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Biographische Skizze.
Gottl. Leopold Immanuel Schefer,

Sohn eines Arztes, ist geboren am 30. Juli 1784 zu Muskau in der Niederlausitz. Er besuchte das Gymnasium in Bautzen; förderte, beim Tode seiner Mutter nach Hause gerufen, seine wissenschaftliche Ausbildung durch ernstes Privatstudium; kam frühzeitig durch sein reiches musikalisches und poetisches Talent mit dem Grafen, jetzigen Fürsten von Pückler-Muskau, der 1811 seine »Gedichte mit Composition« herausgab und eine Zeitlang für den Verfasser galt, in mehrfache Berührung; wurde 1813 Generalbevollmächtigter des Fürsten; bereiste, von seinem Gönner unterstützt, die meisten Länder Europa's; verweilte lange Zeit in Italien und auf den griechischen Inseln, wo er den verschiedensten Studien sich hingab und den Grund seiner literarischen Eigenthümlichkeit legte; kehrte 1820 in seine Vaterstadt zurück und lebt seitdem, beglückt durch ein schönes häusliches Verhältnis sowie durch den reichen Schatz seiner gesammelten tiefen Menschenkenntniß, seiner Anschauungen und Erfahrungen aus der Natur- und Gemüthswelt, den Musen.

Der eigenthümlichste Charakter dieses wahren Dichters, von dem aus er auch in seinen, hinsichtlich des Humors an Jean Paul erinnernden » Novellen« (5 Bände, 1825-29; 4 Bde., 1831-35) und » Kleinen Romanen« (5 Bde., 1837-39) das Trefflichste leistete, ist ein tiefes, beschauliches Gemüth, die still sinnende Kontemplation eines reichen, durch innere und äußere Erfahrungen vielfach gereiften und gebildeten Herzens. Wenn er in seiner Natur- und Kunstbegeisterung sich Goethe nähert, so bekundet seine wesentlich komparative und gnomische Dichtungsweise ihre Wahlverwandtschaft mit Rückert vom Standpunkte einer allgemein humanen Weltbetrachtung. Im » Laienbrevier« und dem erst 1846 erschienenen, nach Form und Inhalt eng damit verbundenen » Weltpriester« wurde einerseits der reiche Inhalt von Lebensweisheit als der Geistes- und Liebesklang bezeichnet, welche die Welt, die Natur, wie sie im Geiste ist, warm zum unbefangenen, rein empfindenden Herzen und zu der tiefen, sinnenden Vernunft reden; andererseits traf diese Lehrdichtungen der nicht unbegründete Tadel, daß sie, in der Naturseligkeit schwelgend, einen »pantheisirenden Christianismus der Liebe« predigen. Th. Mundt (in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik, Jahrgang 1834) rühmt vom Laienbrevier besonders, daß darin der Lehrton der Lebensweisheit mit der Poesie zu einer Einheit verschmolzen, oder vielmehr aus der didaktischen Poesielosigkeit eine wahre Poesie der Lebensweisheit geschaffen worden sey. »Im Laienbrevier« – schreibt er – »hat der Dichter die Summe seiner Lebenserfahrungen zusammengestellt, aber er zeigt sie uns nur als bereits gewonnene Resultate, in ihrer Harmonie und Ausgeglichenheit mit sich selbst, ohne in die Konflikte, die Anlässe und die Bewegungen hineinblicken zu lassen, durch welche sie in ihm und aus seinem Widerstand gegen die Verhältnisse hervorgegangen. Daher ist die Ausdrucksweise als Spruch, als Gnome vorherrschend, und diese gnomische Art der Dichtung, diese spruchweise Mittheilungen seiner oft so herrlichen Gedanken scheint dem Naturell Schefer's ganz besonders zuzusagen. Indem aber der Dichter nur die gewonnenen und beruhigten Ergebnisse seiner innern Lebenskämpfe, nichts aber mehr von und aus diesen Kämpfen selbst darstellt, so hängt damit auch der Mangel an beweglicher Dialektik des Gedankens von selbst zusammen. Es werden nur lauter positive Sätze ausgesprochen, eine prästabilirte Harmonie schwebt über der ganzen Lebensansicht des Dichters, die Tugend herrscht in Frieden über der verklärten Erde, ein frommer Purismus und Sauberkeitsgeist hat sich hell und leuchtend über Formen und Gestalten des Lebens gebreitet, und alle Negativen des Daseyns werden als überwunden zurückgestellt oder unberührt gelassen, wenn man auch nicht immer einsieht, wie sie überwunden werden konnten. Wenn diese ununterbrochene Kette positiver Sätze den Leser doch am Ende ermüdet, so ist dies nicht Schuld Leopold Schefer's, sondern diese muß, wie billig, der Menschlichkeit des Lesers selbst, die nicht lauter Positivitäten zu ertragen vermag, zugeschoben werden. Unter Schefer's reinem poetischen Himmel nimmt sich ein Tugendidealismus herrlich genug aus, obwohl er unter dem Dunstkreise des wirklichen Lebens als. unmächtig sich erweist etc.

Die ganze Weltansicht dieses Dichters ist auf einen poetischen Optimismus gebaut, der ihm alle Erscheinungen mit einem ewigen Sonnenglanz überkleidet, die Kontraste mildert und die Gegensätze von vorn herein verschmilzt. Dieser Optimismus führt zu einer solchen Heiligsprechung der Erde, wie sie in dem Laienbrevier gewissermaßen zum Moralprincip, zum Sittengesetz erhoben worden ist. Die kindliche Gläubigkeit des Dichters, der das Tiefste zu erschauen vergönnt ist, hat in ihrem abgegrenzten Stillleben das ihr gemäße Glück gefunden, nichts ist unbedeutend und beziehungslos für sie; an das Kleinste, das in ihrem Kreise sich ereignet, weiß sie das Höchste zu knüpfen, und an jedem Rosenstrauch am Wege verrichtet sie ihre Andacht, mit jedem Vogel steht sie in Sympathie. Aus diesem gegenseitigen Natur- und Gemüthsleben quellen die eigenthümlichsten Betrachtungen des Verfassers des Laienbreviers hervor, und hierin bewährt er auch in diesem Buche seine innige Wahlverwandtschaft mit Jean Paul, mit dem er die Sympathieen in der Anschauung, wenn auch nicht alle Mittel der Darstellung gleich mächtig theilt.«



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