Alexander Puschkin
Die Hauptmannstochter
Alexander Puschkin

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel
Der ungebetene Gast

Ein ungebetener Gast ist
schlimmer als der Tatar.
Sprichwort

 

Der Platz leerte sich. Ich stand noch immer auf demselben Fleck und konnte keine Klarheit in meine Gedanken bringen, die von diesen grauenhaften Eindrücken verwirrt waren.

Die Ungewißheit über das Schicksal Marja Iwanownas quälte mich mehr als alles. Wo war sie? Was geschah mit ihr? Fand sie Zeit sich zu verstecken? Ist ihr Versteck sicher? Voll banger Gedanken betrat ich das Kommandantenhaus . . . Alles war leer; Tische, Stühle und Kasten waren zerbrochen, das Geschirr zerschlagen und alles durcheinandergeworfen. Ich lief die kleine Treppe hinan, welche in ihr Zimmer führte, und trat zum erstenmal bei ihr ein. Ich sah ihr von den Räubern zerwühltes Bett; ihr Schrank war zerbrochen und geplündert. Das Lämpchen brannte vor dem leeren Heiligenschrein. Auch ein kleiner Spiegel, der an einem Fensterpfeiler hing, war übriggeblieben . . . Wo war aber die Herrin dieser stillen jungfräulichen Zelle? Ein entsetzlicher Gedanke durchzuckte mein Hirn: ich stellte sie mir in der Hand der Räuber vor . . . mein Herz stand still . . . Ich fing bitter zu weinen an und rief laut den Namen meiner Geliebten . . . In diesem Moment hörte ich ein leises Geräusch, und hinter dem Schrank kam bleich und zitternd Palaschka hervor.

»Ach Peter Andrejewitsch,« sagte sie und schlug die Hände zusammen, »was für ein Tag! Welche Qualen! . . .«

»Und Marja Iwanowna?« fragte ich ungeduldig; »was ist mit Marja Iwanowna?«

»Das Fräulein lebt,« antwortete Palaschka, »sie hat sich bei Akulina Pamphilowna versteckt.«

»Bei der Popenfrau!« schrie ich entsetzt, »mein Gott! dort ist ja Pugatschow!«

Ich rannte aus dem Zimmer, war im Nu auf der Straße und flog blindlings, ohne etwas zu sehen und zu fühlen, zum Hause des Priesters. Dort hörte man schreien, lachen und singen . . . Pugatschow tafelte mit seinen Genossen. Palaschka lief mir nach. Ich schickte sie hinein, heimlich Akulina Pamphilowna herauszurufen. Nach einer Minute trat die Popenfrau mit einer leeren Kanne in der Hand zu mir auf den Flur hinaus.

»Um Gottes willen, wo ist Marja Iwanowna?« fragte ich in unbeschreiblicher Erregung.

»Das Täubchen liegt in meinem Bett, dort hinter der Scheidewand«, antwortete die Popenfrau. »Nun, Peter Andrejewitsch, fast wäre ein Unglück geschehen, aber, Gott sei Dank, alles ist noch glücklich abgelaufen; der Halunke hatte sich gerade zu Tisch gesetzt, als die Arme aufwachte und zu stöhnen begann! . . . Ich war halb von Sinnen. Er hörte es:

›Wer stöhnt bei dir, Alte?‹ Ich verbeugte mich vor dem Dieb: ›Meine Nichte, Herr, sie ist krank geworden und liegt schon die zweite Woche krank.‹ – ›Ist deine Nichte jung?‹ – ›Jung, Herr.‹ – ›So zeige mir deine Nichte, Alte.‹ Mein Herz erbebte, aber da war nichts zu machen. ›Bitte, Herr; aber das Mädchen kann nicht aufstehen, um vor deine Gnaden zu treten.‹ – ›Macht nichts, ich werde selber gehen und sehn.‹ Und der Verwünschte ging wirklich hinter die Scheidewand; was glaubst du? er schlug wirklich den Vorhang zurück, sah sie mit seinen Habichtsaugen an – und weiter nichts . . . Gott half! Was glaubst du, mein Alter und ich, wir waren auf den Märtyrertod gefaßt. Zum Glück erkannte mein Täubchen ihn nicht. Herr Gott, welch ein Tag! nicht zu sagen! Armer Iwan Kusmitsch! wer das gedacht hätte! . . . Und Wassilissa Jegorowna? Und Iwan Ignatjitsch? Warum denn ihn? Und warum hat man Sie verschont? Aber was sagen Sie zu Alexej Iwanowitsch Schwabrin? Er hat sich das Haar rund abscheren lassen und sitzt jetzt hier und tafelt mit ihnen! Schnell genug, man kann nicht anders sagen! Als ich nun von meiner kranken Nichte erzählte, was meinst du wohl, da sah er mich an, und sein Blick fuhr mir wie ein Messer durch die Seele; aber verraten hat er nichts, auch dafür muß man ihm dankbar sein.«

