Ludwig Quidde
Der Militarismus im heutigen Deutschen Reich
Ludwig Quidde

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Vorwort

Man darf in dieser Schrift, obgleich sich ihr Verfasser als Historiker bezeichnet, keine historische Würdigung des Militarismus erwarten, vielmehr ist sie ein Versuch, gegenwärtige Zustände zu schildern, nicht um sie aus der Vergangenheit zu erklären, sondern um auf ihre Bedeutung für die Zukunft, d. h. für die weitere Entwicklung unseres Volkes hinzuweisen.

Wohl weiß ich, daß auch die bloße Schilderung des gegenwärtigen Militarismus sehr unvollständig ist; denn wichtige Lebensgebiete sind nur flüchtig, andere, z. B. Literatur und Kunst gar nicht berührt, und überall würden sich die Einzelheiten sorgfältiger gestalten, besonders auch wirksam erläuternde Beispiele heranziehen lassen. Aber die bedeutsamsten Erscheinungsformen werden doch beachtet sein, und da es mir nicht auf eine akademische Betrachtung, sondern auf praktische Wirksamkeit ankam, so durfte die Erkenntnis der Unvollständigkeit mich nicht zurückhalten. Als eine Anklageschrift habe ich meine Erörterungen bezeichnet und damit schon angedeutet, daß die gegenwärtigen Erscheinungen nicht ganz mit der beschaulichen Ruhe betrachtet sind, die dem Historiker seinem Stoffe gegenüber ziemen würde. Zwar habe ich mich bemüht, kein Wort zu sagen, das ich nicht auch als Historiker verantworten könnte, aber meine Aufmerksamkeit war allerdings nicht darauf gerichtet, ein liebevoll ausgeführtes Gemälde des Militarismus mit sorgsamer Verteilung von Licht und Schatten zu entwerfen, sondern die verderblichen Grundzüge seines Charakters, so wie ich sie erkannt zu haben glaube, kräftig ans Licht zu stellen.

Wenn ich mich trotzdem auf dem Titel der Schrift als Historiker einführe, so geschieht das, weil ich als ein Vertreter derjenigen Kreise betrachtet werden möchte, denen die Pflege der Bildungsinteressen besonders nahe liegt und die vor allem auch von diesem Standpunkt aus sich gegen den Militarismus verteidigen müssen.

Freilich werden die meisten auch in diesen Kreisen gegen den einen oder gegen den andern Punkt erhebliche Einwendungen zu machen haben oder 82 auch die Farben im ganzen zu stark aufgetragen finden; aber dessen glaube ich trotzdem sicher zu sein, daß ich, alles in allem genommen, einer großen Zahl von ihnen aus der Seele schreibe und daß sie ihre stille Freude daran haben werden, hier vieles gesagt zu finden – vielleicht ungeschickt und für ihren Geschmack zu scharf oder auch zu einseitig – was uns fast alle längst bewegt; denn darüber möge man sich nicht täuschen: die Empfindung der Gegnerschaft gegen den Militarismus ist gerade unter den berufsmäßigen Vertretern der höheren Bildung viel, viel weiter verbreitet, als eine offen hervortretende politische Opposition diese Richtung erkennen läßt.

In der vorliegenden Schrift fehlt es freilich auch nicht an einer politischen Opposition, mit der ich nicht behaupten darf, ebenfalls annähernd die Gesinnung vieler Bildungs- und Berufsgenossen zu vertreten. Es wird von mir der Militarismus nicht nur vom Standpunkt der Bildungsinteressen aus bekämpft, sondern es geschieht das gelegentlich auch unter der Fahne der Demokratie, eine Auffassungsweise, die unter den deutschen Historikern heute nicht sehr verbreitet ist, die aber für die Behandlung der Hauptfrage auch nur in einzelnen Punkten ins Gewicht fällt. Was die Form meiner Bemerkungen anlangt, so sind es zum Teil (das will ich nicht leugnen), so sehr ich mich auch bemüht habe, den Ausdruck abzuschwächen, noch immer leidenschaftlich bewegte Worte, mit denen ich meine Sache führe; aber ich hoffe, es wird gleichwohl nicht von ihnen gelten, daß sie »unter gebildeten Männern ungern gehört werden«; denn sie entspringen einer uns gemeinsamen heiligen Empfindung für große Kulturideale und vertreten gerade die Sache der Bildung gegen ihren zur Zeit gefährlichsten Gegner.

 


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