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Im täglichen Leben

Wenn wir zunächst von der im Berufe stehenden Dame absehen, so wird sich die Tätigkeit unserer Damen wohl meist innerhalb des Hauses abspielen.

Die Dame, die jeden Tag ihr Frühstück im Bett einnimmt, sehr spät aufsteht und dann versucht, so gut wie möglich ihren Tag mit Müßiggang totzuschlagen, hat sich heute – zum Glück – wohl so ziemlich überlebt; denn fast alle Damen werden mehr oder weniger im Hause leitend oder arbeitend tätig sein müssen. Arbeit ist auch wirklich keine Schande. Ob die Hausfrau oder die Tochter des Hauses selbst mit Hand anlegen muß oder ihrem Personal nur Anweisungen zu geben braucht, ist mehr oder weniger eine Frage des Geldbeutels – oder der Geschicklichkeit der jeweiligen Dienstboten.

Also, meine sehr verehrten Damen, greifen Sie getrost in Ihrem Haushalt zu, wann und wie Sie es für notwendig erachten! Ihre erste Aufgabe ist es der Familie das Heim so behaglich und schön wie nur möglich zu machen. Sie geht allen anderen Aufgaben vor. Sie vergeben sich als Dame nicht das Geringste, wenn Sie durch die Umstände gezwungen sind selbst die gröbsten Arbeiten zu verrichten.

Nur einen guten Rat möchte ich Ihnen geben. Es ist lediglich Ihre Privatangelegenheit, was und ob Sie im Hause schaffen. Sobald Sie aber irgendwie – auch im eigenen Heim – an die Öffentlichkeit treten, müssen Sie ganz als Dame erscheinen. Seien Sie Ihre eigene Köchin, Stubenmädchen, Waschfrau, oder was Sie wollen, es geht keinen etwas an. Aber wenn Sie einen Besuch empfangen, oder aus dem Hause gehen, streifen Sie die Spuren dieser Tätigkeit ab, nicht etwa, weil Sie sich ihrer zu schämen brauchen, sondern weil es unschön wirkt, die Dame in Küchenschürze, Arbeitskleid usw. zu sehen.

Die Beschäftigung einer tätigen Hausfrau kann es leicht mit sich bringen, daß sie unwillkürlich mehr mit den Dienstboten zusammenkommt als der Herr. Seien Sie dabei gleichmäßig in Ihrem Wesen! Auch Strenge kann unter Umständen nötig sein. Aber lassen Sie nie eine etwaige schlechte Laune an einem Angestellten aus, dessen Abwehr eigentlich nur in der Kündigung bestehen kann, wodurch Sie vielleicht eine tüchtige Stütze Ihres Hauses verlieren, um dafür etwas Schlechteres einzutauschen.

Sehr häßlich klingt im Munde einer Dame ein scharf gegebener Befehl. Es gehört so wenig dazu ihn umzumodeln. Wenn ich sage: »Bitte, holen Sie mir das,« so erreiche ich damit ganz dasselbe, wie wenn ich sage: »Holen Sie mir das!« Nur wird die Bitte sicherlich lieber ausgeführt als der Befehl.

Wenn ein Angestellter etwas falsch macht, tadeln Sie ihn in ruhiger, sachlicher Weise! Aber vermeiden Sie jedes laute Schimpfwort; es widerstrebt zu sehr dem Wesen der Dame.

Es ist ganz klar, daß, wenn Sie länger mit einem Dienstboten zusammen irgend eine Arbeit verrichten oder seinen Dienst überwachen, ein Gespräch zwischen Ihnen beiden zustande kommt. Und das ist auch ganz gut. Dadurch lernen Sie Ihre Leute kennen. Diese fassen Vertrauen zu Ihnen, und es kommt so allmählich zu dem alten guten Verhältnis zwischen Herrschaft und Dienerschaft, das in unserer heutigen Zeit leider immer seltener wird. Wie häufig wird Ihnen dabei auch Gelegenheit gegeben, auf die teilweise doch noch recht jungen und unerfahrenen Mädchen in Güte einzuwirken und sie vor manchem Unglück zu bewahren!

Nur vor einem warne ich Sie dringend: Lassen Sie sich nie mit Dienstboten in ein Klatschgespräch ein, besonders nicht über andere Herrschaften! Und wenn sie davon anfangen, so verbieten Sie es ihnen unbedingt! Mag Ihnen da manches noch so interessant erscheinen, bezähmen Sie Ihre Neugier! Es wird sicherlich nicht zu Ihrem Schaden sein. Schon viel Unheil ist durch Leuteklatsch entstanden und wäre zweifellos vermieden worden, wenn jede Dame gerade so vornehm dächte, wie Sie, meine verehrte Leserin, es sicherlich tun.

Sobald Sie in Ihrem hübschen Mantel mit dem schicken Hut das Haus verlassen, werden Ihnen natürlich viele bewundernde Blicke der Herrenwelt folgen. Aber hüten Sie sich diese zu erwidern! Die Dame geht ruhig und vornehm ihres Weges.

