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Mahlzeiten

Bei allen Mahlzeiten, die Sie in Ihrem Heim oder Ihrer Pension einnehmen, können Sie als Dame am besten darauf einwirken, daß keiner der Teilnehmer irgendwie gegen die gute Sitte verstoßt.

Ihr gutes Beispiel, hin und wieder eine leichte Bemerkung in freundlichem Tone, werden da oft Wunder wirken.

Wenn Sie irgend welchen Einfluß auf das Herrichten des Tisches haben, so üben Sie ihn dahin aus, daß er – auch zu den einfachsten Mahlzeiten – nett und sauber gerichtet ist. Es ist so ziemlich die gleiche Mühe, ob alles ordentlich hingestellt wird, oder ob man es einfach so hinsetzt, wie es einem gerade aus der Hand kommt. Auch ein paar Blumen auf den Tisch geben dem Ganzen leicht ein gefälliges Aussehen.

Sobald Sie sich – auch im eigenen Heim – zu den Mahlzeiten setzen, tun Sie es nicht ohne etwaige Spuren Ihrer Arbeit beseitigt zu haben! Die vornehme Dame geht nicht unfrisiert, im schmutzigen Arbeitsgewand oder mit unsauberen Händen zu Tisch. Auch wenn sie ganz allein ist, wird sie stets darauf halten, nett und adrett in ihrer ganzen Aufmachung zu sein. Dies muß schon dem jungen Mädchen so in Fleisch und Blut übergehen, daß es gar nicht daran denkt es anders zu machen.

Ich hörte einmal den Ausspruch: »Wenn du wissen willst, aus was für einem Haus jemand stammt, so sieh ihm beim Essen zu!« Hierin liegt sehr viel Wahres. Herren sowohl wie Damen von guter Erziehung werden bei Tisch nie, auch nur im geringsten, die Formen verletzen, gleichgültig ob sie allein für sich oder im größten Kreise essen. Es muß einer daran bereits so von Kindheit an gewöhnt sein, daß er darin gar keinen Fehler mehr machen kann. Die Übung dafür bilden die täglichen Mahlzeiten im Hause. Daher, meine Damen, lassen Sie sich nie dabei gehen und denken Sie nicht etwa: Hier sieht es ja doch keiner. Es kann sich bitter rächen und eine schlechte Gewohnheit ist schneller an- wie abgewöhnt.

Ich bin ja fest davon überzeugt: so, wie Sie, meine verehrte Leserin, Ihr Eßbesteck halten, so, wie Sie die Speisen zum Munde führen, ist es das Graziöseste und Schönste, was man sich denken kann. Also machen Sie es ruhig weiter so! Es soll Ihnen aber nicht genügen, wenn Sie in Ihrem Familienkreise allein auf vornehme Art essen, sondern Sie sollen auch in dieser Beziehung erzieherisch auf Ihre Umgebung, besonders schon auf die Kinder, wirken. Daher will ich nicht verfehlen hier die Normen für das richtige Benehmen bei Tisch anzugeben.

Sobald man sich gesetzt hat, legt man die Serviette auf die Knie.

Achten Sie auf die richtige Handhabung des Eßbesteckes.

Den Löffel hält man ziemlich weit oben am Stiel, den Daumen ungefähr senkrecht über dem Stiel, die anderen Finger geschlossen darunter. Ein Abspreizen des kleinen Fingers oder sonstige Geziertheiten wirken unschön.

Das Messer wird immer mit der rechten Hand gefaßt, und zwar liegt das Ende des Stiels am Handballen, der Zeigefinger ist ungefähr parallel zum Stiel laufend auf demselben, der Daumen leicht gekrümmt an der linken Seite, die übrigen Finger geschlossen neben der rechten Seite des Stiels.

Die Gabel wird beim Aufpicken von Fleischstückchen usw. ungefähr wie das Messer, – beim Nehmen von Brei, Gemüse usw. wie der Löffel gehalten.

