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Buchschmuck

Wolfram von Eschenbach.

Im Stegreif.

swer schildes ambet üeben wil
der muoz durchstrichen lande vil.
       Parzival 499, 9.

Wem das Glück nicht an der Wiege
Gut und Eigen zubeschert,
Muß soldieren und im Kriege
Tagewerken mit dem Schwert;
Zweitgeborne Ritterkinde
Erben schmales Königreich, daz der altest bruoder solde hân
sîns vaters ganzen erbeteil
.. daz was der iungern unheil

Parzival I. 5, 4.

Ziehet, Wolken, ziehet, Winde!
Roß, und Reiter ziehn mit euch.

Tummle dich, mein flinker Renner,
In die Fremde geht der Lauf,
Als ein Mann such' ich der Männer
Waffenwerk und Kampfspiel auf.
Hinters Roß die Frechen stechen
Und des Kolbens nicht gespart
Helmzerschroten, Speerzerbrechen,
Schildesamt ist meine Art! schildes ambet ist mîn art:
swâ mîn ellen sî gespart,
swelhiu mich minnet umbe sanc
so dunket mich ir witze kranc.

Parzival II. 115, 11.

Doch beim Schrei aus rauher Kehle
Und im tobendsten Gewühl
Rauscht es oft im Grund der Seele
Wie ein fernes Saitenspiel,
Wiegt, dem Speerkrach kaum entritten,
Mich in Träume weich und traut,
Und je wilder ich gestritten,
Desto milder tönt der Laut.

Viel zu eng deucht mir die Weite,
Viel zu schmal die Breite dann,
Fremd Gebild ist mein Geleite,
Fremder Zauber starrt mich an.
Nach dem Urborn alles Schönen,
Nach der Dichtung heil'gem Gral
Zielt mein abenteuernd Sehnen,
Und ich selbst bin Parzival.

In des Abends letztem Funkeln
Reit' ich durch mein Frankenland,
Nächtiges Gewitterdunkeln
Säumt der Waldgebirge Rand;
Wind und Wolken ziehen weiter,
Und ich zieh' den Wolken nach,
Und man kennt im Land den Reiter:
Wolveram von Eschinbach.

Die Ausreise

Vergl. Parzival 63, I ff.

Vil schilde sach er schînen
die hellen pusînen mit krache vor im gaben dôz.
von würfen und mit slegen grôz
zwên tamûre gaben schal:
der galm übr al die stat erhal.
der dôn iedoch gemischet wart
mit floytieren an der vart:
eine reisenote sie bliefen.

und Herrn Ulrichs von Lichtenstein Frauendienst bei Wackernagel, Lesebuch I. 637 .. »daz ist ein ûzreise.«

.. mit der ûzreise hochgemuot
four den sumer manic ritter guot.
Turnieren was dô riter sit,
dâ dienten si den vrowen mit.
für wâr ich iu daz sagen wil,
geturnirt war des summers vil
in den landen dort und hie,
der ich verfaz ze war einen nie.

.. ein reisenote sie bliesen.
       Parzival 63,9

Nichts Schönres auf Erden als tapfre Gefährten
Auf tapferen Pferden und mannliches Ziel;
Als ritterlich Reisen mit klangvollen Weisen,
Wo Waffen von Eisen erklirren zum Spiel!
Turney ist verkündet
Und Rennlust entzündet,
Nun ziehn wir verbündet
Der friedlichen Wahlstatt mit Paukenschall zu.

Nun schimmern die blanken Stechhelme, von schwanken
Zimierden und Ranken und Büschen umweht;
Nun blinken die Schilde weit übers Gefilde,
Mit Wappen und Bilde und Kleinod besät:
Hier Balken und Streifen,
Dort Löwen und Greifen
Mit zackigen Schweifen,
Hei Gickel und Henne, dort Drache und Aar! man sah dâ wunder gogelen
von tieren und von vogelen
ûf manegem helme veste,
boum, zwî oder ir este
mit koste geflôrieret.


Willehalm IX. 403, 23.

