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Initial»Schläfst du denn, Jagusch? ...«

»Kann ich denn da schlafen. Schon beim Morgengrauen bin ich aufgewacht, und immerzu hab' ich es im Kopfe, daß heute Hochzeit ist ... man kann es kaum glauben.«

»Bist du bange, meine Tochter, was?« fragte sie etwas leiser mit einer ängstlichen Hoffnung im Herzen ...

»Was sollte es mir da bange sein! Nur daß ich von euch gehen muß auf Meines ...«

Die Alte erwiderte nichts, sie unterdrückte das Wehmutsgefühl, das sie plötzlich erfaßt hatte, erhob sich vom Lager, kleidete sich flüchtig an und ging in den Stall, um die Jungen zu wecken, die nach dem gestrigen Polterabend nicht zur rechten Zeit aufgestanden waren und in den vollen Tag hinein schliefen. Der Morgen hatte die Erde mit einer silbrigen Lichtflut überschwemmt, aus der hier und da der Rauhreif aufblinkte. Im Osten entbrannte die Morgenröte, als ob irgendwer Gluten über den Himmel ausgestreut hatte.

Die Dominikbäuerin hatte ihre Morgenwaschung auf dem Flur vorgenommen und machte sich leise in der Stube zu schaffen, doch von Zeit zu Zeit sah sie nach Jagna hinüber, deren Kopf zwischen den Kissen des Lagers im Morgengrauen, das noch die Stube erfüllte, kaum zu erkennen war ...

»Liege nur, Tochter, liege du nur! ... Das letztemal schläfst du in deiner Mutter Haus,« dachte sie mit Zärtlichkeit und immer wiederkehrendem Wehmutsgefühl. Sie konnte nicht glauben, daß es wirklich heute schon so weit war und mußte sich alles erst deutlich wieder in Erinnerung rufen ... Sie hatte es doch selbst so gewünscht, und nun, nun ... eine Angst hatte sie gepackt und fing sie so an zu schütteln, daß sie sich vor Schmerzen krümmte ... Sie ließ sich auf den Bettrand nieder ... »Boryna ist ein guter Mann, der wird sie in Ehren halten und ihr kein Unrecht antun ... und Jagusch wird ihn leiten, wie sie will, denn der Alte sieht nichts in der ganzen Welt, nur sie ...«

»Nein, nein, deswegen brauchte sie sich nicht zu ängstigen, deswegen nicht ... aber die Stiefkinder! Das war es ... wozu brauchte er die Anteks gleich aus dem Haus zu jagen? Jetzt werden sie erst schüren und auf Rache sinnen! ... Und wären sie geblieben, und der Antek so dicht daneben, da wär' doch nur was Gotteslästerliches daraus geworden, oder noch Schlimmeres! ... Oh, du mein Jesus! Und zu helfen gibt's da nichts mehr ... Das Aufgebot ist schon 'raus ... das Schwein ist geschlachtet, die Hochzeitsgäste auch schon geladen ... so viel schon fertig ... die Verschreibungsurkunde in der Lade ... Nein, nein! Komme was da will, aber ein Unrecht laß ich ihr nicht tun, solange ich lebe!« dachte sie entschlossen und ging wieder und schrie die Jungen an, warum sie nicht aufstanden.

Nachdem sie zurückgekommen war, wollte sie Jagna laut anrufen, doch diese war wieder eingeschlafen; vom Bett her kam ihr leiser gleichmäßiger Atem, und die Alte faßten wieder verschiedene Zweifel, und Wehmutsgefühle griffen mit Sperberklauen nach ihrem Herzen, zerfleischten es und schrien in ihr mit den Stimmen der Sorge und der Angst! Sie kniete am Fenster nieder, starrte mit ihren geröteten, fiebrigen Augen ins Morgenlicht und betete lange und heiß. Sie stand neu gekräftigt wieder auf, bereit allem die Stirn zu bieten!

»Jagusch! Steh' auf, Tochter, es ist schon Zeit! die Eve wird gleich zum Kochen hier sein, und noch so viel Arbeit ist da!«

»Is gutes Wetter?« fragte sie, schläfrig den Kopf hochrichtend.

»Und was für eins, es glitzert nur so in der Welt vom Morgenfrost! Gleich geht die Sonne auf ...«

Jagna kleidete sich schnell an. Die Alte war ihr dabei behilflich und schien lange zu überlegen, bis sie schließlich sagte:

»Und das will ich dir nochmal sagen, was ich dir schon früher gesagt habe ... Den Boryna muß man achten ... ein guter Mensch ist er ... Und laß dich nicht wieder mit irgend jemand ein ... damit man dich nicht auf den Zungen 'rumträgt ... die Menschen sind wie die Hunde ... die beißen wo sie können! Hörst du mich denn, meine Tochter? ...«

»Ich hör' schon, ich hör' schon, und ihr redet, als ob ich nicht selber meinen Verstand hätte ...«

»Guter Rat ist niemandem zuviel ... Paß auch darauf, daß du mir mit dem Boryna nicht so holterdiepolter umgehst, immer nur sanft und mit Güte ... Ein Älterer gibt mehr acht auf so was, wie irgendein Grünschnabel ..., und wer weiß, er kann dir noch Grund zuschreiben oder etwas Bargeld zustecken!«

»Ich geb' nichts drauf,« murrte sie verärgert auf.

»Weil du jung bist und dumm ... Seh dich nur mal im Dorf um, zwischen den Menschen, da kannst du sehen, um was sie sich zanken und abarbeiten und Sorge tragen! Nur um den Grund und Boden, um Hab und Gut! Wäre es dir vielleicht gut, ohne diesen heiligen Streifen Erde, wie? Dich hat der Herr Jesus nicht dazu geschaffen, auf Lohnarbeit zu gehen und dich durchzuhungern. Und weswegen hab' ich denn mein ganzes Leben gesorgt/nur für dich, Jagusch! Und jetzt bleib' ich, wie der einzelne Finger, ganz allein auf mich gestellt? ...«

»Gehen die Jungen vielleicht in die Welt? Die bleiben dir doch ...«

»Von denen hab' ich grad soviel wie von einem Tag, der vergangen ist!« rief sie aus und zerfloß in Tränen. »Und mit den Stiefkindern mußt du Frieden halten!« fügte sie hinzu, die Augen trocknend.

»Fine ist 'n gutes Mädchen, Gregor kommt noch nicht bald vom Militär heim ... und ...«

»Vor den Schmiedsleuten mußt du dich in acht nehmen ...«

»Die stehen sich doch mit Matheus, und wie dick ...«

»Da hat der Schmied seine Berechnung bei, die hat er! Aber ich wach' schon ... Am schlimmsten ist es mit Anteks, weil sie sich nicht versöhnen wollen ... selbst Hochwürden wollte gestern Frieden stiften ... sie haben aber nicht gewollt ...«

»Weil Matheus wie 'n böser Hund ist, ... sie so aus dem Hause zu jagen!« rief sie leidenschaftlich.

»Was ist dir bloß, Jagusch, was ist denn? Der Antek hat doch am schlimmsten auf dich geredet, den Grund und Boden hat er dir wieder wegnehmen wollen und geflucht hat er und hat sich gegen dich verschworen, daß man das gar nicht alles wiedersagen kann.«

»Antek gegen mich? Belogen haben sie euch, daß ihnen ihre häßlichen Zungen verdorren ...«

»Warum hältst du denn auf Anteks Seite, du? ...« klagte sie drohend.

»Weil alle gegen ihn sind! Ich bin nicht so wie ein Bettlerhund, der hinter jedem herläuft, der ihm nur einen Brocken hinwirft! Ich sehe gut, daß ihm Unrecht geschieht ...«

»Dann würdest du ihm vielleicht das Verschriebene zurückgeben ... wie? ...«

Aber Jagna kam nicht zur Antwort, denn die Tränen stürzten ihr aus den Augen. Sie rannte in den Alkoven, drückte die Tür hinter sich zu und heulte da lange.

Die Dominikbäuerin störte sie nicht; aber eine neue Sorge glitt ihr ins Herz hinein... Doch die Zeit war nicht zum Meditieren: Eve kam, die Jungen räkelten sich vor der Flurtür, man mußte darangehen, Ordnung zu machen und die letzten Vorbereitungen treffen ...

Die Sonne war aufgestanden, der Tag rollte rüstig vorwärts.

Es war ein ordentlicher Nachtfrost gewesen, so daß die Pfützen auf den Wegen und die Ränder des Weihers sich mit Eis bedeckt hatten und das leichtere Vieh sich schon auf den festgefrornen Wegen halten konnte, ohne einzubrechen.

Wärme kam auf, an den Hecken und im Schatten schimmerte es noch weißlich, von den Strohdächern jedoch tropfte das Tauwasser in leuchtenden Perlenschnüren und auf den Mooren dampften die Dünste, wie aufsteigender Rauch. Die Luft war so klar, daß man die umliegenden Felder wie auf der eigenen Handfläche vor sich liegen sah, die Wälder hatten sich näher herangeschoben, so daß man die einzelnen Bäume auseinanderkennen konnte ...

Auf dem blauen, tiefhängenden Himmel war nicht ein Wölkchen zu sehen.

Es ging auf gut Wetter, denn die Krähen flatterten zwischen den Häusern herum und die Hähne krähten.

Ein rechter Sonntag war es, und obgleich die Kirchenglocken noch nicht läuteten, wimmelte es im Dorf wie in einem Bienenhaus. Die Hälfte des Dorfes traf ihre Vorbereitungen zur Hochzeit Jagnas mit dem Boryna.

Von einem Haus zum anderen liefen durch die reifbedeckten Obstgärten Mädchen und trugen Bündel von Bändern, Beiderwandröcke und verschiedenfarbenen Putz ...

In den Bauernhöfen herrschte ein großer Wirrwarr, man bereitete sich vor, probierte den feinsten Staat an, putzte sich, und durch die vielfach geöffneten Fenster und Türen erklangen schon freudige Stimmen und selbst Hochzeitslieder.

Auch im Hause der Dominikbäuerin entstand ein Lärm und eine Verwirrung, wie es an solchen Tagen üblich ist.

Das Haus war frisch geweißt worden, und obgleich der Kalk von der Nässe etwas abgeblättert war, leuchtete es schon von weitem; auch geschmückt war es wie zum Pfingstfest. Die Burschen hatten schon gestern überall, ins Strohdach und wo nur Ritzen in den Wänden waren, Tannenreiser gesteckt und den ganzen Heckenweg, von der Dorfstraße bis zum Flur mit Fichtennadeln bestreut/es duftete wie im Forst zur Frühlingszeit.

Und auch innen war alles fein säuberlich hergerichtet.

Auf der anderen Seite, wo sonst ein Aufbewahrungsort für altes Gerümpel war, loderte ein tüchtiges Feuer, an dem die Eve vom Müller unter Beihilfe von Gusche und ein paar Nachbarinnen das Amt der Köchin versah.

