Wilhelm Heinrich Riehl
Ovid bei Hofe
Wilhelm Heinrich Riehl

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Drittes Kapitel.

– – Da öffnete sich die Thür, und herein trat der dicke Mann selber, der Hofkapellmeister Ignaz Lämml!

– – »unausbleiblich!« vollendete Franz, und der Schreck trieb ihm dieses letzte Wort überlaut, gleichsam als einen artikulierten Schrei des Entsetzens aus der Kehle, und das junge Paar flog davon in ein Seitengemach, als habe es ein Gespenst gesehen.

Erstaunt blickte Ignaz Lämml rundum. Er hatte den Fliehenden nicht erkannt.

»Das ist seltsam!« sprach er bedächtig zu sich selber und kopfschüttelnd. »Ich hatte gefürchtet, zur Thür hinausgeworfen zu werden, wenn ich hier eintrete, statt dessen springen die Leute von mir weg wie der Floh vom Betttuch! Was rief mir der Bursche entgegen? ›Unausbleiblich!‹ – Unsinn ist das und das Komödiantenvolk verrückt!«

Nach diesem Selbstgespräch nahm der Hofkapellmeister eine Prise und dachte darüber nach, woher es wohl komme, daß alle großen Musiker Tabakschnupfer seien.

In überwallender Rührung und Dankbarkeit über die Rettungsthat seines Sohnes, die ihn aus der verzweifelten Klemme von Pyramus und Thisbe gerissen, hatte sich Ignaz Lämml zu dem unerhörten Schritt entschlossen, die Schwelle seines Todfeindes zu überschreiten. Heute war Franzens Geburtstag. Der Alte hatte lange gesonnen, was er wohl thun möge, um dem unvergleichlichen Sohn die höchste Ueberraschung und Freude zu bereiten. Da fiel ihm ein, wie dringend ihn Franz vor einiger Zeit gebeten, daß er die letzten Feinheiten der Gesangskunst noch bei Dal Segno erlernen dürfe. Mit groben Worten hatte er damals den Sohn zurückgewiesen. Wie that das dem weichherzigen Vater jetzt in der Erinnerung weh! Nun, wo sich Franz so edelmütig gerächt, hätte er fast geweint über seine vormalige Grausamkeit, denn dem dicken, zartgebackenen Mann rollten die Thränen gar leicht über das runde Gesicht. Da nahm er sich vor, zur Buße für seine Hartherzigkeit, als Zeichen des höchsten Dankes gegen den Sohn und zugleich zur glänzendsten Geburtstagsüberraschung selber zu Dal Segno zu gehen, dem Todfeind Frieden und Versöhnung zu bieten, und es koste, was es wolle, dem Sohne den Unterricht des eigensinnigen Italieners auszuwirken.

Der Gang von dem Flügel des Schlosses, wo des Gesangmeisters Wohnung, war dem guten Lämml, der nicht nur den Sohn überraschen wollte, sondern auch sich selbst überrascht hatte, in der That zu einem Bußgang geworden, so qualvoll, als hätte er einen mit Erbsen bestreuten Weg auf den Knieen abgerutscht. Aber der heitere Gedanke, was wohl sein Franz nachgehends für Augen machen möge, hielt ihm den Mut aufrecht.

Da stand er nun ganz allein in der Stube, schwur sich zu, sich auch durch den heftigsten Grobheitsangriff des Italieners nicht aus seiner Fassung bringen zu lassen und jeden Feuerbrand der Beleidigung, den jener gegen ihn schleudern würde, sofort mit einem vollen Wasserguß der ergebensten Freundlichkeit abzulöschen – und betrachtete dabei die ungeheure Brezel.

Neugierig, wie er war, ging der Alte schnüffelnd im Ring um die Brezel herum, und naschhaft war er auch, drum nahm er ganz verstohlen eines der Stückchen, welche das Liebespaar abgeschnitten hatte, und kostete das treffliche Gebäck.

Und wie er nun just den ersten Bissen im Munde hat, das entwendete Stück in der Hand, da tritt der Italiener ins Zimmer, gleichfalls von außen kommend.

Eben hatte Maestro Dal Segno draußen die Mär von der verhängnisvollen Brezel vernommen, von dem Einsteigen in sein Zimmer, welches den allerhöchsten Zorn Seiner Durchlaucht erregt, aber keiner wußte ihm noch den Frevler zu nennen. Das rührte ihm schon die Galle.

