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8.

Der galonierte Portier drehte, die Mütze in der Hand, wirbelnd die Glastür. Zwei Pagen liefen vor Jenkins her und rissen die Flügeltüren auf. Das lichtdurchströmte Vestibül war erfüllt von Stimmengewirr und gedämpften Orchesterklängen, die durch die pendelnden Glastüren drangen.

Jenkins ging langsam die breite Treppe hinauf, die zu den Logen der Galerie führte. Der große Tanzsaal des »Paradiso« war in ein bunt wechselndes Licht getaucht. Auf dem Parkett, umgeben von einem Kreis von Bewunderern, wiegte sich im weichen Takt eines Tangos ein junges Tänzerpaar. Ihre geschmeidigen Bewegungen und die überlegene Sicherheit, mit der sie die kunstvollen Figuren des Tanzes ausführten, verrieten die Professionals.

Jenkins warf einen schnellen Blick durch den Raum.

Der Saal stellte den Vorhof einer mexikanischen Hazienda dar; sehr geschickt war das Milieu wiedergegeben und der Eindruck erweckt, sich im Freien zu befinden. Die Decke des Saals täuschte einen südlichen Sternenhimmel vor. Bläuliche Nacht lag über den Bosketts, die Wege waren flankiert von Blumenbeeten in glühenden Farben. In dem dunkelschimmernden Laub der Bäume strahlten Lampions: rot und gelb; sie tauchten die Wege in ein geheimnisvolles Dunkel, aus dem die farbigen Mantillen der Frauen sich leuchtend hervorhoben.

Lebende Vögel saßen in den Ästen und starrten mit erschrockenen Augen in das lärmende Getriebe ringsum. Über dem Ganzen lag der Zauber einer exotischen Nacht. Die schwermütige Weise des Tangos begleitete die langsamen und graziösen Rhythmen der Tänzer.

Applaus setzte ein; das Paar verbeugte sich dankend. Es wurde heller; eine Jazzband warf hämmernd die harten Takte eines Foxtrotts in den Saal.

Jenkins nahm an einem Tisch der Rampe Platz.

»Wünscht der Herr zu speisen?« fragte der Kellner.

»Danke. Bringen Sie mir eine Flasche Sherry.« Der Detektiv musterte seine Umgebung. Es war schwer, die Art des Publikums zu erkennen. Die meisten Frauen waren im Kostüm erschienen, die Herren trugen Dominos oder zum Frack die seidene Larve. Trotzdem schien es unverkennbar, daß hier die beste Gesellschaft von Marseille versammelt war. Die großen Hotels der »Cannebière« und der Rue de Rome entsandten ihre prominenten Gäste. Die Sprachen aller Nationen der Erde schwirrten durcheinander.

Jenkins Blick flog hinüber zu den Saaleingängen. Ein Lächeln trat in seine Züge: dort, die zwei bretonischen Fischer waren zweifellos die Vorposten des Polizeipräfekten. Ihre breitschultrigen Gestalten und die Plumpheit ihrer Bewegungen paßten zwar ausgezeichnet zu ihren Kostümen, aber dem scharfen Auge des Detektivs entgingen doch nicht die unverkennbaren Charakteristiken ihres Metiers.

Der Kellner brachte den Sherry.

Unten aus dem Dämmer der Bosketts kam der zärtliche Ton einer Mandoline; ein Ständchen klang auf. Ein weicher Bariton sang mit schwärmerischem Ausdruck den spanischen Text, summend unterstrich der Chor den Refrain des Liedes.

In diesem Augenblick fühlte Jenkins, daß ein Blick auf ihm ruhte. Er hob den Kopf, dort drüben in der Loge ihm gegenüber saß Elena Falieri. Ihre großen dunklen Augen waren mit einem fragenden Ausdruck auf ihn gerichtet. Sie hatte den feingeschnittenen Kopf leicht auf die Hand gestützt, und ihre Lippen preßten sich fest aufeinander. An ihrer Seite saß Lord Haddington. Gerade jetzt hob der Lord sein Glas gegen Jenkins; der Detektiv erwiderte den Gruß. Elena wandte den Kopf zur Seite.

Jenkins erhob sich und ging mit langsamen Schritten durch das Rund der Balkonbrüstung. Von der entgegengesetzten Seite sah er den Polizeipräfekten kommen, der schlendernd, rechts und links Grüße tauschend, sich der Loge Lord Haddingtons näherte. Elena beugte sich zu Sir Ernest hinüber, sie wechselte einige Worte mit ihm. Er sah sie erstaunt an, dann winkte er gleichmütig dem Kellner.

»Hallo, Mister Jenkins«, begrüßte er den herantretenden Detektiv, »erfreut, Sie zu sehen. Trinken wir noch einen Whisky in der Bar? Madame wird sich freuen, noch eine Weile mit Ihnen plaudern zu können.«

»Pardon, Monsieur, habe ich die Ehre mit Sir Ernest Haddington?« Der Polizeipräfekt war an die Herren herangetreten.