Aus der ersten Stube hatten sie jegliches überflüssige Gerät in die Kammer getragen, daß nur die Bilder zurückgeblieben waren. Die Jungen stellten starke Bänke und lange Tische an den Wänden entlang auf. Die Stube war auch neu geweißt, sauber gescheuert und der Herd mit einem hellblauen Leintuch bedeckt. Die Stubendecke und die altersschwarzen Balken aber hatte Jagusch reich mit Papiermustern verziert. Matheus hatte aus der Stadt buntes Papier gebracht und sie hatte daraus zackige Räderchen, Blümlein und verschiedene Seltsamkeiten ausgeschnitten; Hunde zum Beispiel, die Schafe vor sich herjagen, und den Hirten mit seinem Stock hinterdrein laufend, oder eine ganze Prozession mit einem Priester, mit Fahnen und Bildern und andere Verschiedenheiten, daß es schwer ist alles zu behalten; und alles war so getroffen und so lebendig wiedergegeben, daß sich die Menschen gestern am Polterabend darüber gewundert hatten./Sie konnte auch ganz anderes noch, alles was sie sich nur dachte, oder was sie ansah, konnte sie machen ..., so daß es in Lipce kein Haus gab ohne diese ihre Papierbilder ...

Sie hatte sich in der Kammer etwas in Ordnung gebracht und kam heraus, den Rest der Papierbilder an den Wänden entlang unter den Heiligenbildern aufzukleben, denn anderswo war schon kein Platz mehr.

»Jagusch! du könntest jetzt wahrlich schon deinen wunderlichen Kram in Ruhe lassen, die Brautjungfern müssen in diesem Augenblick noch kommen... die Menschen fangen bald an, sich einzufinden; die Musik geht auch schon im Dorf herum ... und die gibt sich mit Spielereien ab...«

»Ich komm noch zurecht ...,« gab sie kurzweg zur Antwort, und ließ bald das Aufkleben nach; denn sie hatte schon keine rechte Geduld mehr dazu ... Sie streute noch Fichtennadeln über den Fußboden aus, bedeckte die Tische mit feinem Linnen, räumte in der Kammer auf, neckte sich mit den Brüdern herum und ging dann vor die Tür hinaus, um lange in die Weite zu sehen! Gar keine Freude fühlte sie in sich, gar keine. Sie dachte nur, daß sie sich satt tanzen würde und daß es Musik und Singen geben würde, worauf sie gerade Lust hatte. Sie war wie dieser helle, funkelnde und doch herbsttote, stumme Tag. Wenn sie nicht alles daran erinnert hätte, daß heute Hochzeit sein sollte, würde sie nicht daran gedacht haben. Boryna hatte ihr gestern am Polterabend acht Schnüre Korallen geschenkt, die er von den beiden Seligen noch hatte... Sie lagen tief in der Lade, nicht einmal anprobiert hatte sie sie... Sie gab nichts drauf, ihr war heute überhaupt alles gleich ... Nur irgendwo fortlaufen hatte sie mögen, vor sich hinrennen, wenn auch in die weite Welt ... aber wohin da? Wußte sie es denn! Alles war ihr heute zuwider, immer nur kam es ihr in den Sinn, was die Mutter über Antek gesagt hatte ... »Wie denn nur, er hatte Schlechtes über sie geredet, er? ...« Sie konnte das nicht glauben, sie wollte nicht ... ein Weinen kam ihr an, wenn sie nur daran dachte! ... Wenn er aber doch! ... gestern, als sie am Weiher die Wäsche wusch, ging er vorbei, ohne sie auch nur anzusehen! Und als sie des Morgens mit Boryna zur Beichte gingen und ihm vor der Kirche begegneten ... ist er doch auf der Stelle umgekehrt, wie vor einem bösen Hund ... Und wenn aber doch? ... Dann laß ihn geifern, wenn er so ist, laß ihn geifern!...

Sie fing an, sich gegen ihn zu empören, plötzlich aber stürzten die ganzen Erinnerungen an jenen Abend, als sie von Boryna vom Kohlschälen heimkehrten, auf sie ein, tauchten sie ganz in Feuer, umschlangen ihre Seele mit solcher Macht und lebten so greifbar in ihr auf, daß sie sich nicht mehr zu helfen wußte ... und sich mit einmal an die Mutter wandte:

»Wißt ihr aber, nach der Trauung sollt ihr mir nicht mein Haar abschneiden!«

»Hale, was die sich Kluges ausgedacht hat!/Hat man das je gehört, daß man dem Mädchen nach der Trauung die Haare nicht stutzt!«

»Aber die auf den Herrenhöfen und in den Städten werden auch nicht geschoren!«

»Natürlich, versteht sich, weil ihnen das so paßt für ihre Zügellosigkeit, damit sie die Menschen beschwindeln und sich für was anderes ausgeben können. Neue Ordnungen wird sie hier einführen! Laß die Frauenspersonen vom Herrenhof was Komisches aus sich machen, daß die Leute darüber lachen müssen, laß sie mit Zotteln wie die Judenmädchen herumlaufen/das können sie, wenn sie so dumm sind; du aber bist eine Hofbauerntochter von Ahn und Urahn und keine Stadtschlampe, darum mußt du es machen, wie es unser Herrgott befohlen hat und wie man es immer in unserem Bauernstand gehalten hat ... Ich kenne diese städtischen Erfindungen, ich kenn' sie ... die sind noch niemandem zum Wohl geraten! Ist nicht die Pakulanka in die Stadt dienen gegangen, und was nun? ... Der Schulze hat es mir gesagt, ein Papier wäre in die Kanzlei gekommen, daß sie ihr Kind erwürgt hat und im Kriminal sitzt ... oder auch dieser Wojtek, Borynas Verwandter von der Schwester Seite, hat sich mächtig was in der Stadt beiseitegelegt, daß er jetzt in den Dörfern rundum auf den Bettel gehen muß ... und früher da hatte er einen Hof in Wolka, und Pferde und Brot soviel er wollte ... Semmeln wollte er essen, da hat er nun einen Stock und einen Bettelsack für die alten Tage.« Jagna aber gab nicht acht auf die weisen Beispiele und wollte nichts vom Abschneiden des Haares wissen ... Auch Eve versuchte sie zu überreden, und gerade sie war eine, die sich auskannte, nicht nur ein Dorf hatte sie gesehen, und ging jahraus jahrein mit den Pilgerzügen nach Tschenstochau. Auch die Gusche machte ihr die Sache klar, aber wie sie nun einmal war, konnte es nicht ohne Sticheleien und Gespött abgehen, und schließlich sagte sie:

»Laß du den Zopf, laß ihn nur, der wird Boryna zu paß kommen, um die Hand wird er ihn sich wickeln, um dich besser dran zu halten und dir fester mit dem Stock welche draufzuzählen ... dann wirst du ihn noch selber abschneiden... Ich kannte manch eine ...« weiter kam sie nicht, denn Witek tauchte auf, um sie zu rufen. Nach der Vertreibung der Anteks war sie nämlich zu Boryna übergesiedelt, weil Fine mit der Wirtschaft nicht fertig werden konnte. Sie half heute der Eve beim Kochen, und ging ab und zu hinüber, auf die Wirtschaft zu sehen, denn der Alte hatte heute zu nichts Sinn, die Fine war schon seit Morgen bei den Schmiedsleuten, um sich da auszuputzen, und der Jakob lag noch immer krank.

»Kommt rasch, der Jakob verlangt nach euch,« drängte der Junge.

»Geht es ihm denn schlechter?«

»Versteht sich, er jammert und stöhnt, daß man es bis auf der Dorfstraße hört!«

»Ich komm' in diesem Nu. I du mein, ich will nur eben sehen, was mit ihm los ist und komm' gleich wieder ...«

»Beeil' du dich auch, Jagusch. Wir haben gleich die Brautjungfern im Haus,« trieb die Mutter an.

Aber Jagusch eilte sich nicht, sie ging wie im Traum herum, ließ sich hier und da auf eine Bank fallen, dann wieder sprang sie auf und fing an aufzuräumen, aber die Arbeit glitt ihr aus den Händen, und sie blieb lange stehen, gedankenlos durchs Fenster starrend. Die Seele schaukelte in ihr wie bewegtes Wasser und schlug immer wieder an die Erinnerungen, wie gegen einen Stein ...

Im Hause aber entstand ein immer lauteres Stimmengewirr, denn in einem fort kamen verschiedene Gevatterinnen, Verwandte und Hofbäuerinnen hereingelaufen und brachten nach der alten Sitte Hühner, einen Leib Weißbrot, Butterkuchen, Salz, Mehl, Speck oder auch einen in Papier gewickelten Silberrubel / und alles das als Dank für die Hochzeitseinladung, damit die Wirtin sich nicht zu große Unkosten machen sollte.

Sie tranken der Brautmutter mit einem Gläschen Süßen zu, plauschten miteinander, bestaunten alles und liefen rasch ihrer Wege.

Die Dominikbäuerin war emsig an der Arbeit / sie überwachte die Zubereitung des Festschmauses, räumte auf, gab Anweisungen, hielt ihr wachsames Auge über allem und hatte für alles einen guten Rat bereit; sie mußte die Jungen immerzu antreiben, denn sie ließen sich viel Zeit, und sobald es nur ging, lief einer von ihnen ins Dorf zum Schulzen, denn da waren schon die Musikanten, und die Brautführer sammelten sich dort.

Zum Gottesdienst war kaum einer gegangen, was Hochwürden recht erzürnt hatte, denn um einer Hochzeit willen durfte man doch nicht den Kirchgang vergessen / was ja schon recht war, aber das Volk meinte, daß solche Hochzeiten nicht jeden Sonntag gefeiert würden.

Gleich nach Mittag fingen die geladenen Gäste aus den benachbarten Dörfern an einzutreffen.

Die Sonne hatte schon die Mittagshöhe überschritten und streute blasses herbstliches Licht aus, so daß die Erde wie übertaut gleißte, die Fenster flammten, der Weiher schimmerte und glitzerte, die wassergefüllten Gräben am Weg flimmerten wie Fensterscheiben und die ganze Welt war wie gesättigt mit dem Licht und mit der letzten Wärme des ersterbenden Herbstes.

Eine dumpfe, stumme Stille umhüllte die übergoldete Erde.

Der Tag brannte grell zu Ende und erlosch langsam.

Aber in Lipce war ein Getöse wie auf einem Jahrmarkt.

Gleich nachdem man die Vesper ausgeläutet hatte, schoben die Musikanten vom Hause des Schulzen auf die Dorfstraße hinaus.

Zu vorderst kam die Geige mit der Flöte, hintennach brummelte die Trommel mit den klirrenden Schellen, und der Brummbaß im Putz der bunten Bänder hupfte hinterdrein.

Hinter den Musikanten kamen die beiden Brautbitter und die Brautführer/sechs an der Zahl.

Und alles junge Burschen, stattlich und schlank wie Fichten anzuschauen, dünn in der Taille, in den Schultern breit gewachsen, leidenschaftliche Tänzer, trotzige, herrische Schnauzen, stolze Draufgänger, die vor nichts beiseite drehen/lauter Hofbauernsöhne, erbangesessene.