Wenn man Messer und Gabel zugleich gebraucht, nimmt man die Gabel in die linke Hand.

Bei der Mahlzeit liegt auch die unbeschäftigte Hand auf dem Tisch. Die Ellbogen werden während des Essens nicht aufgestützt.

Bei der Suppe nimmt man den Löffel nicht so voll, daß er überläuft oder abträufelt, und schlürft die Suppe nicht laut hinunter! Das ist ebenso unschön wie das sogenannte Schmatzen.

Eine selbstverständliche Regel ist: Das Messer dient bei Tisch nur zum Schneiden, niemals zum Essen.

Wenn man ein größeres Stück Fleisch auf dem Teller hat, spießt man es mit der Gabel (in der linken Hand) an und schneidet mit dem Messer jeweils ein mundgerechtes Stück ab, um es zum Munde zu führen. Es ist unschicklich, das Fleisch gleich in lauter kleine Stücke zu zerschneiden und dann erst zu essen.

Sollte man Erbsen oder dergleichen nicht mit der Gabel allein vom Teller herunter bringen, so benutzt man niemals einen Finger, um nachzuhelfen, sondern schiebt mit einem Stückchen Brot den widerspenstigen Gegenstand auf die Gabel.

Soße, die noch auf dem Teller verblieben ist, darf man – so leid es einem vielleicht tut – nicht etwa mit hineingeworfenen Brotstückchen heraustunken, ebensowenig ist es angängig, sie mit dem Löffel oder gar mit dem Messer auszulöffeln. Der gute Ton verlangt da schon das Opfer, sie einfach stehen zu lassen.

Fisch wird niemals mit der Klinge eines Stahlmessers zerteilt. In feinen Häusern werden dazu meist besondere Fischbestecke aufgelegt. Es sind etwas flachere Gabeln als die gewöhnlichen und Messer mit silberner bezw. versilberter Klinge. Wenn ein derartiges Besteck neben dem Teller liegt, so dient es nur für das Fischgericht. Die Handhabung ist genau so wie beim anderen Besteck.

Ist kein besonderes Fischbesteck da, so bekommt man häufig zwei gewöhnliche Gabeln; muß man sich aber mit einer Gabel begnügen und kann seinen Fisch allein damit nicht zerteilen, so nehme man sich ein Stückchen Brot zu Hilfe, um den Fisch festzuhalten; das Zerkleinern geschieht dann mit der Gabel.

Beim Essen von Geflügel darf man nie den Knochen in die Hand nehmen, um ihn abzunagen, sondern man schneidet das Fleisch herunter, indem man den Knochen mit der Gabel auf dem Teller festhält.

Liegen außer dem Besteck auch noch kleinere Messer, Löffel und Gabeln auf, so sind diese für süße Speisen, Obst oder Butter und Käse bestimmt; ein kleiner Löffel dient auch zum Kompott. Wird dieses mit dem Braten gereicht, so werden hierfür in manchen Häusern neben die gewöhnlichen Teller noch kleine Glasteller gestellt.

Äpfel und Birnen usw. zerschneidet man in vier Teile und schält die einzelnen Viertel, ehe man sie ißt.

Das Obst, das ohne Löffel herumgereicht wird, wie Äpfel, Birnen usw., wird mit der Hand aus der Schüssel auf den Teller gelegt. Bei Beerenfrüchten liegt natürlich ein Löffel oder Löffel und Gabel in der Schüssel, mit denen man die Früchte herausnimmt. Nie aber bediene man sich des eigenen Besteckes, um etwas aus der gemeinsamen Schüssel herauszunehmen!

Wenn man die Speisen auf seinem Teller fertig gegessen hat, so läßt man das gebrauchte Eßbesteck auf diesem liegen, da zu jedem Gang ein sauberes Besteck gereicht wird, bezw. bereits neben dem Teller liegt.