Da muß er nun gar beim ersten Schritt über die Schwelle die zwei Gegenstände seines höchsten Aergers mit einem Blicke sehen: die Brezel und den Hofkapellmeister.

Die Brezel lag groß, ruhig und würdig da, aber der Kapellmeister stand neben ihr wie ein Schulknabe, den der Lehrer auf frischer Frevelthat ertappt. Er konnte nur Verbeugungen machen, denn der Bissen des trefflichen Gebäckes erstickte ihm jedes Wort seiner wohlbedachten Anrede im Munde.

So standen sich die beiden eine gute Weile gegenüber, Kampfhähnen vergleichbar, welche, die Flügel auf den Boden ausspreizend, gegenseitig auf den ersten Angriff warten.

Endlich aber kam beiden zu gleicher Zeit die Sprache wieder, und der entfesselte Strom brauste über den gebrochenen Damm.

Der Hofkapellmeister begann: »Heute, als am Geburtstage –«

»Also auch Sie sind bei dieser sauberen Geburtstagsgeschichte beteiligt, auch Sie sind verflochten in das Komplott mit dieser Brezel!« unterbrach der Italiener.

»Heute, als am Geburtstage meines Sohnes Franz, Herr Kollega,« fuhr der Deutsche mit höchster Gelassenheit fort.

»Ah so! bitte um Verzeihung!« rief der Italiener etwas erleichtert dazwischen.

»Heute, als am Geburtstage meines Sohnes Franz –« der Deutsche war nun durch die verteufelte Brezel doch konfus geworden. Dreimal noch wiederholte er diesen Anfang seiner wohlstudierten Rede, konnte aber nicht weiter, ließ die wohlgesetzte Phrase fallen, modulierte aus dem hochdeutschen Eingang in seine angestammte breite Wiener Mundart und sprudelte einen schwer zu entwirrenden Knäuel von Sätzen heraus, in welchen er dem aus den Wolken gefallenen Italiener den Wunsch darlegte, daß aller Groll zwischen ihnen vergessen und vergeben sein und daß der Maestro seinen Sohn Franz unter die Zahl seiner Schüler aufnehmen möge.

Dal Segno maß unseren Ignaz Lämml mit großen Augen vom Kopf bis zu den Füßen. Endlich fuhr er in trotzigem Tone heraus: »Ich kenne Ihren Sohn nicht; ich nehme keinen unbekannten Schüler. Wer ist er? Wo ist er? Was ist er?«

Der Kapellmeister hatte aber die Gewohnheit, wenn eine Aufwallung in ihm kochte, die er niederkämpfen wollte, gewisse gangbare Rouladen vor sich hin zu singen, gleich wie andere zu demselben Zwecke das Einmaleins im stillen durchrechnen. Das machte sich nun gar ergötzlich, wie er, die Hände in den Rocktaschen, so vor sich hin sang, während ihn der Italiener von Kopf zu Fuß großaugig musterte. Auf die trotzig hervorgestoßenen Fragen aber erwiderte er ganz gelassen: »Mein Sohn ist mein und der besten Wiener Meister Schüler und befindet sich hier bereits seit mehreren Monaten.«

»Seit mehreren Monaten? Und doch hat man noch gar nichts von ihm gehört! – Gehört!« wiederholte der Italiener mit starker Betonung, darin Verachtung und Spott gemischt war, und wie zur Erläuterung des Doppelsinnes in dem Worte »gehört« sang er dem anderen einige Triller und Kadenzen in die Ohren, die sich mit den Beruhigungsrouladen des Kapellmeisters zu einem höchst wunderlichen Duett verschmolzen.

Der Kapellmeister hielt die Ohren zu und rief so laut, als sei er in einer Mühle: »Die größten Sänger vollendeten immer ihre Studien im Verborgenen, um dann als fertige Meister die Liebhaber zu überraschen, die tadelsüchtigen Momos aber mit einem Schlag niederzuschmettern!«

»Ich bedaure, keinen neuen scholarem annehmen zu können, Herr Kollega; ein junger Sänger vom seltensten ingenio, Anton Howora aus Böhmen, hat dermalen meine ganze Lehrthätigkeit für sich hinweggenommen. O, ein wahrer Juwel von einem Sänger ist dieser Howora!«

»Howora? Von dem hat man ja noch gar nichts gehört! – Gehört! Herr Kollega!« rief der Kapellmeister, den giftigen Ton des Italieners nachahmend und sang nun ihm einige Triller und Kadenzen in die Ohren.