Wer adlig geboren zum Heerschild geschworen,
Der hat sich erkoren viel Mühsal und Pein,
Darf selten nur rasten, muß kämpfend sich hasten
Und hungern und fasten und tugendlich sein;
Muß Staubes viel schlucken
Und, ohne zu ducken,
Mit Mannheit zudrucken,
Wenn Speer wider Speer zu Tjoste sich neigt.

Das Schildamt gibt Ehre – und kost' es auch sehre,
Kein Sieg ohne Schwere und Schwertschwang und Schweiß!
Verzärtelte Kinde und schwächlich Gesinde
Zerstieben im Winde bei Stoß und Puneiz;
Doch froh, wie beim Feste
Tanzreigender Gäste,
Ringt stechend ums Beste,
Wer kühn unter Helme um Ritterlob wirbt.

Ihr Rosen der Auen, Jungfrauen und Frauen,
Bald geht's an ein Schauen vom hohen Altan!
Ihr sollt uns mit Grüßen das Kampfwerk durchsüßen,
Wenn wir euch zu Füßen aufwirbeln die Bahn,
Und sollt nicht erzittern,
Wenn bis zu den Gittern
Des Palas die Splittern
Zerbrechender Schäfte aufschnurren mit Macht.

All si begerten ritterschaft,
man möcht wol brüffen mannes craft.
mang helm verbunden wart ze hant
und sper genomen in ir hant.
miner trü, kumber wart do vil
vertriben mit ritterlichem spil
ainer vertwiercht, der ander verstach
daz dü trumsel in das tach
uff snurtan und rusten
daz den frowen darob grusten
die sassen an den walken ...

(v. Lassberg) Liedersaal II CXXV. 261.

kalopieren vergl. Willehalm I, 32, 10 ..

die man do komende vant
mit ritterlichem kalopeiz

faylieren vergl. Willehalm II. 87, 34:
da wart faylieren gar vermiten
und bêdiu sper entzwei geriten.

pungieren vergl. Willehalm I. 34, 8 und I. 35, 2.

Im Stirnreif von Golde erscheint eine Holde,
Der dien' ich zu Solde mit Lanze und Schwert,
Mir hat die Vielreine, als wär' sie von Steine,
Zeitlebens noch keine Erbarmung gewährt ...
Doch werden mit Tosen
Auf mir die vielgroßen
Gerstangen zerstoßen,
So muß auch ein Steinherz in Rührung zergehn.

Drum müht sich mein Sinnen, Turnierdank und Minnen
Von ihr zu gewinnen im selben Tjost,
Bald wird sich's entscheiden, wenn nach dem Durchschneiden
Der Seile mit Streiten der Buhurt ertost.
Dann heißt's: kalopieret
Und nimmer faylieret
Und kräftig pungieret!...
... Sand küssen muß jeder, der wider mich stapft!

Nachtlied.

Das ist die Nacht, die finstre Nacht im Walde,
Die mich umhüllt auf weltverborgnem Ritt.
Wie anders tönt der Windstoß längs der Halde,
Wie anders, denn am Tag, des Rosses Tritt!
Schwarzdunkel liegt der Berg. Nur in den Zweigen
Spielt da und dort ein matt unsicher Licht...
Ist's Mondenschein? ist's mitternächt'ger Reigen?
... Vorwärts, mein Roß, und sträub die Mähne nicht!

Furcht kenn' ich nicht; doch kalt unheimlich Grauen
Hat sich der Seele wie ein Alp genaht,
Und nimmer, nimmer möcht' ich rückwärts schauen,
Denn fremde Geister spür' ich um den Pfad:
Als woll' empor aus Stein und Kluft sich ringen,
Was lang dem Licht entrückt ist und verwest.
»Strebt ihr, auch mich vom Roß herabzuzwingen?
Laßt ab, ich weiß kein Wort, das euch erlöst!«