Sie stampften zu einem Haufen eng aneinander gedrängt inmitten des Wegs daher, so daß die Erde unter ihren Füßen dröhnte; sie kamen freudig und festlich angeschritten und waren prächtig anzusehen. Die gestreiften Hosen, die roten Spenzer, die Büschel bunter Bänder an den Hüten ließen ihre Farben im Sonnenschein spielen und die aufgeknöpften weißen Haartuchröcke blähten sich im Wind wie Flügel ...

Sie juchheiten hellauf, sangen sich einen, trampelten verwegen im Takt dazu und kamen so brausend dahergezogen, als ob ein junger Forst sich im Sturm auf die Wanderschaft gemacht hätte ...

Die Musik spielte ihnen einen Polnischen auf und sie zogen von Haus zu Haus, die Hochzeitsgäste einzuholen./ Hier trug man ihnen Branntwein heraus, dort lud man sie in die Stube ein, anderswo antwortete man ihnen mit Gesängen/ und von überall kamen geschmückte Menschen herbei, die sich ihnen anschlossen, um gemeinsam weiterzuziehen. Vor den Fenstern der Brautjungfern stimmten schon alle miteinander das althergebrachte Lied an:

Komm' heraus, Brautjungferlein, komm' heraus Kathrinchen,
Komm', es ist schon Zeit/
Es werden dir spielen, es werden dir singen
Baß und Geige zum Geleit/
Und wer nicht satt zu essen kriegt und nicht genug zu trinken ...
Der geh' nach Haus zur rechten Zeit!
Oj-ta-dana-dana! Oj-ta-dana-da! ...

Sie juchzten gemeinsam und mit solcher Macht, daß es durchs ganze Dorf schallte, daß die frohen Stimmen über die Felder klangen, im Wald hallten und in die weite Welt flogen.

Die Leute traten vor die Häuser, eilten in die Gärten, kletterten auf die Zäune, und auch manch einer, der nicht zu der Hochzeitsgesellschaft gehörte, schloß sich ihnen an, um Aug und Ohr zu sättigen. Fast das ganze Dorf hatte sich um die Hochzeitsbitter geschart und sie mit einem dichten Haufen umdrangt, ehe sie noch ankamen, so daß sie immer langsamer gingen. Ein zahlloser Kinderschwarm rannte ihnen voraus, kreischte und sang mit.

Sie geleiteten die Gäste bis ans Hochzeitshaus und spielten ihnen zu einem würdigen Eintritt auf, um dann nach dem Haus des Bräutigams umzukehren.

Witek, der im Spenzerrock mit Bandkokarde und flatternden Bändern stolz hinter den Brautführern herging, sprang jetzt voraus.

»Hofbauer, die Musik mit den Brautführern kommt!« schrie er ins Fenster hinein und rannte zu Jakob hin.

Mit Schwung begannen sie auf der Hausgalerie zu spielen; da trat in einem Nu Boryna heraus, sperrte die Tür weit auf, begrüßte sie alle und lud sie ein, hineinzutreten; doch der Schulze und Simeon faßten ihn unter die Arme und führten ihn schon geradewegs zu Jagna, denn es war Zeit, zur Kirche zu gehen.

Er ging rasch, und es war erstaunlich, wie jung er aussah; das Haar gestutzt, das Gesicht sein sauber ausrasiert, sah er stattlich aus in seiner festlichen Kleidung wie kaum einer; und da er mächtig viel von sich hielt, so fiel seine breitgewachsene Gestalt schon von weitem auf durch die Würde, die sich auch in seinem Antlitz ausprägte; er scherzte fröhlich mit den Burschen, redete dies und das und wandte sich immer wieder an den Schmied, der ihm ständig in den Weg kam.

Würdig führten sie ihn zur Dominikbäuerin hinein; das Volk trat auseinander, sie aber geleiteten ihn mit Musik und Singen geräuschvoll in die Stube.

Jagusch war nicht zugegen, die Frauen putzten sie noch in der Kammer, die fest verschlossen war und eifrig gehütet wurde, denn die Burschen versuchten gegen die Tür anzudrücken und eine Ritze in der Bretterwand aufzukratzen. Sie neckten sich in einem fort mit den Brautjungfern herum, so daß ein Gekreisch, Gelächter und Weibergeschrei entstand.

Die Mutter mit den Söhnen empfing die Gäste, bewirtete sie mit Schnaps, führte die Respektspersonen nach den Bänken und gab auf alles acht. Es hatte sich so viel Volk eingefunden, daß man sich nur mit Mühe durch die Stube drängen konnte; sie standen bis auf dem Flur und selbst noch auf dem Heckenweg. Und nicht geringe Gäste, nein. Lauter Hofbauern, erbangesessene und von den reichsten. Alles Verwandte und Verschwägerte, Vetters- und Gevattersleute der Borynas und Patsches, obendrein noch alle guten Bekannten selbst aus den Dörfern weit im Umkreis.

Natürlich, daß weder Klemb noch die Wintzioreks noch die armen Teufel, die auf einem Morgen saßen, mit dabei waren, oder gar das kleine Volk, das auf Taglohn ging und es immer mit dem alten Klemb hielt ...

Nicht für den Hund ist die Wurst und nicht für die Schweine der Honig!

Erst in etwa zwei Paternostern öffnete man die Tür zur Kammer und die Organistin mit der Müllerin führten Jagusch in die Stube. Die Brautjungfern bildeten einen Kranz um sie; sie hatten sich so geputzt und sahen so stattlich aus, daß sie wie Blumen waren und doch nicht Blumen, und die Braut, die am stattlichsten gewachsene von allen, stand wie die schönste Rose mitten unter ihnen, ganz in bunten Samten, in weißen Stoffen, in Federn, Bändern, Silber und Gold/so daß sie wie ein Bild anzusehen war, daß man bei den Prozessionen voranträgt. Es wurde plötzlich ganz still, so stumm und starr waren die Leute.

Ha! wahrlich! Seit Mazuren Mazuren ist, gab es hier keine schönere Braut!

Im Nu vollführten die Brautführer einen starken Lärm und sangen aus voller Kehle:

Spiele, Geiger, spiele vor dem Haus,
Und du, Jagusch, söhn' dich mit den Eltern aus!
Spiele, Geiger, spiele vor dem Haus,
Und du, Jagusch, söhn' dich mit den Brüdern aus!

Boryna trat hervor, faßte ihre Hand und kniete mit ihr nieder, die Mutter machte ein Kreuz über beide mit einem Heiligenbild, segnete sie und sprengte Weihwasser aus, bis Jagusch mit einem Male zu weinen anfing und ihre Füße umfaßte, dann umschlang sie die Knie der anderen, bat um Verzeihung und nahm Abschied von allen. Die Frauen nahmen sie in die Arme, umhalsten sie und schoben sie einander zu, bis sie alle mitsammen zu weinen anfingen; mit der größten Inbrunst begann aber Fine zu schluchzen, da ihr die selige Mutter in den Sinn kam.

Alles strömte zum Hause hinaus, stellte sich in Reih und Glied und ging zu Fuß der nahegelegenen Kirche zu.

Die Musikanten gingen voraus und bliesen und schwangen die Fiedelbogen aus vollen Kräften.

Hinter ihnen wurde Jagna von den Brautführern geleitet/ sie ging im üppigen Gang, durch Tränen lächelnd, die ihr noch an den Wimpern hingen; festlich war sie wie ein Blütenstrauch und zog wie eine Sonne die Augen aller auf sich; ihr Haar umkränzte die Stirn in Flechten, und über ihnen trug sie eine Brautkrone aus Pfauenfedern, güldenem Tand und Rosmarinblütenzweigen. Und lange buntfarbene Bänder fielen von dieser Krone auf ihre Schultern herab und flatterten und flogen surrend in einem Regenbogen hinter ihr her; der weiße Rock war reich gekräuselt in der Taille, das Mieder aus himmelblauem Samt war mit Silber ausgenäht, das Hemd hatte weitgebauschte Ärmel und schloß am Halse mit einer blau festonierten, reich gefältelten Falte ab; Schnüre von Korallen und Bernsteinperlen hingen ihr bis auf die Brust herab.

Dann folgten die Brautjungfern mit Matheus. Wie die breitastige Eiche im Forst der schlanken Fichte folgt, so folgte er Jagusch nach; er schaukelte sich in den Hüften und sah sich nach beiden Seiten des Weges um. Ihm war als hatte er eben Anteks Gesicht im Gedränge auftauchen sehen.

Und dann erst kam die Dominikbäuerin mit den Brautbittern, die Schmiedsleute, Fine, die Müllersleute, die Organistin und was so die ersten waren.

Zum Schluß aber drängte das ganze Dorf ihnen nach, den Weg dicht füllend.

Die Sonne ging schon unter, hing rot und groß über dem Walde und übergoß den ganzen Weg, den Weiher und die Häuser mit einem blutigen Schein; sie aber gingen langsam in diesen Gluten dahin, daß es einem in den Augen flimmerte, von diesen Bändern, Pfauenfedern, Blumen und all diesen roten Beinkleidern, orangefarbenen Frauenröcken, Kopftüchern und weißen Männerröcken. Es war als ob ein mit aufgeblühten Blumen bedecktes Feld langsam dem Wind entgegenging und schaukelte und sang, die Brautjungfern nämlich stimmten immer wieder mit dünnen Stimmen das Lied an:

Es fahren, es fahren, es rollen die Wagen/
Sie taten dir weinend den Abschied sagen ...
          Hei!
Die frohen Lieder singen und klingen/
Sie werden dir, Jagusch, Bitternis bringen ...
          Hei!

Die Dominikbäuerin setzte während des ganzen Weges immer wieder zum Weinen an und bestaunte die Tochter wie ein Heiligenbild, so daß sie nichts hörte, was man zu ihr sprach.

In der Kirche zündete schon Ambrosius die Kerzen auf dem Altar an.

In der Vorhalle machten sie sich noch zurecht, ordneten sich zu Paaren und marschierten dann auf den Altar los, denn auch der Priester kam schon aus der Sakristei.

Die Trauung vollzog sich rasch, denn der Priester hatte es eilig zu einem Kranken. Und als sie die Kirche verlassen wollten, fing der Organist an, auf der Orgel solche Mazurkas, Obereks und solche Kujawentänze aufzuspielen, daß die Füße von selbst aufzuckten, und manch einem wäre fast ein Lied entschlüpft;/ein Glück, daß er sich noch zur rechten Zeit besonnen hatte.

Sie kehrten schon ohne jegliche Festordnung, die ganze Breite der Dorfstraße einnehmend, heim, und gingen wie es grad' einem jeden gefiel. Es ging schon ziemlich hoch her, denn die Brautführer und Brautjungfern sangen, als gälte es ihr Leben.

Die Dominikbäuerin lief schneller voraus, und als sie kamen, begrüßte sie schon Braut und Bräutigam auf der Schwelle des Hauses mit geweihtem Brot, Salz und einem Heiligenbild, und fing danach erst an, die anderen von neuem zu bewillkommnen, zu umarmen und in die Stube zu bitten.