Der Lord nickte und musterte den Fremden mit hochmütiger Miene.

»Verzeihung, mein Herr, ich habe einige Fragen an Sie zu richten.«

Haddington machte eine ungeduldige Handbewegung. »Sie sehen, ich befinde mich in Gesellschaft. Ich verstehe nicht ...«

Der Franzose zog mit einer entschuldigenden Geste die Schultern hoch. »Ich bedaure, mein Herr, Sie stören zu müssen. Gestatten Sie mir, mich vorzustellen, ich bin der Polizeipräfekt von Marseille.«

Elena Falieri raffte die Handschuhe vom Tisch und stieß unwillig den Stuhl hinter sich fort.

Der Präfekt machte eine zierliche Verbeugung. »Ich bin untröstlich, Madame. Verzeihen Sie diese Unhöflichkeit, aber ich finde ...«

»Mein Herr«, sagte Haddington in kühlem Ton, »ich stehe zu Ihrer Verfügung. Aber Sie sehen, wir waren im Begriff zu gehen. Es ist wohl selbstverständlich, daß ich Madame zunächst an den Wagen bringe.«

»Im Gegenteil. Ich muß Sie bitten, Madame«, der Präfekt wandte sich mit unerschütterlicher Höflichkeit an Elena, »mir noch einige Augenblicke das Vergnügen Ihrer Gegenwart zu schenken.«

Lord Haddington fuhr auf. »Das ist aber doch ...«

»Bitte, mein Herr, vermeiden wir jedes Aufsehen. Dort ist ein kleiner Nebenraum. Haben Sie die Güte, mir zu folgen.«

Er ging den anderen voran in den Hintergrund der Loge und öffnete eine kleine Tür.

»Mister Jenkins«, wandte sich der Lord achselzuckend zu dem Detektiv, »es tut mir leid. Sie sehen ...«

»Oh, bitte«, unterbrach der Präfekt, »ich lege Wert darauf, daß Monsieur Jenkins an dieser Unterredung teilnimmt.«

Haddington ließ seine Blicke verständnislos zwischen dem Sprechenden und dem Detektiv hin und her gehen. Kopfschüttelnd folgte er Elena, die das Zimmer betreten hatte. Es war ein kleiner intimer Raum, ganz mit hellen Seidentapeten bespannt, deren zarte Farben mit den zierlichen Boulemöbeln geschmackvoll harmonierten. Es mochte ein kosiges Séparée sein, bestimmt für eine galante Stunde. Der Präfekt ging mit schnellen Schritten zu der großen Ständerlampe am Diwan und knipste das Licht ein. Der warme Schein erfüllte den Raum mit zärtlichem Schimmer.

Elena zog fröstelnd den Pelz über die Schultern, ihr schmaler Fuß klopfte ungeduldig den Boden.

»Darf ich bitten, sich kurz zu fassen?« sagte der Lord unwillig.

»Sind Sie, Lord Haddington, der Eigentümer der Jacht ›Elena‹, die seit einigen Tagen im Hafen von Marseille liegt?«

»Allerdings.«

»Es tut mir leid, mein Lord, aber ich muß Ihnen die Mitteilung machen, daß ich mich gezwungen sehe, Ihre Jacht an die Kette legen zu lassen.«

Sir Ernest schoß das Blut in den Kopf; er hatte eine heftige Entgegnung auf den Lippen, aber er bezwang sich. »Was ist vorgefallen?« fragte er kühl.

»Meine Beamten haben beobachtet, daß von Bord Ihres Schiffes aus Opiumschmuggel betrieben wird.«

»Herr Präfekt«, Haddington stand dicht vor dem Sprechenden, »das ist eine unerhörte Anschuldigung. Sie werden mir  ...«

»Bleiben wir bei der Sache, Sir Ernest. Ich weiß genau, was ich sage. Es sind von der ›Elena‹ verbotene Waren an Land gebracht worden. Noch dazu in einer Form, die auf einen von langer Hand vorbereiteten  ...«

»Ehe Sie weitersprechen, Herr Präfekt, gestatten Sie mir eine Frage. Wollen Sie mir erklären, weshalb Sie darauf bestehen, daß Madame Falieri sich diese unerquicklichen Dinge anhören muß. Ich lehne es ab, Ihre weiteren Fragen zu beantworten, bevor ich nicht darüber von Ihnen eine befriedigende Auskunft bekommen habe.«

Der Präfekt verbeugte sich vor Elena, die der Unterhaltung mit nervöser Ungeduld gefolgt war. »Niemand empfindet es schmerzlicher als ich, Madame, Ihnen diese Unbequemlichkeit bereiten zu müssen. Allein wir wissen, daß Sie seit Wochen an Bord der Jacht waren. Die Vorkommnisse des heutigen Abends und wahrscheinlich auch der vorangegangenen Tage sind derart, daß Sie ...«

»Herr Präfekt«, unterbrach Lord Haddington brüsk, »ich verbitte mir entschieden derartige Unterstellungen. Mir fehlt jeder passende Ausdruck, um Ihr Verhalten gebührend zu kennzeichnen!«