Was von dem Tag sein Leben froh empfangen,
Hält sich geduckt im Busch und schläft und träumt;
Der Schöpfung heller Geist, ich fühl's mit Bangen,
Hat dunklerer Gewalt den Platz geräumt.
Mein eigen Herz, samt dem, was ich jetzt denke, »Wahtaer ich bin komen
ûf genâde her ze dir,
nû gip mir rât: wie stât ez umb die vrouwen min?«
»»Ich hân vernomen, -
wer sprichet hie ze mir?
bistû'z der liebste man? du kanst ein teil ze lange sin.««
»Ja ich bin, den dû dâ hôhe enphâhen solt.
ich was dir ie mit ganzen triuwen rehte holt.
nu sage mîner frouwen, daz ich hie bin;
sie ist sô guot, sie lât mich in.«


Otto von Botenlauben, herausgegeben von Bechstein: Buch der Lieder Nr. 9.
Hielt es die Probe in der Sonne Licht??
... Dort winkt der Turm, dem ich entgegenlenke,
Vorwärts, mein Roß, und sträub die Mähne nicht!

Dem Landgrafen Hermann den Parzival überreichend.

Durch San Martes Leben und Dichten Wolframs von Eschenbach und die neueren eingehenden Erörterungen in H. Kurz, Geschichte der deutschen Literatur I. 357, ff. und H. Holland, Geschichte der altdeutschen Dichtkunst in Bayern von 109 u. ff. ist die Charakterisierung dieses besten Freundes der Frau Aventiure, der dereinst ebenso tapfer als Ritter auf den Feind wie als Dichter auf den Genius der deutschen Sprache einstürmte, in den Hauptzügen festgestellt. Seine eigenen Aeußeruugen über seine gänzliche Unkunde der Buchstaben und dessen, »was an den Büchern steht geschrieben« (Parzival 115, 27 und Willehalm 2, 18) geben der Literaturgeschichte das merkwürdige und einzige Problem zu erörtern, daß eines ihrer bedeutsamsten Bücher einem Schriftsteller seine Entstehung verdanken soll, der weder lesen noch schreiben konnte.

Die Gelehrten werden daher über die Art und Weise seines Dichtens noch immer von verschiedenen Ansichten beunruhigt. Man fragt, ob es möglich sei, ohne selbst Feder oder Griffel zu handhaben, ein ganzes Epos im Kopf fertig zu bringen; man hat Bedenken, ob Herr Wolfram reich genug war, einen gebildeten Knappen oder sonst einen Schreiber zu besolden, und kommt, weil eines solchen von ihm keine Erwähnung geschieht, zur Ansicht, er möge doch wohl selbst schreibverständig gewesen sein, wobei der Phantasie überlassen wird, sich seinen ritterlichen Hausbuchstaben« mehr oder minder grob vorzustellen. Die Frage ist eine technische. Wolframs wiederkehrendes mit ritterlichem Selbstgefühl abgelegtes Bekenntnis, ein Illiteratus zu sein, gestattet kaum, diese Tatsache in Zweifel zu ziehen. Wenn der Parzival ganz seine eigene Schöpfung wäre, so würde eine solche allerdings sehr viel Begabung und sehr viel in Diktierproben verdorbenes Pergament voraussetzen, denn ein mit so stattlichem »Wurf gespieltes« und sprachlich so durchgebildetes Epos springt nicht wie eine Pallas gewaffnet und fertig aus des Urhebers Haupt, sondern muß eine Reihe von innerlichen und äußerlichen Umarbeitungen und Besserungen durchlaufen, die schwerlich zu ermöglichen sind, wenn der Finder der Märe seine Worte einem fremden Schreiber anvertrauen muß und nicht selbst, die Feder in der Hand, täglich und stündlich daran feilen kann.

Anders aber verhält sich die Technik bei der Arbeit des Uebersetzers. Der Parzival ist kein deutsches Originalwerk, sondern ein französisches, bald wörtlich, bald frei und eigentümlich von Wolfram in das Deutsche übersetzt. So unangenehm es für diejenigen Literaturhistoriker sein mag, welche in staunenden Betrachtungen über den psychischen Reichtum seiner Erfindung Herrn Wolfram zu einer überschwenglichen Höhe des Ruhmes emporphantasiert haben: Lob und Tadel nach dieser Richtung gebührt nicht ihm, sondern dem Meister Crestiens von Troyes und – in welchem Maß ist noch nicht haarscharf abzugrenzen – dem andern französischen Bearbeiter, Guiot von Provins.

