Paul Rebhun
Ein Geistlich spiel von der Gotfurchtigen vn keuschen Frawen Susannen
Paul Rebhun

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Actus secundi     scena prima

Haec scaena cum sequenti extra argumentum admixta est, ad depingendam iudicum iniquitatem.Diese und die folgende Szene, die etwas außerhalb der Erzählung stehen, sind hinzugefügt, um die Ungerechtigkeit der Richter vor Augen zu führen.

Baldam:
        Hab itz abermal besehen,
Wie mein korn im feld thut stehen;
Wil mir noch nicht wol behagen:
380   Dann die andern ackher tragen
Neben meim vil schoener treide,     5
Welchs mir ist ein grosses leide; 120
Sonderlich so hat mein nackber
Nechst bey mir den besten ackher,
385   Das ich zwar im gantzen felde
Keinen lieber haben woelde; 10
Drumb ichs auch offt furgenuhmen,
Wie ich moecht darhinder kumen,
Mannich practick auch ertichtet,
390   Aber noch nichts aussgerichtet,
Noch den acker kund erheben, 15
Weil mein nackber war im leben;
Nu er aber ist verschiden,
Wil ich noch nicht sein zufriden,
395   Biß ich yhn zu mir mueg bringen
Und darab die widwe dringen; 20
Das ichs aber enden muege,
Wil ich brauchen dise luege,
Wie ich hab zur zeit meim nackber
400   Geld gelihen auff den acker,
Weiland er noch war im leben, 25
Welchs er mir nicht widergeben.
Drumb ich sie wil ytz verklagen,
Das sie muss die schuld abtragen:
405   Wenn sies dann nu nicht am gelde
Haben wirt, so wirts yhr felde 30
Mussen an der schuld mir geben;
So hoff ich, woell ichs erheben.
Wann sie schon wirt vil wolln klagen
410   Und zu diser schuld nein sagen,
Wil ich wol so vil verschaffen 35
Bey den richtern, das yhr klaffen
Nicht soll werden angenumen;
Dann ich ytz zuvor wil kumen
415   Und mit einem gschenckh sie schmieren,
Das sie mir mein sach aussfueren, 40
Dann sie mir auch sonst gewegen;
Drumb ichs leichtlich wil erregen, 121
Das sie es nicht lassen feilen
420   Und mir zu den ackher teylen.
Zwar, wenn ich nur ytzund wuste, 45
Wo ichs ettwo suchen muste,
Wolt ich bald zu yhn mich machen
Und verkleren yhn mein sachen.
425   Sonst ich zwar hab offt vernuhmen,
Das in Jochems haus sie kumen 50
Und gericht zu halten pflegen,
Weils yhn ist daselbs gelegen:
Drumb ich ytzt auch hin wil gehen
430   Und mich bald nach yhn umbsehen,
Ob ichs da antreffen kunde 55
Und sie beyd beynander funde.
Zwar, ßo ich ytz recht thue sehen,
Dunckht mich, wie die stadtknecht stehen
435   Beid beysamen vor der thure:
Dran ich nu wol hab zu spuren, 60
Das die richter nicht seind weyte.
Harr, ich kum zu rechter zeite;
Dann ich siechs beym tische stehen,
440   Hoff, mein sach soll ytzt fortgehen!

 

Actus secundi     scena secunda.

Ichaboth,   Baldam,   Resatha,   Abed,   Olympa.

Ichaboth:
            Ich wil ytzt ein wenig sehen,     65
Wies daheim im haus thut stehen:
Dann ich halt nicht, das vil sachen
Heut uns werdn zu schickhen machen.
445   Aber secht, ich bin betrogen,
Dann her Baldam kumt gezogen! 70
Acht, er werd uns ettwas klagen:
Muß vor hoern, was er wirt sagen. 122
 
Baldam:
Geb euch got ein guten tage!
 
Resatha:
450   Herr, habt danckh! was ist eur klage,
Oder was thut yhr begehren? 75
Sitzt herzu und lasts uns hoeren!
 