»Es dürfte geratener sein, mein Herr«, sagte der Präfekt mit eisiger Stimme, »Sie bemühten sich, unser Gespräch in derselben verbindlichen Form weiterzuführen, in der ich es begonnen habe. Ich müßte andernfalls ...«

Lord Haddington lachte grell auf. »Das nennen Sie eine verbindliche Form? Sie beleidigen in meiner Gegenwart eine Dame auf das schwerste und verlangen von mir gewissermaßen, ich soll dazu lächeln.«

»So kommen wir nicht weiter, Sir Ernest. Ich bedaure, mich in weitere Kontroverse nicht einlassen zu können.«

»Was wollen Sie also von mir?« fragte der Lord unwirsch.

»Ich muß Sie und Madame Falieri bitten, mir sofort auf die Präfektur zu folgen.«

Eine Pause entstand. Aus dem Saal drangen die Orchesterklänge, das Stimmengewirr der Menschen und der schleifende Takt der Tanzenden in die bedrohliche Stille des Zimmers.

Lord Haddington machte keine Miene, der Aufforderung des Präfekten zu folgen, der mit sichtlicher Ungeduld an der Tür der Loge wartete.

»Wir können vielleicht zu einer schnelleren Lösung der Dinge kommen«, sagte Jenkins mit seiner kühlen Stimme, »wenn Sie gestatten, Herr Präfekt, daß ich Sir Ernest hier an Ort und Stelle beweise, wie richtig Ihre Beobachtungen und Maßnahmen sind.«

Elena hob den Kopf und streifte den Detektiv mit einem schnellen Blick. »Mister Jenkins«, sagte sie mit unsicherer Stimme, »Sie könnten wirklich annehmen, daß ...«

»Wir wollen die Tatsachen für sich sprechen lassen, Madame«, erwiderte Jenkins orakelhaft, »darf ich bitten?« Er ging mit schnellen Schritten quer durch das Zimmer. Drüben in der Nische eines Alkovens öffnete er eine schmale niedrige Tür. Sie war so versteckt in die Tapete eingelassen, daß selbst der kleine Porzellanknopf des Schlosses kaum sichtbar wurde.

Ein bodenartiger Raum, mit Wirtschaftsgerümpel angefüllt, tat sich auf.

Gedämpfter Applaus klang aus dem Saal herüber, das Stampfen der Tanzenden schien die Bohlen in vibrierendes Schwingen zu versetzen. Der Raum verengerte sich zu einem düsteren Korridor. Im ungewissen Licht einer schwachen Glühbirne, die drahtgeschützt dicht unter der niedrigen Decke hing, verlor sich der Gang in ein geheimnisvolles Dunkel. Eine schmale lukenartige Tür zur Rechten zeigte zerbrochene Glasscheiben, die vor Schmutz undurchsichtig waren. Jenkins hob den verrosteten Riegel und öffnete einen Türflügel: unten schlugen schwärzliche Wellen klatschend gegen die Mauer.

»Wir sind hier in dem Speichergebäude, das wir vom Hafen aus gesehen haben«, flüsterte Jenkins dem Präfekten zu.

»Das ›Paradiso‹ steht also mit dem Speicher in direkter Verbindung?«

»Ja. Dadurch ermöglichen es die Schmuggler, das Gebäude von der Wasserseite aus als unbewohnt erscheinen zu lassen.«

Eine Brettertür wurde aufgerissen; heller Lichtschein fiel auf den dunklen Korridor. Im Rahmen der Tür stand die Silhouette eines Mannes. »Wer ist da?« rief eine herrische Stimme. Jenkins trat blitzschnell auf den Fragenden zu; seine Hand umklammerte mit hartem Griff die Rechte des Mannes. Er drängte den Überraschten in das Zimmer hinein und drehte ihm mit einem behenden Jiu-Jitsugriff den Revolver aus der Hand.

Drei Männer, die um einen in der Mitte des Verschlages stehenden rohgezimmerten Packtisch saßen, sprangen auf.

»Legen Sie die Hände auf den Tisch, meine Herren«, befahl Jenkins.

Die Überraschten gehorchten; während der Präfekt an ihnen vorbei zur gegenüberliegenden Wand ging, betraten auch Lord Haddington und Elena Falieri den seltsamen Versammlungsort. Es war ein großer Speicherraum. Der rohe Packtisch und einige Holzstühle bildeten das ganze Mobiliar.