In dieser Minute erhoben sich die betrunknen Schreie der Gäste und die Stimme Vater Gerasims. Die Gäste verlangten Wein, und der Hausherr rief nach seiner Frau. Die Popenfrau wurde sofort geschäftig.

»Gehen Sie jetzt nach Hause, Peter Andrejewitsch, das ist nichts für Sie, die Schufte trinken. Besser, Sie kommen ihnen nicht im Rausch unter die Hände. Leben Sie wohl, Peter Andrejewitsch. Was sein wird, wird sein. Vielleicht wird uns Gott nicht verlassen!«

Die Popenfrau ging. Ein wenig beruhigt kehrte ich wieder in mein Quartier zurück. Als ich über den Marktplatz ging, sah ich einige Baschkiren, die sich um den Galgen drängten und den Gehenkten die Stiefel auszogen; nur mit Mühe bezwang ich meinen Unwillen, denn ich erkannte die Nutzlosigkeit jeglichen Eingreifens. Die Räuber durchzogen die Festung und plünderten die Wohnungen der Offiziere. Überall hörte man Schreie betrunkener Aufrührer. Ich kam nach Hause. Saweljitsch trat mir auf der Schwelle entgegen.

»Gott sei Dank!« schrie er, als er mich sah, »ich glaubte schon, daß dich die Bösewichter wieder gepackt hätten. Aber Väterchen Peter Andrejewitsch! denk dir nur, die Schufte haben uns alles geraubt: Kleider, Wäsche, all deine Sachen, dein Geschirr – nichts haben sie übrig gelassen. Aber das macht nichts! Gott sei Dank, daß sie dich am Leben gelassen haben! Aber sage Herr, hast du den AtamanAnführer. erkannt?«

»Nein, ich habe ihn nicht erkannt, wer ist es denn?«

»Wie, Herr? hast du denn jenen Säufer vergessen, der dir damals den Pelz in der Herberge ablockte? Und der Hasenpelz war noch ganz neu; diese Bestie aber hat ihn zerrissen, als sie ihn anzog!«

Ich war verblüfft. Und tatsächlich, die Ähnlichkeit zwischen Pugatschow und meinem damaligen Führer war überraschend. Es kam mir sofort glaubhaft vor, daß er und Pugatschow ein und dieselbe Person seien. Und jetzt erst begriff ich den Grund meiner Begnadigung. Und ich mußte mich über diese seltsame Verkettung der Umstände wundern: mein Kinderpelz, den ich dem Landstreicher geschenkt hatte, bewahrte mich vor dem Strick, und ein Säufer, der von Schenke zu Schenke taumelte, belagerte Festungen und erschütterte ein Reich!

»Beliebst du nicht zu essen?« fragte Saweljitsch, dessen Gewohnheiten immer die gleichen blieben; »zu Hause haben wir nichts, aber ich kann mal nachsuchen und werde dir etwas zubereiten.«

Allein geblieben gab ich mich ganz meinen Betrachtungen hin. Was sollte ich tun? In der Festung bleiben, die nun dem Bösewichte untertan war, oder mich seiner Bande anschließen, war eines Offiziers unwürdig. Die Pflicht erforderte, daß ich mich dorthin begäbe, wo meine Dienste dem Vaterlande in den gegenwärtigen gefährlichen Zuständen noch von Nutzen sein konnten . . . Aber die Liebe riet mir, bei Marja Iwanowna zu bleiben und ihr Beschützer und Verteidiger zu sein. Wenn ich auch einen baldigen und zweifellosen Wechsel in der Lage der Dinge voraussah, so mußte ich doch zittern, wenn ich mir die Gefahr, in der sie schwebte, vorstellte.