Baldam:
Weisen hern, das ist die sache,
Das ich nicht vil umbschweif mache:
455   Eine widwe in der gassen,
Welche nechst yhr man verlassen, 80
Soll mir von yhrs mannes wegen
Zehen Gulden schuld ablegen,
Welch ich ihm an barem gelde
460   Auff ein ackher daust im felde
Glihen hab bey seinem leben, 85
Die mir noch nicht widergeben,
Und so vil ich dran kan spuren,
Wirt auch sie mich wolln umbfuren
465   Und sehr klagn yhr unvermugen.
Aber mir gschicht nicht genugen, 90
Wenn ich drumb meins glihen gelde
Yhrenthalbn entberen soelde;
Drumb die weils ia nicht vermage,
470   Das sie mir mit geld abtrage
Solche schuld, ßo bitt ich sehre 95
Euch, wolt mich des ytzt geweren
Und durch eure Richters gwalten
Dise widwen darzu halten,
475   Das sie mir fur soelches gelde
Volgen laß yhrn ackhr im felde; 100
Drauff ich yhr hinaus wil geben,
Was da billich ist und eben.
Wil von euch auch, lieben herren,
480   Soelches nicht umbsonst begehren, 123
Sonder mich erzeign der massen 105
Mit eim gschenckh, welchs ich wil lassen
Bringen euch! soll euch nicht rewen:
Steht mir ytzt nur bey mit trewen!
 
Resatha:
485   Weil yhr soelchs von uns begehret,
Solt yhr des wol sein gewehret: 110
Dann zu thun nach eurm begehren,
Soll uns keine sach nicht bschweren!
Bald wir sie wolln heischen lassen,
490   Weil sie wohnt in diser gassen.
    Abed, heyß Olympa kumen: 115
Dann wir habn ein sach vernuhmen,
Drauff sie soll yhr antwort geben!
 
Abed:
Herr, ich wils aussrichten eben!
495       Fraw Olymp, zu euch mich senden
Meine herrn, yhr solt behende 120
Ytzt bey yhn vor grichte stehen:
Was yhr soelt, werdt yhr wol sehen!
 
Olympa:
Ja, ich wil von stund an kumen,
500   Ob ich wol nicht hab vernuhmen,
Das mich yemands hab verklaget. 125
 
Abed:
So veil habn sie mir gesaget.
 
Olympa:
Gruß euch got, yhr weysen herren!
Warzu thut yhr mein begehren?
 
Resatha:
505   Fraw Olymp, fur uns ist kumen
Baldam, den wir habn vernuhmen, 130
Wie eur man an barem gelde
Auff einn ackher daust im felde 124
Hab von yhm auff borg genuhmen
510   Zehen guelden zu seim frumen,
Dran er noch nichts hab endpfangen: 135
Welchs yhn ettwas thut verlangen,
Und darumb sich her gefunden,
Daß yhr yhm zu diser stunden
515   Soelche schuld bezalen wollet,
Wie yhr dann von recht thun sollet. 140
 
Olympa:
Das wer mir, liebn herrn, zu schwere,
Das ich so viel schuldig were!
Hoff, yhr werds auch nicht begehren,
520   Das man mich on not soll bschweren:
Dann ich weys von keinen schulden, 145
Noch von acht, noch zehen gulden,
Noch von sechsen, noch von syben,
Die mein man wer schuldig bliben,
525   Noch das auff den ackhr im felde
Yhm wer glihen wordn ein gelde! 150
Drumb ich euch wil habn gepeten,
Wolt mein unschuld treuelich retten!
 