Maestro Dal Segno aber parodierte nun seinerseits mit eiskaltem Gleichmut, ebenfalls überlaut, als sei er in einer Mühle: »Die größten Sänger vollendeten immer ihre Studien im Verborgenen, um dann als fertige Meister die Liebhaber zu überraschen, die tadelsüchtigen Momos aber mit einem Schlage niederzuschmettern!«

Eine lange Pause trat ein: die Kampfesruhe zweier Fechter, welche sich eine Weile gemessen haben, ohne daß einer einen Vorteil hätte erringen können.

Der Hofkapellmeister schritt, seine Beruhigungsrouladen singend, langsam im Zimmer auf und ab.

Den Italiener aber ließ seine Heftigkeit nicht lange schweigen.

»Obgleich der Herr Hofkapellmeister noch nichts gehört haben von dem unübertrefflichen Sänger Anton Howora, so ist doch dessen große Reputation zu den Ohren Ihrer Durchlaucht der Frau Fürstin gedrungen, und Ihro hochfürstliche Gnaden haben mir bereits die beste Hoffnung gemacht, daß mein Schüler demnächst als Solotenorist und Hofsänger in Ihrer Kapelle angestellt werde.«

Da platzte dem Kapellmeister die Geduld, und entzwei riß ihm der Faden der Beruhigungsroulade. Glühroten Gesichtes rief er: »Das ist gelogen, Herr Kollega! Meinem Sohn hat die Fürstin Hoffnung gemacht auf die vakante Hofsängerstelle und nicht Eurem namenlosen Howora oder Gomorrha – Sodom und Gomorrha! – oder wie er sich sonst ins Dreiteufels Namen schreibt.«

Der Italiener zitterte vor Wut. Aber in dem Maße wie der Wiener rot wurde gleich einer Klatschrose, ward er kreideweiß, und während jener tobte, ward er jetzt ganz still; der höchste Zorn wandelte ihn in ein Steinbild, wie er jenen zum wütenden Ajax umschuf.

Zum Hohn sang nun auch noch der Italiener ganz kaltblütig die Beruhigungsrouladen des Kapellmeisters.

Der horchte auf. »Es scheint, Ihr spielt nun meinen Part, Herr Kollega! Da heißt es fürwahr dal segno, Herr Dal Segno, da capo dal segno

Der Italiener erwiderte mit eisiger Gelassenheit: »Wer einen Namen trägt, wie Ihr, Lämml, der muß nicht Wortspiele machen mit anderer Leute Namen. Denn man sagt, nur aus Bescheidenheit gebt Ihr's so klein und nennt Euch Lämml, während Ihr doch eigentlich vollen Rechtsanspruch hättet, den Namen eines ausgewachsenen Schafes zu führen. Andere dagegen meinen, nein, so stehe es nicht, es sei nur ein Buchstabe verwechselt worden in Eurem Namen und der Lämmel sollte eigentlich der Lümmel heißen.«

So etwas läßt sich ein Hofkapellmeister nicht bieten.

»Heiße ich der Lümmel, dann will ich auch der Lümmel sein!« rief er, und der dicke Wiener sprang mit einem Satz, den ihm kein Mensch zugetraut, auf den Italiener los, packte ihn mit beiden mächtigen Armen, hob ihn in die Höhe, hielt, anzuschauen wie der starke Mann, der sich auf dem Jahrmarkt sehen läßt, den Welschen schwebend in der Luft und schrie, hinaufschauend zu dem zornesblassen Nußknackergesicht: »Nicht eher sollst du mir loskommen, du hochkrähender welscher Hahn, bis du mir Satisfaktion versprochen hast, Satisfaktion auf der Stelle, Degen gegen Degen!«

»Laßt mich los!« ächzte der Italiener. »Ich verspreche Euch Satisfaktion.«

Da setzte der dicke Wiener das kleine Männlein wieder auf den Boden nieder, und verwunderte sich, wie es schien, über sein eigenes Heldenfeuer; denn er ward vom Augenblicke an wieder ganz der weiche Sanguiniker und zog seinen kleinen Paradedegen mit unbeschreiblichem Gleichmut.

