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Geselligkeit

Wenn jemand Geselligkeiten mitmachen will, so muß er zuerst Besuche machen.

Die Frage, wem man Besuche machen soll, ist oft nicht ganz leicht zu beantworten. Für die verheiratete Frau ist es an sich recht einfach. Sie muß bei allen verheirateten Familien mit ihrem Mann zusammen die Besuche erledigen. Aber, meine sehr verehrten Damen, wie ich Sie kenne, wollen Sie dabei auch gern ein Wörtchen mitreden und dies nicht dem Mann allein überlassen. Deshalb werde ich mir erlauben die verschiedensten Gesichtspunkte dafür nachher zu besprechen.

Schwieriger ist es schon für eine alleinstehende Dame, in die Gesellschaft hineinzukommen. Der Herr wird meist durch seinen Beruf einen bestimmten Wirkungskreis haben, der ihn schon von selbst wenigstens mit einem Teil der für Geselligkeit in Frage kommenden Leute zusammenbringt; und da zieht dann eine Bekanntschaft die nächste nach sich. Anders ist es mit der Dame.

Wenn eine Dame nicht durch Stellung, Namen, als Schriftstellerin, Ärztin oder dergleichen eine gewisse Position hat, so kann sie eigentlich unmöglich irgendwo Besuch machen, wo sie nicht durch eine andere Persönlichkeit eingeführt ist. Schütteln Sie nicht den Kopf, meine verehrte Leserin, und sagen Sie nicht: »Das wäre doch noch schöner in unserem aufgeklärten Zeitalter, wenn wir Frauen so von den Männern abhängig wären!« Es ist aber wirklich so. Denken Sie sich einmal den Fall: Ihr Dienstmädchen bringt Ihnen eine Karte herein, worauf weiter nichts steht als ein Ihnen unbekannter Name, z. B. »Fräulein Klara X.« Ihre erste Frage wird sein: »Was will die Dame?« Die Antwort lautet: »Der gnädigen Frau ihre Aufwartung machen.« Ich bin fest davon überzeugt, daß Sie Fräulein X nicht empfangen werden, sondern die Karte einfach in den Papierkorb werfen, ohne an einen Gegenbesuch zu denken. Die gleiche Ablehnung würde Fräulein X auch in allen übrigen Häusern erfahren, und dem wird sich natürlich keine Dame aussetzen wollen. Dabei hat sie eigentlich gar keinen Grund dies irgendwie übel zu nehmen; denn wer garantiert Ihnen heutzutage dafür, daß jemand unter dem Vorwand, einen Besuch zu machen, nicht mit irgend einem Ihnen durchaus nicht genehmen Angebot kommt?

Wenn also eine alleinstehende Dame in der guten Gesellschaft Zutritt haben will, so muß sie von jemand, der in dem betreffenden Kreis bekannt ist, empfohlen sein, sei es brieflich oder auf irgend eine andere Art. Hat sie diese Empfehlung nicht, so werden ihre Besuche zwecklos sein.

Junge Mädchen pflegen ihre Besuche nur mit den Eltern oder der Mutter zu machen. Wenn diese nicht am Ort ihres Aufenthaltes sind, wie dies z. B. bei studierenden Damen häufig der Fall sein kann, dann müssen sie eine bekannte verheiratete oder ältere unverheiratete Dame bitten von ihr »chaperoniert« zu werden. (Einen deutschen Ausdruck für chaperonieren gibt es leider noch nicht.) Die chaperonierende Dame muß sich der Mühe unterziehen die erforderlichen Besuche mit dem jungen Mädchen zusammen zu machen oder wenigstens ihre Visitenkarte mitzuschicken. Man kann also nur eine gute Bekannte oder eine befreundete Familie um diesen Dienst bitten. Es ist in der guten Gesellschaft nicht üblich, daß junge Mädchen allein offizielle Besuche machen.

Man pflegt niemand einzuladen, bevor er nicht seinen Besuch gemacht hat, und dieser Besuch erwidert wurde.

Den ersten Besuch hat der zu machen, welcher neu in eine fremde Stadt gekommen ist. Er zeigt dadurch an, mit welchen Leuten er in Verkehr zu treten wünscht.

Eine verheiratete Frau macht offizielle Besuche stets mit ihrem Gatten gemeinsam, selbstverständlich nur da, wo eine Frau bezw. Tochter oder Schwester vorhanden ist, welche die Stelle der Hausfrau vertritt.

Bei Besuchen können wir im wesentlichen unterscheiden zwischen Freundschaftsbesuchen, Pflichtbesuchen, gesellschaftlichen Besuchen und Abschiedsbesuchen.

Erstere kann man zu jeder Zeit machen, wann es einem paßt, und man glaubt seinen Freunden genehm zu kommen. Das zu unterscheiden ist eine Taktfrage. Sie werden auch zu einer guten Freundin nicht gerade hingehen, wenn Sie wissen, daß sie das Haus voller Gäste hat oder gerade besonders viel mit Arbeit überlastet ist, und was dergleichen Gründe mehr sind. Man hüte sich auch, seinen besten Freunden gegenüber das Gefühl der Aufdringlichkeit aufkommen zu lassen; denn dadurch kann die beste Freundschaft in die Brüche gehen.

