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Die Emancipation der Pferde.

Eine Vision des kranken Doctor Seligo, des Sohnes.

(Aus der Novelle »Die Lebensversicherung«, 1832.)

In Wahrheit recht achtbare Dampf-Kutschen-Gesellschaft!

»In Wahrheit recht achtbar« zu sagen, erheischt der hochlöbliche Unterschied zwischen Ew. Ew. etc. Dampfkutschengesellschaft, und der Dampfschiffgesellschaft zum Besten der Griechen. Zwar als ein Unbekannter, hinter dem, wie hinter allem Unbekannten, die größte Weisheit oder die größte Narrheit stecken kann, darf ich dennoch so viel hoffen, daß ich unter dem Ausdrucke »Dampfkutschengesellschaft« nicht gerade eine unvernünftige Elephantengesellschaft oder Reihe von Dampfkutschen will gemeint haben, sondern den Verstand, die Physik, die Mathematik und Maschinenlehre, die Pferde- und Menschenliebe, die sichtbar an der Erde auf rasselnden Rädern dahin fahren! Aber sogar auch so dumpf und unbegreiflich angesehn, wie es Maulthiere, Ochsen, vor allen die Pferde, die Pferde nicht ansehen sollten: Heuwagen-Pferde, brabanter schwarze Bierbrauer-Pferde, Steinkohlenwagen-Pferde, im Staub erblindete Fuhrmanns-Pferde, Stromauf-Schiffziehpferde, Acker-, Kanonen- und vornehme Herrn-Pferde, Familienwagen-, schwere, bauerhausgroße Postwagen- und alte schwere Rumpelkasten von Stadtspritzen-Pferde – so bleibt eine solche wahre fahrende Dampfwagengesellschaft von gleichsam an einander geketteten 21-24 Personen, auf der Straße dahin rauchend, ein dankbarer Anblick. Ich will auch nicht verschweigen, wie gut es ist, daß es alle anderen Thiere, viel weniger die Mohren-, Caffee- und Zucker-Sclaven nicht einsehen und ausdrücken können, welche Verdienste sich Eine achtbare Dampfkutschengesellschaft um die ganze Roßheit erwirbt! Denn diese Nacht war ich in Irland, und näher bezeichnet, auf dem Felde, auf welchem die unabsehbare Schaar Emancipations-Männer, Weiber und Pfaffen sich jüngst versammelt. Im hellsten Mondenschein sah ich jetzt das Gefild voll emancipirter Kutschpferde – oder ihre Geister alle, Schimmel- und Schecken-Geister, oder Braune- und Rappen-Seelen versammelt.

Ich frug einen neben mir haltenden Stachelschimmel, welches der Zweck der Versammlung so adliger Thiere sey? – Ja wohl, Sir, adlig! versetzte der Stachelschimmel; denn Wir werden nun auch Freiherrn, Freifrauen und Freifräulein seyn, oder wenn Sie als Mensch es lieber humaner ausdrücken wollen: Freihengste u. s. w. – und auch Nichts thun, als – wohlfeile Gerste, Hafer und Bohnen wünschen, damit noch ein Unterschied zwischen uns und Jenen – Voll-Blütigen sey, die das Getreide theuer wünschen. Sie sehen, Sir, uns versammelt, um den edlen Pferdeerlösern: den recht Pferdeachtbaren Herren Perkins, desgleichen den Pferdefreiheit und Adel schätzenden Herren Gurney, und den alle Kutscher und Peitschen, Striegel und Schweifeisen, beinahe wie aus reiner Pferdeseele hassenden Herrn Williams, so wie dem Lieutenant Skene, der das famose Dampfkutschen-Rad erfunden – Jedem eine besondere Dankadresse zu votiren. Dort auf dem Hügel um die Rednerbühne – eine große Hafertonne – ist »der Ausschuß« vereinigt, aber, Sir, nicht etwa ausrangirte marode Cavillerhäute, sondern die feurigsten, dankbarsten Seelen! Ich war zum Sprecher vorgeschlagen, aber meine Zunge hat durch die stachlichte türkische Zäumung zu sehr gelitten – da ich einer dicken alten furchtsamen Dame dienstbarer Geist war – denn, Sir, ich bin ein Zungenstrecker! Dabei sahe mich der Stachelschimmel mit einem feurigen Auge an; – ich bedauerte; er aber lächelte: das Andre ist mir mit der Peitsche blind gehauen. Ich bedauerte noch mehr; er aber versetzte: das ist ja nun gut, man kann auch die Freiheit mit Einem Auge sehen – und er lachte furchtbar wie Gewieher, bis er niesen mußte. Ich bot ihm meine Dose mit Spagniol; aber er meinte: wenn ich die Melonenscheiben dazu hätte! und dankte verbindlich.