Jenkins drehte sich zu dem Mann an der Tür herum. »Guten Abend, Kapitän Falcon.« Der Angeredete betrachtete ihn mit fassungslosem Staunen. »Ich begreife Ihre Verwunderung, Kapitän«, sagte Jenkins. »Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, stände ich freilich nicht hier.«

Der Detektiv steckte die Hände in die Hosentaschen; langsam schlendernd ging er an den drei Männern vorbei und sah ihnen aufmerksam in die verblüfften Gesichter. »Auch Sie, meine Herren, sind mir nicht unbekannt. Ich habe mich mit Ihnen schon seit geraumer Zeit beschäftigt – ohne daß Sie es wissen.« Er blieb vor dem ersten, einem blonden, untersetzten Mann, stehen. Die wässerigen Augen in dem breiten rohen Gesicht blinzelten scheu zu ihm auf. »Sie, mein Lieber, sind der Hamburger Importeur Heinrich Stolterfoht. Sie betreiben in Hamburg, Brandstwiete zwölf, eine Ex- und Importagentur. Das ist sozusagen Ihre geschäftliche Etikette. – Und Sie«, er wandte sich zu dem zweiten, »heißen Louis Goussot, sind Bürger dieser guten Stadt Marseille und wohnen in der Rue de la République zweiunddreißig. Nicht wahr, es stimmt doch?«

Der hagere Franzose warf ihm aus stechenden Augen einen wütenden Blick zu.

»Ja, ich weiß«, fuhr Jenkins fort, »Sie sind ein höchst ehrsamer Weinhändler – nach außen hin.« Jenkins kniff das rechte Auge zu und wandte sich zu dem dritten. »Und Sie, Verehrtester, machen natürlich auch Anspruch auf Reellität. Sollten wir uns nicht schon gesehen haben, Herr Forescu? Nicht wahr, das ist doch Ihr Name: Adrien Forescu. Aus Constanza am Schwarzen Meer. Sie sind Reeder von Beruf; das heißt, den Behörden gegenüber.«

Jenkins unterbrach sich; sein schnell erhobener Arm hielt den schußbereiten Revolver ausgestreckt. »Lassen Sie die Hände auf dem Tisch! Jeder Widerstand ist zwecklos; das Haus ist umstellt – auch von der Wasserseite!«

Hinter der Holzwand klangen Schritte auf.

»Öffnen Sie«, befahl der Präfekt.

Einer der Männer, der Hamburger, ging mit schweren Schritten zur Tür und löste den Riegel. Die gewundene Speichertreppe hinauf kamen die Beamten und besetzten schweigend das Zimmer.

»Und nun zu Ihnen, Kapitän Falcon.« Jenkins verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Tisch. »Ich war für kurze Zeit als Gast auf Ihrer Jacht, Sir Ernest; Sie haben es wohl inzwischen von Madame Falieri erfahren.« Er unterbrach sich und ließ seine Augen zwischen dem Lord und der schönen Frau hin und her gehen. Elena blieb stumm, sie blickte an Jenkins vorbei.

»Eine etwas seltsame Gastfreundschaft war es. Kapitän Falcon hielt es für gut, mich unter Aufsicht zu stellen.«

»In meiner Eigenschaft als Schiffsführer war ich dazu verpflichtet. Sie haben die Autorität der italienischen Behörden verletzt«, warf Falcon wütend ein.

»Sie scheinen es mit den Gesetzen sehr genau zu nehmen. Anstatt diese Angelegenheit in höflicher Weise mit mir zu ordnen, haben Sie es vorgezogen, mich als Gefangenen an Bord zu halten; damit dürften Sie wohl Ihre Befugnisse etwas stark überschritten haben. Aber das hat auch sein Gutes gehabt.« Jenkins machte eine Pause und fuhr dann lächelnd fort: »Durch meine unfreiwillige Haft gezwungen, war ich besonders aufmerksam auf alles, was um mich herum vorging. So beschäftigte ich mich damit, alle drahtlosen Telegramme, die Ihr Marconi-Telegraphist aussandte, sorgfältig mitzuschreiben.«

Der Detektiv drehte sich zu Lord Haddington herum. »Man hatte mich nämlich unvorsichtigerweise in der Kabine neben dem Marconi-Raum untergebracht, Sir Ernest. Da ich fast alle Morsealphabete beherrsche, war es mir ein leichtes, die ausgehenden Depeschen abzuhören.« Jenkins zog ein Blatt Papier aus der Tasche. »Es wird Sie interessieren, denke ich, zu erfahren, was der Kapitän Ihrer Jacht im Laufe einer Stunde gefunkt hat.«

Haddington nahm das ihm dargereichte Blatt und überflog mit hastigen Blicken den Inhalt. Das Papier knisterte in seiner geballten Faust; stumm, mit zusammengepreßten Lippen, gab er es dem Detektiv zurück.