Ichabot:
Als ich hoer, wolt yhr nichts gstehen!
530   Nein, es muß nicht so zugehen:
Dann her Baldam ist der ehren, 155
Das er solchs nicht wuerd begehren,
Wo ers nicht hett recht und fuge!
Dises hab wir kundtschafft gnuge:
535   Drumb last ab von eurem klagen
Und thut schnell, was wir euch sagen. 160
Habt yhrs aber nicht an gelde,
So verlast yhm dran eur felde!
Was es theuerer ist am kauffe,
540   Soll er euch bezaln mit hauffe. 125
 
Olympia:
Herr got, sol ich dann endrichten, 165
Des ich gnossen hab mit nichte?
Muß es got im himl erbarmen,
Das yhr so bezwingt mich armen!
545   All mein nahrung ist gestanden
Auf dem kleinen ackherlande: 170
So yhr mirs nu thut endwenden,
Weys ich mich mit meinen henden
Und mein kinder nicht zu nehren,
550   Noch des hungers uns erweren!
 
Resatha:
Da huelfft fur kein weynn, noch klagen: 175
Baldam wil sein geld auch haben!
Drumb, her Baldam, thut der massen:
Yhren ackher ßols euch lassen,
555   Drauff so wollt yhr geld aufgeben,
Was da billich ist und eben. 180
 
Baldam:
Weyse, guenstig liebe herren!
Eurem urtheil volg ich geren,
Wil mich auch so lassen schlichten
560   Und das ubrig geld endrichten.
 
Olympia:
Aber mir geschicht gewalde. 185
Sag ich frey fur iung und alde!
Drumb, o herr, der du verheyssen,
Das der widwen und der weysen
565   Du wilt vater sein und nehren,
Wollest dich zu mir her keren 190
Und das urtheyl selber rechen,
Das man uber mir thut sprechen!
 
Ichabot:
Haltt eur maul, und laßt soelch klagen,
570   Sonst man euch wuerd anders sagen! 126

 

Actus secundi     scena tertia.

Beniamin. Susanna. Jahel. Dabira. Sara.

Hic discedit etiam Ichaboth, Resatha vero interim a longe colloquium Susannae cum ancillis de ingressu in hortum auscultat.Hier tritt auch Ichaboth ab, Resatha aber belauscht inzwischen aus der Ferne, vom Eingang zum Garten hin, das Gespräch Susannas mit den Mägden.

Beniamin:
        O liebe muter, was hab ich vernuhmen?     195
Ich war on gfer ytzt in die kuechen kumen,
Nicht weis ich, was ich drinnen hatt zu suchen,
Da hort ich unser meid, o, greulich fluchen!
575   Sie wird nicht Got den herrn vor augen haben,
Wie ihr uns nechten thett ym bette sagen, 200
Das wir Got fuerchten solln und allzeit ehren
Und huetten uns vor fluchen und vor schweren.
Ey, wirt ihr dann auch Got die suende schencken?
 
Susanna:
580   Neyn, liebes kind, er wirds ihr wol gedenken!
Secht nur, das ihr nicht auch der massen handelt, 205
Noch in des teuffels weg und suenden wandelt,
Dann Got gedrohet hat alln boesen kinden,
Das er sie straffen woell, als offt sie suenden:
585   So aber sie nach seinem willen leben,
So wil er endlich ihn den hymel geben. 210
 
Jahel:
Lieb mute, wed ich auch jnn hymel thumen?
 
Susanna:
Ja, liebes kind, sey frum, so wirst drein kumen!
Yhr meyde, secht und raumt fein auff im hause
590   Und kert den unflat allen fein hinause,
Das, wenn der herre kuemt, ers sauber finde 215
Und sech, das er nicht hab ein faul gesinde!
 
Dabira:
Ja liebe fraw, wir wollens nicht vergessen
Und reumen auff, als bald wir haben gessen! 127
 
SusannaSara:
595   Wann meint ir, das der herr werd wieder kumen?
 
Susanna:
Ich habs nicht eygentlich von yhm vernuhmen. 220
Raumt ymmer auff und lasts an euch nicht feilen:
Er wird wol kumen, wenns an seiner weylen!
Nach essen dann, so anders scheint die sunne,
600   So wil ich jn den garten gehn zum brunne
Und mich jm kalten badt ein weil erquicken; 225
Da werd ihr dann mit mir auch habn zu schicken.
Ich wil abr vor zu meiner muter sehen:
Drumb sol eur eine auch mit mir hingehen!