Jetzt ward allgemeines Schweigen. Der Redner, ein milchweißer Hengst, trat auf den Hafersack, und verbreitete sich über die unzähligen Leiden der Wagenpferde, von Achills und Rhesus Rossen an, die Quadrigen und abscheulichen alten Römischen, Deutschen und Spanischen Straßen berührend und verachtend, ja beweinend, wie Achills Rosse geweint. Siehe, da weinten die Stuten alle zuerst – als die weichsten weiblichen Gemüther – die Thränen steckten Hengste und Wallachen, Langschweife-Türken und Kurzschweife-Engländer an, die Rührung war allgemein, ja einige alte Stuten schluchzten laut. Das war die Folie zur Freude. Denn nun erklärte der milchweiße Sprecher auf dem Hafersacke der Versammlung, wie sehr sie vor allen ihrem Schöpfer, dem Gott Neptunus, verpflichtet sey, der zwar überhaupt in England herrsche und mit seinem Dreizack es machtvoll beschütze – aber vorzüglich um seiner Kinder, der Pferde wegen. Er pries die Schlauheit des Gottes, der ihr Schicksal so heimlich als sicher gelenkt, und weit besser, als irgend ein Kutscher, der je auf dem Bocke eine Perrücke von Ziegenhaaren getragen. Denn, sprach er im Flusse der Rede: wie die Freiheit der Einen wider Willen der Andern entsteht, das ist noch in keines Pferdes Kopf gekommen, und ich Weißgeborner kann und will es euch sagen, denn meine Ahnen waren Orakel des Gottes Swantewit. Nämlich: die Amerikaner befreiten sich von den Spaniern unwissend durch das Pferd im Collectivo, Plurali, ja in der Vermehrzahl, welches die stolzen Eroberer einst – unwissend, was sie thaten – fast im Singulari oder Duali dahin gebracht, und welches damals der Eingeborne-Wilde fast göttlich verehrte – gleichfalls unwissend was er that. Jetzt aber wissen wir Pferde: warum? Denn das Pferd bedankte sich für die unabsehlichen fetten Triften durch seine Siege bei Carabobo und in der Pampa Ayacucha, ebenfalls unwissend was es that. Der Amerikaner bedankte sich aber bei dem Pferde, unwissend schon längst im Voraus wie die Anderen Alle, durch die Erfindung oder Ausführung der Dampfmaschine. O Deus ex machina! oder: O Machina ex Deo! scilicet Neptuno! Denn der Gott des Wassers ist auch der Gott des Sohnes des Wassers, oder des Dampfes. So weit war unsere Emancipation von ihm eingefädelt! Und wie die Dampfmaschinen die Hände der Armen von Arbeit befreiten, so befreiten sie unsere Beine vom Dienst. Und mehr als eigentlich Beine sind wir ja nicht, wie die Armen nichts mehr als Arme. Denn was ohne ein Ding Nichts ist, das ist mit dem Dinge Alles. Aber jetzt hört! hört! was ihr schon wißt und freiwillig gethan habt. Nämlich: wir Irländer-Pferde konnten gerechter Weise keine größere Freiheit verlangen, als die Engländer selber genießen. Da Ihnen nun das Prämunire oder Vorbauen gegen Unterbauen Fundamentalgesetz ist und bleiben wird, so konnten wir ja dieß apage Satanas – nämlich, daß uns, wie man sagt, nicht der Teufel soll reiten, mit Freuden geloben, um sogleich emancipirte, das heißt dann sogleich und auf ewig glückliche Pferde zu seyn. Ohne dieses Fundamental-Gesetz würden wir ja freier seyn, als die Engländer selber – quod non datur! und durch dieses bloße Apage sind wir freie Irländer, ja sogar Engländer zu nennen, versteht sich, wenn wir keine Langschweife sind. Doch dieß »bei Seite« wie im Theater.