»Aus diesen Depeschen, meine Herren«, Jenkins wandte sich an die drei Männer, »erfuhr ich Ihre Namen und Domizile. Ihre Photographie habe ich mir inzwischen funkentelegraphisch übermitteln lassen. An Ihrer Identität besteht also nicht der geringste Zweifel. Ebenso schlagend ist damit bewiesen, daß Sie als Mitglieder des Rauschgiftkonsortiums seit langem tätig sind. Aus diesen Depeschen erfuhr ich, daß die Jacht ›Elena‹ frische Ware nach Marseille brachte, und zwar zu Ihrem famosen Stapelplatz, jener Leuchtboje D 12 im Marseiller Hafen. Und endlich entnahm ich den Telegrammen auch noch Ihre Verabredung, sich hier im ›Paradiso‹ zu treffen. Sie sehen, es ist alles sehr einfach und natürlich zugegangen. Nachdem ich einmal Ihr Treiben im Hafen beobachtet hatte, war es nicht schwer, auch dieses Versteck hier ausfindig zu machen.«

Jenkins gab den Beamten einen Wink. Stumm, mit gesenkten Köpfen, gingen die Männer, von den Polizisten umgeben, zur Tür. Der Detektiv trat an Falcon heran, der eben das Zimmer verlassen wollte. »Auf Ihre Veranlassung wohl, Herr Kapitän, hat sich Gloria Wynn so sehr um Miß Crane bemüht, nicht wahr? Ich glaube, auch den Zweck dieser so klug ausgedachten Verschleppung zu erkennen: Sie beabsichtigten damit, mich von Ihrer Spur abzulenken, da Sie überzeugt waren, daß ich mich sicher zunächst um das Schicksal von Miß Crane kümmern würde. Ist es nicht so? Nun, das gelang Ihnen vorbei.«

Falcon verzog den Mund zu einer Grimasse und drehte Jenkins den Rücken.

»Eine Frage noch, Kapitän Falcon. Hat Ihr Bordtelegraphist seine Sonntagsuniform wiederbekommen?«

Der Angeredete zuckte mürrisch die Achseln.

»Ich hatte sie ihm für eine Stunde entführt, um ungehindert von Bord zu kommen. Aber ich habe sie Ihm durch einen Dienstmann zurückgeschickt – ich durfte mich doch nicht des Diebstahls schuldig machen.«

Falcon warf dem Detektiv einen wütenden Blick zu, dann ging er schweigend aus dem Zimmer.

Bleich, in sich zusammengesunken, saß Lord Haddington im Stuhl; er bewahrte mühsam die Fassung als er die auffordernde Geste des Präfekten gewahrte, der wartend an der Tür stand.

»Herr Präfekt«, nahm Jenkins das Wort, »Sir Ernest wird sogleich zu Ihrer Verfügung stehen. Ich möchte nur noch einige Worte unter vier Augen mit dem Lord wechseln. Auch Sie, Madame, bitte ich zu bleiben.«

Der Präfekt nickte zustimmend. »Ich erwarte Sie also auf der Präfektur«, sagte er kurz und schloß die Tür hinter sich.

Es lag ein schweres und gefährliches Schweigen über dem trübselig erleuchteten Raum, die Schritte des Davongehenden hallten lange wider, dann erstarb auch dieser Laut und die Stille im Zimmer wurde drückend.

Joe Jenkins ging zu Lord Haddington hinüber und legte ihm die Hand auf die Schulter. Sein Gesichtsausdruck war freundlich, fast lächelnd, und in seinen Bewegungen lag die beherrschte Ruhe eines Mannes, der eine wichtige, nicht ganz angenehme Pflicht mit verbindlichen Manieren erfüllt.

Der Lord zuckte bei der Berührung zusammen und warf einen schrägen Blick auf den Detektiv.

»Sir Ernest«, sagte Jenkins mit leiser Stimme, in deren Tiefe ein fühlbares Mitleid lag, »Sie sind einer schweren Gefahr entgangen. Es steht wohl außer Zweifel, daß die Vorgänge an Bord Ihrer Jacht Sie in den Augen der Behörden außerordentlich schwer belasten. Ja, ich gestehe Ihnen ganz freimütig, daß ich selbst noch bis vor kurzem der festen Meinung war, Sie seien an diesen Dingen nicht ganz unbeteiligt. Ihr Verhalten in London war oft geeignet, meinen Argwohn zu erregen. Ja, er wurde geradezu bestärkt, als Sie meine Warnungen mißachteten. Nun, es mag das auf eine gewisse Eifersüchtelei zwischen der amtlichen Stelle und dem Privatdetektiv zurückzuführen sein. Erinnern Sie sich, mein Lord, daß ich Ihnen mehrfach sagte, Sie würden von Ihren Agenten schlecht bedient?«

Haddington nickte. »Ich weiß. Sie warnten mich vor Gloria Wynn. Ich entließ sie darauf aus meinen Diensten.«

»Es war zu spät«, sagte Jenkins ernst, »es hätte Sie kaum mehr vor einer peinlichen Affäre retten können. Um es Ihnen ganz kurz zu sagen: Die Wynn war die Spionin des Rauschgiftkonsortiums und ihr Assistent der Sekretär im Auswärtigen Amt, ein gewisser Henry Morton. Er saß in Ihrem Vorzimmer in Downing Street.«

Lord Haddington stöhnte leise auf; er ballte die Faust und blickte aus den Augenwinkeln zu Elena hinüber. Sie erwiderte seinen Blick mit einem rätselhaften Ausdruck ihrer dunklen Augen. Sie saß unbeweglich, die Hände ineinander verschlungen.