His auditis Resatha currit obviam collegae suo illique haec repente communicat.Als er das hört, läuft Resatha zu seinem Kollegen und erzählt ihm die Neuigkeit.

 

Actus secundi     scena quarta.

Resatha. Ichaboth. Ruth.

Resatha:
        605   Wolt yhr nicht gern hoeren gute mehre?
 
Ichabot:
Jo, wenn nur was guts verhanden were!     230
Ists nicht etwas von der fraw Susannen?
 
Resatha:
Jo, itzund, vor kleiner weil vergangen,
Hoert ich sie zu yhren meiden sagen,
610   Wie sie ytzund bald nach mittem tage
Sich wolt baden unden in dem garten; 235
Drumb so muß wir vleissig nu drauff warten,
Soelch gelegenheit mit nicht versehen;
Dann wer weis? wens mer also moecht gschehen,
615   Weil gleich ytzt yhr herr auch nicht verhanden,
Sonder, wie yhr wist, ist uberlande, 240
Drumb so kuenn wir auch so vil dest feiner
Warten yhr, und ist die gfar auch kleiner! 128
 
Ichabot:
Yhr sagt recht! drumb wolln wirs gluck versuchen
620   Und im garten heymlich uns verkriechen,
Ob uns unser sache moecht gelingen, 245
Und das glueck uns lust und freud moecht bringen.
 
Ruth
(Vidua haec in itinere illis occurrit.Diese Witwe begegnet ihnen auf dem Wege):
Lieben herrn, hoert an mein noetig klage!
 
Ichabot:
Ytzund nicht, sparts auff einn andern tage,
625   Dann wir habn auff dißmal nicht der weilen!
 
Ruth:
Ja, mein sach wil aber haben eilen, 250
Sonst man mich bringt ytzund umb das meine!
 
Resatha:
Immer fort und last sie stehn aleine!
 
Ruth:
Soll ich dan also das mein verlieren?
630   Herr mein got, laß dirs dein aug anrhuren!
Siech, wie ich ytzunder werd verkurtzet! 255
Mein gerechte sach wird mir umbgsturtzet,
Weil ich keinen schutz von den kan haben,
Die mich sollen ytzt vor gwaldt handhaben!
 
Chorus secundus:
635   ¶    Diß ist der werlet lauff:
Wer vleissig siecht darauff, 260
Der findet, wie gewalt
Allzeit das recht behalt!
 
¶    Reichtumb wird fur gezueckt,
640   Armut gar unterdrueckt;
Wer nicht hat gut und hab, 265
Muß allzeit sein schabab. 129
 
¶    Gunst gilt bey yederman;
Wer diser viel kan han,
645   Der hat ein gwnnnen spiel,
Unrecht schadt yhm nicht viel. 270
 
¶    Freundschafft und groß geschlecht
Macht vieln yhr sach gerecht;
Ist einr ein schlechter man,
650   Offt muß er unrecht han.
 
¶    Widwen und arme kindt 275
Allnthalbn verlassen sindt,
Fur suendt man das nicht richt,
Wenn yhn gleich unrecht gschicht.
 
Proportio:
655   ¶ Wie wol nu aber ist das glueck
    Der armen hie auff erden, 280
Das man sie bschwer und underdrueck,
    So wirdts doch anders werden:
Denn got sich yhrer not nimt an,
660   So sie zu yhm vertrawen han,
    Er hats yhn gwiß versprochen; 285
So yemands yhn ein leyd zufuert,
Sein aug yhm wirdt damit beruert,
    Es bleibt nicht ungerochen.
 
665   ¶ Darumb getrost und wacker seit,
    Die yhr hie werd geplaget! 290
Eur leid sol kuertzlich werdn zur freud,
    Wenn yhr das creutz nur traget
Gedueltig und mit sanfftem mut,
670   Nur got eur sach bevelen thut,
    Der wils zum besten wenden, 295
Wenn er ersiecht die rechte zeit.
Verzagt nur nicht, es ist nicht weit,
    Er wirdt sein hülff euch senden! 130

 


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