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Die drei Schwestern.

Ein Märchen.

Ein reicher Landmann war gestorben und hatte seinen drei Töchtern Salome, Kordula und Ursula ein hübsches Vermögen, einen schönen Bauernhof und viele Hufen wohlbestelltes Getreideland hinterlassen. Leider waren die drei Schwestern gerade das Gegenteil von ihrem braven Vater. Der Mann hatte stets ein offenes, fröhliches Gemüt gehabt und war allzeit ein Freund und Wohltäter der Armen gewesen; seine Töchter dagegen waren engherzige, habsüchtige und neidische Geschöpfe, die ihren Mitmenschen weder Freude noch Wohlstand noch guten Namen gönnten; aber auch ihrem eigenen Leibe entzogen sie aus schmutzigem Geiz jeden heitern, unschuldigen Genuß und bereiteten sich das kümmerlichste Leben.

Von der ganzen Erbschaft, die der Vater ihnen hinterlassen hatte, behielten die Töchter nur Silber und bares Geld, um es in ihrem Kasten zu verschließen. Dagegen verkauften sie Haus und Hof und Land und Herden, legten das dafür gelöste Geld zu ihren andern Schätzen und wählten zu ihrem Aufenthalt einen kleinen engen Schafstall im Felde, den sie sich notdürftig zur Wohnung einrichten ließen, und zu dessen Wächter sie den alten Kettenhund ihres Vaters mitnahmen.

Schon an dem Anzuge der drei Jungfrauen konnte man ihre Sparsamkeit erkennen, denn ihre Kleider waren abgetragen und vielfach geflickt. Salome, die älteste, kleidete sich ganz schwarz, Kordula schwarz und grau, und Ursula, die jüngste, die sich noch bisweilen etwas mehr als die beiden andern erlaubte, trug zu ihrem schwarzen Kleide doch wenigstens einen weißen Kragen und weiße Manschetten. Freilich war diese Wäsche nicht immer die sauberste zu nennen, denn gute Wäsche braucht Seife, und Seife kostet Geld, und das Geld sollte doch nun einmal, wo nur irgend möglich, gespart werden.

Fragte man die Schwestern, warum sie sich in so dunkle und trübselige Farben kleideten, so sagten sie, sie täten es, weil sie es für sittsamer hielten, wenn Jungfrauen keine prunkenden und bunten Kleider trügen. Doch das war eitel Heuchelei, denn sie taten es nur deshalb, weil schwarze Kleider gegen Sonne, Staub und Flecken länger vorhalten.

Wie es aber in Küche und Speisekammer der drei Jungfrauen bestellt war, wollen wir lieber gar nicht untersuchen. Beim Anblick ihres Mittagstisches würde wohl manchem der Appetit für lange Zeit vergangen sein. Nur an einem einzigen Tage im Jahr taten sie sich gegen ihre Gewohnheit etwa Absonderliches zugute, nämlich am ersten Mai. An diesem Tage waren alle drei Schwestern, wenn auch in verschiedenen Jahren, geboren. – Kaffee und Kuchen waren die Genüsse, in denen sie an diesem Tage schwelgten, und wodurch sie sich für die Entbehrungen des ganzen Wahres entschädigten. Nimmermehr hätten sie sich diese Leckereien erlaubt, wenn sie dafür hätten Geld ausgeben müssen; das hatten sie aber nicht nötig; ihr Onkel war nämlich ein reicher Gewürzkrämer in der Stadt, der pflegte ihnen aus alter Familien-Anhänglichkeit das alles zu ihrem Geburtstage zu schenken.