»Die Wynn«, fuhr Jenkins fort, »hat in Genua einen schweren Nervenzusammenbruch erlitten. Sie wird sich davon nicht wieder erholen, sagte mir der Arzt. Sie hat in meiner Anwesenheit ein umfassendes Geständnis abgelegt. Dieses Geständnis, Sir Ernest, ist Ihre Ehrenrettung – es kam sozusagen in zwölfter Stunde.

Ihr Sekretär, Henry Morton, der übrigens inzwischen in London verhaftet wurde, und die Wynn sind die tätigsten Mitglieder des Konsortiums. Die drei aus Marseille, Hamburg und Constanza die Belieferer. Es ist kein Wunder, daß man den Leuten nicht auf ihre Schliche kam; sie wußten von allen Maßnahmen, die gegen sie geplant wurden, dank der offiziellen Tätigkeit ihrer Mitarbeiter, der Wynn und Henry Morton.

Und wer sollte wohl auf den Gedanken kommen, daß die Jacht des Sir Ernest Haddington als Transportschiff diente?«

Der Lord vergrub den Kopf in die Hände. »Mein Gott«, murmelte er, »wie war es nur möglich, daß diese Dinge so lange unentdeckt blieben?«

»Diese Menschen haben mit ebenso großer Frechheit wie Rücksichtslosigkeit operiert. Als ich damals in London die Wynn verfolgen ließ, ging sie geradeswegs in Ihre Villa, Sir Ernest. Sie plante damit, den Verdacht auf Sie selbst zu lenken. Oder auf Madame Falieri. Ich kann es nicht leugnen, daß ihr diese Absicht auch eine Zeitlang gelungen ist. Madames plötzliche und unmotivierte Abreise fiel mit diesem Besuch der Wynn in Ihrem Hause, Sir Ernest, zusammen.«

Elena hob den Kopf. »Ich habe diese Person niemals gesehen«, sagte sie nervös, »Sie dürfen mir das glauben, Mister Jenkins.«

»Ich zweifle nicht daran«, erwiderte der Detektiv verbindlich, »um so weniger, als die Wynn behauptete, nicht Sie, sondern eine andere Persönlichkeit in der Villa an der Mall besucht zu haben. Georg Stylianides nämlich.«

Lord Haddington fuhr auf. »Georg Stylianides – in meinem Hause? Das ist doch ...!«

»Ein Bluff, nichts weiter. Wie überhaupt die ganze Person des Stylianides ein Bluff ist. Lediglich erfunden, um etwaige Spuren abzulenken und auch die vielen untergeordneten Organe des Konsortiums irrezuführen.«

»Es ist Ihnen also gelungen, Mister Jenkins«, fragte der Lord mit atemloser Stimme, »sämtliche Gauner dingfest zu machen?«

Der Detektiv sah vor sich hin und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nein. Der Gefährlichste ist mir bisher entwischt. Der Brutalste von allen. Jener Mörder von Low-Shadwell; der unbekannte Bursche, der sich bei Mister Crane einschlich. Der wahrscheinlich, nein, sicher, auch mich mit seinen Mordanschlägen bedrohte. Wir sind alle unseres Lebens nicht sicher, solange dieser unheimliche Bursche nicht gefaßt ist.«

Jenkins schwieg und ließ seine Blicke forschend durch das Dunkel des Speichers gleiten. Er stand auf.

»Wir wollen gehen«, sagte er, »bitte, Sir Ernest, nehmen Sie diesen Browning, ich habe ihn vorhin dem Kapitän abgenommen, gehen Sie voran. Sie, Madame, nehmen die Mitte.«

Die drei verließen den Raum und gingen den Korridor hinunter. Sie waren bis zu der Stelle gekommen, an der sich der Gang schlauchartig verengerte, als plötzlich das Licht erlosch. Elena schrie auf. Jenkins knipste die Taschenlaterne ein, in dem schmalen Lichtkegel tasteten sie sich nach vorn durch den bodenartigen Raum bis zu der Tapetentür. Sie war verschlossen. Vom Tanzsaal her kamen unbestimmte Geräusche, Stimmengewirr, verwehte Musikklänge. Lord Haddington rüttelte an der Tür; sie gab nicht nach.

Jenkins ließ den Schein der Lampe in das Dunkel des Korridors fallen; ein Schatten tauchte plötzlich dicht vor ihm auf. Schwer traf ein harter Schlag seine Hand, die Lampe fiel klirrend zu Boden und erlosch. Jenkins fühlte, wie eine feine Schnur sich um seinen Hals legte. Schnell schob er mit einer instinktiven Bewegung die geballte Faust zwischen die Schlinge. Zwei eisenharte Arme preßten sich um seine Brust und rissen ihn mit unwiderstehlicher Gewalt nach hinten. Die würgende Schlinge erstickte jeden Laut in seiner Kehle.

»Was ist geschehen, Jenkins?« kam die erregte Stimme des Lords durch das Dunkel. Aber nur ein dumpfes Keuchen und das stampfende Geräusch der ringenden Körper war zu hören. Elenas gellender Hilferuf erstickte in dem Lärm eines Schusses. Haddington hatte seinen Browning in die Luft abgefeuert. Im Aufblitzen des Schusses sah er eine Sekunde den Kampf der beiden Männer.