Die Musik spielte im Flur auf, und jeder, der über die Schwelle kam, griff nach der ersten besten Frau, deren er habhaft werden konnte und fügte sich mit ihr gleitenden Schrittes in den »Gehetanz« ein/so zogen die Paare wie eine buntgescheckte Schlange in der Stube im Kreise herum, bogen sich, umkreisten sich, kehrten bedächtig um, stampften würdevoll auf, wiegten sich wie es sich gehörte, gingen, schoben sich vorüber, schlängelten sich Paar nach Paar, Kopf bei Kopf/wie ein ins Wogen gekommener Streifen reifen Roggens, den Mohn und Kornblumen reich durchwirken/ und vorne als erstes Paar war Jagusch mit Boryna!

Die Lichter, die am Gesims des Rauchfanges aufgestellt waren, flackerten, das Haus wankte, so daß es schien als müßten die Wände bersten von all dem Gedränge und der Macht, die von den Tänzern strömte ...

Sie wandelten ein gutes Paternoster lang, ehe sie fertig wurden.

Die Musik fing jetzt an, zum ersten Brauttanz zu präludieren, einer alten Sitte gemäß.

Die Leute hatten sich an den Wänden entlang dicht zusammengedrängt und füllten alle Winkel, die Burschen aber bildeten einen großen Kreis, in dem Jagna zu tanzen begann! Das Blut wallte in ihr auf, daß ein Leuchten in ihre blauen Augen stieg und die weißen Zähne aus dem erglühten Gesicht aufblitzten; sie tanzte unermüdlich, die Tänzer immer wieder wechselnd, denn wenn es auch nur einmal in die Runde sein sollte, so mußte sie doch mit jedem herumtanzen.

Die Musikanten spielten scharf, daß ihnen fast die Hände lahm wurden, aber Jagusch hatte erst begonnen; ihr Gesicht hatte sich nur etwas stärker gerötet; sie wirbelte mit solcher Leidenschaft im Kreise herum, daß die Bänder surrend hinter ihr her flatterten, die Gesichter der Umstehenden peitschend, und ihre Röcke, vom Wirbelwind des Tanzes aufgebläht, sich in der Stube ausbreiteten.

Und die Burschen trommelten vor Vergnügen mit den Fäusten auf die Tische und stießen verwegene Juchzer aus.

Erst zum Schluß wählte sie sich den Bräutigam/Boryna hatte darauf schon längst gewartet; er sprang wie ein Luchs auf sie zu, faßte sie um die Taille und drehte sie stürmisch vom Fleck weg im Kreise herum, den Musikanten zuschreiend:

»Den mazurischen Jungen, aber 'n festen!«

... Sie stießen aus ganzer Macht in die Instrumente, so daß es in der Stube aufkochte.

Boryna aber umfaßte Jagna nur noch stärker, warf die Rockschöße über den Arm, setzte den Hut zurecht, klappte die Absätze gegeneinander und stob von der Stelle wie ein Sturmwind davon!

Heia! wie der tanzte! ... tanzte ... tanzte ... wie er sich auf einer Stelle um sich selber drehte, linksum schwenkte, mit den Hacken einen Wirbel schlug, daß vom Fußboden die Splitter flogen und laut aufjuchzte, und mit Jagusch herumwarf und wirbelte, bis sie nur noch wie ein wirres Knäuel waren und wie eine vollgewickelte Spindel sich in der Stube drehten./Es strömte nur mehr ein Wind und eine einzige Kraft von ihnen.

... Die Musik fiedelte glühend, selbstvergessen ihre maurische Weise ...

Alles drängte sich in die Türen und staute sich in den Ecken, verstummte und sah mit Staunen zu; er aber tanzte, unermüdlich und immer verwegener. Es konnte schon manch einer nicht mehr an sich halten, denn die Füße sprangen ihm schon von selber, so trampelte man nur im Takte mit, und wer hitziger war, nahm sein Mädchen und warf sich in den Tanz, auf nichts mehr achtend.

Jagusch aber wurde doch bald matt, obgleich sie kräftig genug war, und fing an, ihm aus den Händen zu gleiten; da erst hörte er auf und führte sie in die Kammer.

»Da du ein solcher Prachtkerl bist, so laß uns Brüder sein, und bei der ersten Taufe sollst du mich zum Paten haben!« rief der Müller, ihn in seine Arme schließend.

Sie verbrüderten sich gleich herzlich, denn die Musik verstummte und die Bewirtung begann.

Die Dominikbäuerin, die Söhne, der Schmied, die Gusche gingen eifrig mit vollen Flaschen, die Schnapsgläser in der Hand, herum und tranken einem jeden einzeln zu. Fine aber und die Gevatterinnen reichten Butterbröte und Kuchen auf Sieben umher.

Ein immer größerer Lärm entstand, denn jeder sprach laut sein Teil, und alle griffen erfreut nach den Gläsern, um sich das Fest so recht zugute kommen zu lassen.

Auf die Bänke am Fenster setzten sich der Müller mit Boryna, der Schulze, der Organist und was so die ersten Hofbauern waren. Es ging dort schon eine nicht zu kleine Flasche Arrak von Hand zu Hand und nicht in einer Runde; man trug ihnen außerdem noch Bier hinzu/sie tranken eifrig auf gegenseitiges Wohl, fingen schon an, sich zu umarmen und sich miteinander mächtig zu verbrüdern!

Und in der Stube stand das Volk haufenweis beieinander, mit wem und wie es einem gerade paßte, man redete laut und unterhielt sich nicht schlecht bei seinem Gläschen.

In der Kammer, die von einer von den Organistenleuten geborgten Lampe erhellt war, hatten sich die Hofbäuerinnen, mit der Organistin und Müllerin an der Spitze, niedergelassen; auf Truhen und Bänken, die mit Beiderwandröcken bedeckt waren, saßen sie würdevoll, schlürften Meth durch die Zähne, bröckelten sich mit gespreizten Fingern Stückchen von ihrem süßen Kuchen ab, und wenn eine hin und wieder etwas sagte, so war es nur ein Wort: sie hörten aufmerksam zu, was die Müllerin von ihren Kindern erzählte.

Selbst im Hausflur herrschte eine Enge, und etliche versuchten obendrein schon auf die andere Seite einzudringen. Eve mußte sie hinaustreiben, denn man bereitete emsig das Abendessen vor, von dem schon liebliche Düfte durchs ganze Haus zogen, so daß es manch einen in die Nase stach.

Die Jugend hatte sich vors Haus begeben, verweilte auf dem Heckenweg und saß auf der Mauerbank. Die Nacht war kalt, still und ganz wie mit Sternen betaut, man kühlte sich ab und tollte lustig herum, daß es vor Lachen, Gekreisch und Gelaufe nur so dröhnte; einige jagten im Obstgarten hintereinander her, so daß die Alten ihnen aus den Fenstern zuschrien:

»Blümlein sucht ihr da, Mädels? Paßt ihr auf, daß ihr da nichts verliert im Dustern.«

Wer tat auf sie achten?

In der ersten Stube aber wandelten Jagusch und Nastuscha Täubich herum, hielten sich umschlungen, kicherten immerzu und flüsterten sich allerhand ins Ohr. Schymek, der Älterste der Dominikbäuerin, hatte sein Augenmerk auf sie gerichtet und verfolgte Nastuscha mit seinen Blicken überallhin, trat immer wieder mit Schnaps an sie heran, lachte sie an und versuchte ein Gespräch anzuknüpfen.

Der Schmied, festlich gekleidet in einem schwarzen Knierock, die Hosen über die Stiefelschäfte, machte sich am eifrigsten zu schaffen, er war überall da, trank mit jedermann, forderte auf, bewirtete, räsonnierte und war so geschäftig, daß man immerzu in einer anderen Ecke seinen rothaarigen Kopf mit dem sommersprossigen Gesicht auftauchen sah.

Die Jugend hatte ein paarmal herumgetanzt, doch nur kurz und ohne große Lust, da man schon auf das Festmahl lauerte.

Die Alten aber redeten untereinander, und der Schulze, der schon angetrunken war, schrie immer lauter, blähte sich, schlug mit der Faust auf den Tisch und trumpfte auf:

»Der Schulze sagt es euch, dann glaubt. Ein Beamter bin ich, das Papier hab' ich gekriegt und Order hab' ich, die Gemeinde zu berufen, damit wir ein paar Groschen pro Morgen für die Schule bewilligen.«

»Ihr könnt euch gern auch fünf Kopeken pro Morgen bewilligen, Peter, wir tun nicht einen Heller geben!«

»Das tun wir nicht!« wetterte einer los.

»Still da, nötig ist es, wenn eine amtliche Person das sagt ...«

»Eine solche Schule brauchen wir nicht!« sagte Boryna.

»Jawohl, die brauchen wir nicht,« wiederholten die anderen im Chor.

»Hast du nicht gesehen ... In Wola haben sie solche Schule, drei Winter lang sind meine Kinder hingegangen; und was? ... nicht mal ihr Gebet können sie aus dem Gebetbuch lesen ... für die Katz ist solch ein Unterricht!«

»Laßt die Mütter das Gebet lehren, dazu ist nicht die Schule da, ich sag' es euch, der Schulze.«

»Und wozu denn sonst zum Beispiel?« brüllte der andere aus Wola los und sprang von der Bank auf.

»Ich, der Schulze, will es euch sagen, paßt nur gut auf... gleich, zum ersten ...« aber er brachte seine Erklärung nicht zum Schluß, denn Simeon schrie über den ganzen Tisch herüber, den verkauften Wald hätten die Juden schon gezeichnet und würden ihn bald fällen, sie warteten nur auf Frost und Schlittenbahn.

»Laß sie sich man ihren Wald zeichnen, das Fällen können sie sich in den Baum hängen ...,« warf Boryna ein.

»Zum Bauernkommissar gehen wir klagen.«

»Das ist nichts, der Kommissar hält es doch mit dem Gutsherrn; aber alle zusammen sollte man hingehen und die Holzschläger auseinander jagen.«

»Nicht eine Tanne darf man fällen lassen!«

»Man wird eine Klage vor Gericht einreichen!«

»Trinkt nur zu, Matheus, jetzt ist nicht die Zeit zum Beratschlagen! Wenn man beim guten Trunk sitzt, ist es schon leicht, zu drohen, und wenn es selbst dem Herrgott wäre,« rief der Müller, frisch einschenkend. Diese Reden und Drohungen gingen ihm wider den Strich, denn er hatte sich mit den Juden geeinigt und sollte ihnen auf seiner Sägemühle das Holz schneiden.

Sie tranken einander sitzend zu und erhoben sich darauf, denn man fing schon an, sich für das Abendessen vorzubereiten, das nötige Gerät zusammenzutragen und auf die Tische zu setzen.