Nun setzte er den, in keiner Schule gewesenen, Mitgliedern der Versammlung den Werth und die Folgen der Dampfkutschen und Gas-vacuum Wagen – aus einander, und wie Flamminius den Griechen, erklärte er den Rossen darauf und dadurch nun die Freiheit. Und wie dort von dem Freudengeschrei der von den Römischen lange in Sklaverei gehaltenen Griechen die Vögel, erschreckt und betäubt, aus der Luft gefallen, so dachte ich: Nachtgewölke und Mond müßten nur grade herunter fallen von dem Pferde-Freiheitsgeschrei, das in ein gellendes Gewieher überging und einartete. Ja ich will nicht verbürgen, daß nicht ein Stall-Beben dabei statt gefunden, wenn die Erde nicht von dem Gestampfe der Quadrupeden erbebte, die den – putrem, den Staub, bis zum Himmel wirbelten.

Auch war es wirklich sehr hübsch von den Pferden, daß sie gleich versöhnt durch das Gute, und ohne Rache, den armen Irländern wohlfeileres Hafer- und Gerstenbrot verhießen – wenn sie, die Pferde, nun wahrscheinlich lieber würden auf die unermeßlichen grünen Wiesen von Amerika deportirt werden, wo sie als Pferde kaum Ställe brauchten und kein sonstiges Geräth, als gleich gutes Gebiß zum Beißen in das grüne Gras, in das sie so lange ganz anders gebissen!

Beschlossen aber ward: etwa ein Regiment ächte Cavallerie à pied – ohne Reiter – im Gegensatz von sonstigen Reitern mit Spornen ohne Pferde, auszusenden: um, wie Wölfe alle Kutschen, Fuhr- und Lastwagen, Spritzen, Postwagen, Steinkohlen- und Bierwagen, auch Canonen- und Pulverkarren zu zerschlagen, und sogleich allen Menschenherrn und Kutschern den Gehorsam aufzusagen.

Ich erschrak über die Selbsthülfe – da ich als Arzt höchst legitim über alles Selbstcuriren, und alle Bücher, die das lehren, denke, da sie nur Pfuscher, Krüppel und Unglückliche machen, um ein Paar Pfund Honorar für das Buch, das nicht genug detestirt werden kann. Aber zurück zu den Pferden! Nach Votirung der Dankadresse, die ohne alle Discussion durchging, stimmten die nunmehr edlen Freiherrn, Freifrauen und Freijunker und Fräulein in den ausgebrachten Toast »die hochachtbare Dampf- und Gas-vacuum-Wagen-Gesellschaft, von nun an auf immer! – Auf immer Perkins! Auf immer Vallance mit seiner meilenlangen Luftpumpe! Auf immer Gurney! auf immer Williams! – ams – ams – ams!« – scholl es gewaltig, so, daß ich auf lange ganz taub davon war. Daher mußte mir der freudetrunkene Nachbar Stachelschimmel zweimal – das letzte Mal für Menschenohren fast etwas zu schreckhaft sagen: daß er mit einer Deputation von etwa hundert Subjecten Ew. Ew. die votirte Dankadresse zu überbringen beehrt sey, und zwar Morgen.

 

Dann war Ball, welcher mit einer unendlichen Polonoise à la Kosziusko eröffnet ward, wobei die Damen gewechselt wurden, damit alle Herren sie Alle einzeln eine Minute kennen lernten, sie bei ihren Namen, Jenny, Betty, Isabella, Aspasia, Roxelane, Clarissa, Mara, Catalani – und den tausend gefeierten Namen zu nennen vermochten, durch deren Tragung sie jene berühmten und schönen Frauen geehrt. Die Junker und Fräulein Fohlen zirkelten hinterdrein und constituirten dann einen eigenen Pferde-Kinderball, wie auf den so nützlichen nachahmungswerthen, und hier so effectvoll nachgeahmten – Kinderbällen, wobei die Fohlen beiderlei Geschlechtes sogar, trotz ihrer Pferdenatur, einigen Husten und Schnupfen bekamen, und wahrscheinlich in Drusen, ja Brustkrankheiten verfallen können, ob sie gleich in natürlichen Pelzen warm angezogen gingen, oder auf allen Vieren sprangen, und weder Whisk, Nykus, auf Eis gestellten Champagner – selbst nicht ein so gefährliches, sogar tödtliches Glas Wein, noch Blättergebacknes dabei an die Pferde-Kinder Tänzer kredenzt ward, wie ich versichern kann. Ich hätte es auch als Arzt nicht gelitten! Denn ich weiß die Gesundheit bei allen zu schützen, am meisten eine Pferdegesundheit!