Früher war es nicht üblich, daß ein junges Mädchen der Gesellschaft allein auf die Straße ging. Diese Zeiten haben sich überlebt. Schon aus praktischen Gründen werden die wenigsten Mütter ihrer Tochter immer eine Begleitung mitgeben können. Aber, meine Damen, auch wenn es Ihnen möglich sein sollte, so möchte ich Ihnen doch zu bedenken geben, ob es tatsächlich im Interesse Ihrer Tochter ist. Sie wissen gar nicht, welche Anforderungen das Leben noch an ein junges Mädchen stellt. Wieviel weniger wird diesen eine Dame gewachsen sein, die stets ängstlich auf Schritt und Tritt bewacht und behütet war, als eine andere, der schon von Jugend auf eine gewisse Selbständigkeit gewährt wurde? Daher ist es Pflicht jeder Mutter ihre Tochter so zu erziehen, daß sie sich darauf verlassen kann, daß diese auch unbeaufsichtigt keinen Schritt tut, der sie mit dem in Konflikt bringt, was sie sich als Dame schuldig ist.

Ihnen, meine jungen Damen, kann ich es nicht warm genug ans Herz legen: »Hören Sie auf das, was Ihre Mutter sagt!« Die Mutterliebe ist etwas so Schönes und Heiliges, mit das Edelste, was wir auf Erden kennen. Zum Glück gehört doch noch – trotz allem – die Ehrfurcht vor den Eltern zum guten Ton. Und wenn Sie auch manchmal wähnen, die Ansicht Ihrer Mutter sei veraltet, seien Sie überzeugt: was Ihre im gesellschaftlichen Leben stehende Mutter Ihnen sagt, wird auch in unserer modernen Zeit stets als richtig befunden werden. Nichts wirkt häßlicher, als wenn ein junges Mädchen sich über alles hinwegsetzt, was seine Mutter wünscht, oder gar wegwerfend darüber spricht. Auch abgesehen von dem moralischen Standpunkt wäre es ein grober Vorstoß gegen die guten Sitten; denn, Gott sei Dank, ist Ehrfurcht vor dem Alten und Hergebrachten doch etwas, was auch heute noch in der vornehmen Gesellschaft hochgehalten wird, trotz des modernen Zeitgeistes, der sich so gern über alle Tradition hinwegsetzt.

Wenn Ihnen auf der Straße ein Bekannter begegnet, wird er selbstverständlich seinen Hut ziehen, denn der Herr hat die Dame zuerst zu grüßen und diese erwidert den Gruß durch freundliches Neigen des Kopfes.

Ein gutes Wort für uns Herren möchte ich mir hier erlauben einzuflechten. Gehen Sie nicht zu streng ins Gericht, wenn ein Herr es versäumt Sie zu grüßen! Glauben Sie mir, daß es keinesfalls absichtlich geschieht. Vergessen Sie nie, daß der Herr Sie wohl meistens ohne Hut, vielleicht auch nur in Gesellschaftstoilette gesehen hat und Sie daher im Straßenkostüm nicht wieder erkennt. Sie werden doch auch sicherlich nicht so wenig Selbstgefühl vor Ihrer Person haben, daß Sie glauben könnten, ein Herr wolle Sie absichtlich schneiden?

Wenn zwei bekannte Damen sich begegnen, so wird naturgemäß die jüngere die ältere zuerst grüßen. Man soll aber nicht erst auf einen Gruß warten, sondern grüßen, sobald man auf Grußweite herangekommen ist. Hierdurch vergibt man sich durchaus nichts.

Auch einem Dienstboten, der Sie grüßt, gebührt ein freundlicher Gegengruß und nicht hochmütiges Kopfnicken, wie überhaupt Hochmut sich nicht gut mit wahrer Vornehmheit verträgt. Jeder Mensch soll wissen, was er sich und seiner Stellung schuldig ist, aber durch falschen Hochmut wird er nie Achtung, sondern nur Geringschätzung hervorrufen.

Gehen zwei Damen zusammen, so läßt die jüngere die ältere bezw. ranghöhere rechts von sich gehen.

Eine Dame pflegt im allgemeinen den Rang ihres Mannes zu haben. – Ich bitte die moderne Frau, es mir nicht übel zu nehmen, wenn ich dies offen ausspreche; aber in der guten Gesellschaft ist es wirklich noch so üblich. Auch hat die verheiratete Frau den Vorrang vor der Unverheirateten. Allerdings werden auch Ausnahmen gemacht, und man wird eine ganz junge Frau nicht vor einem sehr viel älteren Fräulein rangieren lassen. Dies schließt aber nicht aus, daß z. B. die an Jahren jüngere Frau eines Regierungsrates über der älteren eines Assessors rangiert.

Bei drei Damen wird die älteste in die Mitte genommen. Nie wird ein Herr in der Mitte zweier Damen gehen, sondern an deren Seite.