Nun geschah es, daß wieder einmal der erste Mai erschienen war. In diesem Jahre fiel er gerade auf den Sonntag. Es war ein schöner, sonniger Frühlingsmorgen. Aus der Kirche klang feierlich der Ton der Orgel und der Gesang der Dorfgemeinde durch die heitere Luft. Die drei Schwestern waren nicht in der Kirche. Alle ihre Gedanken richteten sich einzig und allein auf die Zubereitung ihres Festmahles. In dem kleinen Winkelkämmerchen, das zur Küche eingerichtet war, hatte jede von ihnen vollauf zu tun. Salome saß da und hielt ihre Kaffeemühle mit den Knien fest; das Rasseln und Knarren der Mühle klang ihren Ohren viel erbaulicher als der fromme Gesang der Gemeinde. Kordula stand am Feuerherde, und das Summen des kochenden Wassers war ihr eine festlichere Musik als der Klang der Kirchenorgel; Ursula bewegte schwatzend ihre Zunge ebenso schnell wie ihre Hand die Rute, mit der sie den würzigen Kuchenteig einrührte und das Weiße vom Ei zu Schaum peitschte. Das war die Sonntagspredigt, mit der sie ihre Schwestern erbaute.

Endlich brodelte der Kaffee am Feuer, und die Kuchen knisterten im Fett, ein Zeichen, daß die ersehnte Mittagstunde gekommen war. Die Luft draußen war mild, warm und erquicklich. Die Schwestern beschlossen, ihre Mahlzeit unter dem alten offenen Strohschuppen einzunehmen, der sich hinter ihrem Häuschen befand. Man konnte dort über die sumpfigen wiesen nach dem Walde hinaussehen, ohne von andern Menschen gesehen zu werden; denn die wiesen waren von Gräben und Dornhecken umgeben, und kein Fußweg führte darüber hin. Nichts in der Welt wäre den Jungfrauen entsetzlicher gewesen, als wenn sie von den Bewohnern des Dorfes bei ihrer Geburtstagsfeier belauscht worden wären. Die Leute hätten sie ja für reiche Damen halten müssen, wenn sie solchen Aufwand erblickten!

Schnell wurde nun der Festraum in Ordnung gebracht. Salome bedeckte einen halbzerbrochenen Futterkasten mit einer alten blauen Küchenschürze – das war die Festserviette! Kordula holte aus der Kammer die Sitze: einen Küchenschemel, einen Lichtkasten und einen uralten mächtigen Lehnstuhl herbei. Letzterer hatte aber nur drei ganze Beine, von diesen pflegte das eine beim Tragen jedesmal samt seiner Querleiste aus den Fugen zu gehen; die gute Kordula mußte dann gewöhnlich erst die schadhaften Stellen mit Steinen zurecht klopfen und das fehlende Bein durch untergelegte Klötze künstlich ersetzen.

Nachdem so alles geordnet, ward das Mahl aufgetragen. Nun begann die eigentliche Geburtstagsfeier. Diese bestand aus nichts anderm, als daß die ausgehungerten Schwestern nach Herzenslust aßen, tranken und schwatzten, wobei sie keinen Augenblick Zeit behielten, sich in der grünen Frühlingslandschaft umzusehen, die vor ihren Blicken dalag. Sie bemerkten es nicht, wie luftig die leichten, hellen Wolken, gleich weißen Schäfchen am Himmel, in der warmen Sonne spielten, wie einige Apfelbäume nah' bei ihrem Schuppen in voller roter Blüte prangten, wie die Wiese voll bunter Blumen leuchtete, wie die Füllen auf der Weide sprangen und die Vögel in den Lüften sangen, wie die Bienen sogen und von Blume zu Blume die Käfer flogen. Sie schwatzten immer zu. Plötzlich ertönte in einiger Entfernung von ihnen, hinter einer hohen Dornhecke, ein starkes Husten.

Die Schwestern wandten die Köpfe nach der Richtung, wo sich das Geräusch hören ließ. Da sahen sie aus dem Dorngebüsch einen alten Bettler hervortreten. Nie, so lange sie hier wohnten, war durch jene Hecke ein Mensch jemals durchgedrungen. Langsam setzte der Mann seine Krücken nach dem Strohschuppen, in dem die Jungfrauen saßen, in Bewegung.

