Ernst Rauscher
Die Erzählung des Werksherrn
Ernst Rauscher

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4.

Nimmer desselben gedenk, zwei Tage nach diesem Ereigniß
Früh an der Staffelei schon saß ich am glänzenden Morgen,
Fleißig bemüht, was klar vorschwebte dem inneren Sinn längst,
Aeußerlich nachzugestalten: ein freier idyllischer Thalgrund,
Weidende Rinder zerstreut, in der Mitte ein knorriger Eichbaum,
D'runter der Hirte gelehnt auf den Stab, und Gebirge zuhinterst
Purpurn umwoben vom Dufte der fernabsinkenden Sonne.
Neu nicht war das Motiv; doch ich dachte, es zeig' sich der Meister
Eben als Meister darin, daß er Zauber und spannenden Anreiz
Selbst dem gewöhnlichsten Stoffe verleihe – und möglichst naturwahr
– Lichter und Schatten vertheilend zu lieblich gefälliger Wirkung –
War ich's zu machen bestrebt. Bahn brechen – so wagt' ich zu hoffen –
Sollte dies Bild mir, und schleunig verkauft mir eröffnen die Aussicht,
Daß ich von meinem Erwerb, abhängig nicht länger vom Darleh'n
Lebe des Freundes fortan. So bereit, großmüthig er stets auch
Mir vorstreckte, so viel ich benöthigte, ohne doch selber
Mangel zu leiden, denn täglich verbreitete weiter der Ruf sich
Seines gediegenen Pinsels, und nie an Bestellungen fehlt's ihm –,
Mußt' ich doch wünschen, je eher je lieber die eigene Arbeit
Schicklich verwerthet zu seh'n, und mit ihr vollgiltiges Zeugniß
Meines Talentes zu geben. So legt' ich mit Liebe und Lust denn
Hand an den flücht'gen Entwurf, und auf Alles vergessend, so gänzlich
War ich in's Malen vertieft, vorneigend den Leib auf die Leinwand,
Daß ich das Oeffnen der Thür überhörte und wie ein Erschreckter
Fuhr in die Höhe, als Heinrich mir klopfte die Schulter und anhub:
»Hollah! geziemt es sich, wie? sich um Freunde so wenig zu kümmern?
Weißt wohl, daß wir einander uns gestern – wie lang! – nicht gesehen?
Nein! Du vertheid'ge Dich nicht! Ei! ich scherze ja nur, und an mir ist's
Mich zu entschuld'gen vielmehr, daß ich nicht einen Zettel zurückließ.
Als Du zu suchen mich kamst, wie gewöhnlich ge'n Abend, und fandest
Gestern das Zimmer verschlossen; doch nimmst Du's nicht übel, erfährst Du
Erst nur den Grund. Sag' selber: wird jede Minute Verzög'rung
Nicht zum Verbrechen, ergehet an uns vom zarten Geschlechte
Schmeichelnder Ruf? – So verschlang ich begierig das duftende Brieflein,
Das der betreßte Diener mir brachte, und folgend der Weisung
Eilt' ich die Treppe hinunter – da harrte der Wagen, o Himmel!
Wieder die Wappen erkannt' ich sogleich, aufriß der Lakai mir
Hurtig den Schlag, einsprang ich – und fort wie der Blitz ging's. –«