Wird Brot herumgereicht, so nimmt man es ebenfalls mit der Hand. Man beißt nicht von der ganzen Schnitte oder vom ganzen Brötchen ab, sondern bricht mit der Hand kleine Stücke ab, die man zum Munde führt.

In vielen Häusern werden nach dem Essen Schalen mit erwärmtem Wasser herumgereicht oder vor jede Person hingestellt; manchmal schwimmt auch eine Zitronenscheibe darin. – Diese »Fingerschalen« haben den Zweck die Hände von etwaigen Speise-, Obstresten usw. zu reinigen. Man steckt nur die Fingerspitzen hinein und trocknet sie dann an seiner Serviette ab. Oft werden die Fingerschalen auf dem Obstteller mit kleinen Servietten vor einem hingestellt. Man stellt sie dann auf dieser Serviette neben sich, bevor man vom Obst nimmt.

Die Unterhaltung bei Tisch sei frei und ungezwungen. Natürlich redet man nie mit vollem Munde. Unschicklich ist es auch, mit der servierenden Dienerschaft sich in ein Gespräch einzuladen.

Über die Unsitte des Gebrauchs von Zahnstochern bei Tisch ist wohl kein Wort zu verlieren.

Trinken kann man bei Tisch, wie und wann es einem behagt; aber man trinke nie, bevor man sich nicht den Mund abgewischt hat; denn der Abdruck von fettigen Lippen am Glas wirkt nicht gerade schön.

Es wäre jetzt vielleicht noch darüber zu reden, auf welche Weise besondere Delikatessen, wie Austern, Hummer, Krebse usw. zu essen sind, aber ich möchte diesen Punkt nur kurz streifen; denn einerseits sind diese Dinge jetzt so teuer geworden, daß man sie auch bei den feinsten Diners nur mehr selten bekommt, andererseits läßt sich so etwas nur schlecht beschreiben. Ich kann jedem da nur den Rat geben: wenn es bei Tisch etwas gibt, von dem man nicht weiß, wie man es essen soll, so warte man ab, bis man gesehen hat, wie es die anderen machen, und mache es ihnen nach. Man achte auch darauf, welches Besteck sie zu der betreffenden Speise verwenden! Es gibt nämlich auch besondere Austern- oder Hummergabeln; aber es wäre zwecklos, hier näher darauf einzugehen. Ich erwähne es nur um jemand vor etwaigen Überraschungen zu bewahren.

Übrigens wird heute kein verständiger Mensch etwas daran finden, wenn jemand offen eingesteht, er habe derartige seltene Leckerbissen noch nie gegessen, und bittet, es ihm zu zeigen.

Nur über das Essen von Spargel möchte ich zum Schluß noch etwas sagen. Es geschieht auf verschiedene Weise. Man soll sie nicht mit der Messerklinge zerschneiden, da dadurch der Geschmack beeinträchtigt wird. Man kann sie entweder mit der Gabel zerkleinern oder man ißt sie, indem man mit der rechten Hand das untere Ende des Spargels faßt, die Gabel quer darunter schiebt, mit ihrer Hilfe das Kopfende zum Munde führt und jeweils kleine Stücke abbeißt. Einen etwa holzigen Teil des Spargels läßt man einfach auf dem Teller liegen. Zum Herausnehmen der Spargel liegt vielfach eine Spargelschere auf der Schüssel.

Meine verehrten Damen, ich sehe viele von Ihnen über meine obigen Ausführungen lächeln. Aber denken Sie darüber nach, und Sie werden mir recht geben müssen. Es ist nicht ein einziger der genannten Fehler, den Sie nicht schon im Speisewagen, Restaurant oder sonstwo zu Ihrem Mißvergnügen gesehen haben. Also weshalb soll man sie nicht ruhig offen zur Sprache bringen? Nur dadurch läßt sich erreichen, daß solche gesellschaftlichen Unarten wenigstens teilweise verschwinden.


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