Meine Betrachtungen wurden von einem Kosaken unterbrochen, der zu mir gelaufen kam mit der Meldung: »Der große Kaiser läßt dich zu sich rufen.«

»Wo ist er denn?« fragte ich, bereit zu gehorchen.

»Im Kommandantenhause,« antwortete der Kosak; »nach dem Mittagsmahle hat unser Väterchen ein Bad genommen, und jetzt erholt er sich. Nun, Euer Wohlgeboren, man sieht aus allem, daß er eine erlauchte Person ist. Zum Mittagsmahl geruhte er, zwei gebratene Ferkel zu verspeisen, und dann nahm er so ein heißes Dampfbad, daß nicht einmal Taraß Kurotschkin es aushalten konnte und den Schwamm an Tomka Bigbajeff gab und sich lange mit kaltem Wasser übergoß, um zu sich zu kommen . . . Nichts zu sagen: das sind alles solche vornehme Sitten . . . Und in der Badestube, hört man, habe man die Zeichen des Zaren auf seiner Brust gesehen; auf der einen Seite einen Doppeladler von der Größe eines Fünfkopekenstückes, auf der andern seine eigene Person.«

Ich hielt es nicht für notwendig, die Meinung des Kosaken zu bestreiten, und begab mich mit ihm zum Kommandantenhause, wobei ich mir schon vorher meine Begegnung mit Pugatschow ausmalte und zu erraten versuchte, wie sie wohl enden würde. Der Leser kann sich leicht vorstellen, daß ich nicht ganz kaltblütig war.

Es dämmerte schon, als ich mich dem Kommandantenhause näherte. Der Galgen mit seinen Opfern hob sich dunkel vom Himmel ab. Der Körper der armen Kommandantin lag noch immer vor der Treppe, an welcher zwei Kosaken Wache standen. Der Kosak, der mich geholt hatte, ging mich zu melden und kam sofort zurück, um mich in das Zimmer zu führen, wo ich noch gestern abend mich so zärtlich von Marja Iwanowna verabschiedet hatte.

Ein ungewöhnliches Bild zeigte sich mir. An dem Tisch, der vom Tischtuch bedeckt und mit Kannen und Bechern beladen war, saßen Pugatschow und etwa zehn Kosakenälteste in Mützen und geblümten Hemden – sie waren vom Wein erhitzt, ihre Gesichter waren rot, und ihre Augen funkelten. Unter ihnen waren weder Schwabrin noch unser Urjadnik, die neu angeworbenen Verräter.

»Ah, Euer Wohlgeboren!« sagte Pugatschow, als er mich sah. »Ich grüße dich, erweis uns die Ehre und setz dich.«

Die Kumpane drängten sich mehr aneinander. Schweigend setzte ich mich ans Tischende. Mein Nachbar, ein junger, schlanker und schöner Kosak, schenkte mir einen Becher mit einfachem Weine ein, den ich jedoch nicht berührte. Neugierig betrachtete ich die Versammlung. Pugatschow saß auf dem Ehrenplatz und hatte sich auf den Tisch gestützt, so daß sein schwarzer Bart auf seiner breiten Faust lag. Die regelmäßigen und ziemlich angenehmen Züge seines Gesichtes sprachen nicht von Grausamkeit. Des öfteren wandte er sich an einen Menschen von etwa fünfzig Jahren, den er bald Graf, bald Timofejitsch, bald Onkelchen nannte. Alle verkehrten wie Kameraden miteinander und bezeugten ihrem Anführer keine besondere Ehrerbietung. Man sprach von dem Angriff am Morgen, vom Erfolg des Aufruhrs und von zukünftigen Taten. Jeder brachte seine Meinung vor und stritt freimütig mit Pugatschow. Und in diesem seltsamen Kriegsrate wurde beschlossen, auf Orenburg loszugehen: eine freche Aktion, die aber trotzdem fast von traurigem Erfolge gekrönt worden wäre. Der Feldzug sollte am nächsten Tage fortgesetzt werden.