Die Frage, wem »Pflichtbesuche« zu machen sind, wird gewöhnlich leicht zu beantworten sein. Unter »Pflichtbesuchen« versteht man jene Besuche, welche durch Ihre oder Ihres Mannes Stellung bedingt sind. Es werden da wohl in den meisten Fällen Vorgänge vorhanden sein.

Die Art und Weise, Pflichtbesuche zu machen, ist auch in den einzelnen Städten verschieden, und man fragt da am besten jemand, der einem die richtige Auskunft darüber geben kann. Bei vielen Behörden werden Besuchslisten geführt, aus denen man die Namen der zu Besuchenden ersehen kann. Manchmal ist es auch Brauch, daß die Herren sich nur sogenannte »Bürobesuche« machen, d. h. sie machen allen Herren, mit denen sie dienstlich zu tun haben, nur auf dem Büro Besuch oder geben ihre Karte dortselbst ab. Diese Besuche macht natürlich die Gattin nicht mit.

Die Besuchszeit ist im allgemeinen die Zeit von 11 bis 13 Uhr, ist aber ortsweise verschieden.

Am schwierigsten ist entschieden die richtige Auswahl der gesellschaftlichen Besuche. Bei ihr soll nicht nur der Wunsch mitsprechen, mit den oder jenen Herrschaften in Verkehr zu treten, sondern Sie müssen sich auch die Frage vorlegen, ob Ihre gesellschaftliche Stellung derartig ist, daß den zu Besuchenden ein Verkehr mit Ihnen erwünscht ist.

Ferner gibt es in vielen Städten verschiedene Kreise der Gesellschaft, von denen natürlich jeder sich der beste dünkt, die aber oft gar nicht miteinander verkehren. Wenn jemand in einer größeren Stadt also wünscht gesellschaftlich auszugehen, muß er sich die Frage vorlegen, in welchem Kreis er verkehren will, und dementsprechend seine Besuche einrichten.

Besuche kann man auf verschiedene Arten machen. Die höflichste Form ist entschieden die, daß man persönlich an der Haustür läutet und sich melden läßt.

Ich möchte mir erlauben hier einige Bemerkungen einzuflechten, wie sich die Dienstboten an der Haustüre Besuchern gegenüber zu benehmen haben; denn gut geschultes Personal gehört auch zum vornehmen Haus, und es wird wohl meist Sache der Dame sein, es in der richtigen Form zu unterweisen.

Bei Besuchen kann man wirklich die sonderbarsten Sachen erleben. Oft genug habe ich die Antwort zu hören bekommen: »Die Herrschaften lassen sagen, es tue ihnen sehr leid, aber sie seien ausgegangen.« Ich habe mir dann den Kopf zerbrochen, wie die auswärtige Herrschaft so schnell den Kontakt mit dem Dienstboten herstellen konnte, um ihr Bedauern auszusprechen. Auch die Antwort: »Die gnädige Frau bedauert sehr, sie ist gerade im Bade« läßt einen wohl erfreuliche Schlüsse auf das Reinigungsbedürfnis der Gnädigen ziehen, aber es geht den Besuch eigentlich gar nichts an, daß die Badewanne ausgerechnet erst gegen 12 Uhr aufgesucht wird. Lächeln Sie nicht, meine verehrten Damen, und denken Sie nicht: »Bei mir kann so etwas überhaupt nicht vorkommen.« Sie wissen ja oft gar nicht, wie sich Ihr scheinbar gut geschultes Mädchen an der Haustüre benimmt, und wenn es sich nicht gerade um recht gute Bekannte handelt, werden Sie es wahrscheinlich auch nie erfahren.

Gehen Sie aber auch mit Ihren armen Dienstboten nicht zu scharf ins Gericht! Denn woher soll eine Unschuld vom Lande – wo jeder Besuch ein Ereignis war – wissen, daß dies in der großen Gesellschaft eigentlich oft nur eine Formsache ist? Deshalb seien Sie gerade in diesem Punkt der Unterweisung geduldig und genau! Gehen Sie selbst an die Haustür und probieren Sie praktisch das Anmelden usw. aus, und fragen Sie gute Bekannte, die Ihnen Besuch gemacht haben, ob der neue Dienstbote seine Sache auch richtig gemacht habe!

Wenn man an einem Tag Besuche erwartet, so soll man sich vorher überlegen, ob man empfangen will oder nicht. Will man es nicht, dann wird der Dienstbote am besten dahin unterwiesen, daß er den Besuchern auf ihre Frage, ob die Herrschaften Besuche empfangen, gleich an der Türe antwortet: »Die Herrschaften sind ausgegangen,« oder »bedauern nicht empfangen zu können« oder dergl. In den letzten Worten liegt durchaus keine Beleidigung oder gar Ablehnung der besuchenden Persönlichkeit; denn die Dame des Hauses braucht es nicht jeden wissen zu lassen, ob sie wegen Kopfweh, großer Wäsche, Tätigkeit in der Küche oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage oder Stimmung ist Besuche zu empfangen.

Der Besuch wird dem Dienstboten seine Visitenkarte geben (Muster zu Visitenkarten siehe Anhang). Während der Herr je eine Visitenkarte für Hausherrn und Hausfrau abgibt, gibt die Dame nur eine für die Hausfrau. Wenn ein Ehepaar gemeinsame Visitenkarten für Mann und Frau hat, so wird bei Verheirateten diese und eine Karte des Mannes abgegeben.

Die Visitenkarten empfängt der Dienstbote möglichst gleich auf einer Visitenkartenschale, die er seinen Herrschaften nach dem Weggang des Besuches hereinbringt.