Die Bauern ließen aber die Waldfrage nicht fahren, wie sollte man das auch, ein solcher wunder Punkt,... darum drängten sie sich zusammen und mit gedämpfter Stimme, damit es der Müller nicht hörte, beratschlagten sie und verabredeten sich, bei Boryna zusammenzukommen, um irgendeinen Beschluß zu fassen ... aber sie kamen nicht zu Ende, denn Ambrosius kam herein und schloß sich ihnen ohne weiteres an. Er hatte sich verspätet, da er mit Hochwürden bis im dritten Dorf, in Krosnowa, bei einem Kranken gewesen war, und machte sich jetzt tüchtig ans Trinken, um alles nachzuholen ... Doch es war nicht mehr Zeit genug, denn die älteren Frauen sangen schon im Chor:

Und ihr lieben Brautführer, heut'
Ladet zu Tisch die guten Leut'!

Darauf mit den Bänken einen Lärm vollführend, gaben die Brautführer zur Antwort:

Sie sind schon geladen, sie sitzen zu Hauf
Und gebt ihr was gutes dann essen sie's auf!

Und bedächtig ging man um die Tische herum, sich auf die Bänke zu setzen.

Selbstverständlich saß auf den ersten Plätzen das Brautpaar, und daneben von beiden Seiten, was so die ersten im Dorf waren dem Ansehen, dem Vermögen und dem Alter nach, bis herunter zu den Brautjungfern und Kindern. Sie hatten kaum Platz gefunden, obgleich die Tische an drei Wänden entlang aufgestellt waren.

Nur die Brautführer, die die Gäste bedienten, sowie die Musikanten setzten sich nicht.

Das Gewirr der Stimmen hatte sich gedämpft und nur der Organist sprach laut und stehend das Gebet/der Schmied allein sprach mit, denn, wie man wußte, konnte er ... auf Lateinisch, und dann tranken sie jeder einen auf die Gesundheit und zum guten Appetit.

Die Köchinnen begannen unter Beihilfe der Brautführer gewaltige dampfende Schüsseln voll Essen hineinzutragen und sangen dazu:

Wir bringen euch Schüsseln voll Brühe mit Reis
Und drin selbst ein Federvieh zart und weiß!

Und beim zweiten Gang wurde gesungen:

Kutteln mit Pfeffer und Salzen
Laßt froh die Zungen schnalzen!

Die Musikanten aber setzten sich um die Herdstelle und spielten leise verschiedene Liedchen vor, um das Behagen am Schmaus zu steigern.

Sie aßen denn auch voll Würde, langsam und fast im Schweigen vor sich hin, kaum einer ließ ein Wort fallen, so daß nur das Schnalzen der Zungen und das Schaben der Löffel die Stube füllte. Und als sie schon etwas gegessen hatten und der erste Hunger gestillt war, ließ der Schmied wieder eine Flasche die Runde machen, wobei man schon anfing, etwas lebhafter zu reden und über den Tisch weg miteinander zu räsonnieren.

Einzig Jagusch aß so gut wie gar nichts, vergeblich redete Boryna auf sie ein, faßte sie um die Taille und redete ihr zu, wie einem kleinen Kind. Nicht einmal ein Stückchen Fleisch konnte sie herunterschlucken, so ermüdet war sie und heiß. Hin und wieder nur trank sie einen Schluck kaltes Bier, ließ die Augen durch die Stube schweifen und hörte mit einem Ohr auf Borynas Geflüster hin.

»Freust du dich, Jagusch, was? Du mein Schönchen! Du brauchst dich nicht zu fürchten, Jagusch, gut wirst du es bei mir haben, daß es dir selbst bei der Mutter nicht besser war ... Eine Herrin wirst du sein, Jagusch, nur die Herrin ... ich will dir eine Magd halten, damit du dich nicht abzuquälen brauchst ... du sollst schon sehen! ...« redete er leise in sie ein und sah ihr verliebt in die Augen, ohne mehr auf die Menschen zu achten, so daß man sich schon laut über ihn lustig machte.

»Wie so'n Kater um die Speckschwarte streicht er um sie herum.«

»Ist auch ein fetter Bissen.«

»Und was der Alte sich dreht und um sie herumzappelt, da ist ein Hahn nichts dagegen!«

»Wird der sich was auskosten, das alte Biest,« rief der Schulze.

»Wie der Hund im Frost,« brummte der alte Simeon bissig.

Sie brachen in ein Gelächter aus, und der Müller legte sich fast über den Tisch vor Vergnügen und trommelte mit der Faust drauflos.

Die Köchinnen stimmten abermals an:

Fette Hirse tun wir euch tragen
Ihr armen Teufel mit hungrigem Magen!

»Jagna, beug' dich zu mir 'ran, dann sag' ich dir was!« sprach der Schulze, neigte sich hinter Borynas Rücken hinüber, denn er saß neben ihm und kniff sie in die Hüfte; »mich da sollst du zum Paten bitten!« rief er lachend und ließ seine lüsternen Augen über sie hingehen, denn sie tat ihm ausnehmend gut gefallen. Sie errötete stark, die Frauen aber stimmten dazu ein Gelächter an, und nu aber los mit Geneck und gepfefferten Witzen und mit Ratschlägen, wie man mit einem Mannsbild umgehen müsse!

»Und das Federbett mußt du jeden Abend vor dem Herd wärmen.«

»Die Hauptsache ist, daß er fettes Essen kriegt, dann wird er schon Kräfte haben ...«

»Und schmeichle ihm, faß ihn oft um den Hals.«

»Nicht zu stramm halten, dann merkt er nicht, wo du ihn hinhaben willst!« räsonnierten sie alle miteinander, wieso Frauen gewöhnlich tun, wenn sie angeheitert sind und den Zungen freien Lauf lassen.

Die Stube erdröhnte vor Lachen, und zuletzt wurden sie so lose mit ihren Mäulern, daß die Müllerin ihnen nahelegen mußte, doch auf die jungen Mädchen und Kinder Rücksicht zu nehmen. Auch der Organist setzte auseinander, daß es eine große Sünde sei, Ärgernis zu verbreiten und ein schlechtes Beispiel zu geben.

»Denn Herr Jesus,« sprach er, »hat uns gesagt, und auch die heiligen Apostel, was alles in den lateinischen Büchern dick gedruckt steht, daß Totschlagen noch besser ist, als Ärgernis zu erregen, denn wenn du bei einem von den Kleinen Ärgernis erregst, dann ist es, als hättest du es mir selbst getan; so steht es in der Heiligen Schrift/denn die Unzucht im Trinken und Essen, desgleichen in Taten wird streng bestraft, das sag' ich euch, lieben Leute,« stotterte er undeutlich, denn er hatte schon nicht ein und nicht zwei Gläser getrunken ...

»Das Biest von Blasebalgtreter, den Spaß möchte er den Menschen verbieten.«

»Am Priesterrock hat er gerochen, jetzt meint er, daß er heilig ist!«

»Laß ihn sich die Ohren mit dem Kapottrock zustopfen!« schwirrten die feindseligen Stimmen, denn man mochte ihn nicht im Dorf.

»Heute ist doch Hochzeit, Sünde gibt es da nicht, wenn man mal Spaß macht, sich amesiert und lacht, wo was zu lachen ist, das tu' ich schon sagen, ich, der Schulze, ich sag' es euch, Leute.«

»Und auch Herr Jesus zum Beispiel ging zu Hochzeiten und trank Wein ...,« warf Ambrosius ernst, aber leise dazwischen; er war schon betrunken, und da er ganz am Ende an der Tür saß, hörte ihn niemand./Alle redeten jetzt durcheinander, lachten, stießen mit den Gläsern an und langten immer bedächtiger zu, um sich ganz und gar sattzuessen; manch einer lockerte schon den Gürtel und reckte sich, um mehr hineinzukriegen.

Die Köchinnen trugen wieder singend neue Schüsseln herein:

Gegrunzt, gequiekt, gegraben hat es im Gärtelein,
Jetzt muß es den Schaden zahlen – das Schwein!

»Haben die sich angestrengt, na, na!« wunderten sich die Menschen.

»Das will ich meinen, an die tausend Silberlinge wird die Hochzeit kosten ...«

»Es hat sich nicht schlecht bezahlt gemacht, er hat ihr doch die sechs Morgen verschrieben! Zum Schaden der Kinder amüsieren sie sich hier.«

»Und Jagna sitzt dabei wie der reine Brummkater.«

»Dafür leuchten Matheus seine Augen aber wie bei einem Luchs!«

»Ist nur Moder, der lichtert, ih du meine Güte, was sonst!«

»Der wird noch weinen.«

»So einer ist das nicht, der langt ihr eher einen mit dem Stock ...«

»Dasselbe hab' ich schon der Schulzin gesagt, als sie mir von der Verlobung erzählte.«

»Warum ist die denn heute nicht gekommen?«

»Wie soll sie denn, die muß doch jeden Augenblick niederkommen ...«

»Die Hand könnt' ich mir abhauen lassen, daß es nicht lange dauert und die Jagna treibt sich mit den Burschen herum, laßt mal erst die Musiken in die Schenke kommen.«

»Der Mathias wartet nur darauf!«

»Hale, hale?«

»Versteht sich! Dem Wawschon Seine hat gehört, was er in der Schenke herumgeredet hat.«

»Daß sie ihn aber nicht eingeladen haben, mit aufzuspielen?«

»Der Alte wollte es, aber die Dominikwittib hat sich dagegen verwahrt, wie soll sie denn auch anders, alle wissen doch, was war ...«

»Jeder gibt sein Teil dazu, hat sie denn einer gesehen?«

»Dann tut man wohl in den Wind reden?«

»Und der Bartek Kosiol hat sie doch im Frühling mal im Wald ausgespäht.«

»Der Kosiol ist ein Dieb und ein Betrüger, er hat doch mit der Patsches vor Gericht das wegen dem Schwein gehabt, nu tut er aus Gift herumreden.«

»Andere haben auch Augen, können auch noch sehen.«

»Und schlecht wird es enden, man kriegt es schon zu sehen ... versteht sich, mich soll es nichts angehen, aber wenn ich mir so denke, daß den Anteks und deren Kindern solch ein Unrecht geschehen ist/Strafe muß da sein, und sie wird nicht ausbleiben.«

»Versteht sich, der Herr Jesus ist nicht rasch bei der Hand, aber gerecht ist er ...«

»Von Antek hat man doch auch was gemunkelt, mit dem will sie auch mancher hier und da gesehen haben, wie sie sich miteinander verabredeten ...,« sie dämpften die Stimmen, klatschten immer bissiger und nahmen die ganze Familie ohne Gnade vor, der Alten auch nicht das kleinste schenkend und hauptsächlich die Söhne beklagend.