Noch mehr erschrak ich vor dem rasenden Gedanken, einen homöopathischen Punsch zu machen! Denn der bei den factisch emancipirten Pferden sogleich als Consul angestellte Lord aus dem Jokey-Clubb führte die Gesellschaft nämlich mitten auf den großen See an der Haide. Er preßte den Saft einer Citrone hinein, versenkte ein halb Pfund Zucker, goß eine Kanne Clairet in die Wellen, den Sud von einem Loth Thee, schüttete ein halb Quent Muskate, sehr wenig gerieben, dazu, rührte das Ganze nur zwei, drei Mal mit der Ruderschaufel als Spatel hin und her, um den Weinpunsch nicht zu furchtbar stark durch Rühren zu machen, und der Göttertrank war fertig, und ward nun dampfend mit Eimern geschöpft. Der Erfolg war eclatant. Denn die bisher als müßige Zuschauer versammelten anderen Thiere alle, stumm vor Neid über die Freiheit der Pferde, die nun zwar nicht zu Staatsämtern gelangen, aber auch nicht mehr um fünf Pfund Sterling jedem Irländer weggekauft werden konnten, wurden nun gleichfalls zum Punsche geladen und zugelassen, um mit zur Freude berauscht zu werden; was denn auch geschah. Die Gänse wurden Schwestern der Füchse, die Rinder umarmten die Pferde, kalkuttische Hühner schnäbelten sich mit türkischen Enten, und die Lachtauben mit Stößern, ja selber die Fische tanzten und sprangen herauf und redeten heute sogar, und alte Lachse sangen den Fischer von Göthe. Dann ward eine Biscuittorte in feine Bröckel zerkrümelt, und Eines davon zur Stärkung an jede Person vertheilt, wovon Alle sichtlich mästeten, so daß der Zungenstrecker mir sagte: da der Hunger anerkanntermaßen die schlimmste Krankheit sey, ob man nicht auch homöopathisches Brot für die Armen backen könne und solle!

Es würde Ew. Ew. nun in Verlegenheit setzen, ohne Vorbereitung die Dankadresse zu beantworten, wobei jedes Wort so doppelsinnig und weitbegriffig als möglich gewählt seyn muß! vor Allem aber für anständige Bewirthung so zahlreicher Deputation zu sorgen! Daher mein Avis!

Danken aber die Pferde, so ist es billig, daß Menschen nicht zurückbleiben! Hier bin ich also! Und zwar nicht im Namen aller Reichen und Ungelehrten, aller Gesunden und braven Franklinschen und Säumischen Spaziergänger, sondern im Namen aller Armen und fast darum schon Gelehrten, und aller Kranken, besonders armen Genesenden, die gern reconvalesciren ritten oder führen, und auf ihrem Lager nur die Spazierfahrer vorüber rumpeln hören, ja rasseln – denn nur reichen Kranken streut man Stroh! Jetzt komm' ich auf mein Thema. Ich selber, als – kranker Arzt führe oder – ritte gern recognosciren alle meine armen Kranken; denn ich bin ein armer Armendoktor. Und Gott, was wird erst aus den Gesunden werden, deren Zahl Legion ist! Aber Pferde halten, das heißt: füttern, – anschaffen! das heißt bezahlen, nur Eins, nur ein Halbes, das heißt ein Lahmes oder Einäugiges – das kann ich nicht, und möchte ich doch gern können. Daher meine Bitte! Aus dem Stammwort ist leicht das Diminutivum und Derivativum zu machen, aus Dampfkutsche – Dampf-Gig oder Gas-vacuum-Tilbüry, vielleicht sogar nur ein Dampf-Reitpferd! statt ewiges Manna-Futter einen Zuckerhut Quecksilber im Leibe als Maschine, oder ein bloßes Vacuum – das heißt Nichts! eine gewaltige Leere, kräftiger oder doch so kräftig als Ulysses mit seinen sieben Mann im Trojanischen Pferde-Bauche. Es ist zwar nirgends geradezu biblisch, daß Gott aus Nichts die Welt gemacht, aber es wäre eines Menschen würdig, aus Nichts wenigstens ein Pferd zu machen, oder einen leichten vis à vis!