Da sprach der Italiener: »Musikanten fechten nicht mit dem Degen; steckt doch das Ding da in die Scheide! Musikanten kämpfen mit Gesang. Wohlan! Ich stelle meinen Kämpfer: den Anton Howora, und in ihm stelle ich zugleich mich selber; denn Schmach treffe den Lehrer, wenn der Schüler unterliegt. Ihr aber lasset Euren Sohn wettsingen mit meinem böhmischen Amphion. Ueber diese beiden entbrannte der Kampf: so möge auch die Entscheidung in ihre Hände, will sagen in ihre Kehlen gelegt sein. Auf heute abend haben Ihro hochfürstliche Gnaden eine Serenade im Schloßgarten befohlen. Die werde uns zum Turnier. Stellet Euren Sohn, ich stelle den Böhmen. Die Fürstin hat beiden die Hofsängerstelle verheißen: so möge Ihro Durchlaucht selber heute abend entscheiden, wer von beiden solcher Gnade würdig ist.«

Der Kapellmeister willigte ein und schlug als Aufgabe des Kampfes das Duett des großen Scarlatti vor: »Blickt gnädig, hellglänzende Sterne der Liebe!«

»Gerade dieses Duett singt Howora göttlich, unübertrefflich!« fuhr der Italiener heraus.

»Es ist eine unübertreffliche Leistung meines Sohnes,« entgegnete der Deutsche.

»Die große Schlußkadenz singt Howora mit einem Atem, der drei Ellen lang ist.«

»Gerade das ist meines Sohnes Bravourstück.«

»Howora schlägt einen Triller auf dem letzten hohen C

»Auf dem letzten hohen C schlägt auch mein Sohn einen Triller.«

Sie waren nahe daran, sich abermals in die Haare zu fahren; denn was der eine von Howora rühmte, das rühmte genau auch der andere vom Franz Lämml.

Als sie sich trennten, sprach der Welsche zu sich: »Der deutsche Esel wird die Weisen des göttlichen Scarlatti herausheulen wie der Nordwind, der das ganze Jahr über dieses hyperboräische Land dahinfährt!«

Und der Deutsche sprach zu sich: »Die Böhmen sind alle falsch, und wer falsch ist, der singt auch falsch. Wie will dieser italienische Windbeutel dem Böhmen den tiefsinnigen Scarlatti lehren, den er selbst nicht versteht, den Scarlatti, bei dem sogar unser Händel Schule gemacht?«

Als die beiden Alten das Zimmer verlassen, schlüpfte das junge Paar aus seinem Versteck, von wo es die ganze Zwiesprache belauscht.

Bei Franz hatte es wie ein Blitz gezündet, da er die Aufforderung des Italieners zu einem Sangeswettkampf zwischen Howora und dem jungen Lämml vernahm. Sofort war ihm der Gedanke zu einer neuen Intrigue gekommen, um ihre Liebeskomödie, die schon dem Schiffbruch so nahe, wieder in die sicherste Strömung zu steuern. Aber das Gelingen heischte die kühnste Hand des Steuermannes und eine seltene Gunst von Wind und Flut. Indes sich die Alten noch stritten, hatte er bereits die Grundzüge der neuen Eingebung flüsternd mit Cornelia durchgesprochen. Die List des gewürfelten Burschen entzündete weitere List in dem Kopfe des schlauen Mädchens, und wo ein so durchtriebenes Paar gemeinsame Pläne webt, da muß wohl ein feines Netz zu stande kommen.

»Also abermals eine neue Verwandlung!« sprach Franz, als sie beide in das von den Vätern verlassene Zimmer traten. »Und diesmal mußt du, Cornelia, die Verwandelte sein.«

Cornelia wollte noch einigen Einwand erheben, Franz aber schlug ihn zurück mit den Worten: »Wie kannst du zaudern, dich auf eine halbe Stunde in die höchst ehrenwerte Gestalt des Franz Lämml zu verwandeln, wo du doch diesem Franz bald ganz zu eigen gehören willst, mit Leib und Seele, und deinen Namen für den seinigen hingeben wirst für all deine Lebtage?«

Und das sprach er so fein und zärtlich, daß Cornelia verschämt zunickte und, dem Arme, den er um ihren Nacken schlingen wollte, sich entwindend, in ihr Kämmerchen schlüpfte. Von dorther aber konnte man sofort wieder ein helles, herzliches Lachen des wunderlichen Kindes hören.

Franz aber ging nun auch rasch von dannen; denn die Stunden waren gezählt und Unzähliges noch hatte er zu rüsten für das kecke Wagestück des heutigen Abends.

Doch indem er eben die Thür öffnet, tritt sein Vater ihm entgegen. Neue Scene des höchsten Erstaunens.