»Ist denn das keine Sünde! Den Burschen wächst schon der Bart unter der Nase, Schymek ist schon gut an die Dreißig und heiraten läßt sie ihn nicht, nicht mal aus dem Haus kann er alleine gehen und bei der ersten besten Kleinigkeit ist da rein der Teufel los.«

»Das ist doch wirklich auch 'ne Schande, so alte Mannsbilder und müssen die ganzen Frauenarbeiten machen ...«

»Damit nur ja die Jagusch nicht ihre Händchen beschmutzt!«

»Und jeder von ihnen hat seine fünf Morgen, da könnten sie doch heiraten!«

»So viele Mädchen sind im Dorf ...«

»Und eure Marzicha wartet doch auch wirklich schon lange genug, und der Grund und Boden liegt gerade neben Patsches ihrem!«

»Paßt ihr nur besser auf eure Franka, daß sie nicht was vom Adam kriegt! Die Alte ist ein Teufelsweib, das weiß man, aber die Burschen sind auch Strohköpfe und Waschlappen!«

»Solche Kerle schon und trauen sich nicht, Mutters Rock loszulassen!«

»Die lassen ihn schon fahren ... Der Schymek läuft schon heute in einem fort hinter Nastuscha Täubich her.«

»Ihr Vater war ganz ebenso/ich weiß noch gut, und wie die Alte jung war, hat sie es ebenso getrieben wie die Jaguscha!...«

»Wie die Wurzel, so die Staude!/Und wie die Mutter/ die Tochter!«

Die Musik verstummte; die Musikanten gingen auf die andere Seite essen, denn der Abendschmaus war zu Ende.

Es wurde plötzlich still, wie in der Kirche während des Offertoriums, nach einer Weile aber entlud sich ein noch stärkeres Stimmengewirr, so daß es schier wie ein Aufbrodeln war; alle redeten auf einmal, schrien und sprachen aufeinander ein über die Tische hinweg, so daß schon der eine den anderen nicht mehr verstehen konnte.

Zum Schluß brachten sie für die Respektspersonen einen mit Honig und Gewürzen zubereiteten Krupnik, Krupnik: Ein altpolnisches Getränk aus sehr starkem reinen Schnaps, Honig und frischer Butter. Wird mit Nelken und Zimt zum Kochen gebracht und heiß getrunken. und für den Rest stellten sie starken Branntwein und Bier hin.

Kaum einer beachtete, was er trank, denn die Köpfe waren schon nicht schlecht benebelt, und ein Wohligkeitsgefühl versetzte alle in eine behagliche Mattigkeit. Sie setzten sich wie es einem jeden bequemer war, knöpften vor Hitze die Röcke auf und räkelten sich um die Tische herum ... Mit den Fäusten schlugen sie auf, daß die Schüsseln hochsprangen, hielten sich umschlungen, griffen einander an die Rockklappen, oder umarmten sich, redeten einander zu und schütteten sich die Herzen aus, wie der Bruder seinem Bruder, wie der wahre Christ seinem christlichen Nachbarn.

»Schlecht ist es in der Welt! Jawohl! Immer nur zugrunde gehen kann der Mensch und Not leiden ...«

»Wollt ihr euch schicken, verdammtes Hundspack! ...« Unter den Tischen balgten sich die Hunde um die Knochen.

»... Und Trost kann es nur geben, wenn der Nachbar mit dem Nachbarn zusammenkommt, wenn sie beim Glase Schnaps sich die Wahrheit sagen, das Herz ausschütten, und einander vergeben, was einer sich bei dem anderen hat zuschulden kommen lassen/versteht sich, das abgeweidete Getreide oder die eingepflügte Grenze nicht, denn darüber werden schon die Gerichte Bescheid wissen und die Zeugen werden es aussagen, wer unrecht hat und wem sein Recht zukommt; aber das, was von wegen der Nachbarschaft vorkommt /mal ist es dem einen sein Vieh, das im Garten gewühlt hat, mal sind's die Frauen, die sich herumgezankt haben, manchmal prügeln sich die Kinder, grad wie es kommt ... Dazu ist doch solch Freudetag, daß die Leute vom Groll ablassen und daß Brüderschaft und Eintracht zwischen den Menschen aufkommt!«

»Wenn's auch nur für diese Freudezeit ist, für diesen einen Tag!«

»Und morgen kommt immer noch früh genug! Hei! Vor deinem Los kannst du dich doch nicht verstecken, und wenn schon, dann nur unter die heilige Erde wohl; es kommt, es wird dich ans Genick packen, dir das Joch um den Nacken legen, mit der Not wird es dich antreiben, und nu schlepp' du mal, Volk, lasse dein Blut fließen; sorg' um dein bißchen Habe, laß es nicht aus den Fäusten, nicht für einen Augenblick, damit die Brüder nicht über dich weggehen!«

»Zu Brüdern hat Herr Jesus die Menschen geschaffen, und Wölfe sind sie füreinander!«

»Nein, nicht Wölfe, das ist die Not, die sie jagt, verzankt und die einen auf die andern schleudert, daß sie sich beißen, wie die Hunde um einen benagten Knochen!«

»Nein, nicht die Not allein, der Böse ist es, der die Finsternis über das Volk wirft, daß es nicht auskennt, was gut und was böse ist!«

»Wahrhaftig, wahrhaftig! Und er bläst in die Seele wie in eine Glut, die doch schon verglimmt, bis er Gier und Wut und alle Sünden wachgeblasen hat!«

»Versteht sich, wer auf die Gebote taub ist, hört besser die Teufelsmusik!«

»Einstens war es nicht so! Gehorsam war da, das Alter hat man respektiert und Eintracht tat man halten!«

»Und Grund und Boden hatte jeder, soviel er nur bearbeiten konnte, und Weideland, und Wiesen, und Wald.«

»Und hat denn je einer da von Steuern gehört?«

»Oder hat einer Holz kaufen müssen? ... In den Wald fuhr er und nahm was er brauchte, und wenn es selbst die beste Kiefer oder Eiche war! ... Was dem Gutsherrn seins, war auch dem Bauern seins.«

»Und jetzt ist es nicht dem Gutsherrn, noch dem Bauern seins/dem Juden gehört es, oder noch einem Schlimmeren.«

»Aaszeug! Euch hab' ich zugetrunken, trinkt ihr mir zu! Festgesetzt haben sie sich, wie auf dem eigenen, trinkt mal, dein Wohl, mein Wohl, damit Gerechtigkeit sich machen tut ...«

»Räudiges Herrenvolk! In eure Hände! Nehmt das Glas! Schnaps ist keine Sünde, wenn es nur mit der Würde geht, ein gutes Glas unter Brüdern bekommt der Gesundheit, reinigt das Blut und zieht die bösen Krankheiten ab!«

»Wenn schon trinken, dann lieber gleich 'ne ganze Quart, und wenn sich freuen, dann den ganzen Sonntag lang. Und hast du was zu tun, Menschenkind/dann arbeite flink, schone deine Klumpen nicht und halt' dich ehrlich dran! Und kommt mal sozusagen eine Gelegenheit/Hochzeit, Taufe, oder stirbt einer weg/dann spann' aus, mach' es dir bequem, nimm wahr und mach' dir deine Freude! Und geht es einmal schlecht/die Frau geht zuschanden, ein Vieh verreckt, oder es kommt ein Feuerschaden/Gottes Wille, lehn' dich nicht dawider auf, denn was kannst du, armer Teufel, mit Geschrei und Weinen dir da helfen?/Gar nichts; deine Ruhe wirst du nur los, daß selbst das Essen dir wie Brennesseln im Maule deucht!/Darum dulde du und vertraue auf dem Herrn Jesu seine Gnade ... kommt Schlimmeres, packt dich der Knochenmann an der Gurgel und guckt dir in die Augen/versuch' nicht zu entweichen, das ist nicht deine Macht /denn alles ist in Gottes Hand ...«

»Das ist so, wer kann es nur voraussehen, wann Jesus sagt: Bis dahin deins/hier ist meins, Menschenkind.«

»Wahr, wahr! Hoch, da oben fliegen sie wie Blitze die Befehle von unserem Herrgott und niemand, selbst der Priester, der klügste selbst kann sie im voraus durchschauen, bis daß sie aufs Volk, wie reifes Korn, fallen!«

»Du aber, Mensch, hast nur eins zu wissen/tue deine Sache und lebe, wie die heiligen Gebote befehlen, und sehe nicht in das Kommende ... Herr Jesus tut jedem seinen Lohn zurechtlegen und wird ehrlich jedem seinen Teil zahlen ...«

»Das hat das polnische Volk immer aufrechterhalten/ und so soll es in alle Ewigkeit bleiben, Amen!«

»Und mit Geduld wirst du selbst die Tore der Hölle überwinden.«

So redeten sie miteinander, dazwischen häufig einander zutrinkend, und jeder äußerte sich über das, was ihm gerade am Herzen lag und woran er schon lange gewürgt hatte! Am meisten und am lautesten aber räsonierte Ambrosius, natürlich tat man nicht viel auf ihn hinhören, denn jeder redete und wollte seine Sache anbringen, ohne viel auf die anderen zu achten ... In der Stube toste schon ein immer lauteres Stimmengewirr, als plötzlich Gusche mit der Eve hereintraten, gravitätisch einen großen geschmückten Kochlöffel vor sich tragend./Ein Musikant, der hinterdrein schritt, spielte auf der Geige, sie aber sangen:

Hebt euch, Leute, von den Tischen,
Hebt euch von der Bank.
Ein paar Heller für die Brüh
Und zehn Heller für die Müh
Gebt uns hier zum Dank!

Das Volk war satt, angeheitert und leichtgiebig gestimmt durch das gute Essen und viele Trinken, so daß selbst einzelne Silbermünzen in den Kochlöffel warfen.

Allzusammen fingen sie an, sich von den Tischen zu erheben und langsam auseinanderzugehen; die einen wollten frische Luft schöpfen, etliche blieben im Flur oder in der Stube stehen, diskutierten weiter, und andere wiederum umarmten sich zum Zeichen der gegenseitigen Freundschaft, manch einer aber torkelte schon und fegte mit dem Kopf die Wände oder er bockte mit seinem Schädel gegen die anderen an, wie ein Widder/was kein Wunder war, da während des Abendessens die Schnapsbuttel reichlich gekreist hatte.

Am Tisch blieben nur der Schulze und der Müller sitzen. Die beiden zankten sich und gingen mit solcher Hitzigkeit aufeinander los, wie zwei Habichte, so daß Ambrosius sie mit Schnaps zu versöhnen versuchte.

»Paß auf die Kirchtür, alter Kirchenschließer, und laß die Hofbesitzer in Ruh,« knurrte der Schulze.

Ambrosius ging mißmutig davon, er stieß mit seinem Stelzfuß laut auf, und die Schnapsflasche gegen die Brust pressend, sah er sich nach einem Kumpan um, mit dem er in guter Freundschaft sich satt reden und einen ordentlichen trinken könnte.

Die Jugend war auf den Heckenweg hinausgetreten, wo sie sich allesamt eingehakt hatten und miteinander plaudernd und schäkernd auf die Dorfstraße hinausgingen, um allerhand Schabernack zu treiben, so daß es dröhnte vor Gejage und Geschrei. Die Nacht war klar, der Mond hing über dem Weiher; das Wasser glänzte so hell, daß die kleinsten Kreise, die wie unter den Schlägen des Lichts sich ausbreiteten, in halbkreisrunden Schlänglein silbern durch die Stille glitten. Der Nachtfrost griff immer stärker um sich, die Erdkrusten brachen unter den Tritten und der Reif hatte die Dächer weiß überzogen und die Erde eisgrau bestreut.

Es war schon spät, denn die ersten Hähne ließen sich im Dorf vernehmen.

In der Stube machte man inzwischen Ordnung und bereitete alles zum Tanzen vor.