Jenkins erlahmte. Es war unmöglich, sich den klammernden Armen des Unbekannten zu entwinden. Unwiderstehlich riß ihn die gewaltige Kraft dieser Arme nach hinten. Ein Riegel klirrte; der Angreifer hatte die lukenartige Tür geöffnet. Dumpf schlugen die Körper der Ringenden an das morsche Holz.

Mit katzenartiger Gewandtheit drehte sich der Angreifer um Jenkins, ohne den Druck seiner Arme zu lockern. Der Detektiv fühlte, wie ihn die Kräfte verließen. Er stemmte die Füße gegen den Boden, aber sie verloren den Halt auf den glatten eisenbenagelten Platten der Luke. Durch die geöffnete Tür drang der kalte Nachtwind und das klatschende Geräusch der Wellen, die unten in der Tiefe die Mauern des Hauses umspülten.

Mit einem letzten Aufbäumen seines Willens warf Jenkins sich zurück, aber sein Kopf schlug mit furchtbarer Gewalt gegen den eisernen Riegel. Noch im Schwinden der Sinne sah er das verzerrte Gesicht seines Gegners über sich gebeugt. Die dunklen stechenden Augen und die wilden grausamen Züge.

*

»Leben Sie wohl, Jenkins. Ich fahre nach London, um meine Demission einzureichen. Es bleibt mir nichts anderes übrig.« Lord Haddington hatte sich erhoben und hielt dem Detektiv die Hand hin.

Jenkins, noch bleich, mit umschatteten Augen und einer Binde um den Kopf, legte dem Sprechenden die Hand auf die Schulter. »Ich halte Ihren Entschluß für übereilt, Sir Ernest, und ich möchte Sie bitten, davon abzusehen; denn damit würden Sie mich direkt Lügen strafen.«

Haddington richtete fragend den Blick auf den Detektiv.

»Ich habe gestern einen ausführlichen Bericht nach London gegeben. An Scotland Yard – aber auch an die Presse. Heute abend weiß ganz London, daß es Ihnen, Sir Ernest, gelungen ist, die Häupter des Rauschgiftkonsortiums unschädlich zu machen.«

»Jenkins, was haben Sie getan?«

»Manus manum lavat, sagt der Lateiner. Sie haben gestern mein Leben gerettet, Sir Ernest. Ohne Ihren Schuß im letzten Augenblick wäre ich heute nicht mehr am Leben. Wissen Sie, daß jener Kerl – ich glaube er hieß Danny Riggs –, ein Inder von Geburt, der Sekte der Thugs angehörte? Er hatte schon einige Morde auf dem Gewissen. Ihrer Geistesgegenwart habe ich es zu danken, wenn ich nicht auch zu seinen Opfern gehöre.«

Jenkins ergriff die Hände des Lords. »Lassen Sie Gras über die Geschichte wachsen, Sir Ernest, machen Sie eine längere Reise. Ich werde inzwischen alles mit den Behörden regeln. Soll ich Ihnen einen Vorschlag machen? Fahren Sie mit Madame Falieri nach Cannes. Begrüßen Sie Mister Crane und das Brautpaar. Ich hole Sie dort ab, sobald der Arzt mir das Ausgehen erlaubt.«

»Ich danke Ihnen, Jenkins. Aber diese Reise machen wir zusammen. Nein, ich nehme keine Ablehnung an. Warten Sie, ich schicke Ihnen einen besonderen Fürsprecher. Wir sehen uns wohl zum Dinner; auf später also.«

Die Tür schloß sich hinter Haddington.

Jenkins trat an das breite Fenster und bückte sinnend auf die weite Fläche des sonnenbeschienenen Meeres. Dort dehnte sich die leuchtende Bucht im Schmuck der Palmen und weißen Paläste. Das Silberband der »Corniche« zog sich an den Ufern hin und verlor sich in der blaudämmernden Ferne.

Ein leichter Schritt klang auf. Elena Falieri war ins Zimmer getreten; ihre Hand hielt einen großen Strauß roter Nelken. »Guten Tag, Mister Jenkins«, sagte sie mit ihrem strahlenden Lächeln, »geht es Ihnen heute besser?« Sie legte die Blumen in seinen Arm.