Überrascht von einem so unerwarteten Besuche, fuhren die Jungfrauen empört von ihren Sitzen auf. »Zugedeckt, ehe er unser Mittagsbrot sieht!« rief Salome der Schwester Kordula zu. Sogleich faßte diese die Zipfel der Schürze und schlug sie über Teller, Kannen und Tassen zusammen. Ursula sprang vor den Tisch hin und breitete ihr enges Kleid möglichst nach beiden Seiten aus, um den Tisch zu verdecken, damit der Mann auch nicht die geringste Ahnung davon haben sollte, welchen unerhörten Aufwand sie hier trieben. Indes war der Bettler herangekommen. Demütig zog er die Pelzkappe von seinem ehrwürdigen schneeweißen Haupte und murmelte einige bittende Worte.

»Was hast du hier zu tun?« schrien die Jungfrauen ihm entgegen.

»Nur einen Pfennig oder ein paar Brosamen von eurem Tische da!« sprach der Alte mit sanfter Stimme.

»Was Tisch!« eiferte Salome. »Unverschämter Herumtreiber! Auf dem Tisch ist nichts, gar nichts für dich!«

»Wir haben selbst nichts zu essen,« schrie Kordula. »Auf der Stelle pack' dich fort!« –

So fuhren sie von allen Seiten den armen Greis an, als sich plötzlich ein leichter Windstoß erhob und die blaue Schürze auseinanderwehte, so daß das Mahl in seiner vollen Lockung aufgedeckt ward.

Wie das der Bettler sah, schlug er die Hände vor Erstaunen zusammen. »Ach, du lieber Himmel!« rief er, »so kostbare Gottesgaben! Und das nennt ihr nichts? Hätt' ich armer, hungriger Mann nur den Abfall davon, wie sollte mir das schmecken!«

Unterdes hatten die Schwestern heimlich die Köpfe zusammengesteckt. Sie besprachen sich leise, was wohl zu tun wäre, um den Mann los zu werden, stießen oder dabei immer von Zeit zu Zeit harte Worte gegen ihn aus, da er nicht von der Stelle gehen wollte.

»Bedenkt doch, liebe grauen,« rief der Greis, »bedenkt doch, daß heut' ein Sonntag ist! Schauet hin, wie der liebe Gott ringsumher die hungrigen Tierlein ernährt, wie er die Vögel mit Blättern speist, die Bienen mit frischem Blütenstaub erquickt und die Herden mit jungem Grase füttert. Bedenkt doch, liebe Damen: ein Almosen, das ihr einem armen, schwachen Manne gebt, ist auch ein Gottesdienst! Steht ja doch in der Bibel geschrieben: Wohlzutun und mitzuteilen vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl!«

Die Schwestern flüsterten noch eine Zeitlang fort. Endlich sprach Salome zu dem Mann: »Alter, du batst uns erst um den Abfall von unserm Mahle. Den wollen wir dir geben. Dann aber mach', daß du fortkommst. – Ursula!« rief sie hierauf der Schwester zu, »geh' doch hinein in die Küche und hole dem Mann das, was in dem grauen Topf auf dem Fensterbrett steht!«

Ursula ging ins Haus und kam bald wieder zurück. Sie trug unter ihrer Schürze etwas verdeckt und rief dem Bettler entgegen: »Komm, Alter, halt' deine Mütze auf!«

»Gott vergelt's euch nach eurem Willen und geb' euch das hundertfach wieder, was ihr mir heute gebt!« sprach der Bettler. Mit zitternder Hand hielt er seine Pelzkappe hin, und Kordula schüttete aus dem Topf, den sie verdeckt gehalten hatte, etwas in seine Mütze hinein.

