sein subjektives Religionsgefühl für das Wesen der Religion überhaupt nahm. Die ältesten Religionen sind ganz anders entstanden, ihr Wesen ist ein anderes: rohe Vorstellungen von Naturkräften, rohe Versuche, dieselben dem Menschen untertänig zu machen; roh in ihrem Ursprung, wenn auch vielfach verfeinert und verflüchtigt in ihrer weiteren Entwicklung; darum aber nicht minder Abkömmlinge jener uralten Zeit.

Eben deshalb mußten alle solche Vorstellungen ausgeschieden werden, wenn von Religion überhaupt noch geredet werden sollte. Die Religion mußte unabhängig von ihnen dastehen, wenn sie mit der modernen Wissenschaft sich überhaupt noch vertragen sollte.

Was aber Schleiermacher an die Stelle des Verworfenen setzen will, kann schwerlich in dem Bewußtsein eines heutigen Menschen sich befestigen. Was soll uns das Gefühl der Erhebung in der Betrachtung des Universums? Die Tugenden, welche Schleiermacher daraus ableitet, haben zum Teil gewiß ganz andere Quellen.

Und darum werden wir die Scheidung von der Sittlichkeit kaum zugeben können, ohne den allgemeinen und wohlbegründeten Sprachgebrauch zu verletzen.

Die religiösen Gefühle sollen nach Schleiermacher nur wie eine heilige Musik alles Tun des Menschen begleiten; er soll alles mit Religion tun, nichts aus Religion; die religiösen Gefühle sollen ihn vor der Einseitigkeit bewahren, welche das handelnde Leben verlangt. Diese begleitende Versenkung ms Universum ist im Grund nichts anderes, als was wir Bildung zu nennen pflegen. Jene Gefühle der »Frömmigkeit« aber, Liebe, Mitleid, Dankbarkeit usw., erkennen wir am sichersten aus den sittlichen Handlungen, in denen die Ehrfurcht vor dem Ganzen den Egoismus des einzelnen bändigt. Und in dem »Ganzen« werden wir nicht sofort das Universum, sondern zunächst die realen sittlichen Gemeinsamkeiten: Familie, Staat, Nation, Menschheit erblicken müssen.

Es gibt viele Abstufungen des Guten.

Es gibt ein Gutes, das aus Furcht vor der Strafe des Staates entspringt.

Es gibt ein Gutes, das aus Furcht vor der öffentlichen Meinung oder vor deren Spiegelbild, dem individuellen Gewissen, entspringt.

Es gibt ein Gutes, das aus Ehrgeiz entspringt, der alles für sich aufrufen und sich dienstbar machen will, was die Menschen für hoch und trefflich halten.

Das ist eine Mechanik des Geistes, welche die idealen Kräfte der Menschheit zu individuellen Zwecken verwertet.

Es gibt endlich ein Gutes aus Liebe zum Guten, welches die edelsten Geister als das einzige wahrhaft Gute verherrlicht haben.

Nur diese Spitze der Sittlichkeit, wenn überhaupt etwas, wollen wir Religion nennen. Sie entsteht nicht ohne ein ästhetisches Element der Bewunderung für die Tugenden, welche die Dichter besingen, welche die Kunst verewigt. Aber ihr Hauptbegriff ist der Glaube. Wieviel er auch durch die Einsicht in den bisherigen Gang der Geschichte genährt werden mag, wie sehr es auch eine historische Wahrscheinlichkeitsrechnung geben mag, die uns manchmal den Ereignissen vorausblicken und das Kommende ahnen läßt: die starke, lebendige, unerschütterliche Überzeugung des Glaubens ist über alles Wissen, über alle Erfahrung, über alle Ahnung hinaus. Und dieser Glaube treibt mehr als irgend etwas anderes zum Handeln. Wofür werdet ihr eure ganze Kraft einsetzen, als woran ihr glaubt? Willst du dich aufopfern für einen Zweck, an dessen schließliche Verwirklichung du nicht glaubst? Wirst du einem Staate mit Begeisterung dein Leben weihen, der dir verfault scheint und reif zur Auflösung? Wirst du dich einer Wissenschaft, einer Kunst hingeben, deren Schöpfungen dir gleichgültig vorkommen für die Erweiterung menschlichen Erkennens und menschlichen Empfindens? Du wirst vielmehr nur dann Großes erreichen, wenn dir die innere Weihe nicht fehlt, und damit begnadigt dich allein der Glaube.

Aber die Religion ist nicht bloß, wo es sich um die allgemeinen und höchsten Angelegenheiten der Menschheit handelt. Die Religion ist überall, wo selbstlose Liebe, Treue, Hingebung, Opferwilligkeit erscheint: in der Freundschaft, in der Ehe, in jedem menschlichen Verhältnis, worin der Egoismus sich nicht bloß widerwillig beugt, sondern gleichsam aufgezehrt und vernichtet ist durch eine höhere Gewalt.

Nur allerdings, woran die beseligende Macht des Glaubens sich in unserer Zeit am herrlichsten enthüllt, das sind die Begriffe Vaterland, Nation und Staat. Darum ist das Deutschland des 19. Jahrhunderts um so viel frömmer als das Deutschland des 18., weil diese Begriffe eine solche niegekannte Macht in ihm gewonnen haben.

Daß Schleiermacher ein Religionsbegeisterter, ein Glaubensheld auch in unserem Sinne war, dafür möge hier nun ein einziges Zeugnis stehen.

Es ist der Schluß der Reden über die Religion in der zweiten, 1806 nach Deutschlands tiefem Fall erschienenen und schon etwas mehr spezifisch christlich gefärbten Auflage.

» Deutschland ist immer noch da, und seine unsichtbare Kraft ist ungeschwächt, und zu seinem Beruf wird es sich wieder einstellen mit nicht geahnter Gewalt, würdig seiner alten Heroen und seiner vielgepriesenen Stammeskraft ... Hier habt ihr ein Zeichen, wenn ihr eines bedürft, und wenn dies Wunder geschieht, dann werdet ihr vielleicht glauben wollen an die lebendige Macht der Religion und des Christentums. Aber selig sind die, durch welche es geschieht, die, welche nicht sehen und doch glauben.«

Wien, im August 1870.


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