Ein Uebersetzer, der das Epos schon als ein fertiges vorfindet, dem die psychologischen Kämpfe der Gewinnung und Aneignung des geschichtlichen Stoffes, der rhythmischen Formung und Umformung, und alle jene Mühen, die das künstlerische Schaffen oft zu einem von Dämonen geplagten machen, wenig Schmerz mehr verursachen, kann, wenn die Gabe, den Reim zu finden, vorhanden ist und der Sinn des zu Uebersetzenden wohl interpretiert vorliegt, mit Schreibern, denen er diktiert, besser und schneller arbeiten, als selbst schreibend: er läßt sich – um etwas handwerksmäßig zu reden – sein täglich Pensum vorlesen, wandelt auf und nieder, überträgt Zeile um Zeile in gereimtes Deutsch, flicht, wenn er wie Wolfram selbst ein feines, satirebegabtes Talent ist, eigene Bemerkungen mehr oder minder geschickt ein, diktiert's und fährt am andern Tag mühelos da fort, wo er tags vorher stehen geblieben. Schwerlich in viel anderer Weise wird der Parzival entstanden sein.

»Dex vos saut, fait il, bele amie«

steht in Meister Crestiens Buch zu lesen.

»iedoch sprach er, get huete din«

in Wolframs Parzival.

Vergl. A. Rocha in F. Pfeiffers Germania, Stuttgart 1858, S. 57.

In solcher Weise wurde im XIV. Jahrhundert, nachdem die französischen Erzähler der Geschichten vom Gral an Manessier einen Ergänzer gefunden hatten, dem Werke Wolframs ein zweiter Teil zugefügt, dessen Entstehung zugleich ein klärendes Licht auf die des ersten werfen mag.

Des edlen Herrn Ulrich von Rappoltstein Geschlecht war Träger eines Lehens über die fahrenden Leute im Elsaß, dessen Grenze bis an den Hagenauer Forst lief. Dies und ritterliche Freude an Minne und Milde mag den reichen Freiherrn bewogen haben, sich als Beschützer der Dichtkunst das Werk Manessiers verdeutschen zu lassen. Im Jahr 1331 rückte zu diesem Behuf mit Manessiers französischem Buche nachfolgend verzeichnete, aus fünf, sage fünf Personen bestehende Gesellschaft bei ihm ein: 1) zwei Dichter, Claus Wisse und Philipp Kolin, Goldschmied von Straßburg; 2) ein Dolmetsch, Sampson Pine, ein Jude, 3) zwei Schreiber, Henselin der junge und der von Ohnheim, ein alter. Die beiden Dichter waren weder des Französischen noch des Schreibens kundig; als Aufgabe des Sampson Pine bezeichnen sie

»was wir zu rimen hant bereit
do het er uns daz tutzsch gefeilt
von den oventuren allen gar.«

Dieses fahrende Volk, dessen Verpflegung manches Stückfaß elsäßischen Weines verschlungen haben mag, beeilte sich nicht allzusehr und überreichte erst im Jahre 1336 die vollendete, mit manchem Korrekturstreiflein überklebte, aber als stattlicher Foliant geschriebene Arbeit, von der sie bemerken: »und allez daz hie nach geschriben stat, daz ist ouch Parzefal« ihrem Schirmherrn, dabei ihn launig über die Kosten tröstend, die sie selber auf 200 Pfund anschlugen. Vergl. Uhland in Schreibers Taschenbuch für Geschichte und Altertum in Süddeutschland II. 259.

Swaz an den buochen stêt geschriben
des bin ich künstelôs beliben.
niht anders ich gelêret bin:
wan hân ich kunst, die gît mir sin.

       Willehalm 2, 18.

Ein redlich Werk, mit dem ich lang gerungen.
Steht, dank dem Herrn, vollbracht in Würdigkeit:
Von Parzivals, des ritterlichen, jungen,
Prüfung und Fahrt zum Gral bring' ich Bescheid;
Auch Gamuret, des Vaters Minneflamme,
Des Herrn Gawân Tiost und süße Zucht
Und was vom Anschewîner Fürstenstamme,
Die Cronica von Anschou Wunders bucht:
        Viel wilden Fund aus König Artus' Tagen,
        Hat Findersglück und Fleiß mir zugetragen.