Der Alte sah eilig nach, was er da wohl bekommen habe. Er stutzte. Er mochte seinen Augen nicht trauen. Aber soviel er auch darin herumfühlte und wühlte, es war und blieb nichts anderes als – – – leere Eierschalen.

»Das für mich?« rief er, uns sein mildes blasses Gesicht war plötzlich von Zorn durchglüht.

»Für wen denn sonst, du Schwachkopf!« fuhr Ursula, ihn an.

»Das für mich?« rief der Alte mit noch stärkerer Stimme. Dabei warfen seine dunkeln Augen einen stechenden Blick auf die Weiber.

»Unverschämter Herumtreiber!« schrien diese ihn an. »Wärst du wirklich so hungrig, wie du sagst, so würdest du uns danken und die Schalen dir zu Mehl zerreiben und dir damit den Hunger stillen. Du verdienst keine Wohltaten, du Taugenichts!«

»Das für mich?« rief der Alte zum drittenmal, aber jetzt mit einem so durchdringenden, schneidenden Ton und von einem so stechenden Blick seiner Augen begleitet, daß die drei Schwestern vor Schrecken erbleichten. Doch bald faßten sie sich wieder und riefen ihm zu, wenn er sich nicht auf der Stelle fortpacke, so würden sie den Kettenhund holen und ihn weghetzen.

Da reckte sich der Alte hoch auf, seine Gestalt wurde die eines Riesen, seine Augen rollten wie glühende Kohlen, sein weißes Haar sträubte sich wie die Mähne eines zornigen Löwen. Mit zuckender Hand ergriff er die Eierschalen in seiner Mütze und rief mit furchtbar donnernder Stimme: »Nein! Nicht für mich! Für dich, und für dich und für dich sind diese Gaben!« Dabei warf er die Eierschalen den drei Schwestern der Reihe nach ins Gesicht. Alsdann faßte er die Krücken mit starken Händen, schwang sie hoch in der Luft über den Köpfen der Jungfrauen und sprach: »Ihr Hartherzigen, die ihr so eure armen Mitmenschen behandelt, ihr seid nicht wert, noch länger als Menschen zu leben auf dieser schönen Erde. Lebt! Aber werdet das, wozu ihr euch selber gemacht habt durch eure Habgier, eure Hartherzigkeit und euren Neid. Hört auf, Menschen zu sein!«

Die Schwestern hatten bei diesen Worten vor Angst und Scham die Blicke zur Erde gesenkt. Als sie die Augen wieder aufschlugen, war der Bettler verschwunden, keine Spur war mehr von ihm zu sehen. Sie glaubten, sie hätten das, was sie eben erlebt, nur geträumt. Aber ein heftiges Jucken und Brennen an der Stirn machte, daß sie bald mit der Hand nach den brennenden Stellen hinfaßten. Da fühlten sie, wie die ihnen an den Kopf geworfenen Eierschalen noch immer festklebten. Sie versuchten es, sie von der Stirn abzulösen. Vergebens' Die Schalen saßen fest, als wären sie mit der Stirnhaut verwachsen.

Schreck, Angst und Gewissensbisse bewirkten, daß die Jungfrauen von ihrem Festmahle nicht das geringste mehr anrühren konnten. Sie fühlten sich krank an allen Gliedern Zitternd und schweigend deckten sie den Tisch ab und begaben sich in ihre Kammer. Ohne ein Wort miteinander über das Erlebte zu sprechen, legte sich jede von ihnen in ihr Bett, und bald waren alle drei in tiefen Schlaf versunken. – –

Mehrere Tage waren seit dieser Begebenheit verflossen. Die Bewohner des Dorfes hatten in dieser Zeit von den drei Schwestern nichts gehört noch gesehen. Die Tür des Hauses war verschlossen geblieben. Nur der arme Kettenhund auf dem Hofe hatte den letzten Tag so jämmerlich geheult und gewinselt, daß die Leute, die dem Hause zunächst auf dem Felde beschäftigt waren, es nicht länger anhören konnten. Sie entschlossen sich, hinzugehen und nachzusehen, was es da gäbe.