»Nun, Brüder,« sagte Pugatschow, »laßt uns vor Schlaf und Traum noch mein Lieblingslied anstimmen. Tschumakow, beginne!«

Mein Nachbar stimmte ein schwermütiges Räuberlied an, und im Chor fielen alle ein:

Rausche nicht, Vater, dunkeler Eichenwald,
Hindre im Sinnen nicht mich kühnen Burschen,
Morgen ja soll ich Kühner zum Verhöre gehn,
Vor den grimmigen Richter, vor den Zaren selbst.
Und mein Herr, der Zar, er wird mich fragen:
»Sage mir, Bursche, sage mir, Bauernsohn,
Mit wem stahlst du denn, mit wem raubtest du?
Waren mit dir Kameraden viel?«

»Volle Wahrheit sag ich dir, rechtgläubiger Zar,
Dir, in Treuem, alles, wie's gewesen!
Meiner Kameraden waren vier:
Und mein erster Kamerad war die dunkle Nacht,
Und mein zweiter Kamerad war mein Messer von Stahl,
Wer der dritte war? War mein treues Roß.
Und der vierte Kamerad war mein Bogen gut,
Und als Späher sandt ich scharfe Pfeile aus.«

Und sprechen wird unsere Hoffnung, der rechtgläubige Zar:
»Heil dir, kühner Bursche, Bauernsohn,
Warst zu stehlen bereit, warst zur Antwort bereit,
Nun verleihe ich, Bursche, zum Lohne dir
Wohl ein stattlich Gerüst auf dem freien Feld,
Das zwei Pfähle hat, quer ein Balken drauf.«

Es ist nicht zu sagen, welchen Eindruck auf mich dieses einfache Lied vom Galgen machte, das hier von Leuten gesungen wurde, denen der Galgen vorbestimmt war. Ihre wilden Gesichter, ihre tönenden Stimmen, der schwermütige Ausdruck, den sie in die Worte, die schon ohnehin ausdrucksvoll genug, legten – all das erfüllte mich mit mystischem Schauder.

Die Gäste leerten noch einen Becher, standen auf und verabschiedeten sich von Pugatschow. Ich wollte ihnen folgen, aber Pugatschow sagte zu mir:

»Bleib sitzen, ich habe mit dir zu reden.«

Wir blieben Auge in Auge zurück.

Einige Minuten herrschte zwischen uns Schweigen. Pugatschow sah mich aufmerksam an und blinzelte nur zuweilen mit dem linken Auge, das einen merkwürdigen Ausdruck von List und Spott annahm. Endlich lachte er laut auf, und mit solcher ungekünstelten Heiterkeit, daß ich selbst, als ich ihn ansah, lachen mußte, ohne zu wissen, warum.

»Was, Euer Wohlgeboren?« sagte er zu mir, »als meine Burschen dir die Schlinge um den Hals warfen, gesteh nur, da hast du Angst gehabt? Ich glaube, der Himmel kam dir wohl nicht größer vor als ein Schaffell . . . Und sicher würdest du am Querbalken gehangen haben, wenn nicht dein Diener gewesen wäre. Ich habe den alten Kerl sofort erkannt. Nun, Euer Wohlgeboren, das hast du nicht gedacht, daß der Mensch, der dir den Weg zur Herberge zeigte, der große Kaiser war?« (Hier nahm er eine wichtige und geheimnisvolle Miene an.) »Du stehst tief in meiner Schuld,« setzte er fort, »aber ich habe dir für deine gute Tat vergeben, darum, weil du mir deinen Dienst geleistet hast, als ich gezwungen war, mich vor meinen Feinden zu verbergen. Aber noch mehr sollst du sehen! Wie werde ich dich noch belohnen, wenn ich erst wieder den Besitz meines Reiches antrete? Versprichst du mir mit Eifer zu dienen?

Die Frage dieses Betrügers und seine Frechheit kamen mir so komisch vor, daß ich unwillkürlich lächeln mußte.