Beabsichtigt man Besuche anzunehmen, so soll der die Tür öffnende, möglichst adrett gekleidete Dienstbote die Besucher nicht sofort ins Zimmer führen, sondern erst fragen: »Bitte, wen darf ich melden?« Es ist dann am praktischsten seine Karte hineinzuschicken; denn man kann nicht verlangen, daß sich der Dienstbote gleich jeden Namen richtig merkt.

Den Besuch soll er nicht vor der Haustüre stehen, sondern in den Vorplatz eintreten lassen. Wenn die Herrschaft sagen läßt, daß sie empfangen will, öffnet der Dienstbote dem Besuche die Zimmertür und läßt ihn eintreten, nachdem er vorher beim Ablegen von Mantel, Gummischuhen usw. behilflich war.

Übrigens pflegt man ein Besuch machendes Ehepaar nicht anzunehmen, wenn die Hausfrau nicht anwesend ist. Bei sehr guten Bekannten kann da natürlich eine Ausnahme gemacht werden.

Einen Besuch soll man im Winter nicht in ein ungeheiztes Zimmer führen lassen. Auch ist darauf zu achten, daß im Empfangsraum keine Unordnung herrscht. Selbstverständlich werden Sie auch nicht etwa in einer Morgenjacke empfangen. Ist aus irgend einem Grund eine der genannten Voraussetzungen nicht möglich, dann nehmen Sie den Besuch am besten nicht an. Die wenigsten werden traurig darüber sein; denn die gesellschaftlichen und offiziellen Besuche sind häufig nur Formsache, bei denen der Besucher an und für sich gar keinen Wert darauf legt angenommen zu werden. Man denke sich nur, daß jemand 30 oder womöglich noch mehr Besuche an einem Vormittag erledigen will, so ist das natürlich ganz ausgeschlossen, wenn er überall angenommen wird.

Ich empfehle dringend, auf der Visitenkarte rechts unten Straße und Hausnummer anzugeben, damit Ihre Adresse gleich bekannt ist.

Wird man bei einem Besuch angenommen, so legt man auf dem Vorplatz Mantel und Schirm, eventuell auch Gummischuhe ab.

Wenn man die Dame und den Herrn des Hauses begrüßt hat, nimmt man erst Platz, nachdem man dazu aufgefordert wird, was immer sofort geschieht. Die Handschuhe behält die Dame an.

Früher galt das Sofa unbedingt als Ehrenplatz für den Besucher. Jetzt nimmt man es nicht mehr so genau damit. Immerhin aber wird die Hausfrau dem Besucher nicht etwa einen unbequemen Stuhl zuweisen und selbst im Sessel Platz nehmen.

Bei gesellschaftlichen oder offiziellen Besuchen bleibt man im allgemeinen nie länger als fünf bis zehn Minuten und braucht sich durchaus nicht durch die höfliche Redensart »Wollen Sie denn schon gehen?« oder dergleichen aufhalten zu lassen.

Eine angeregte Unterhaltung wird natürlich in so kurzer Zeit nicht zustande kommen; sie wird sich gewöhnlich in Gemeinplätzen bewegen, wie es einem in der neuen Stadt gefällt, ob man eine schöne Wohnung hat, auch das Wetter muß oft herhalten und dergleichen mehr.

Häufig beobachtet man, – zumal bei jungen Leuten, – daß sie nie den richtigen Zeitpunkt finden sich zu empfehlen. Der Besucher bricht immer von selbst auf und wartet nicht etwa auf einen entsprechenden Wink des Hausherrn oder der Hausfrau.

Selbstredend bricht man nicht mitten in einem Satze auf, sondern wartet schicklicher Weise irgend eine Pause im Gespräch ab, macht dann eine höfliche Redensart, etwa: »Ich möchte Sie nicht länger in Anspruch nehmen«, die dann meist mit einem höflichen »Aber bitte sehr, im Gegenteil!« quittiert wird, was man aber nicht ernst zu nehmen braucht. Dann steht man auf, gibt der Dame des Hauses sowie dem Herrn die Hand und empfiehlt sich.

Eine bequemere Art der Besuche ist, daß man mit einem Lohn- oder eigenen Diener vor dem Hause der zu besuchenden Herrschaften im Auto oder Wagen vorfährt, im Wagen sitzen bleibt und seine Karten hinauftragen und einfach abgeben läßt. Will man persönlich angenommen werden, so läßt man durch den Diener anfragen, ob die Herrschaften Besuch empfangen, und steigt dann erst aus, wenn der Diener einem die bejahende Antwort gebracht hat. Dadurch erspart man natürlich viel Zeit.

Ich empfehle bei einer größeren Anzahl von Besuchen, sich vorher eine genaue Liste nach Straßen und Hausnummern geordnet aufzustellen, damit nicht zu viel Umwege gefahren werden. Kennen Sie sich in einer fremden Stadt nicht aus, so zeigen Sie die Liste vorher dem Kutscher bezw. dem Lohndiener, damit dieser dann die Reihenfolge bestimmt, in der gefahren wird.

In manchen Städten ist es auch angängig, daß man einfach die genügende Anzahl von Visitenkarten mit der Besuchsliste einem Lohndiener in die Hand drückt, der dann die Karten für den Betreffenden in den einzelnen Familien abgibt.