Erschrecken Ew. Ew. nicht über das Wort »ein Zuckerhut voll Quecksilber im Leibe!« der Leib ist ja ein Pferde-, ja Wagen-Leib, kein Menschen- oder galanter Fashionable-Leib! und wie ich selbst nicht Doktor möchte seyn ohne Quecksilber, so wird künftig Keiner – nämlich ich meine nicht kein Doktor, sondern kein Kutscher – wollen Kutscher seyn, ohne das große wichtige Quecksilber! so heilsam in gegenwärtiger Zeit, daß eine – vielleicht satyrische geistliche Quecksilber-Comitée es regelmäßig in alle Häuser aller Städte aller Welt hat vertheilen wollen. Das unmaßgebliche Motions-Pferd wäre nun gebaut wie ein Mensch oder ein Schwein, dem innerlich der Mensch ja am meisten gleicht – da wäre ein feuriges kochendes Dampfherz – der Zuckerhut – sonst Kessel; da wären Schlagadern und Blutadern – die Röhren, die alles vergiftete Quecksilberblut wieder zum Herzen führten. Das arme Pferd wärmte den Passagier, oder die Passagiere – es könnte auch ein Dampf-Esel seyn, und warum sollten mehrere Engländer, Deutsche u. s. w. nicht zugleich auf dem Esel mit Sack und Pack reiten und sitzen, so gut wie italienische Esel selber sich das gefallen lassen. Statt der Piloten-Räder hätte das Thier Piloten-Beine; der Schweif, etwas steif wäre die Deichsel, oder das Steuerruder wie beim Dauphin, lateinisch Delphinus. Auf dem Festlande würde selbst auf den Chausseen die gleichförmigste geräuschloseste Bewegung über Stock und Stein, durch Löcher und Schläge noch die gesunde Bewegung eines wahren russischen Harttrabers nicht um zu vieles übertreffen. Oder sollte ein Dampfpferd oder Brownsches Gas-Vacuum-Roß, o Gott! vielleicht gar ein großes Trojanisches hölzernes Zeisel-Pferd für eine Gesellschaft sich versammelnder oder zerstreuender, oder nur blos auf Staatsunkosten auf Reisen gehender Naturforscher – o mein Gott, sollte das immer trockene warme lustige Compagnie-Pferd in den Unmöglichkeitsstall zu dem Pegasus gehören – so stehe ich nicht ab von dem kleinen leichten, wohlfeilen Dampf-Karriol!

Imaginiren sich Ew. Ew. die Ehre, die Sie über die armen, blassen Gelehrten verbreiten, die sich dadurch zu dem Range der Vornehmsten im Reiche erheben: Selbst ihre Kutscher zu seyn! Sie erheben dadurch die unbeachteten armen Schlucker – von Nicht-schlucken so genannt – wenigstens alle zu Baronen, wie die Franzosen einst den Homer und Virgil zu Marquis. Einige oder mehrere solche stille Arbeiter an dem Besserwerden der Welt legen ihre Paar Schillinge zusammen, und kaufen ein wohlfeiles Wunderthier Ihrer Fabrik, Manufaktur oder Ihres – Attelier; sie fahren: Einer Montags, der Andere Dienstags und so weiter, am liebsten recht weit! oder der Dritte früh, der Vierte Abends, vielleicht ein Fünfter – der Poet, oder Sternenliebhaber – des Nachts. Ist es ein Vis-à-vis, so hat er seine liebe schmalbäckige Frau vor sich, und dem lieben, des Fahrens seelenfrohen Weibchen hockt ein künftiger kleiner Gelehrter auf dem Schooß – kein künftiger Stubenhocker! Papa sieht, statt blaß, jetzt roth und wohl aus, die freie Natur hat Einfluß auf die Freiheit der Völker – das Thier frißt den armen Kindern im Hafer das Brot nicht weg; es schwitzt nicht einmal wie der Hund auf der Zunge, es bedarf also keines Bürstens, Reibens, kurz keines Head-grooms – die Frau macht aus Papierschnitzchen für einen Dreier Feuer hinein, sie kocht unterweges vielleicht noch ihren Thee, Caffée, ihre Chocolate, oder schmort einen kleinen Rostbeef – und die Familie, was sag' ich: hundert tausend Familien sind glücklich; denn so viel sind, mäßig überschlagen, anjetzt Gelehrte; denn Wer ist heut zu Tage nicht gelehrt? Millionen Kranke genesen eher – denn Wer ist heut zu Tage – man möchte sagen, heut zu Nacht – nicht arm! Eisenbahnen sind zu Dampfwäglein nicht unumfahrbar nöthig; ja die deutschen sanften Sandwege selbst, bis an die Achsen mahlend, würden große Vorzüge haben – durch ipso facto Ihrer Poni's, kleinen Schottischen Pferdeleins, oder Karriols; ja man könnte dann statt kostbare schlechte Chausséen zu bauen – und würde gewiss schweres Chausséegeld auf die Land-Sandstraßen legen, das heißt von den Passagieren erheben, nicht Geld verzetteln. Denn die Gelehrten würden dann durch Dick und Dünne in fremde Länder reisen und nicht Myopsisten bleiben, sondern Autopsisten werden, die Alles selber gesehn: Memphis, Jerusalem, Constantinopel, Troja, Athen, Rom, Neapel, Pompeji, kurz alles Continent, und was das enthält. Und wieder zu Hause, wären sie dann bis in das höchste Alter Makryopsisten und sähen drei hundert Meilen weit wie Nichts! Straßenräuber gäb' es nicht mehr! Denn Ein Pferd oder Zwei wären dann schnell – aus Dampfe – mehr angespannt; auch für ein Kofferchen würde nicht gleich ein theures Beipferd aufgezwungen, und die Schnellpost und Schnellpostmeister wären um alle geschnellt, und vergebens so höflich und pünktlich!

