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Aus den
Biblischen Betrachtungen.

Ich will einige allgemeine Anmerkungen über die göttliche Offenbarung machen, die mir einfallen werden. Gott hat sich geoffenbart, dem Menschen in der Natur und in seinem Wort. Man hat die Ähnlichkeiten und Beziehungen dieser beiden Offenbarungen noch nicht so weit auseinander gesetzt und so deutlich erklärt, noch auf diese Harmonie gedrungen, worin eine gesunde Philosophie sich ein weites Feld öffnen könnte. Beide Offenbarungen müssen auf eine gleiche Art in unzähligen Fällen gegen die größten Einwürfe gerettet werden; beide Offenbarungen erklären, unterstützen sich einander und können sich nicht widersprechen, so sehr es auch die Auslegungen thun mögen, die unsere Vernunft darüber macht. Es ist vielmehr der größte Widerspruch und Mißbrauch derselben, wenn sie sich selbst offenbaren will. Ein Philosoph, welcher, der Vernunft zu gefallen, das göttliche Wort aus den Augen setzt, ist in dem Falle der Juden, die desto hartnäckiger das neue Testament verwerfen, je fester sie an dem alten zu hangen scheinen. An diesen wird die Prophezeihung erfüllt, daß dasjenige ein Aergerniß und eine Thorheit in ihren Augen ist, was zur Bestätigung und zur Erfüllung ihrer übrigen Einsichten dienen sollte. Die Naturkunde und die Geschichte sind die zwei Pfeiler, auf welchen die wahre Religion beruht. Der Unglaube und der Aberglaube gründen sich auf eine seichte Physik und seichte Historie. Die Natur ist so wenig einem blinden Ungefähr oder ewigen Gesetzen unterworfen, als sich alle Begebenheiten durch Charaktere und Staatsgründe aufschließen lassen. Ein Newton wird als Naturkundiger von der weisen Allmacht Gottes, ein Geschichtschreiber von der weisen Regierung Gottes gleich stark gerührt werden.

Gott offenbart sich – der Schöpfer der Welt ist ein Schriftsteller. – Was für ein Schicksal werden seine Bücher erfahren müssen; was für strengen Urtheilen, was für scharfsinnigen Kunstrichtern werden seine Bücher unterworfen seyn? Wie viele armselige Religionsspötter haben ihr täglich Brot von seiner Hand genossen; wie viele starke Geister, wie Herostratus, in der Verwegenheit ihrer Schande eine Unsterblichkeit gesucht, deren Todesangst um eine bessere gefleht hat. – Gott ist gewohnt, seine Weisheit von den Kindern der Welt getadelt zu sehen. Mosis Stab war in keiner Gefahr, ungeachtet ihn die Zauberstäbe der weisen Egyptier umzingelt anzischten. Diese Tausendkünstler waren endlich genöthigt, den Finger Gottes in dem verächtlichsten Ungeziefer zu erkennen und dem Propheten des wahren Gottes auszuweichen. Der Begriff, daß das höchste Wesen selbst die Menschen einer besonderen Offenbarung gewürdigt hat, scheint dem Witzling so fremde und außerordentlich zu seyn, daß er mit Pharao fragt, was dieser Gott haben will, und worin sein Gesuch besteht. Mit diesem Begriff sollte man aber nothwendiger Weise eine Betrachtung derjenigen verbinden, denen diese Offenbarung zu gut geschehen. Gott hat sie Menschen offenbaren wollen; er hat sich durch Menschen offenbart. Er hat die Mittel, diese Offenbarung den Menschen nützlich zu machen, sie für solche einzunehmen, sie unter den Menschen auszubreiten, fortzupflanzen und zu erhalten, auf die Natur der Menschen seiner Weisheit am gemäßesten gründen müssen. Ein Philosoph, der Gott in der Wahl aller dieser Umstände und Wege, in welchen Gott seine Offenbarung hat mittheilen wollen, tadeln und verbessern wollte, würde immer vernünftiger handeln, wenn er seinem Urtheil hierin zu wenig zutraute, damit er nicht Gefahr liefe, wie jener gekrönte Sternkundige das Ptolomäische System oder seine Erklärung des Sternenlaufes für den wahren Himmelsbau anzusehen. Hat Gott sich den Menschen und dem ganzen menschlichen Geschlechte zu offenbaren die Absicht gehabt, so fällt die Thorheit derjenigen desto mehr in die Augen, die einen eingeschränkten Geschmack und ihr eigenes Urtheil zum Probestein des göttlichen Wortes machen wollen. Die Rede ist nicht von einer Offenbarung, die ein Voltaire, ein Bolingbroke, ein Shaftesbury annehmungswerth finden würden; die ihren Vorurtheilen, ihrem Witz, ihren moralischen, politischen und epischen Grillen am meisten ein Genüge thun würde: sondern von einer Entdeckung solcher Wahrheiten, an deren Gewißheit, Glaubwürdigkeit und Wichtigkeit dem ganzen menschlichen Geschlechte gelegen wäre. Leute, die sich Einsicht genug zutrauen, um eines göttlichen Unterrichtes entbehren zu können, würden in jeder anderen Offenbarung Fehler gefunden haben, und haben keine nöthig. Sie sind die Gesunden, die des Arztes nicht bedürfen. Gott hat es unstreitig seiner Weisheit am gemäßesten gefunden, diese nähere Offenbarung seiner selbst erst an einen einzigen Menschen, hierauf an sein Geschlecht und endlich an ein besonderes Volk zu binden, ehe er erlauben wollte, selbige allgemeiner zu machen. Die Gründe dieser Wahl lassen sich ebenso wenig von uns erforschen, als warum es ihm gefallen, in sechs Tagen zu schaffen, was sein Wille eben so füglich in einem einzigen Zeitpunkte hätte wirklich machen können. Ferner, Gott hat sich so viel möglich bequemt und zu der Menschen Neigungen und Begriffen, ja selbst Vorurtheilen und Schwachheiten herunter gelassen. Dieses vorzügliche Merkmal seiner Menschenliebe, davon die heilige Schrift voll ist, dient den schwachen Köpfen zum Spott, die eine menschliche Weisheit oder eine Genugthuung ihrer Neugierde, ihres Vorwitzes, eine Uebereinstimmung mit dem Geschmack der Zeit, in der sie leben, oder der Seite, zu der sie sich bekennen, im göttlichen Worte zum Voraus setzen. Kein Wunder, wenn sie in ihrer Vorstellung sich hintergangen sehen und wenn der Geist der Schrift mit eben der Gleichgültigkeit zurückgewiesen wird, ja wenn dieser Geist eben so stumm und unnütz scheint, als der Heiland dem Herodes, der ihn, ungeachtet seiner großen Neugierde und Erwartung zu sehen, mit mehr als Kaltsinn zu Pilatus bald zurückschickte. Wer sollte sich einbilden, daß man in den Büchern Mosis eine Geschichte der Welt hat suchen wollen? Viele scheinen ihn bloß deswegen zu lästern, daß er ihnen nicht Mittel giebt, die Fabeln eines Herodotus zu erklären, zu ergänzen oder zu widerlegen. Wie lächerlich, wie unglaublich würde ihnen vielleicht die Geschichte der alten Welt vorkommen, wenn wir sie so vollkommen hätten, als sie selbige wünschen.