Natürlich ist dies die allerbequemste Art und Weise, aber man muß einen Lohndiener nehmen, der darin Bescheid weiß, wie man sie in größeren Städten wohl immer finden wird.

Jeder Besuch, mit Ausnahme von Abschiedsbesuchen, verpflichtet zu einem Gegenbesuch, den man frühestens nach etwa acht Tagen vornehmen kann, oder je nachdem man später Zeit und Lust dazu hat.

Bei Wechsel des Wohnsitzes pflegt man bei allen Herrschaften Abschiedsbesuche zu machen, mit denen man gesellschaftlich verkehrt hat. Vor Abgabe seiner Visitenkarte schreibt man auf diese unten links: »u. A. z. n.«, das bedeutet: »um Abschied zu nehmen«.

Sind Besuche gemacht und Gegenbesuche empfangen, dann kann man mit Einladungen rechnen (Einladungskarten, Antwortschreiben siehe Schriftverkehr).

Die erste Einladung pflegt im allgemeinen von den Ortseingesessenen an die neu Hinzugezogenen zu ergehen.

Die Gesellschaften sind mannigfacher Art. Sie werden teils im Privathaus teils im Hotel oder Klub stattfinden, je nach der Einstellung des betreffenden Gastgebers und der Art des Festes.

Wir können unterscheiden zwischen Einladungen zum Mittag- oder Abendessen (leider auch noch déjeuner, diner und souper genannt), zum Tee, zum Ball (häufig steht hierbei auch auf der Einladung »Abendessen mit Tanz«), und endlich Einladungen nach dem Abendessen (auch Rout genannt).

Über Toilettenfragen bei Gesellschaften siehe das Kapitel »Kleidung«.

Bei allen Einladungen, außer vielleicht zum Rout, ist es ein Akt der Höflichkeit gegen die Gastgeber, pünktlich zu erscheinen. Die Anschauung, daß es vornehm sei zu spät zu kommen, ist gänzlich falsch. Man soll aber auch nie zu einer Gesellschaft zu früh kommen; denn es kann den Gastgebern höchst ungelegen sein, wenn sie vielleicht noch die letzten Vorbereitungen zu treffen haben.

Bei weiten und unbekannten Entfernungen ist es leicht möglich, daß man sich in der Zeit verrechnet und einige Minuten zu früh am Hause des Gastgebers eintrifft; dann warte man diese aber ruhig an der Türe oder auf der Straße ab, ehe man klingelt.

Bei großen Gesellschaften werden häufig getrennte Garderoben für Damen und Herren eingerichtet sein. In der Damengarderobe muß ein weiblicher Dienstbote beim Ablegen der Mäntel usw. behilflich sein. Es empfiehlt sich, daß dieser für alle Fälle Nähzeug und Stecknadeln bei sich hat, um etwa entstandene Schäden an den Toiletten der Damen auszubessern. Ein möglichst großer Spiegel gehört auch in die Garderobe.

Zum Eintritt in den Salon werden die Handschuhe angezogen.

Bei Einladungen zum Essen liegt häufig in dem Hausflur eine Liste, worauf die Sitzordnung bei Tisch verzeichnet ist. Oft hat auch nur der Hausherr diese Liste in Händen und nennt vor Tisch jedem Gast den Platz, wohin er zu sitzen kommt. Außerdem liegen meistens noch vor jedem Gedeck Tischkarten, auf denen der Name des Betreffenden verzeichnet ist.

Eine Sitzordnung herzustellen ist oft gar nicht so einfach. Man setzt in Süddeutschland die im Rang höchste Dame rechts, die nächste links vom Hausherrn, den im Rang höchsten Herrn rechts, den nächsten links von der Hausfrau. (Im Gegensatz dazu sitzt in Norddeutschland der im Rang höchste Herr links und der nächstfolgende rechts von der Hausfrau, weil man sich dort so setzt, wie man beim Führen in den Speisesaal an seinen Platz tritt.) Darnach folgen die Plätze der übrigen Herrschaften, ihrem Rang entsprechend rechts bezw. links von Hausherrn und Hausfrau. Nach Möglichkeit ist bunte Reihe zu machen, so daß nie zwei Herren oder zwei Damen nebeneinander zu sitzen kommen. Immer läßt sich dies natürlich nicht vermeiden. Hausherr und Hausfrau sitzen sich in den meisten Häusern in der Mitte oder an den Enden der Tafel gegenüber. Rein schematisch würde sich eine Sitzordnung (in Süddeutschland) wie folgt gestalten:

rechts vom Hausherrn: erste Dame,
links vom Hausherrn: zweite Dame,
rechts von der Hausfrau: erster Herr,
links von der Hausfrau: zweiter Herr,
rechts vom ersten Herrn: dritte Dame,
links vom zweiten Herrn: vierte Dame,
rechts von erster Dame: dritter Herr,
links von zweiter Dame: vierter Herr

usw. in abstufender Reihenfolge.

Das sieht an sich vielleicht ganz einfach aus, gibt aber doch leicht Komplikationen; denn häufig ist es schwer zu sagen, wer den ersten und wer den zweiten Rang hat. Wenn man darüber in Zweifel ist, hilft man sich, indem man von dem einen Ehepaar den Herrn an erster Stelle, die Dame an zweiter, vom anderen die Dame an erster, den Herrn dagegen an zweiter Stelle setzt.