Wie sie auf den Hof kamen, fanden sie das arme Tier fast verhungert daliegen; man sah es ihm an, daß es mehrere Tage nichts gefressen hatte. Die Leute pochten an die Haustür, niemand öffnete. Sie klopften an die Fenster, im Hause blieb alles still. Sie schauten durch die Fenster in die Stube hinein, kein Mensch war drinnen zu sehen.

Nachdem die Leute das Pochen und Rufen immer und immer wiederholt hatten, ohne Antwort zu bekommen, zeigten sie die Sache beim Amtmann an. Der begab sich auch sogleich mit einem Schlosser zu dem Hause hin und ließ die Türen mit Gewalt öffnen. Man ging durch Stube, Kammer und Küche, aber keine menschliche Seele war zu finden. Zuletzt hob man die Bettdecken auf, in der Meinung, die Schwestern könnten vielleicht darunter liegen; auch da war keine Jungfrau zu sehen, aber statt ihrer lag in jedem Bette ein großes Vogelei. Man deckte ruhig die Decken wieder darüber, der Amtmann versiegelte von Gerichts wegen das Haus und ließ in dem Amtsblatte bekannt machen, daß jeder, der über die vermißten drei Schwestern etwas erfahren würde, es in der Amtsstube anzeigen sollte.

So vergingen mehrere Monate, und kein Mensch wußte über die Vermißten Nachricht zu geben. Nun kam die Heuernte heran, und die Bauern schnitten in der Nähe des verlassenen Hauses ihr Gras. Da sahen sie eines Tages zu ihrem großen Erstaunen, wie durch eine zerbrochene Fensterscheibe jenes Hauses ein Rabe, eine Krähe und eine Elster herausgeflogen kamen. Die drei Vögel hatten silberne Ketten um den Hals und im Schnabel blanke Löffel und Geldstücke, damit flogen sie in den nächsten Wald. Nach einer Stunde kamen sie dann wieder zurückgeflogen, schlüpften durch die zerbrochene Scheibe in die Kammer zurück, und bald flogen sie wieder, gerade wie vorhin, mit Silber und Gold im Schnabel, heraus und geradeswegs dem Walde zu. So ging das von Stunde zu Stunde, bis es Abend wurde.

Auch dieses zeigten die Bauern auf der Amtsstube an. Der Amtmann, wie er ihren Bericht anhörte, schüttelte nachdenklich den Kopf und sprach: »Den Tieren muß ihr Handwerk gelegt werden!« Sogleich begab er sich mit Gerichtsdienern zu dem verlassenen Hause.

»Die Vögel sind drinnen!« riefen die Mäher dem Amtmann entgegen, als er auf das Haus zuschritt, »wir haben die Laden des Fensters zugemacht, durch das sie hineinflogen, da sind sie drinnen gefangen.« Behutsam öffnete man nun die Tür, als aber der Amtmann mit seinen Begleitern in die Stube trat, brausten der Rabe, die Krähe und die Elster an den Köpfen der Gerichtspersonen vorbei, daß dem einen die Perücke, dem andern der Hut vom Kopfe fiel, und fort waren sie!

Die Stube ward nun durchsucht; da fand man auf dem Tisch ein offenes Kästchen, worin sich noch einige Taufmünzen und silberne Löffel befanden. Offenbar hatten die Vögel die übrigen Gegenstände daraus schon fortgeschleppt. Bei näherer Besichtigung entdeckte man aber in dem Kästchen noch einen verborgenen Raum, in dem sich ein versiegeltes Papier vorfand. Die Schrift enthielt den letzten Willen, den der Vater der drei Schwestern mit eigener Hand niedergeschrieben und worin er sein halbes Vermögen den Armen im Dorfe geschenkt hatte. Und all das Geld hatten die bösen Schwestern für sich behalten.