Jenkins zog ihre Hand an die Lippen. »Ich danke Ihnen, Madame, es geht mir gut.« Er deutete auf das leuchtende Bild vor dem Fenster und auf die Blumen. »Frühling draußen und drinnen.«

Elena trat dicht vor Jenkins hin und sah ihm ernst in die Augen. »Mister Jenkins, wie soll ich Ihnen danken für Ihre vollendete Art, für Ihr gentlemanlikes Verhalten –« Sie stockte und senkte verwirrt die Augen. »Wirklich«, fuhr Elena mit leiser Stimme fort, »ich bewundere Ihr Taktgefühl, nicht, als ob ich es von Ihnen nicht vorausgesetzt hätte – aber, warum soll ich es beschönigen: meine prekäre Lage Lord Haddington gegenüber hätte mir peinliche Verlegenheiten bereiten müssen ohne Ihre Delikatesse.«

Jenkins hob abwehrend die Hand. »Ich bitte Sie, Madame, Sie beschämen mich.«

Elena schüttelte lebhaft den Kopf. »Nein, Sie sollen mich nicht für herzlos halten, für eine oberflächliche Frau, die über Schicksale sich gleichgültig hinwegsetzt. Mich drückt die Schuld – die große Schuld, die ich mir durch Leichtsinn aufgebürdet habe.« Sie legte die Hand an die Stirn und schloß die Augen. »Mister Jenkins, wissen Sie, daß ich das Lebensglück eines Menschen zerstört habe? Wissen Sie, daß vielleicht durch meine Schuld Francesco Testi zugrunde gegangen ist? Vielleicht war es nicht Leichtsinn, vielleicht war es Liebe, ein wirklich hohes, edles Gefühl, das mich an Testi fesselte. Aber das würde meine Schuld nicht kleiner machen – im Gegenteil.«

»Ich kann Sie darüber beruhigen, Madame. Testi ist es gelungen, von der Insel Alina zu entkommen. Durch das Geständnis der Gloria Wynn wird es ihm auch gelingen, sich zu rehabilitieren. Sie hat bekundet, daß man – um Testi aus dem Weg zu räumen – gefälschte Briefe unter seine Papiere brachte, die ihn schwer belasten mußten. Die Wynn hat ihn nach einem wohlbereiteten Plan in die Falle gelockt. Damals, an jenem Abend in Ventimiglia. Übrigens«, Jenkins senkte die Stimme und beugte sich zu Elena hinüber, »übrigens war auch Eifersucht dabei im Spiel. Ja, Gloria Wynn war heftig in Testi verliebt; sie fühlte, daß Sie die glücklichere Rivalin waren.«

»Und Testi lebt in Freiheit?« fragte Elena mit leuchtenden Augen.

Jenkins nickte.

»Ich muß zu ihm, ihn unterstützen in dem Kampf um seine Ehre. Ich muß versuchen, seine Verzeihung zu erlangen.« Sie ging erregt im Zimmer auf und ab. »Sehen Sie, Mister Jenkins«, sagte sie, »wenn ich auch schuldlos an der Intrige gegen ihn bin, bleibt doch ein schweres Verschulden auf meiner Seite: daß ich so lange schweigen konnte. Damals, als Sie an Bord der ›Elena‹ kamen, wußte ich doch, Sie waren auf Alina gewesen. Ich wagte es aber nicht, ganz offen mit Ihnen zu sprechen. Mein sonderbares Wesen, meine Verwirrung müssen Ihnen doch aufgefallen sein.«

»Gewiß. Ihr eigenartiges Verhalten an Bord diente nur dazu, meinen Argwohn gegen Sie zu verstärken. Damals schien es mir kaum zweifelhaft, daß Sie es waren, die Testi absichtlich in die Falle gelockt.«

»Ja, ich habe geschwiegen, trotzdem ich noch in derselben Nacht in Ventimiglia von seiner Verhaftung erfuhr. Ich habe geschwiegen, als Lord Haddington mir Testis Schicksal erzählte, und habe geschwiegen, als Sie mir gegenüberstanden! Geschwiegen aus Eigennutz, um mich nicht zu kompromittieren. Nicht wahr, Mister Jenkins, Sie sehen, ich muß versuchen, diese Schuld wieder gutzumachen!«

»Sie können es, Madame. Ich selbst will Sie dabei unterstützen.«

»Sie wissen, wo Francesco Testi sich aufhält?« fragte sie zaghaft.

»Ja – er ist in Cannes. Bei Miß Dorothy Crane und ihrem Vater. Miß Dorothy war seine Braut – schon damals, als er in Paris – –«

Elena senkte den Kopf. »Davon wußte ich nichts. Es wird schwer sein – aber ich muß auch das auf mich nehmen. Er soll in den Augen seiner Braut – –«

»Nein«, sagte Jenkins, »dieses Opfer wird er von Ihnen nicht annehmen. Aber gestatten Sie mir, Madame, Ihnen zu helfen. Testi weiß noch nichts von dem Geständnis der Wynn. Wie wäre es, wenn Sie ihm die Nachricht brächten? Sie bringen ihm damit nicht mehr und nicht weniger als seine Ehre – und sein Glück.«

Elenas leuchtende Augen senkten sich tief in die seinen; ihr schönes Gesicht neigte sich gegen ihn. Plötzlich schlang sie die Arme um ihn und küßte ihn herzhaft auf den Mund. »Verzeihung, Mister Jenkins, aber ich konnte keinen anderen Dankesausdruck finden.«

»Well, Madame«, sagte Jenkins schmunzelnd, »so gehe ich doch auch nicht ganz ohne Belohnung aus.«

Ende.

 


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