Es ist weiter darauf zu achten, daß ein Ehemann nie neben seine Gattin zu sitzen kommt, während ein Brautpaar stets nebeneinander sitzt. Das gibt natürlich stets Verschiebungen in dem besten Schema.

Als Gast sagen Sie sich immer: Wenn mich jemand einladet, so will er mir eine Freundlichkeit erweisen, und wenn der Platz nicht so ist, wie ich ihn vielleicht beanspruchen könnte, so ist das sicherlich nicht absichtlich geschehen. Ob man mir bei Tisch einen hohen oder niedrigen Platz zuweist, ist mir ganz gleichgültig, dafür bleibe ich doch, was ich bin. Lernen Sie da von unserem ersten Reichskanzler Bismarck! Als er einmal bei Tisch zu tief gesetzt war und ihn jemand darauf ansprach, antwortete er: »Das ist mir ganz gleichgültig; wo ich sitze, ist immer oben.«

Es sei hier gleich erwähnt, in welcher Reihenfolge die Gäste bei Tisch bedient werden. Es wird angefangen bei der im Rang höchsten Dame; dann folgen die übrigen ihrem Rang entsprechend, als letzter Dame wird der Hausfrau serviert, nach ihr dem höchststehenden Herrn und dann den übrigen Herren ihrem Rang entsprechend, als letztem dem Hausherrn. Sollte man nicht über genügend Bedienungspersonal verfügen oder die Räumlichkeit sehr eng sein, so ist dieses Verfahren für das Personal oft sehr schwierig und zeitraubend. Man nehme dann getrost davon Abstand und lasse durchservieren, versäume aber nicht bei der höchsten Dame zu beginnen und dem Hausherrn als letztem servieren zu lassen.

Im Privathaus werden sich die Gäste vor Tisch wohl meist in einem anderen Zimmer als dem Speisezimmer versammeln.

Beim Hereintreten werden zuerst Hausfrau und Hausherr und darauf die übrigen anwesenden Herrschaften begrüßt.

Den unbekannten Damen müssen Sie sich vorstellen lassen, während es Pflicht der Herren ist sich Ihnen vorstellen zu lassen.

Ein junges Mädchen läßt sich einer verheirateten Frau vorstellen, auch wenn diese fremd in die Gesellschaft kommt, während sonst die Fremde die Pflicht hat sich zuerst mit den Einheimischen bekannt zu machen. Man soll das aber auch nicht allzu streng nehmen, und wenn man sieht, daß eine Fremde versucht überall mit der Vorstellung durchzukommen, so sollen auch die Einheimischen ihr dabei behilflich sein und sich ruhig mal der Fremden vorstellen lassen, wenn sich gerade die Gelegenheit gibt. Ob man sich bei der Vorstellung gegenseitig die Hand reicht oder nicht, ist Gefühlssache; in einem Kreis, der einem näher steht, wird es meist geschehen.

Es sei hier ein Wort über den Handkuß eingeflochten. In der vornehmen Gesellschaft ist es immer noch üblich, daß ein junges Mädchen der verheirateten Frau die Hand küßt, ebenso wie jeder Herr. Wohlgemerkt die »Hand«, aber nicht den »Handschuh«. Ich will durchaus nicht sagen, daß es ein Fehler ist die behandschuhte Rechte einer Dame zu küssen. Das kann jeder halten, wie er mag; aber Sie dürfen sich nicht wundern, wenn ein sonst sehr wohlerzogenes junges Mädchen oder ein Herr Ihnen die Hand nicht küßt, sobald Sie Handschuhe tragen.

Im Handkuß des Herrn liegt nicht im geringsten eine falsche Devotion, sondern er ist der Ausdruck der Ehrfurcht, den wir Herren Ihnen bezeigen wollen.

Irgend eine Berühmtheit hat einmal den Ausspruch getan: »Die Hand der Dame ist nicht zum Schütteln, sondern zum Küssen da.«

Ich bitte Sie, meine Damen, machen Sie das uns Herren aber nicht allzuschwer. Es ist gewiß nicht schön, wenn Sie beim Handgeben dem Herrn Ihre Hand beinahe bis zu seinem Mund herauf schlagen. Aber wenn ein Herr Ihre Hand hochzieht um einen Kuß darauf zu hauchen, dann widerstreben Sie auch nicht! Es will gelernt sein die Hand richtig zu küssen, aber auch sie sich küssen zu lassen.

Wird zu Tisch gegangen, so gibt der Hausherr das Zeichen dazu. Es gehen entweder die Damen zuerst hinein und die Herren folgen, oder jeder Herr führt seine Tischdame. Letzteres wird bei feierlichen Anlässen, z. B. Hochzeiten, stets der Fall sein. Ob zu Tisch geführt wird oder nicht, sieht man daran, ob der Hausherr es tut. Falls es geschieht, geht der Herr auf seine Tischdame zu, macht ihr eine kurze Verbeugung und bietet ihr seinen rechten Arm, um sie ins Speisezimmer zu führen. Als erstes Paar geht der Hausherr mit der höchstgestellten Dame. Es folgen dann die übrigen Gäste ungefähr nach Rang und Würden, ohne daß man sich aber ängstlich an die Reihenfolge halten muß. Als letztes Paar geht die Hausfrau mit ihrem Tischherrn. Umgekehrt geht beim Aufstehen von der Tafel die Hausfrau mit ihrem Tischherrn als erstes, der Hausherr mit seiner Tischdame als letztes Paar hinaus. – Es gibt aber auch hier Fälle, wo man wegen Platzmangels oder aus sonstigen praktischen Gründen getrost einmal von dieser Reihenfolge abweichen kann.