Und als die Musikanten genug gegessen hatten und ausgeruht waren, fingen sie an leise aufzuspielen, um die Hochzeitsgäste wieder zu sammeln.

Doch es war nicht nötig, sie lange anzutreiben, im hellen Haufen drangen sie in die Stube, denn die Geigen lockten so zum Tanz, daß die Füße einen von selbst schon trugen/ es war aber zu guter Letzt doch verlorene Liebesmüh, die Burschen fühlten sich noch zu schwer nach dem Festessen, der eine und der andere versuchte sich etwas zu drehen, sie liefen aber bald wieder hinaus auf den Flur, um eine Zigarette zu rauchen oder die festen Wände zu stützen.

Die Frauen führten Jagna in die Kammer ab und Boryna blieb mit der Dominikbäuerin auf der Fensterbank sitzen, und was die Älteren waren, so hatten sie sich auf den Bänken und in den Ecken breit gemacht und redeten miteinander. In der Mitte der Stube waren nur noch die Mädchen geblieben, deren Kichern immer von neuem hörbar wurde; da ihnen aber die Zeit bald lang wurde, richteten sie verschiedene Spiele ein, um die Burschen etwas aus sich herauszulocken.

Zuerst spielten sie das Spiel: »Es geht der Fuchs um den Weg herum, ohne Hand und Fuß.«

Als Fuchs hatten sie Jaschek mit dem Spitznamen »der Verkehrte« verkleidet und ihm einen Schafspelz umgetan, dessen zottelige Innenseite noch außen gekehrt war. Das war ein Tolpatsch und Dummerjahn. Sie hielten ihn alle zum Narren im Dorf. Obgleich er ein ausgewachsener Bursche war, lief er mit offenem Maul herum, spielte mit den Kindern und liebäugelte mit allen Mädchen. Er machte den Eindruck, als ob er nicht ganz richtig sei; da er aber der einzige Sohn war und seine zehn Morgen zu erwarten hatte, so wurde er überall eingeladen./Häschen war Borynas Fine.

Und sie lachten ... wie sie lachten, Jesus! Jede paar Schritte plusterte sich Jaschek auf und plumps, lag er am Boden, wie ein Stück Holz, denn jedermann versuchte ihm ein Bein zu stellen, und Fine hopste so schön, machte Männchen, muffelte mit den Lippen, daß ein wahrer Hase nichts dagegen war.

Und dann spielte man »Wachtel«.

Nastuscha Täubich führte an, und sie war so flink, flitzte so geschickt durch die Stube, daß sie sie gar nicht greifen konnten, bis sie ihnen von selbst unter die Hände schlüpfte, um mal herumzutanzen.

Und »Schweinchen« wurde gespielt.

Zum Schluß aber machte einer der Brautführer, scheinbar Tomek Wachnik, einen Storch; er hatte sich mit einem Leinentuch den Kopf bedeckt und darunter ließ er als Schnabel einen langen Stock hängen und klapperte so geschickt, daß es sich ganz wie Storchklappern anhörte; Fine, Witek und die kleineren rannten hinter ihm her und schrien:

Le, le, le ...
Dein' Mutter in der Hölle.
Was tut sie denn da suchen?
Sie backt den Kindern Kuchen.
Was hat sie denn gemacht?
Die Kinder umgebracht.

Sie zerstreuten sich schreiend und suchten in den Ecken Schutz, denn er verfolgte sie, stieß mit dem Schnabel nach ihnen und schlug mit den Flügeln um sich.

Die Stube erzitterte vor diesem Gelächter, Gekreisch und Gejage.

Eine gute Stunde mochte schon das Spiel gedauert haben, als der älteste der Brautführer ein Zeichen gab, sich ruhig zu verhalten.

Aus der Kammer führten die Frauen Jagna heraus, die mit einem weißen Linnentuch bedeckt war, und setzten sie inmitten der Stube auf einen Backtrog, über den ein Federbett ausgebreitet lag/die Brautjungfern sprangen hinzu und taten als ob sie sie ihnen entreißen wollten, aber die älteren Frauen und die Männer wehrten ihnen, darum drängten sie sich ihr gegenüber zu einem Haufen zusammen und sangen wie durch Tränen mit trauriger Stimme:

Nun mußt du sein
Ohne Kränzelein!
Die gewundene Frauenhaube
Oj-ta-dana-da
Die benähte Frauenhaube
Ziemt dir jetzt allein! ...

Dann erst deckte man sie auf.

Sie hatte schon eine Haube auf den aufgesteckten dicken Zöpfen, aber sie erschien noch schmucker in dieser Tracht, denn sie lachte, war froh und blickte mit leuchtenden Augen von einem zum anderen.

Die Musik fing in langsamem Takt an zu spielen, und das ganze versammelte Volk, die Alten und die Jungen und die Kinder selbst stimmten mit einer einzigen großen Freudestimme das »Hopfenlied« an. Nach dem Absingen des Liedes wurde Jagusch nur von Hofbäuerinnen zum Tanz geholt. Gusche aber, die sich schon ordentlich einen angetrunken hatte, stemmte die Arme in die Seiten und fing an, ihr zuzusingen:

Hei! das hätt' ich wissen sollen,
Daß dich da ein Witwer freit.
Hei! ein Kränzelein aus Wicken,
Hei! das hielt ich dir bereit!

Und sie sang auch noch andere Lieder mit allerlei versteckten Anspielungen und Anzüglichkeiten.

Doch niemand achtete darauf, denn die Musikanten geigten schon aus voller Macht und die Menschen traten an zum Tanz. Der Boden erdröhnte plötzlich, als schlügen hundert Dreschflegel auf die Tenne und ein undurchdringbares Gewirr füllte die Stube, denn dicht an dicht folgten die einen den andern, Paar auf Paar, Kopf neben Kopf, und nahmen einen Anlauf./Die Kapottröcke ließen sie wehen, wiegten sich im breitspurigen Tanzschritt, stampften mit den Absätzen auf, schwenkten die Hüte, und hier und da stimmte einer ein schallendes Lied zur Musik an und die Mädchen sangen ihr »da-dana« dazu. Sie drehten sich immer schneller, ihre Körper schaukelten sich hin und her, bis sie in einen so raschen, wirbelnden, selbstvergessenen Tanz übergingen, daß keiner mehr im Gedränge auseinander zu kennen war.

Und jedesmal, wenn die Geigen einen Hopsa erschallen ließen, stampften hundert Hackenpaare auf den Boden, hundert Stimmen juchten auf, hundert Menschen schwenkten herum, als ob sie ein Windstoß herumgeschleudert hätte/ so daß nur das Sausen der Rockschöße und Beiderwandröcke und das Flattern der Kopftücher vernehmbar wurde, die wie farbige Vögel in der Stube aufflogen. Ein, zwei, drei Paternoster gingen vorbei und sie tanzten immerzu, ohne aufzuatmen, ohne Unterbrechung; der Fußboden dröhnte, die Wände bebten, in der Stube brodelte der Lärm, und die Lust wuchs immerzu; wie die Fluten nach dem Gewitterregen /so wogte und wälzte sich der Tanz durch die Stube.

Als sie geendigt hatten, kamen verschiedene Bräuche an die Reihe, wie es beim Aufsetzen der Frauenhaube üblich war.

Zuerst mußte sich Jagna bei den Bäuerinnen einkaufen!

Danach wurden noch manche Hochzeitszeremonien vollführt; bis schließlich die Burschen ein langes Strohseil aus ungedroschenem Weizen drehten und es den Brautjungfern in die Hände gaben, die damit einen großen Kreis umspannten, den sie eifrig bewachten. Mitten drin stand Jagna, und wer mit ihr tanzen wollte, mußte sich gewaltsam zu ihr den Weg bahnen, um sich mit ihr im Kreise zu schwingen, nichtachtend, daß sie ihn mit verschiedenen Strohseilen nur immer so über die Lenden prügelten. Zum Schluß aber begann die Wachnikbäuerin mit der Müllerin für die Haube zu sammeln. Als erster warf der Schulze ein Goldstück auf den Teller, und darauf fingen, wie ein klirrender Hagel, die Silberstücke an niederzuprasseln, und wie Blätter im Herbst flogen die Papierrubel.

Mehr wie dreihundert Silberlinge hatten sie gesammelt.

Ein mächtiges Stück Geld, für die Dominikbäuerin aber war das wie eine Mücke; im übrigen legte sie kein Gewicht auf Geschenktes, denn sie hatte genug Eigenes, nur daß sie sich für Jagusch so bereitwillig auf Unkosten einließen, hatte sie ordentlich mitgenommen, so daß ihr vor Rührung ein Weinen ankam, das sie nicht mehr unterdrücken konnte/ sie schrie den Jungen zu, den Schnaps zu bringen und fing selbst an, zu traktieren, zuzutrinken und durch die Tränen, die ihr über die Backen rannen, Gevatter und Gevatterinnen abzuküssen.

»Trinkt, Nachbarn ... trinkt, liebe Leute, Brüderherzen ... Das ist mir ein Freudentag heute ... auf Jagusch ihr Wohl ... dieses Gläschen noch ... dieses;« und hinter ihr drein trank noch der Schmied den anderen zu, und die Jungen auch auf eigene Hand/denn es war ein nicht kleiner Haufen Volk beisammen. Auch Jagusch dankte ihrerseits für die Güte und umfaßte die Knie der älteren Leute! ...

Es brauste auf in der Stube, denn auch die Gläser kreisten dicht hintereinander von Hand zu Hand, und eine Wärme und Fröhlichkeit stieg auf von allen Seiten! Die Gesichter röteten sich, die Augen blitzten auf und die Herzen strebten brüderlich, nachbarlich einander zu. »Hoppla/heh! einmal nur kann die Ziege sterben! Das hat der Mensch, was er mit seinen Menschenbrüdern genossen hat, was er sich amüsiert hat, ohne sich lange um die Welt zu kümmern! Jeden für sich nimmt nur die Knochenfrau vor, aber feiern muß man im Haufen, zum Freuen gehört eine ganze Kompagnie. Sie füllten auch in Haufen die ganze Stube, tranken einander zu und besprachen sich froh und jeder setzte laut auseinander, was er zu sagen hatte, so daß schon der eine den andern nicht mehr hörte; aber das war einerlei, denn sie fühlten so wie so dasselbe, dieselbe Freude hatte sie zusammengebracht und alle ganz durchdrungen!

Und wenn einer trauern will, laß ihn das für morgen aufheben, heute soll er sich amüsieren, Freundschaft genießen, seine Seele erfreuen! So wie der Herr Jesus der heiligen Erde nach ihrem sommerlichen Gebären Ruhe zukommen läßt, so ziemt es, daß auch dem Menschen in der Herbstzeit Ruhe werde, nachdem er sein Feld bestellt hat. Und hast du, Mensch, die Schober und Scheuern voll Korn, schwer wie Gold, das nur auf die Dreschflegel wartet, dann genieße du, und lohne dir die schweren Mühen und Sorgen der langen Sommertage!

