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– et incestos amores
De tenero meditatur ungui,
Horat.
Während ich einige der nachfolgenden, nach der reinen Wahrheit niedergeschriebenen Biographieen einem sonst nachsichtigen Beurtheiler mittheilte, machte derselbe mir die größten Vorwürfe, welche sich hauptsächlich darauf bezogen, daß man durch Darstellung jener, nach der Natur der Sache mit einem Coischen Schleier verhüllten Laster nur dazu anreize, anstatt davon abzuschrecken, und daß der Schriftsteller, der diesen verfehlten Weg einschlage, sicher sein könne, vor der Kritik das nämliche Schicksal zu erfahren, welches den Verfasser »der Prostitution und ihre Opfer« betroffen habe, – abgesehen davon, daß diesem noch ein anderer Vorwurf gemacht worden sei, im Interesse und Auftrage der Polizei geschrieben zu haben.
Dieser Einwand frappirte mich, ich hatte ihn mir nicht entgegengestellt, weil ich glaubte, meine Tendenz zu klar dargelegt zu haben, die nämlich:
die Quellen und Arten der Prostitution durch Darstellungen aus dem wirklichen Leben selbst zur möglichst klaren Anschauung zu bringen, um das öffentliche Urtheil über das, was zur Verminderung jenes so sehr grassirenden sittlichen, und physischen Uebels noth thut, nach meinen Beobachtungen in dieser Sphäre, vorbereiten zu helfen.
Was hilft das Verschweigen? Ist eine Calamität etwa nicht da, oder wird sie kleiner, wenn man nicht davon redet? Hat der Staat etwa keine Schulden, der sie nicht drucken läßt, sondern durch Censurstriche beseitigt? Ich glaube, der von mir erstrebte Zweck fordert eine offene Sprache und ungeschminkte Wahrheit. Aus jeder Blume kann man Gift und Honig saugen; und wer arg denkt, ist auch arg. Für unreife Knaben und für alte Sünder, die blos ihre verdorbenen Sinne kitzeln wollen, habe ich nicht geschrieben. Wenn sie dessenungeachtet etwas ihnen Behagendes aus meiner Schrift herausfinden sollten, so kann ich es beim besten Willen nicht wehren. Ich habe so wenig eine Hodegetik des Lasters, wie ein Erbauungsbuch für Frömmler, noch einen Erziehungskatechismus für die Jugend schreiben wollen, – obschon Eltern und Lehrer, Erzieher und Vormünder gewiß manches Beherzigenswerthe in den mitgetheilten Thatsachen finden werden. Daß vielleicht ein kleiner Irrthum bei dieser oder jener factischen Angabe sich eingeschlichen haben mag, ist nicht zu vermeiden, da die Quellen, woraus der Beruf den Beamten zu schöpfen zwang, nicht immer die untrüglichsten waren und sehr vorsichtig sondirt werden mußten. Ueberdies standen mir nicht die Polizei-Acten zu Gebote, wie dem Verfasser »der Prostitution und ihre Opfer«, ich hätte dieselben aber auch nicht benutzen mögen, weil sie in der Regel mehr Unrichtigkeiten enthalten, als die offenen mündlichen Mittheilungen des hier betheiligten Publikums. Und Consultationen habe ich nicht angestellt, weil mir hierzu Zeit und Lust gleichmäßig fehlte, dieselben auch keinen Nutzen gehabt haben würden, da ich glaube, daß meine eigene Sachkenntniß zur Erreichung des mir vorschwebenden Zweckes ausreichend ist.