Alle Werke Gottes sind Zeichen und Ausdrücke seiner Eigenschaften; und so ist die körperliche Natur ein Ausdruck, ein Gleichniß der Geisterwelt.


Was ist Religion Anderes, als die lautere, gesunde Vernunft, die durch den Sündenfall erstickt und verwildert ist, und die der Geist Gottes, nachdem er das Unkraut ausgerottet, den Boden zubereitet und zum Samen des Himmels wieder gereinigt hat, in uns zu pflanzen und wieder herzustellen sucht? – Ferner wie die Welt die sinnliche Offenbarung der Herrlichkeit Gottes ist, so ist der Mensch, die Krone der Schöpfung, zum Bilde Gottes geschaffen; und wie die Körperwelt ein Ausdruck der Geisterwelt, so drückt der Körper des Menschen die Natur des Geistes aus. Das menschliche Leben scheint daher in einer Reihe symbolischer Handlungen zu bestehen, durch welche unsere Seele ihre unsichtbare Natur zu offenbaren fähig ist, und eine anschauende Erkenntniß ihres wirksamen Daseyns außer sich hervorbringt und mittheilt. – Wir erkennen sonach den Unsichtbaren in der Natur nur durch seine Zeichen, die wir auffassen in unsern Sinnen; und eben so offenbart sich unsere gottähnliche Natur durch die Fähigkeit des Geistes, in die Natur kräftig einzuwirken. – Wie aber Geist und Körper zum vollkommenen Wirken nothwendig sind, so ist auch Vernunft nicht von der Erfahrung zu trennen in der Philosophie. Ohne Wort keine Vernunft, keine Welt. Erforschung und Offenbarung sind einerlei und unentbehrliche Flügel und Krücken unserer Vernunft, wenn sie nicht lahm hinken und kriechen soll. Sinne und Geschichte sind das Fundament und der Boden – jene mögen noch so trügen und diese noch so einseitig seyn.


Gott, Natur und Vernunft haben eine so innige Beziehung auf einander, wie Licht, Auge und Alles, was jenes diesem offenbaret, oder wie Mittelpunkt, Radius und Peripherie jedes gegebenen Zirkels, oder wie Autor, Buch und Leser.



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