Befinden Sie sich mit einer Dame auf der Straße im Gespräch und eine Ihnen unbekannte Dame begrüßt Ihre Bekannte und redet mit ihr, so bitten Sie, daß man Sie gegenseitig bekannt macht, wenn die hinzugetretene Dame nicht schon selbst darum gebeten hat, ebenso müssen Sie in diesem Fall einen Herrn der Dame vorstellen, wenn es auch sonst üblich ist, daß ein Herr durch einen anderen Herrn vorgestellt wird.

Die Vorstellung geschieht, indem die Vorstellende erst auf die jüngere, dann auf die ältere vorzustellende Dame unter Nennung der jeweiligen Namen hinweist. Hierbei begrüßen sich die vorgestellten Damen durch Neigen des Kopfes.

Wenn zwei Damen zu gleicher Zeit einen Raum betreten, läßt die jüngere der älteren bezw. ranghöheren den Vortritt. Man braucht dies natürlich nicht ganz wörtlich zu nehmen. Meist kennen Sie ja wohl auch gar nicht das Alter Ihrer Mitschwestern, und es wäre geradezu lächerlich, wenn sich zwei jüngere Damen von etwa 20 und 21 Jahren darum streiten wollten, welcher von beiden der Vorrang gebühre, während beide diesen unbedingt einer etwa Vierzigjährigen geben würden. Ich erwähne dies hier nur; die praktische Ausführung wird aber stets eine Frage des Taktes sein, und den setze ich bei jeder vornehmen Dame als selbstverständlich voraus.

Die Anrede der Damen untereinander richtet sich im allgemeinen wohl nicht nach so strengen Formen wie bei den Herren. Jedoch pflegt man eine unverheiratete Dame mit »Gnädiges Fräulein«, eine verheiratete mit »Gnädige Frau« anzureden. Kennen zwei Damen sich gegenseitig besser, so werden sie häufig »Frau X« bezw. »Fräulein Y« zueinander sagen. Jedoch ist es nicht üblich, daß eine ganz junge Dame diese – doch mehr familiäre – Form einer älteren gegenüber anwendet. Ihr angeborenes Taktgefühl wird Ihnen auch hier den richtigen Weg weisen.

Man findet es, besonders in Süddeutschland, auch häufig, daß verheiratete Damen mit dem Titel Ihres Mannes (»Frau Major«, »Frau Doktor« usw.) angeredet werden. Ich möchte mich über das Für und Wider nicht näher auslassen. Man halte es so, wie man es für richtig findet.

Einer Gräfin, auch wenn sie unverheiratet ist, gibt man diesen Titel, ebenso einer Freifrau oder deren Tochter; jedoch sagt man nicht »Freifrau« oder »Freiin«, sondern in beiden Fällen »Baronin«.

Unter den Damen ist es mehr als bei den Herren Sitte, daß sie gegenseitig »Du« sagen. Dieses darf aber nie eine jüngere der älteren anbieten.

Ein Herr wird meist als »Herr usw.« angesprochen. Häufiger wird auch die Dame einen Herrn mit seinem Amtstitel anreden. Es ist ortsweise verschieden, und man soll es so machen, wie es dort üblich ist, wo man lebt. Einem Grafen oder Freiherrn gibt man diesen Titel, bei letzterem sagt man »Baron«.

Hohe Staatsbeamte und Militärs der alten Armee haben vielfach noch Anspruch auf die Anrede »Exzellenz«.

Ein Bischof wird »Bischöfliche Gnaden«, der Rektor einer Universität »Magnifizenz« angeredet.

Die gebräuchlichsten Anreden für Fürstlichkeiten sind: »Eure Kaiserliche Hoheit«, »Eure Königliche Hoheit«, »Eure Hoheit«, »Eure Durchlaucht«. Kaiser und Könige redet man mit »Eure Majestät« an.

In Zweifelsfällen bitte man andere um den nötigen Aufschluß.

Wenn Sie in einem Laden etwas kaufen wollen, so ist es Ihr gutes Recht, sich alles vorlegen zu lassen, um die geeignete Auswahl treffen zu können. Aber ich bitte Sie, meine verehrten Damen, stellen Sie dieses Ansuchen an den Verkäufer und die Verkäuferin in höflichem Tone! Wenn sie nach langem Suchen wirklich nichts Passendes gefunden haben, dann gehen Sie nicht heraus, ohne der Person, die sich vergeblich so viel Mühe gegeben hat, ein höfliches Wort des Bedauerns und Dankes zum Ausdruck zu bringen. Es ist doch nicht Schuld des Ladeninhabers oder gar seines Personals, wenn sie ausgerechnet das nicht führen, was Sie sich gerade wünschten. Durch solche kleine Freundlichkeiten, die wirklich so leicht sind, vergeben Sie sich gar nichts, im Gegenteil, sie werden der vornehmen Dame etwas ganz Selbstverständliches sein.


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