Ernst Rauscher
Die Erzählung des Werksherrn
Ernst Rauscher

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2.

»Auf! Erheit're die Stirne! Dies Grübeln und Sinnen, begreiflich
War's und natürlich am Ende, solange Du noch nicht in's Reine
Warst mit Dir selber gekommen; doch kleidet's Dich nimmer, nachdem Du
Männlichen Sinnes gewagt, was schließlich, ob früher, ob später
Einmal doch wagen Du mußtest, und siehe! das Erste und Schwerste
Hast Du bereits überstanden, mein Lieber! Ich müßte mich wahrlich
Schlecht auf die Väter versteh'n, wofern ich's hielte für möglich,
Daß ihr Zürnen zuletzt nicht die Bitten der Kinder entwaffnen!
Deiner auch – sei überzeugt! – so hart er bisher sich geberdet,
Läßt mit der Zeit sich erweichen, und hast Du als Künstler Dich nur erst
Tüchtig bewährt und erhoben, und liest er Dein Lob in der Zeitung –
Alles vergißt er, und stolz erkennt er Dich wieder als Sohn an.
Lass' Dir darum den Genuß an der herrlichen Welt nicht vergällen
Durch unzeitige Skrupel, und denke nicht mehr des Vergang'nen!« –
Also war Heinrich beflissen, mich fröhlich zu stimmen, wie er war.
Als wir im leichten Gefährt in der thauigen Frische des Morgens
Rollten hinab in's italische Land durch die schattige Felsklamm.
Aber nur wenig verfingen die tröstlichen Worte, – zu lebhaft
Standen vor mir noch die Bilder des gestern Erlebten. Geschäftig
Malt' ich mir aus das Entsetzen der Meinen, die tiefe Betrübniß,
Wie sie vergebens mich suchten, der still, wie ein Dieb sich davonschlich,
Malte mir aus das Ergrimmen des Vaters – ich hatt' aus dem Grenzmarkt
Ihm durch den Boten ein Schreiben gesendet, darin ich noch einmal
Alles zusammengefaßt, was fort mich trieb aus der Heimat,
Nimmer das Ziel auch verschwiegen der künftigen Reise, und innig
Dringend erbeten ein Zeichen, ein baldiges, daß mir verzieh'n sei, –
Wird es mir werden, und wann? – Oder soll ich im Ernst ein Verstoß'ner
Bleiben von Herz und Haus, wie's angedrohet mir streng ward?
Solchergestalt abmarternd mich selber, die Flucht in die Ferne
Jetzo bereuend und jetzt gutheißend als einzige Rettung,
Saß ich umwölkten Gesichts an der Seite des Freundes, der Gegend
Niedergeschlagen nicht achtend; es wäre das blühendste Eden,
Ohne bewundert zu werden, dem Auge vorübergeflogen.

Aber die Tage vergingen, und leuchtender wurde die Sonne,
Blauer der Himmel, gelinder die Lüfte, je tiefer wir südwärts
Kamen von Stadt zu Stadt – hier kürzer, dort länger verweilend –
Durch die gesegneten Auen, die wunderverheißend im Vollschmuck
Prangten des Lenzes, und stündlich bezaubernder noch sich enthüllten.
Wie holdselig die Braut von der Stirn des verstimmten Geliebten
Finstere Wolken verscheucht, andringend mit freundlichem Scherzwort –
– Halb nur vernimmt er es erst, und er heftet zu Boden den Blick noch –
Aber sie läßt nicht nach, einschmeichelnde Reden zu führen
Und ihn süß zu umkosen, bis daß er bezwungen vom Liebreiz
Ihrer Geberde, dem Bann sich entwindet, und lächelnd sie anblickt:
So das verlockende Weib Italia: rosiger Zukunft
Hoffnung flößte sie neu in's Gemüth mir. O göttlicher Süden!
Größere Schmerzen schon hast Du geheilet, und hatt' ich vollauf auch
Gründe zur Selbstanklage – der glückliche Leichtsinn der Jugend
Ward er nicht mir auch zu theil? und der schäumende Becher der Schönheit,
Sollt' er mich minder berauschen, dieweil's ein verbotener Trank war? –
Einst, gegen Abend – wir hatten des Apenninengebirgszugs
Höhe gewonnen, das Tagesgestirn, gluthtrunken versank es
Eben im goldenen West, und die weite toskanische Landschaft
Lag uns zu Füßen verklärt, paradiesisch, in bläulicher Dämm'rung –
Völlig zu Nichts da verblaßten die traurigen Bilder des Nordens –
Vor der entzückenden Schau, und vom Wonnegefühl überwältigt
Rief ich, die Hand ausstreckend, begeistert: »O siehe! da liegt es,
Siehe! da liegt's leibhaftig, und herrlicher, als wir es jemals
Schauten im Traum, das gepriesene Land, wo wiedergeboren,
Sich der befreite Geist aufraffen zu höherem Flug soll!
Aber so werde mir nun mein bisheriges Ringen zum Traume,
D'raus ich erwachte, um frisch zu beginnen ein anderes Dasein,
Ledig der Bande, die einst mich gehemmt, los jeglicher Rücksicht!
Bist ja doch Du mir geblieben! Mag unversöhnlich die Heimat
Immerhin auch mißtrauen dem Stern, der mich führte –: solange
Du an mich glaubst, soll kein Gott, mich bewegen zu reuiger Umkehr!«
Beifall klatschte den Worten der Freund und versetzte befriedigt:
»Endlich ein tapferes Wort, und gesprochen mit vollem Bewußtsein!
Ha! beim Apoll! – Du verdientest auch nicht den balsamischen Lufthauch,
Der uns umfächelt, zu trinken, wofern Du länger verstockt bliebst!
Freilich, die Luft, hinreicht sie zum Leben nicht einzig, begnügsam
Wirst Du für's Erste gewöhnen Dich müssen, manch' Ding zu entbehren
Das dem Verzärtelten wohl mag unentbehrlich erscheinen;
Aber beharrst Du fest, ausdauernden Sinnes, und fehlst Du
Nimmer Dir selber, so kann's an Erfolg Dir nicht fehlen! – Bis dahin
Brüderlich theilen wir, was ich besitze; mit reichlichen Zinsen
Zahlst Du's dereinstens zurück, wann Dein eigenes Glück neu aufblüht!«
Also besiegelten wieder und wieder den traulichen Bund wir
Auf apenninischer Höhe allein. – Gleichwie sich die Wasser
Scheiden auf jenem Gebirge, so flossen entgegengesetzten
Richtungen folgend, die Ströme auch meiner Gedanken, der eine
Träge und bald eintrocknend nach Norden; hingegen der and're!
Sprudelnd und quellengenährt in die goldenen Fluren des Mittags
Eilt er hinab kraftschmellend, und lustig mit purpurnen Wimpeln
Schaukelte sich auf den tanzenden Wellen der Nachen der Hoffnung –.
Nie ach! so sehr ich mich selber betrog, und von Ander'n betrogen
Ward in der Folge –, so sehr mich das Leben enttäuscht und ernüchtert–
Nie der Stunde vergess ich, o nimmer der Tage und Nächte,
Die wir am Arno durchschwärmt, und solange ich athme, wird nichts je
Mir in der Seele verwischen die Größe und Weihe des Eindrucks,
Als wir der ewigen Stadt annahten, und über dem Lichtschein
Sahen am Himmel zuerst aufglimmen die ewigen Sterne –!


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