– »Du hast sie Wiedergeseh'n?« ausrief ich verwundert, und blickte den Freund an,
Senkend Palette und Pinsel, und Jener: »Natürlich! und was noch
Steigert das Glück und die Freude: dem Wunsche des göttlichen Weibes
Dank' ich des heißen Verlangens Gewährung; nicht launischem Zufall.
Aber Du laß' Dich nicht stören! Gestreckt allhier auf das Ruhbett
Will ich Dir Alles und Jedes getreulich berichten, und neidlos
– Wenn Du's vermagst – anhöre Du still, welch' köstliche Zukunft
Mir sich erschließt! Wohlan! – wie gesagt in den schwellenden Wagen
Warf ich mich schier wie betäubt, und zur porta del popolo blitzschnell
Rollten hinaus wir in's Freie, bis – wo sich die prächtigste Villa
Hob aus den Pinienkronen, – am säulengetrag'nen Portale
– Hochauf klopfte das Herz mir im Busen – der Kutscher nun anhielt.
Rasch ward der Schlag mir geöffnet, und ehrerbietig sich neigend
Wies mir ein Diener den Weg. Durch der Halle mit Fresken geschmückten
Raum auf musivischem Pflaster nun schritt ich, und trat in des Parkes
Immerdar grünendes Reich. Da zogen Alleen sich weithin
Aesteverschränkender Eichen, beschnittene Hecken von Buchsbaum
Säumten die Beete rings ein, hochstämmiger Lorbeer und Myrthe
Blühten in Menge, Magnolien dufteten, Rosen dazwischen.
Aber von hohen Gestellen aus glanzumflittertem Laubwerk
Sahen herab Aphrodite und Hermes, Pomona und Bachus
Auf mich Wandelnden stumm, hellschimmernd in marmorner Nacktheit.
Amor spannte den Bogen, im Steine sogar noch gefährlich.
Lauschige Stille rundher, wollüstig im laulichen Äther
Badete jegliches Blatt, umschmeichelt vom Lichte, das buhlend
Zitterte durch das Gezweig. O sieh' der smaragdenen Dämm'rung
Jetzo die Herrin enttauchen: Im weißen, im wallenden Schleppkleid
Regt sie heran majestätisch – Musik für die Augen – des Körpers
Maßvoll-üppigen Bau, und gnädiglich nickend, mit Lächeln
Heißt sie mich freundlich willkommen, der trunken vom wehenden Anhauch
Ihrer ambrosischen Locken zur Seite der Göttlichen hergeht.
Wo ein krystallener Quell sich am Ende des schattigen Laubgangs
Plätschernd ergoß in das muschlige Becken aus moosiger Felswand,
Liebliche Kühle verbreitend – da winkte sie mir, auf der Steinbank
Niederzusitzen bei ihr, dann sachte die Fülle des Haupthaars
Schüttelnd in's schöne Genicke, begann sie zu sagen, warum sie
Rufen mich lassen: sie wünsche ein möglichst getroffenes Bildniß
Ihrer Person zu besitzen – zwar sei sie verschiedenen Meistern
Schon zu verschiedenen Zeiten gesessen; doch keiner von allen
Hab' es zu Dank ihr gemacht – nun hege sie volles Vertrauen,
Daß mir werde gelingen, was allen den Andern mißlungen;
Aber ich müßte mich eilen, wofern ich geneigt wär', mich dieser
Aufgab'zu widmen – denn balde – in wenigen Wochen vielleicht schon –
Käm' der Gemahl sie zu holen, der auf die savoyischen Güter
Eben verreist. – Hier schwieg sie betrübt, und ein Seufzer entrang sich
Leise dem Lilienbusen, der locker verhüllt nur, sich blähte
Gegen den Spitzenbesatz, ein Magnet dem begehrlichen Auge. –
Daß ich mit Wonne bereit mich erklärte dem ehrenden Auftrag,
Brauch' ich Dir wohl nicht zu sagen? – Ach! süßesten Lohnes Verheißung
Las ich im schmachtenden Blick, im verweilenden, als ich zum Abschied
Sinneberauscht ihr küßte die Hand. Na, Freundchen – was meinst Du? –«
–»Was ich vermeine? Je nun – Glück wünsch' ich vom Grunde des Herzens
Die zu dem neuen Triumphe, den sicher Dein Pinsel davonträgt;
Aber, versteh' ich das Wesen der Frau aus den wenigen Zügen,
Die Du soeben erzählt, fast scheint's: ein bedenkliches Wagniß
Gingest Du ein, und mit größern Gefahren, als jene, daraus Du
Jüngst sie gerissen, bedroht nunmehr Dich die fürstliche Circe,
Der es – ja deutlich erhellt es aus ihrem Betragen – in dem Fall
Weniger um das Gemälde, als wie um den Maler zu thun ist.
Wahrlich! es thäte um's Mädchen mir leid, das so innig an Dir hängt,
Wenn es der Zaub'rin gelänge, Dein Herz zu verführen, desgleichen
Müßt' ich Dich selber bedauern, verlockte Dich diese auf Pfade,
Welche kein Redlicher wandelt, ob Niemand auch wehrte den Zugang!« –
Also sprach ich, und er, auflachend und springend vom Ruhbett:
»Löblich ist Deine Moral, Spießbürger, jawohl, und Philister
Mögen daran sich erbau'n! Potz Wetter! Verzeihe – Du sprichst ja
Wie von der Kanzel der Pfaffe, und nicht wie ein Jünger der Muse,
Welche der Freiheit bedarf vor den übrigen allen. Wohin denn
Käm' es mit uns, wenn wir freudig benützten nicht jeglichen Anlaß,
Der sich uns beut, zu erspähen das Schöne, untadelig Schönste? –
Selten genug ja begegnet es uns, und in dichter Vermummung
Geht es ja meistens einher. Wie? – nun sich ein Wunder der Schöpfung
Mir zu enthüllen verspricht, – abwenden soll ich mich sittsam,
Weil sich mein Schatz könnt' grämen darob ? – Da müßt' ich ein Thor sein.
Gegen mich selbst feindselig, und werth wohl, daß mich die Götter
Schlügen zur Strafe dafür zeitlebens mit gänzlicher Blindheit! –
Aber nur sorge Dich nicht um Pepina! – Sie habe nicht Ursach'
Sich zu beklagen, denn wie ich's gehalten, so halt' ich es fortan:
Widm' ich die Tage der Kunst – ihr seien die Nächte gewidmet.
Ja! und kein Farbengebilde, platonische Liebe nur heischend,
Soll sie verdrängen!« –

            »So liebst Du sie doch, und nicht flüchtiges Mitleid
War es allein, was zu ihr Dich gezogen?« – versetzt' ich, und Heinrich:
»Lieben? carissimo! – ja oder nein, jenachdem Du das Wörtchen
Eben genommen willst wissen. Soferne es keine Beschränkung
Ausdrückt, lass' ich es gelten, denn wo auch die schöne Idee sich
Zeigt in entsprechender Form, da fühlt sich die Seele des Künstlers
Allsympathisch erregt, und sie gibt sich zu eigen; doch freilich
Mensch ist der Künstler zugleich, manch' leiblich Gelüsten auch gab ihm
Mutter Natur auf den Weg, manch' gröberes Herzensbedürfniß,
Welches befriedigt sein will, und gemeiniglich Liebe genannt wird –
Aber den Stubengelehrten und Bücherverfert'gern in Deutschland.
Lassen wir billigermeise die Ethik zusammt der Aesthetik,
Länger die Zeit nicht vergeudend mit nutzlos leerem Geplauder,
Das uns zuletzt noch entzweit! – Du male die Kühe und Schäflein
Ruhig nur weiter, indeß ich zur Villa der fürstlichen Circe
Stracks mich verfüge. Addio! –«

            Er sprach's und mit hastigem Gruße
Ging er von dannen. Ich blickte durch's Fenster ihm nach, wie er siegreich
Schritt in der Sonne dahin, goldlockig, ein Phöbus Apollo!


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