Über das Benehmen bei Tisch habe ich bereits in dem Kapitel »Mahlzeiten« gesprochen. Es ändert sich hierin nichts, ob man im größten oder kleinsten Kreise ißt. Nur soll sich besonders eine junge Dame davor hüten zu laut zu werden oder gar die Unterhaltung an sich zu reißen. Diese wird sich im allgemeinen auf das Gespräch mit dem Tischnachbarn rechts und links beschränken müssen. Bei schmalen Tischen kann man wohl auch mit seinem Gegenüber reden, doch darf man nie über den Tisch hinüber schreien. Überhaupt ist jedes laute und vorlaute Benehmen unvornehm.

Wenn Sie einen gewandten Tischherrn haben, wird Ihnen eine Konversation keine Schwierigkeiten machen. Wenn aber ein schüchterner Herr neben Ihnen sitzt, so urteilen Sie nicht zu hart über ihn, sondern versuchen Sie ein Thema nach dem anderen anzuschlagen; vielleicht finden Sie doch einmal das Richtige und der zuerst scheinbar so Langweilige entpuppt sich als kluger, hochinteressanter Mensch. Gerade die Dame ist so oft Meisterin der Konversation. Nutzen Sie also diese Gabe zu Ihrem eigenen und zum Besten Ihrer Nebenmenschen aus! Jedoch hüten Sie sich ein Urteil abzugeben über Dinge, die Ihnen fern liegen! Sie können sich dadurch höchstens schaden. Hand aufs Herz, meine Damen, ist dies nicht ein Fehler, in den Ihre Mitschwestern gern verfallen? – Ich war einmal in einer Gesellschaft, wo auch ein Gelehrter anwesend war, der gerade eine Abhandlung über ein schwieriges Problem geschrieben hatte. Es wurde in durchaus einwandfreier, vorurteilsloser Kritik darüber gesprochen. Plötzlich erhob eine Dame, die bisher stumm zugehört hatte, ihre Stimme, um sich durchaus gegen das Problem auszusprechen. Als der Gelehrte sie fragte, was sie denn daran auszusetzen habe, gab sie zur Antwort: »Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen; denn gelesen habe ich es natürlich nicht.« Ein befreiendes Gelächter auf Kosten des weisen Urteils entspannte die etwas schwül gewordene Stimmung.

Nach dem Essen gibt die Hausfrau das Zeichen zum Aufbruch von der Tafel.

Im Nebenzimmer werden meist Kaffee, Liköre, Zigarren und Zigaretten gereicht. Rauchen Sie nicht eher, bis Ihnen angeboten wird! Es ist sehr unvornehm, wenn eine Dame gleich nach Tisch ihr Zigarettenetui herauszieht und sich eine Zigarette ansteckt, eine Unsitte, der man heutzutage leider manchmal begegnet.

Sie können Ihren Platz da wählen, wo es Ihnen am meisten zusagt, unter Umständen ihn auch im Laufe der Zeit wechseln, wenn Sie sich noch mit jemand anderem unterhalten wollen.

Einen sehr wichtigen Punkt möchte ich hier nicht unberührt lassen. Es ist in der guten Gesellschaft nicht üblich persönliche Abneigung oder Privatzwistigkeiten, die man mit jemand gehabt hat, öffentlich zu zeigen. Es wird niemand von Ihnen verlangen, daß Sie gegen einen Menschen, der Ihnen unsympathisch ist, sich besonders liebenswürdig zeigen, das wäre sogar charakterlos; aber die äußeren Formen der Höflichkeit müssen stets eingehalten werden.

Ist der Kaffee abserviert, so wird bei Abendgesellschaften meist noch Wein oder Bier herumgereicht.

Das Zeichen zum Aufbruch gibt stets die Frau des höchststehenden Gastes bezw. dieser selbst. Es ist unschicklich vor diesem aufzubrechen. Sollten Sie es aus irgend einem besonderen Grunde tun müssen, z. B. weil Ihr Zug früher fährt, so müssen Sie sich bei der Hausfrau unter Angabe des Grundes entschuldigen.

Sobald die ersten Gäste aufbrechen, empfehlen sich im allgemeinen auch die übrigen zur gleichen Zeit, es sei denn, daß die Gastgeber bitten noch etwas zu bleiben. Man hüte sich auch hier, ebenso wie bei Besuchen, die höfliche Frage: »Wollen Sie denn schon gehen, es ist doch noch so früh?« stets als bare Münze anzusehen. Oft werden Hausherr und Hausfrau froh sein, wenn sie zur Ruhe kommen, oft aber auch wird es von ihnen wirklich ernst gemeint sein, und dann soll man ruhig noch etwas dableiben. Dieses richtig zu beurteilen ist eine Frage des Taktes.

Vor dem Weggehen verabschiedet man sich von allen Gästen, es sei denn bei ganz großen Gesellschaften, wo es nicht gut möglich ist zu jedem einzelnen zu gehen.

Dem Dienstboten, welcher einem in den Mantel hilft, gibt man ein Trinkgeld. Die Höhe desselben ist ortsüblich verschieden. Nach Möglichkeit richte man es so ein, daß dieses Trinkgeld jemand vom Hauspersonal und nicht irgend ein Lohndiener erhält.