So redeten die einen vor sich hin, andere wiederum breiteten sich über ihre Angelegenheiten und Sorgen aus; und etliche, die nicht nur den Kuhschwanz vor sich sahen oder Weiberläufe, scharten sich um den alten Simeon und sprachen über alte Zeiten, neues Unrecht, von Steuern und den Geschäften der ganzen Gemeinde; und sie redeten leise, da es sich auch um des Schulzen Streiche handelte.

Nur Boryna schloß sich keinem Haufen an, er ging von den einen zu den anderen, mal hier- mal dahin, und ließ die Augen hinter Jagna wandern, und blähte sich mächtig, daß sie so schmuck war, den Musikanten warf er immer wieder Silbermünzen hin, damit sie die Fiedelbogen nicht schonten, da sie gedämpfter spielten, um auszuruhen.

Sie stießen plötzlich einen wuchtigen Oberek in die Instrumente, daß einem ein Schauer durch die Knochen lief, und Boryna sprang zu Jagna hin, riß sie fest an sich und schob vom Platz weg einen solchen Tanz, daß die Dielenbretter aufwimmerten, er fegte durch die Stube, wendete, klappte mit den eisenbeschlagenen Hacken auf den Fußboden, wirbelte, das Knie beugend, seine Tänzerin um sich herum, dann glitt er breitspurig durch die Stube, sich im Takte nur so schüttelnd, auf und nieder, hin und her von Wand zu Wand, sang den Musikanten zu, die ihm einen Tusch zur Antwort bliesen, tobte rasend weiter und führte hitzig den Tanz an, denn hinter ihm fingen die anderen Paare an, sich aus den verschiedenen Gruppen zu lösen, aufzutrampeln, zu singen und mit gewaltigem Anlauf loszutanzen, daß sie sich wie hundert surrende Spindeln voll farbiger Garne durch die Stube drehten und so schnell herumwirbelten, daß schon kein Auge auseinanderkennen konnte, wo der Bursch und wo das Mädchen waren. Das war als ob jemand einen Regenbogen ausbreitete und auf ihn mit einem Sturmwind einpeitschte, daß er in allen Farben spielte, aufschillerte und immer schneller, wütender, wilder sich wand, so daß zuweilen die Lichter vom Luftzug verlöscht wurden und Nacht die Tänzer umfing. Durch die Fenster floß das Mondlicht, das in einem sich versprühenden Lichtstreifen funkelte wie siedendes Silber, mitten durch die Dunkelheit, mitten durch das kreisende Menschengewühl, das herangeflutet kam in einer schäumenden, sangerfüllten Welle und aufflimmerte und sich zusammenballte in diesem Lichtschimmer, wie in einem Traumgesicht, um wieder aufzutauchen und für einen Augenblick vor der anderen Wand aufzudämmern, wo die durch das Mondlicht getroffenen Gläser der Bilder sprühende Wiederscheine rieseln ließen, um sich vorbeizuwälzen und in die Nacht zurückzustürzen, daß in der verdunkelten Stube nur schweres Keuchen, Getrampel und Rufe aufstiegen und sich ineinander wirrten mit dumpfem Gedröhn.

Und eine einzige lange Kette von Tanzen begann, ohne Unterbrechung und Ruhepause ... denn kaum hob die Musik an, einen neuen Tanz zu geigen, erhob sich das Volk jäh, reckte sich hoch auf, wie ein Forst, und stürzte sich in den Tanz mit der Wucht eines Wirbelwindes; das Aufstoßen der Hacken klang wie Donnergetöse, Schreie der Lust ließen das ganze Haus erbeben. Und sie überließen sich dem Tanz mit einer Selbstvergessenheit und Raserei, als ginge es in den Sturm, in den Kampf auf Tod und Leben.

Und sie tanzten!

... Die zappelnden, schäkernden Krakowiaks mit der abgerissenen, klirrenden Melodie, die wie mit Ziernäglein beschlagene Gürtel mit tanzfrohen Liedlein ausgeputzt war; die Krakowiaks voll Lachen und Mutwillen, voll fröhlichen Sangs und üppiger, starker, kecker Jugend und zugleich voll lustiger Possen, voll Haschen und Greifen und voll Glut des jungen, liebeshungrigen Blutes. Hei!

... Mazurkas langgedehnt, wie Feldraine, breitgestreckt wie die Mathiasbirnbäume, Mathiasbirnbäume: Scherzname für wildwachsende Feldbirnbäume. Anspielung auf die Genealogie dieser Baume: das unentkernte Obst, das die Bauern essen und die Spuren davon an den Feldrainen entlang. Mathias entspricht gewissermaßen dem deutschen Sepp. rauschend, und wie die unabsehbaren Ebenen so breit, voll Schwergewicht und schlank aufstrebend, sehnsüchtig und verwegen, gleitend und dräuend gepackt, würdevoll und draufgängerisch und steifnackig dazu, wie jene Mannsleute, die zu einem Haufen zusammengeschart, wie ein Wald aufragend, sich in den Tanz werfen mit Juchzern und solcher Macht, als ob es zu hundert gegen Tausende angehen sollte/und wenn man dabei die ganze Welt zerreißen, verprügeln, zerstampfen, zu Splittern zerschlagen auf den Absätzen auseinandertragen müßte und selbst zugrunde gehen, um dann noch nach dem Tode zu tanzen, mit den Hacken aufzutrampeln und forsch auf mazurische Art aufzujuchzen: »da-dana!«

... Und mächtige Obereks tanzten sie, ruckweise Springetänze, schwindelnde, tolle, rasende, herausfordernde und wehmütige, sengende und versonnene, mit Klageliedern durchwobene, im Siedetakt des feurigen Blutes pulsende und doch voll Güte und Lieben, plötzlich niedersausende, wie eine Hagelwolke und voll herzlicher Stimmen, voll himmelblauer Blicke, voll lenzverheißender Lüfte, voll düfteschwangeren Zweigerauschens, das aus blütenschweren Obstgärten kommt/Tänze, die wie jene sangerfüllten Frühlingsfelder sind, Tänze, wo auch die Tränen noch durch Lachen fließen, und das Herz Freudelieder singt, und die Seele sich sehnsüchtig losreißt, den fernen Weiten, den entlegenen Wäldern entgegen und in die große Welt hinausfliegt, ahnender Träume voll, vor sich her singend: »Oj Da-dana!«

Solche unsagbaren Tanze folgten einer dem anderen.

Denn also freut sich das Bauernvolk zur gelegenen Zeit.

So tat man auch die Hochzeit von Boryna und Jagusch feiern.

Stunden auf Stunden eilten und versanken unbemerkt im Lärm, im Geschrei, in rauschender Freude und Tanzvergessenheit, so daß sie es gar nicht gewahr wurden, wie es sich schon im Osten zu lichten begann, die Frühlichtschimmer langsam durchzusickern anfingen und die Nacht bleichten. Die Sterne verblaßten, der Mond ging unter, und von den Wäldern erhob sich ein Wind und wehte einher, als wollte er die zerrinnende Dämmerung auseinanderblasen; durch die Fenster sahen krause bepelzte Bäume hinein und neigten immer tiefer die schläfrigen Köpfe voll Rauhreif ... Im Hause aber sang und tanzte man noch immerzu.

Es war als ob Wiesen, Erntefelder und aufgeblühte Obstgärten sich zu einem Fest zusammengefunden hätten und, durch einen Wirbelwind ergriffen, einen endlosen, taumelnden, feurigen Reigen schlangen.

Man hatte die Tür weit geöffnet und die Fenster aufgerissen, das Haus aber spie immer noch Lärm und Lichterschein aus, bebte und zitterte, und krachte, und stöhnte auf, und gab sich immer wilderem Taumel preis, so daß es schon war, als ob die Bäume und Menschen, die Erde und die Sterne, die Zäune und das alte Haus und alles sich bei den Schultern gefaßt hätte, sich zu einem Knäuel verwickelt, sich verstrickt hätte und berauscht, blind, auf nichts mehr achtend, von Sinnen von Wand zu Wand taumelte, von der Stube auf den Flur, vom Flur auf den Weg flutete, von dem Weg waldwärts über die unübersehbaren Felder in die weite Welt hinaus in Tanzraserei drängte, rollte, kreiste und als eine einzige flimmernde Kette in den Lichtscheinen des aufsteigenden Morgenrots sich verlor.

Die Musik war es, die sie da führte, dieses Spielen und Singen ...

... Die Baßgeigen juchzten im Takt und brummten mit zittrigen Stimmen, wie Hummeln, und die Flöte gab die zweite Stimme an, pfiff lustig vor sich hin, zwitscherte, trieb Schabernack scheinbar der Trommel zum Verdruß, die possierlich hüpfte, mit den Schellen Lärm schlug, schäkerte und wackelte, wie ein Judenbart im Wind. Und die Geige führte, ging an der Spitze, wie die beste Tänzerin, sang erst laut und hell, als wollte sie ihre Stimme versuchen, und fing dann gedehnt, durchdringend und traurig an zu klagen, als ob an den Kreuzwegen das Weinen der Verlassenen wimmerte, bis sie sich im Nu umdrehte und plötzlich mit einer kurzen, blitzenden, scharfen Melodie dreinfuhr, als hätten hundert Paare mit den Absätzen geklappt, als hätten hundert Mann aus voller Brust juchheit. Der Atem stockte und ein Schauer lief über die Haut. Und sie fing gleich wieder an, Kreise zu ziehen, vor sich her zu singen, zu wenden, im zierlichen Schritt zu trippeln, zu hüpfen, zu lachen und in Lust sich zu ergehen, so daß die Warme zum Herzen strömte und die Lust zu Kopfe stieg, wie Branntwein ... dann sang sie wieder eine schleppend-traurige Weise, die wie mit Tränentau überperlt war; sie sang das traute, herzliche Lied der Heimat, das trunken ist voll großer Macht und Liebe, und führte in den leidenschaftlich-selbstvergessenen mazurischen Tanz.

— — — — —

Das Frühlicht wurde immer heller, so daß die Lichter verblaßten und die Stube eine schmutzig-trübe Dämmerung überflutete, sie aber vergnügten sich noch aus vollem Herzen, und wem die Bewirtung zu wenig war, der schickte nach der Schenke, Schnaps zu holen, suchte sich Kumpane und trank bis er umfiel.

Wer weggegangen war, der war weg, wer müde war, ruhte aus, wer sich vollgetrunken hatte, der schlief auf der Wandbank oder im Flur; andere aber, die noch weniger ihre Füße regieren konnten, lagen unter den Zäunen und wo es sich gerade traf, der Rest aber tanzte bis zum letzten.

Bis die, die noch am nüchternsten waren, sich zu einem Haufen an der Tür geschart hatten, und mit den Füßen auf dem Fußboden Takt stampfend, zu singen begannen:

Jetzt geht es heim, ihr Gäste, jung und alt!
Über weite Wege
über Wasserstege
Durch dunklen Wald!

Jetzt geht es heim, ihr Gäste, jung und alt!
Und Morgen wieder
Singen wir Lieder,
Kommen her zu frohem Aufenthalt!

Doch niemand hörte auf sie.

 


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