»Wo aber mögen die Weiber das Geld alles hingetan haben?« fragte nachdenklich der Amtmann. Indem rief der Gerichtsdiener: »Sehen Sie doch schnell, Herr Amtmann, durch jenes Fenster; da sitzen die drei Vögel auf dem Stein unter dem Nußbaum und scharren und picken in die Erde, als wollten sie in aller Eile noch etwas herausholen!«

Rasch wurden nun Spaten und Brecheisen herbeigeholt, und die Männer begaben sich zu dem Stein, wo die Vögel saßen. Diese flogen scheu von ihrem Platze auf, als sie die Leute kommen sahen, und unter lautem Krächzen und Schreien setzten sie sich auf einen dürren Zweig des Nußbaums, von wo sie alles sehen konnten, was unten vorging.

Man grub an der bezeichneten Stelle nach, und richtig fand man bald in der Erde einen großen eisernen Topf mit lauter blanken Talerstücken. Das war offenbar das Geld des reichen Bauern, das seine drei geizigen Töchter hier vergraben hatten.

Schon bückten sich die Leute, um den Topf aus der Erde zu heben, da flogen plötzlich die drei Vögel mit wütendem Geschrei von ihrem Ast herunter und sausten den Männern mit solcher Wut um die Köpfe, als wollten sie ihnen die Augen aushacken. Zufällig war aber mit den andern Leuten auch der Jäger des Ortes auf den Hof gekommen, um zu sehen, was es da gäbe, wie der die Bosheit der drei Tiere erblickte, machte er kurzen Prozeß, nahm seine Jagdflinte von der Schulter und schoß sie gegen die wütenden Tiere ab. Da er aber mit Fleiß die Flinte hoch hielt, damit er nicht auch die Männer treffen möchte, die den Schatz ausgruben, ging die Kugel in die Luft, ohne die Vögel zu treffen. Und dennoch hatte sein Schuß den besten Erfolg, die Vögel kamen dadurch in solche Angst, daß sie auf und davon flogen. Man sah sie weit hinten im Walde verschwinden.

So ward nun der Schatz ruhig aus der Erde geholt, und weil von den drei Schwestern nichts weiter zu hören und zu sehen war, wurden nach einem Jahre alle die blanken Taler, die sich in dem eisernen Topf befanden, und alles übrige Hab und Gut der bösen drei Weiber an die Armen im Dorfe verteilt. – –

Wo aber sind denn die drei Schwestern geblieben? – Das will ich euch sagen:

Der alte Bettler, der den drei Jungfrauen die Eierschalen an die Stirne geworfen hatte, war niemand anders gewesen als ein mächtiger Erdgeist, der die Macht hatte, böse Menschen in Tiere zu verwandeln. Nachdem er seine Zauberworte über die Schwestern ausgesprochen, hatten diese mit den Eierschalen an der Stirne sich in ihre Betten gelegt, da waren sie zu Eiern verwandelt worden, und aus den Eiern waren nach wenigen Tagen die drei Vögel herausgekommen, die nun ihre Schätze soviel wie möglich in den Wald zu retten suchten. So war die schwarze Salome in einen Raben, die grauschwarze Kordula in eine Krähe und die schwarzweiße Ursula in eine Elster verwandelt worden.

Noch immer haben diese drei Vögel eine besondere Gier nach goldenen und silbernen Dingen, nach Geld und Schmuck, wo sie irgend dergleichen sehen, denken sie, es wäre von dem ihrigen und schleppen es in ihr Nest. Noch immer scharren sie in der Erde und meinen, es könnte vielleicht an der Stelle jemand ein Geldstück verloren haben, das sie gern finden möchten. Und weil sie als Menschen immer so widerwärtig über ihre Mitmenschen gesprochen haben, so krächzen sie noch als Vögel fortwährend mit heiserer Stimme, und die schwatzhafte Elster am allermeisten.


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