In der oben geschilderten Weise werden mehr oder weniger alle Einladungen zum Mittag- oder Abendessen vor sich gehen.

Gehen wir jetzt zur Besprechung von Bällen und Tanzvergnügungen über!

Wenn ich vorher gesagt habe, man solle nie vor der angegebenen Zeit in eine Gesellschaft kommen, so ist dies beim Ball – auch im Privathaus – etwas anderes. Da schadet es nichts, wenn man einige Minuten früher eintrifft.

Bei einem großen Ball wird es meistens Tanzkarten geben, auf denen sämtliche Tänze oder wenigstens die sogenannten »Kontretänze« – Lancier und Française, – ferner Souperwalzer (das gute deutsche Wort »Abendessen« ist merkwürdigerweise bei Bällen noch nicht gebräuchlich), – sowie Kotillon bezw. Blumenwalzer vermerkt sind.

Grundsatz in der guten Gesellschaft ist, daß ein Herr nie mit einer Dame tanzen darf, der er nicht vorgestellt ist. Wohl aber kann er sie unmittelbar nach der Vorstellung zum Tanz engagieren, auch wenn er sonst noch kein Wort mit ihr gewechselt hat. Sie sollen aber auch hier nicht allzu streng sein. Wenn ein Herr sich bemüht hat sich überall vorstellen zu lassen und hat es bei Ihnen versehentlich nicht getan, so ist dies kein Grund ihm den Tanz zu verweigern. Sie können ihn dann ruhig als bekannt annehmen.

Nach Begrüßung der Gastgeber trachten Sie danach, sich allen unbekannten Damen vorstellen zu lassen. Es ist dies bei einem Fest von hundert und mehr Personen oft gar keine einfache Aufgabe, und es kann leicht vorkommen, daß man nicht damit durchkommt, aber man soll es wenigstens versuchen.

Sind Sie gänzlich unbekannt in einer Gesellschaft, so empfehle ich Ihnen, sich an eine Dame anzuschließen und diese zu bitten Sie mit den einzelnen Herrschaften bekannt zu machen. In den meisten Fällen wird man immer jemand finden, der einer Fremden gern diesen Gefallen tut.

Die Vorstellung erfolgt natürlich am besten, bevor der Tanz beginnt. Deshalb ist es ratsam frühzeitig da zu sein. Es steht aber auch durchaus nichts im Wege, sich noch im Verlauf des Balles vorstellen zu lassen, wenn man vorher nicht durchgekommen ist. Besonders ein junges Mädchen soll nicht die Vorstellung oder, wenn sie bekannt ist, die Begrüßung der älteren Damen vergessen.

Es ist ganz unnötig, daß man unmittelbar nach der Vorstellung ein Gespräch mit der betreffenden Persönlichkeit anknüpft; besonders wenn man sich vielen Menschen vorstellen lassen muß, wird man sonst gar nicht fertig werden.

Zu den Kontretänzen, Souperwalzer und Kotillon, oft auch zum Blumenwalzer wird meist vorengagiert, d. h. die Herren bitten im allgemeinen schon bei Beginn des Balles die einzelnen Damen um den betreffenden Tanz. Um etwaige Verwechslungen zu vermeiden, rate ich Ihnen gleich den Namen des Herrn hinter dem betreffenden Tanz in Ihrer Tanzkarte einzutragen.

Der Herr, der Sie zum Souperwalzer engagiert hat, führt Sie auch zum Souper. Besteht dieses in einem Büfett, so wird er Ihnen meist auf einem Teller die einzelnen Speisen, auch die Getränke, bringen.

Nach dem Souper tanzt man zuerst mit seinem Tischherrn. Bevor man einen Tanz beginnt, macht der Herr seiner Partnerin eine kurze Verbeugung. Die Dame erwidert durch Neigen des Kopfes. Ob man den ganzen Tanz durchtanzt oder nicht, wird ortsüblich verschieden sein. Bei den alten Rundtänzen wird meist nicht mit derselben Dame der ganze Tanz durchgetanzt. Man macht ein- bis zweimal die Runde des Saales je nach seiner Größe, darauf dankt der Herr der Dame mit kurzer Verbeugung und engagiert eine andere. Bei den modernen Tänzen, die ja an sich viel weniger anstrengend sind wie die alten, ist es vielfach Brauch geworden, den ganzen Tanz mit ein und derselben Dame durchzutanzen.

In einer fremden Gesellschaft mache man es so, wie es dort üblich ist.

Wie ich schon vorher erwähnte, wird zum Kotillon oder auch zum Blumenwalzer vorengagiert.

Bevor dieser Tanz beginnt, spielt die Musik gewöhnlich einen Auftakt. Jeder einzelne Herr setzt oder stellt sich darauf mit seiner Dame an einer der Wände des Saales auf, so daß der Raum in der Mitte frei bleibt.

Der Kotillon wird heute im allgemeinen nicht mehr viel getanzt. Man versteht darunter verschiedene, meist scherzhafte Touren, bei denen die Bestimmung von Tanzpartner und -partnerin dem Zufall überlassen bleibt, dagegen wird man auf großen Privatbällen den Blumenwalzer wohl noch immer finden.

