Ernst Rauscher
Die Erzählung des Werksherrn
Ernst Rauscher

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8.

Aber ich eile zum Schluß. Abschweifend vom Pfade zu weit schon
Hat mich Erinn'rung verlockt, die geschwätzige Freundin, und wenig
Bleibt mir nur mehr zu erzählen. – Der Anbruch des folgenden Morgens
Sah uns bereits auf dem Wege nach Norden. Ohn' Aufenthalt, rastlos
Tage und Nächte hindurch fortreisten wir. So wie dem Feldherrn,
Der nach verlorener Schlacht tiefsinnig die Gegend zurückmißt,
Die er, berauschet von Träumen des künftigen Sieges, von treuen
Waffengefährten umjubelt, mit klingendem Spiele durchzog einst –:
Jämmerlich war mir zu Muthe; doch quälender war noch die Bängniß,
Die, je näher wir kamen den heimischen Bergen, mir angstvoll
Eng und enger das Herz zuschnürte mit düsterer Ahnung –

Schleichende Nebel umspannen die wälderbekleideten Anhöh'n,
Als mir im Abendgedämmer, die felsige Klamm und den Grenzmarkt
Hinter uns lassend, befuhren die Straße, auf der ich als Flüchtling –
Jahre mich dünkten verflossen seitdem – hinstürmt' in der Lenznacht.
Herbst nun war es geworden; schon hatten die Lärchen die grüne
Tracht mit der gelben vertauscht, und vom häufigen Regen geschwollen
Wälzte durch Tiümmergesteine das trübe Gewässer der Gießbach
Schaurig erklang mir sein wüthendes Brausen, dem bald sich des Hammers
Wuchtiges Stampfen vermischte, als pochte ein eisern Verhängnis
Einlaßheischend an's Thor. Und näher dem Schlosse – in's Dunkel
Brach mattschimmernd ein Licht aus den Fenstern des oberen Stockwerks –
Rollte der Wagen nun zu. Abspring' ich behend', wo der Gehweg
Führt in den vorderen Park, durch die finstere Kastanienallee hin –
Raschelnder Blätter Gemeng' aufwühlend im Lauf mit den Füßen –
Stockenden Athems enteil' ich; – noch eine Minute, und Bertha
Kommt mir im Vorhaus entgegen – wir halten uns schluchzend umfangen. –
Wie wir, uns fassend, sodann aufstiegen die Treppe, und leise
Traten in's Zimmer des Kranken, der weich in die Kissen des Lehnstuhls
Ruhte geschmiegt, wie ich ihm stürzte zu Füßen, und segnend
Ueber mich Knieenden er ausstreckte die Hände – die Sprache
War schon gewichen von ihm; doch über sein strenges Gesicht flog
Glücklichen Lächelns ein Strahl – nicht will ich's des Weiter'n beschreiben.

Wenige Tage darauf war der Vater verschieden. Nach Ablauf
Eines Jahres der Trauer und Sorgen betreffs der Gewerkschaft,
Der ich mich ganz nun zu widmen gelobt', nachholend Versäumtes
Wurde mir Bertha vermählt in der nahen Capelle. – Von Heinrich
Lang nichts konnt' ich erfahren, so sehr ich bemüht war, verschollen
Schien er durchaus; – da las ich einstmals die Notiz in der Zeitung:
Daß er in einem Duell mit dem Fürsten Brandini gefallen. –
Also ward er entrissen der Kunst in der Blüthe des Lebens! –
Aber ich selbst: nie wieder Palette und Pinsel berührt' ich,
Seit ich das Tivoli-Bildchen gemalt und mir ewig zur Warnung
Aufhing dort an der Wand.« –

            – So schloß die Geschichte der Werksherr.
Schnell anknüpfend an's Letzte versetzte der Maler: »Und gleichwohl!
Unrecht thaten Sie d'ran, denn ohne zu schmeicheln, noch einmal
Sei es gesagt – und ich scheute mich nimmer das Wort zu behaupten,
Wäre versammelt um uns der gewählteste krit'sche Gerichtshof: –
Brav ist das Bildchen gemalt, und ein rechtes Vermögen bezeugt es.«
D'rauf sich vom Sessel erhebend zum Gaste der freundliche Hauswirth :
»Was wir vermögen – wer sagt es uns an? Abhängig vom Zufall
Ist der Erfolg, und bestechlich Kritik und ein trüglicher Maßstab
Sei es im Guten, im Schlechten, der Freunde befangenes Urtheil.
Bleibt nur, die nimmer uns täuscht auf die Länge: des eig'nen Gewissens
Flüsternde Stimme, und die zuflüstert mir Folgendes: »»Möglich,
Daß Du so weit es gebracht wohl hättest, wie andere Viele,
Die da zufrieden sich geben mit etlichen Blättern des Kranzes;
Aber Du wolltest den vollen – aut Caesar aut nihil! – und diesen
Hättest Du niemals erreicht!«« – So spricht das Gewissen. Doch nunmehr
Lassen Sie uns getrost aufsuchen das Lager! – Die Thurmuhr,
Mitternacht schlug sie bereits – und wie lautet der irdische Spruch schon?
»Ruhen ist besser als Gehen, und Schlafen ist besser als Wachen,
Und der Tod ist das Beste von Allem!« – Den dritten der Sätze
Laß ich nicht gelten jedoch. Mag weltentfremdet und ruhmlos
Auch hinfließen das Leben: – So lange die Liebe es ausschmückt,
Werth ist's gelebt und geliebt noch zu werden. – Das Höchste ist Gutsein!«


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