Erst hat versucht, die reiche Mär zu künden,
Von Troys der wackre Meister Kristian,
Viel ward, das Rauhe sorglich abzuründen,
Durch Kyot von Provins dazugetan; Ob von Troys Cristjân
diesem maere hât unreht getân,
daz mac wol zürnen Kyôt
der uns diu rehten maere enbôt.
Nun lehrt's, ein goldner Kern in goldner Schale,
Wie Zweifel und Unstätheit irre führt,
Und wie nur der geläutert naht dem Grale,
Der Stäte sich als Lebensmaß erkürt;
        Des eignen Herzens rätseldunkle Ziele
        Entwirren sich im höfisch bunten Spiele.

Gewoben hab' ich um die welschen Mären
Der Heimatsprache ehern Klanggewand
Und hoffe, daß sie preislich sich bewähren,
Nicht nur als neugierstillend leichten Tand.
Als wie ein Schmied, der eine Brünne wirket,
Fest Draht zu Draht und Ring zu Ringe biegt,
Hab' ich den Reim gemessen und gezirket,
Daß sein Geflecht wie Kettenhemd sich schmiegt,
        Und wie ein Schmied errang ich des Gedichtes
        Glattformung nur im Schweiß des Angesichtes.

Nun ist's getan. In Demut möcht' ich lachen,
Daß ich, ein künsteloser Rittermann,
Furchtlos vermaß, solch großes Buch zu machen,
Und selbst kaum einen Buchstab malen kann...
Doch, wer alsbald mit fühlendem Erfassen
Das Lied, das ihm die fremde Zunge singt,
Versteht in eignes Wortgefühl zu passen,
Denn wie von selbst der Reim entgegen springt,
        Der kann als Laie Meisterschaft besitzen,
        Weiß er auch keinen Gänsestiel zu spitzen.

Dank zoll' ich den geduldigen Scholaren,
Die mir gedient als helfend Schreibgesind,
Und dir, Wohlredende mit krausen Haaren,
Jungfräulein Alix, höfisch feines Kind. Tout droit à celui temps que je si vous devis,
avoit une coustume eus nel Tyois païs
que tout li gran seignor, li conte et li marchis
avoient entour aus gent franzois tous-dis
pour aprendre franzois leur filles et leur fils.


Wolf, Altfranzösische Heldengedichte 1833 p. 45.
Bei Schildesamt, Heerfahren und Soldieren
Kam mein Französisch nie in guten Stand,
War auch, daß man »Herbergen« heißt »Loschieren«
Und andres mehr der Sprache mir bekannt,
        Du lehrtest mich, streng wie ein alter Weiser,
        Die Wortfeinheit und Zucht der Tschampâneyser. herbergen ist loschiren genant
sô vil hân ich der sprâche erkant.
ein ungefüeger Tchampâneys
kunde vil baz franzeys
dann ich, zwiech franzoys spreche.


Willehalm 237.

O Schaffelust, wenn wir in Frühlingstagen,
Selbviert im Burggärtlein uns eingeheckt,
Vor uns die Mären Kyots aufgeschlagen,
Ein Mauertisch als Schreibtischlein gedeckt:
Dolmetschend las die Maid uns Zeil' um Zeile,
Und translatierend schritt ich auf und ab,
Bis ich, bald schnell, bald nach sorgsamer Feile
Den deutschen Reim den Schreibgesellen gab.
        Die lauerten und kicherten im Moose
        Und schrieben ihn, umblüht von wilder Rose.

Um Frauendank bracht ich mein Werk zu Ende,
Als Lohn genügte mir ein süßes Wort,
Heut reich' ich es als ehrfurchtsvolle Spende
Dir, Landgraf Hermann, der Gesangkunst Hort!
Du weißt, daß ich bei Fiedeln und Floitieren
Des Amts, den Speer zu führen, nie vergaß
Und, riefen mich Posaunen zum Turnieren,
Riefst du zum Streit, stets fest im Sattel saß.
        Als Erfurts Gärten unter Hufgestampfe
        Zertreten wurden, stund ich frank im Kampfe. Erffurter wîngarte giht
von treten noch der selben nôt:
maneg ores fuoz die slâge bôt.

