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Thorwaldsens Tod

Bertel Thorwaldsen (1770–1844), dänischer Bildhauer.

In der Sundstadt vor den Brettern,
So die Welt bedeuten, saßen
Zween Freunde, zween Meister:
Öhlenschläger Adam Öhlenschläger (1779–1850), dänischer Dichter. und Thorwaldsen.

Allgemach satt aller Schaulust,
Lehnte Islands alter Sohn sein
Sinkend Haupt an Freundes Schulter;
Doch der Freund, ob lang gewohnt auch,
Ehrenbürd' und Last zu tragen,
Trug zu schwer doch an dem Haupte,
Schwer von Lorbeer und von Jahren,
Dieses müden Löwen Haupt.

Überlastet schaut dem Freund er
In das breitgestirnte Antlitz,
Das der Locken Silberwelle
Leicht umfloß, und mit dem Auge
Frug er still die Frage: »Schläfst du?«
Stumm die Frage, stumm die Antwort:
»Ja, ich schlafe!«

Und der Wächter
Richtet über des Entschlafnen
Haupte seinen Arm auf, hoch wie
Eine Säule, und gebietrisch
In das bunte Spiel des Lebens
Ruft er: »Still, Thorwaldsen stirbt!«

Jeder hört's. Und stille wird es
Auf der Bühne, unterm Volke;
Still, als wollte man erlauschen
Jenen leisen Flug der Seele
Oder schaun voll stummer Andacht
In den Untergang des Sterns.
Und es spricht der Sänger durch das
Schweigen, klanglos, eine Glocke,
Die gesprungen: »Er ist tot!«

»Tot, Thorwaldsen!« hallt es wider
Durch das Haus von allen Sitzen,
Die sich stufen durch die Ränge;
Schwer herniederrollt der Vorhang.

Aus verstummtem Musentempel
Wandernd, geht die große Klage,
Durch die Gassen, aus der Stadt hin
Durch das Land, in alle Lande,
Wo dem ernsten Leben noch der
Künste heitre Götter lächeln.
Und die Jünger von der Werkstatt,
Drin beseelt wird Erz und Marmor,
Legen aus den Händen nieder
Hammer, Meißel, all ihr Werkzeug,
Stehen feiernd, laut- und reglos.

Aber nach der stillen Weihe
Treten enger sie zusammen,
Wie um Gräber lieber Toten,
Um ein Stück von seinem Leben;
Und ein jeder aus dem Kreise
Wirft aufs Grab ihm, schmerz-beredt,
Eine Blume der Erinnerung.
Immer reicher schmückt die Liebe,
Bis es blühet sagenduftig,
Wie die Gräber der Heroen,
Bis Begeistrung wird die Trauer,
Und, nacheifernd ihm, der Jünger,
Strahlend seines Gottes voll,
Wieder greift zu seinem Meißel,
Wieder greift den Hammer, klingend
Frisch zu schlagen neues Leben
Aus dem Tode seines Meisters.


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