Jedoch würden gute Wege die lieben Zehrungskosten und Nachtlager gar sehr verringern! Könnten nun Ew. Ew. daher, um auch zu idealischen Wegen zu helfen, nur noch irgend ein Glied von Einer der eilf tausend Jungfrauen auftreiben – was in Italien ein Leichtes wäre, allwo die Reliquien-Fabriken schon wieder bis zum Probenversenden in Flor stehn – nur eins von den neun und vierzig Knöchelchen, die Jede gehabt – deren also in Summa 539,000 gewesen sind in und an den eilf tausend Jungfrauen, die aus Britanien mit König Dionotus Tochter gen Rom gezogen: dann wären auch alle Wege gleich gut. Denn Santa Chrischona, die zu Basel wohl christlich verschied, war so schwer, dass Menschen und Vieh sie nicht regen und fahren konnten, aber wohl – nach langen Versuchen – Zwei Jungferkühe, die noch niemals gekalbt, noch in das Serail zum Groß-Rind geführt worden, zogen die schwere, schwere, also unmöglich ganz hagre und magre Jungfrau fort, immer grad' aus, wie das liebe Vieh marschirt: durch Dick und Dünne; aber die Bäche trockneten aus, oder Brücken erbauten sich selber, Tunnels thaten sich unter den Strömen auf und legten sich, selbst weise, hübsch tief genug, daß der unverständige Flußgott und unartige Rantus-Sandus nicht einbrach, und die Santam ersäufte, wie jetzt die wie Erdbirnen fleißigen Londoner Arbeiter; Bäume wichen aus, und Felsenstücke machten ihren gehorsamsten Reverenz; selbst die Anlehen und Berge streckten und senkten sich, wo die Fuhre ging, wie ein Cameel, worauf der Affe kriechen soll, und als die Fuhre oben war, stand der Berg wieder auf wie ein Riesen Elephant, und war hoch – wie ein Berg, und die eilf tausend Jungfrauen waren alle ohne beschwerliches Knieheben und Keuchen richtig droben, und es ward ein Kirchlein über der wunderbaren Dampfkutsche erbaut. Ich wette aber, sie wären nicht schwer hinunter zu schaffen, indem sie nicht mehr droben sind; denn das Kirchlein stehet öde, und steht als Beweis, daß einmal zu gleicher Zeit eilf tausend Jungfrauen in Rom gewesen.

Verkehr mit Rom und England ist, ja Gott sey Dank, jetzt erwünschter genug, und alle solche Wünsche werden gern erfüllt, besonders wenn Ew. Ew. ein solches altes unscheinbares Gebein mit zehnmal so schwerem Golde, oder noch besser, mit Diamanten, am besten mit Einem, aufwiegen wollten. Die Zinsen kämen reichlich heraus. Sammeln Sie Actionairs!

Die armen Gelehrten genössen so endlich einmal eine Frucht von ihren eigenen Nachtwachen und Grübeln. Die Geneseten würden sie überfahren mit Danksagungen, und Ew. Ew. unentgeltlich rühmen in Büchern und Blättern!

Und so hoffe ich, noch ehe mich vielleicht Elias feuriger Wagen aus meinem Jammerthale entführt, Ihr liebes Fuhrwerk zu erblicken! Wenigstens möcht' ich doch noch damit, darauf oder darin zu meiner Ruhe gefahren, oder – wie gesagt – am liebsten – geritten werden.

Die Augen schließend verharre mit größerem als Pferderespect.

Einer – oder der Mehrern – recht achtbaren Dampfkutschen-Gesellschaft in Wahrheit bald ersterbender

Dr. Seligo,
der Sohn.



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