Parzival 379, 18.

So nimm denn heut, da wir nicht unter Schilde
Austraben müssen, mild mein Buch zur Hand;
Vielleicht daß es mit manchem bunten Bilde
Erinnerung verklärter Zeit dich mahnt...
Wir neiden dich um jene goldne Jugend,
Da als den Seinen dich Paris verehrt,
Da König Ludwigs Hof dich Rittertugend,
Sankt Victors Schule Weltweisheit gelehrt. Das Empfehlungsschreiben, mit welchem Landgraf Ludwig der Eiserne im Jahre 1162 seine Söhne dem Lönig Ludwig VII. von Frankreich zu ihrer Ausbildung nach Paris übersandte, lautet:

Regi Franciae, Ludovicus Dei gratia Landgravius devotum servitium cum sincera dilectione. Quod hactenus nullam vestri notitiam habuimus, satis moleste sentimus, super quod Maiestati vestrae deinceps servitiis nostris tam iocosis quam seriis notificare volumus, et vestrae voluntati super omnima respondere cupimus. Filios enim meos omnes literas discere proposui, ut qui maioris ingenii nec non maioris inter eos notaretur discretionis, in studio perseveraret. Ex his vero duos ad praesens nobilitati vestrae mittere proposui, ut vestro iuvamine nec non vestra defensione Parisiis stabilius possent locari. Ita tamen, ut salva pace vestra, pro discordia quae est inter Vos et Imperatorem, hoc secure peragere possim. Sicut enim absque medio hamus et capit et capitur, tali modo scimus, quod quid-quid super hoc nobis mandaveritis, illud omni dubio remote aggredi audemus, quia hoc non immutabitis.

Falkenstein, Thüringische Chronica II. 648.
        Der Bart ergraute... doch Gesang zu lieben,
        Ist dir als Erbteil jener Zeit geblieben.

Vielleicht daß dort dir auch des Grals Geschichten
Die Dame der Champagne einst erzählt,
Marie von Frankreich, die mit süßem Dichten
Die Sagen der Bretonen neu beseelt. E dame Marie autressi,
ki en ryme fist e basti
e composa les vers de lays,
ki ne sunt pas de tut verais,
si en est ele mult loée
e la ryme par tut amée
kar mult l'aiment si l'unt mult cher
cunte, barum et chivaler
e si en aiment mult l'escrit,
lire le funt si unt delit
et si les funt sovent retreire.
Ses lays solent as sovent pleire
de joie les oient e de gré
qui'il sunt sulum lor volenté.

Denys Pyramus.
– Vergl. Marie de France, poetische Erzählungen nach altbretonischen Liebessagen, übersetzt von W. Hertz. Stuttgart 1862. pag. XVI.
Du hast manch eine Truhe wohlbeschlagen
Dir damals aus der Ferne heimgebracht,
Dran die Frau Mutter wenig Wohlbehagen
Kundgab und schalt, als man sie aufgemacht:
        »Ein Lied... noch eins... und aber eins... und wieder:
        Eiei, Herr Sohn, nur Fabliaux und Lieder!«

Ich seh' dich lächeln. Aus metallnen Decken
Entfaltest du ein stattlich Pergament,
Von Goldgrundbildern schimmern Rand und Ecken,
Du aber sprichst, was lang mein Herz ersehnt:
»Mög' deinem Parzival die Ruhe frommen,
Biderbem Sänger ziemt die Ruhe nicht,
Ein neues Lied ist uns aus Frankreich kommen,
Das schwertscharf Bahn sich durch die Heiden bricht:
        Uns freut der Völkerschlacht Getös' und Galm,
        Nimm hin – und wend Uns deutsch den Willehalm!« antgrâf von Dürngen Herman
tet mir diz maer von im bekant,
er ist en franzoys genant
kuns Gwillâms des Orangis.

Willehalm 3, 8.


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