Sobald alle Paare sich an ihrem von ihnen gewählten Platz aufgestellt bezw. gesetzt haben, läßt der Vortänzer die Blumen hereinbringen um sie zu verteilen. Es wird hierbei für jeden Herrn eine bestimmte Anzahl Sträußchen zur Verteilung an die Damen vorgesehen sein. Diese Sträußchen werden vom Vortänzer an die Herren verteilt, oder dieser sagt ihnen, wieviel sie sich nehmen können.

Es kommt auch wohl vor, daß, besonders bei kleinen Bällen, die Blumen in den Saal gebracht werden, ohne daß die einzelnen Paare sich an den Wänden aufgestellt haben; aber schöner und ordentlicher wird es stets zugehen, wenn es in der oben geschilderten Art geschieht.

Sobald die Blumen verteilt sind, beginnt der eigentliche Tanz.

Mit jedem Herrn, der einem Blumen gegeben hat, tanzt man gleich im Anschluß daran.

Nachdem die Blumen ausgetanzt sind, werden gewöhnlich Schleifen an die Damen gegeben zur Verteilung unter die Herren. Bei diesem Tanz engagiert also die Dame jeweils den Herrn (Damenwahl). Sobald eine Dame eine Schleife gibt, gilt dies zugleich als Aufforderung zum Tanz. Die erste Schleife wird die Dame stets ihrem Kotillon-Herrn geben, dann eine dem Tischherrn und nach Möglichkeit allen Herren, die ihr ein Sträußchen gegeben haben. Ich erachte es entschieden für angebracht den Hausherrn, – selbst wenn er nicht mehr tanzt, – mit einer Schleife zu bedenken, auch der Vortänzer verdient eine Schleife für seine Bemühungen. Dieses sollen aber nur gewisse Winke sein, und meine verehrten Leserinnen werden es schon am besten selbst beurteilen können, wen Sie auszeichnen wollen.

Mit dem Kotillon bezw. Blumenwalzer schließt ein Ball ab.

Bei großen Bällen wird es oft nicht möglich und angängig sein, sich von jedem Gast zu verabschieden; man soll es aber doch wenigstens bei allen jenen tun, mit denen man getanzt hat oder sonst irgendwie im Laufe des Balls ins Gespräch gekommen ist.

In gleicher oder ähnlicher Form, wie oben geschildert, werden auch die sogenannten Subskriptionsbälle in einem Hotel oder Klubhaus verlaufen, nur daß da jeder für sich selbst bezahlen muß. Wenn beim Essen die Getränke nicht miteinbegriffen sind, so wird meist jeder Herr für seine Tischdame diese mitbestellen und auch bezahlen. Der Preis für das Essen wird gewöhnlich später repartiert.

Erlauben Sie mir gütigst, meine verehrte Leserin, hier ein offenes Wort für Ihre weniger begünstigten Mitschwestern einzulegen.

Ich bin fest davon überzeugt, daß es Ihnen bei allen Bällen, die sie mitmachten, nie an Tänzern gefehlt hat; aber vergessen Sie über Ihren gesellschaftlichen Triumphen nicht ganz die jungen Damen, denen es schlechter geht wie Ihnen, und die keine oder nur sehr wenige Tänzer finden.

Bedenken Sie: vielleicht ist es für manche von ihnen das einzige größere Vergnügen im Jahr, das sie sich von einem sorgenvollen Leben zu Hause abringen konnten. Sie haben sich wochenlang darauf gefreut, und nun wird ihnen die ganze Freude verdorben, weil sich niemand um sie kümmert; das ist hart und bitter.

Meine sehr gefeierte Ballschönheit, nehmen gerade Sie sich dieser armen Dinger in diskreter Weise ein wenig an! Sie kennen sicherlich manchen Herrn im Saal, mit dem Sie so stehen, daß Sie ihn ruhig bitten können, doch mal mit einem der sogenannten »Mauerblümchen« zu tanzen. Auch eine ältere Dame kann bei ihren guten Bekannten da leicht ein Wort in diesem Sinne einlegen.

Ihnen persönlich geschieht hiedurch sicherlich kein Abbruch; aber Sie ahnen gar nicht, wie gut Ihnen ein solch edler Zug zu Gesichte steht, und wie manches der sonst von den Herren übersehenen jungen Mädchen zeigt sich, – wenn es richtig »lanciert« ist, – in reizendster und angenehmster Weise. Allen Damen kann ich nur den guten Rat geben: Wenn es Ihnen wirklich mal durch einen Zufall passieren sollte, daß Sie keinen Tänzer finden, dann zeigen Sie Ihren Unmut nicht durch eine böse und gekränkte Miene. Dies steht Ihnen schlecht und schreckt nur die andern ab.

Sie mögen sich innerlich noch so sehr giften, lassen Sie es aber nach außen nicht merken: denn Selbstbeherrschung wird auch von der Dame verlangt.

Zum Schlusse sei noch kurz über den Rout gesprochen. Diese Art der Geselligkeit ist die zwangloseste. Man kennt sie in Süddeutschland mehr wie in Norddeutschland. Es werden zwar Einladungskarten dazu versandt, eine Zu- oder Absage ist aber nicht erforderlich. Auch ist man nicht an eine bestimmte Zeit des Kommens oder Gehens gebunden, und es bleibt jedem überlassen, ob er nach Begrüßung der Gastgeber noch kürzer oder länger bleiben will.

Gewöhnlich werden an diesen Abenden Tee, Limonade, Gebäck und kleine Butterbrote gereicht.


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