Franz verfärbte sich einen Augenblick, sprach aber sofort mit unbeschreiblicher Dreistigkeit: »Eben suchte ich dich auf, lieber Vater! Ich habe dir zu beichten, höchst merkwürdige Bekenntnisse abzulegen« (das Beste soll er aber doch nicht erfahren, dachte er im stillen Sinn). »Wundere dich nicht, mich hier zu treffen. Schon seit Wochen gehe ich aus und ein in diesem Hause und ergründe Dal Segnos Kunstgeheimnisse. – Unterbrich mich nicht! – Ich weiß von dem Schimpf, den dir der Italiener eben angethan, von der Ausforderung gegen einen gewissen Anton Howora. – Unterbrich mich nicht! – Ich will dich rächen. Der Italiener soll selber vor dem ganzen Hofe bekennen, daß sein Schüler nichts bei ihm gelernt habe. Aber folge mir, hinweg aus diesem Hause –«

»Nur ein Wort noch muß ich mit dem Italiener reden –«

»Nicht doch, Vater! Folge mir!«

»Aber so höre doch, toller Junge! Auf ein Duett von Scarlatti habe ich den Esel gefordert, und Howora singt Tenor, und der welsche Pinsel bedachte nicht, daß die andere Stimme Sopran ist! Also muß ein anderes Duett gewählt werden –«

»Nein! Nein! Das ist gerade recht. Tenor und Sopran. Ich will schon meinen Sopran stellen –«

»Der Junge ist verrückt!«

»Nur fort mit mir, Vater, hinweg von dieser Schwelle, und ich will dir mein Komplott gegen den Italiener enthüllen, daß du staunen sollst, wie scharf ich noch meine fünf Sinne beisammen habe.«

Er sprach's und riß den Alten fast gewaltsam hinweg und führte ihn unter die Säulengänge des Schloßhofes, wo sie auf und ab spazierend lange ins Gespräch tief versunken waren. Die Mienen des Alten heiterten sich allmählich auf, und zuletzt schien er von der lustigsten Laune erfüllt. Doch sah man, wie er dann zuweilen wieder stutzte, abwehrte, Bedenken vorbrachte. Und zwischen dem Rauschen des großen Schloßbrunnens, welches den größten Teil des halblaut geführten Gespräches verschlang, konnte man zuletzt die Worte Franzens vernehmen: »Aber bedenke, Vater, es ist ja nur für eine halbe Stunde, es ist ja nur zur Demütigung des Italieners, daß du seinen Schüler für den deinigen ausgibst und ihm deinen Schüler überlässest; es ist ja nur, damit er selber vor dem ganzen Hofe bekenne, daß dein Schüler unübertrefflich, der seinige aber nichts bei ihm gelernt habe.«

Hier wurden sie durch einen Bedienten des Fürsten unterbrochen, welcher den Befehl an Franz Lämml brachte, heute nachmittag vor Seiner hochfürstlichen Gnaden zu erscheinen.

»Den gleichen Auftrag habe ich auch an einen gewissen Anton Howora. Ihr könnt mir wohl die Wohnung des Mannes bezeichnen.«

»Mehr noch!« rief Franz. »Ich will sogar den Auftrag selber ausrichten. Howora ist mein bester Freund und Ihr würdet ihn doch schwer auffinden.«

So ging denn jeder von den dreien seiner Wege.

Der Kapellmeister aber nahm, durch den Schloßhof schreitend, eine Prise und sprach zu sich selbst: »So sind wir Deutsche doch gutmütige Narren! Der Italiener würde mich mit aqua toffana vergiften, durch einen Banditen erdolchen lassen, wenn wir jetzt in Welschland wären. Ich aber räche mich nur, indem ich in einer Komödie mitspiele, die so verwickelt ist, daß der Gedanke an ihre Durchführung mir die ganze Verdauung des heutigen Mittagessens stören wird – und was kommt zuletzt dabei heraus? Eine ganz harmlose Demütigung des Gecken! Wir lachen ihn bloß aus, wo er uns ermordet hätte.«

Mit diesen Gedanken strich er unter dem Fenster seines Feindes vorbei.

Da rief Maestro Dal Segno herab: »Hören Sie! Auf ein Wort! Wir müssen ein anderes Duett wählen! Die erste Stimme bei Scarlatti ist – das bedachten wir vorhin wohl nicht – ist Sopran!«

»Eben darum bleibt's bei dem Duett, Herr Kollega, denn mein Sohn singt Sopran!«

»Das ist stark!« sprach der Italiener bei sich, indem er das Fenster zuschlug. »Das hätte ich dem dicken Deutschen nicht zugetraut! Hat der Kerl aus musikalischem Fanatismus seinen Sohn gar zum Kastraten machen lassen!«


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