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7. Betrachtung der Ewigkeit.

J. Rist, Himlische Lieder. 1657. S. 300 fg. Veranlassung des Liedes ist ein älteres katholisches, das »O Ewigkeit, o Ewigkeit« beginnt und schon 1625 gedruckt erschien: abgedruckt in K. Goedeke's Elf Büchern deutscher Dichtung, 1, 224. Rist's Lied rief zwei Seitenstücke von Kaspar Heunisch und Erasmus Francisci (Finx) hervor, beide beginnend: »O Ewigkeit, du Freudenwort«; beide schildern die ewigen Freuden der Frommen.

O Ewigkeit, du Donnerwort,
O Schwert, das durch die Seele bohrt,
O Anfang sonder Ende!
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit,
Ich weiß für großer Traurigkeit
Nicht, wo ich mich hinwende.
Mein ganz erschrocknes Herz erbebt,
Daß mir die Zung' am Gaumen klebt.

Kein Unglück ist in aller Welt,
Das endlich mit der Zeit nicht fällt
Und ganz wird aufgehoben;
Die Ewigkeit hat nur kein Ziel,
Sie treibet fort und fort ihr Spiel,
Läßt nimmer ab zu toben,
Ja, wie mein Heiland selber spricht,
Aus ihr ist kein' Erlösung nicht.

O Ewigkeit, du machst mir bang,
O Ewig, Ewig ist zu lang',
Hie gilt fürwahr kein Scherzen.
Drum, wenn ich diese lange Nacht
Zusamt der großen Pein betracht',
Erschreck' ich recht von Herzen.
Nichts ist zu finden weit und breit
So schrecklich als die Ewigkeit.

Was acht' ich Wasser, Feur und Schwert?
Dieß alles ist kaum nennenswert,
Es kann nicht lange dauren:
Was wär' es, wenn gleich ein Tyran,
Der funfzig Jahr kaum leben kan,
Mich endlich ließ vermauren?
Gefängnis, Marter, Angst und Pein
Die können ja nicht ewig sein.

Wenn der Verdammten große Qual
So manches Jahr, als an der Zahl
Hie Menschen sich ernähren,
Als manchen Stern der Himmel hegt,
Als manches Laub das Erdreich trägt,
Noch endlich solle währen:
So wäre doch der Pein zuletzt
Ihr recht bestimtes Ziel gesetzt.

Nun aber, wenn du die Gefahr
Viel hundert tausend tausend Jahr
Hast kläglich ausgestanden
Und von den Teufeln solcher Frist
Ganz grausamlich gemartert bist,
Ist doch kein Schluß vorhanden!
Die Zeit, so niemand zählen kan,
Die fänget stets vom neuem an.

Ligt einer krank und ruhet gleich
Im Bette, das am Golde reich
Recht fürstlich ist gezieret,
So hasset er doch solchen Pracht
Auch so, daß er die ganze Nacht
Ein kläglichs Leben führet;
Er zählet aller Glocken Schlag
Und seufzet nach dem lieben Tag.

Ach, was ist das? Der Höllen Pein
Wird nicht wie Leibeskrankheit sein
Und mit der Zeit sich enden;
Es wird sich der Verdamten Schar
Im Feur und Schwefel immerdar
Mit Zorn und Grimm ümwenden,
Und dieß ihr unbegreiflichs Leid
Sol währen bis in Ewigkeit!

Ach Gott, wie bist du so gerecht,
Wie strafest du die bösen Knecht'
Im heißen Pfuhl der Schmerzen!
Auf kurze Sünden dieser Welt
Hast du so lange Pein bestellt.
Ach, nim dieß wol zu Herzen
Und merk auf dieß, o Menschenkind:
»Kurz ist die Zeit, der Tod geschwind.«

Ach, fliehe doch des Teufels Strick,
Die Wollust kan ein' Augenblick,
Und länger nicht, ergetzen;
Dafür wilt du dein' arme Seel',
Hernachmals in des Teufels Höhl'
Hin zur Vergeltung setzen!
Ja, schöner Tausch, ja wol gewagt,
Das bei den Teufeln wird beklagt!

So lang ein Gott im Himmel lebt
Und über alle Wolken schwebt,
Wird solche Marter währen.
Es wird sie plagen Kält' und Hitz',
Angst, Hunger, Schrecken, Feur und Blitz
Und sie doch nie verzehren;
Dann wird sich enden diese Pein,
Wenn Gott nicht mehr wird ewig sein.

Die Marter bleibet immerdar,
Als anfangs sie beschaffen war,
Sie kan sich nicht vermindern;
Es ist ein Arbeit sonder Ruh',
Sie nimt an Klag' und Seufzen zu
Bei jennen Satanskindern.
O Sünder, deine Missethat
Empfindet weder Trost noch Rat!

Wach' auf, o Mensch, vom Sündenschlaf,
Ermuntre dich, verlornes Schaf,
Und bessre bald dein Leben!
Wach auf, es ist doch hohe Zeit,
Es komt heran die Ewigkeit,
Dir deinen Lohn zu geben;
Vielleicht ist heut der letzte Tag;
Wer weiß noch, wie man sterben mag?

Laß doch die Wollust dieser Welt,
Pracht, Hoffart, Reichtum, Ehr' und Geld,
Dir länger nicht gebieten;
Schau an die große Sicherheit,
Die falsche Welt und böse Zeit
Zusamt des Teufels Wüten;
Vor allen Dingen hab in Acht
Die vorerwähnte lange Nacht.

O du verfluchtes Menschenkind,
Von Sinnen toll, von Herzen blind,
Laß ab, die Welt zu lieben!
Ach, ach, sol denn der Höllen Pein,
Da mehr denn tausend Henker sein,
Ohn' Ende dich betrüben?
Wo lebt ein so beredter Mann,
Der dieses Wort aussprechen kan?

O Ewigkeit, du Donnerwort,
O Schwert, das durch die Seele bohrt,
O Anfang sonder Ende!
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit,
Ich weiß vor großer Traurigkeit
Nicht, wo ich mich hinwende.
Herr Jesu, wenn es dir gefällt,
Eil' ich zu dir ins Himmelszelt.


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