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Der Polfahrer im Binnenmeer

Von Rios Rio de Janeiro, Hauptstadt
von Brasilien.
Werft in See stach Herkules Ein Segelschiff.
Auf gute Fahrt hinaus zum Nordpolmeere,
In Eisen schwer, auf stärksten Kiel gebaut,
Sturmhaltig gegen Not, wie der Alcide. Herkules war der Sohn der Alkmene, einer Tochter des Alkäos; darum Alcide.
Im frischen Winde schwollen alle Segel,
Und wandellos, wie seinem Gott der Heros,
Folgt' auf der schwanken Bahn er seinen Sternen,
Durchbrach der Trope heimatliche Wogen,
Durchschnitt das Band, das seine Muttersonne
Mit heißen Tränen um die Brust ihm legte,
Warf ihre Tränen untern stolzen Kiel,
Der Wimpel flücht'gen Blick ins blaue Weite –
Umgaukelt von der Jugend Himmelsträumen,
Umzogen hoch von dem Fregattenvogel.
Und heimwärts wendete die Mutter sich
An ihres Weichbilds streng gezognen Grenzen,
Und kalt und kälter auf geschmeid'gem Rücken
Trug ihn der Ozean zur andern Sonne.

Doch bald, unkundig ihrer Welt, gewohnt
Nur seiner Himmel ungemeßnen Strichs,
Beginnt's zu nebeln ihm im engen Ringe.
Sein Auge, folgend den gefangnen Sinnen,
Wird irre an der Nadel festem Geist,
An seiner Sterne ewig klarem Wort,
Steu'rt fremdem Segel nach – verlieret Fahrt.

Und immer enger um ihn zieht das Land,
Der alte Seefeind, seinen Nebelbann;
Der Kiel, gewohnt nur seiner Wogenseen,
Ihn neckt der kurzen Wellen Stoß und Schlag;
Er tanzt, der sonst im Sturm geschritten,
Wie Riesen tanzen auf der Zwerge Plan.

Aufguckt der Belt, die Lande alle gucken,
Der Niederungen Sipp- und Inselschaft;
Sie sehn den Fremden fremde unter sich,
Und alle woll'n des Großen Meister sein.
Doch nicht dem Pfuhl mag sich bequemen
Der stolze Segler eines Ozeans,
Hoch über sie schweift seiner Wimpel Blick
Zur See, die donnernd ihre Berge rollt.
Und tückisch strecken ihren Sandfuß sie
Ihm vor, und wo er kielet, stößt er an.
Zu lichten sich aus ihrem seichten Kreise,
Wirft nieder er auf ihren Sand den Stein.
Der bleibt zum Anstoß dem, der ihn geworfen.
Da grimmt, lavierensmüd, der Tropensohn,
Der Kräft'ge will den graden Weg der Kraft,
Er will mit Sturm zur hohen See sich flotten,
Und seiner Segel letztes setzt er bei.

Zur Woge wächst am starren Bord die Welle,
Der Wind zum Sturm, und back schlägt er
Ins hohe Takelwerk und zerrt und zieht.
Schnell schwirrt das Tau, hell pfeift der Sturm,
Mit tausend Schwertern stößt und schneidet er;
Es stiebt und reißt, und alle Segel flattern
Ins Wellengrab, wie graue Meeresgeister,
Und ziehen mit aus ihrem Band die Glieder,
Daß splitternd Kraft sich an der Kraft zerschlägt.
Das alte Banner sinkt, die Flagge fällt,
Des alten Mutes heitre Wimpel liegen,
Es bricht ein Heldenarm dem andern nach:
Fockmast, Besan, des Bugspriets Speer,
Und krachend niederschwungt das Riesenschwert,
Der Mittelmast, den eignen Leib zerschlagend,
In seines Falles allgewaltiger Wucht.
Das Aug' umnachtet sich, die Hoffnung schwindet,
Das Steuer bricht, es reißt das Ankertau:
Ein letzter Stoß – es kracht der Kiel zusammen,
Zu seiner Feinde Füßen sinkt der Held;
Und spottend schlagen nach die kleinen Wellen
Und singen schwatzend eines Riesen Fall.

Und dem Gemeinsten gibt das Unglück Fug:
Es schleicht der Schachergeist heran, zu feilschen
Noch mit dem Tod um den Gefallenen,
Tritt ihn aufs Haupt und stöbert durchs Gebein
Und giert, wie auf dem Hochgericht die Raben:
»Nur 's Mark im Knochen ist noch da – das Eisen,
Das nehmen wir!« – Doch er bricht keinem Riesen,
Dem toten nicht, das Mark aus dem Gebein.
Und hurtig ruft sein Witz das Feuer her,
Zum letzten Raub das letzte Element,
Und wirft den Brander in die tote Brust.

Du Herkules! Du Ozeans Segler in dem Pfuhl! –
Die Erde hat dein Haupt, das Wasser peitscht
Dir deinen Leib, das Feuer zehrt dein Mark,
Die Luft verwehet deine Asche.


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