»Warum lächelst du?« fragte er finster. »Oder glaubst du nicht, daß ich der große Kaiser bin? Antworte offen!«

Ich wurde verlegen. Den Landstreicher als Kaiser anzuerkennen, war ausgeschlossen; es wäre unverzeihlicher Kleinmut gewesen. Ihn einfach einen Betrüger nennen, hätte mich ins Verderben stürzen können, und das, was ich im ersten Unmute unter dem Galgen angesichts des ganzen Volkes zu tun bereit war, kam mir jetzt wie eine unnütze Prahlerei vor. Ich schwankte. Düster erwartete Pugatschow meine Antwort. Endlich (und noch heute gedenke ich dieser Minute mit Genugtuung) siegte das Pflichtgefühl in mir über alle menschliche Schwäche. Ich antwortete Pugatschow:

»So höre denn, ich will dir die volle Wahrheit sagen. Entscheide selber, ob ich dich als Kaiser anerkennen kann? Du bist ein kluger Mensch und würdest es selbst merken, daß ich heuchelte.«

»Und wer bin ich denn deiner Meinung nach?«

»Weiß Gott, aber wer du auch seist, du spielst ein gewagtes Spiel.«

Pugatschow sah mich rasch an.

»Also glaubst du nicht,« sagte er, »daß ich der Zar Peter Fjodorowitsch bin? Nun gut. Aber glaubst du nicht, daß der Kühne Erfolg hat? Und hat nicht auch schon früher einmal Grischka Otrepjeff regiert? Halte von mir, was du willst, aber geh nicht von mir. Was geht dich denn schließlich das andere an? Es ist einer so gut wie der andere. Diene mir treu und aufrichtig, und ich will dich zum Feldmarschall machen und zum Fürsten. Was meinst du dazu?«

»Nein!« entgegnete ich fest. »Ich bin ein Edelmann, ich habe meiner Herrin und Kaiserin den Eid geleistet, ich kann dir nicht dienen. Wenn du mir aber tatsächlich wohl willst, so entlaß mich nach Orenburg.«

Pugatschow überlegte.

»Wenn ich dich fortlassen soll,« sagte er, »so mußt du mir zum mindesten versprechen, nicht gegen mich zu kämpfen.«

»Wie könnte ich dir dies versprechen?« antwortete ich. »Du weißt, daß es nicht bei mir steht; heißt man mich gegen dich kämpfen, so muß ich's tun, daran ist nichts zu ändern. Du bist selber jetzt Befehlshaber, du selbst verlangst von den Deinen Gehorsam. Was würde man von mir denken, wenn ich einen Dienst verweigerte, zu dem vielleicht gerade ich erforderlich bin? Mein Kopf ist in deiner Gewalt: läßt du mich frei, so will ich dir danken, hängst du mich auf, so sei Gott dein Richter; ich aber habe dir die Wahrheit gesagt.«

Pugatschow war von meiner Aufrichtigkeit überrascht.

»Sei's denn,« sagte er und schlug mir auf die Schultern, »wen man aufhängen will, den hänge man ganz auf, wen man begnadigen will, den begnadige man ganz. Mach dich aus dem Staube und tue, was du willst. Komme morgen dich von mir zu verabschieden, jetzt aber geh schlafen, auch ich bin schläfrig.«

Ich verließ Pugatschow und ging auf die Straße. Die Nacht war still und kalt. Mond und Sterne beleuchteten hell den Marktplatz und den Galgen. Die ganze Festung lag ruhig und dunkel da. Nur in der Schenke brannte noch Licht, und von dorther drangen die Schreie später Zecher. Ich blickte auf das Haus des Priesters. Fensterläden und Türen waren geschlossen. Alles schien darin still zu sein.

Ich kam in meine Wohnung und fand dort Saweljitsch, der über meine Abwesenheit besorgt war. Die Nachricht von meiner Freiheit erfreute ihn unsäglich.

»Gott sei Dank!« sagte er und bekreuzigte sich. »In aller Frühe verlassen wir die Festung und ziehen fort, wohin die Augen schauen. Ich hab' dir da einiges zurechtgestellt; iß, Väterchen, und schlafe bis zum Morgen wie in Abrahams Schoß.«

Ich folgte seinem Rat, aß mit großem Appetit und schlief dann auf dem nackten Fußboden, körperlich und geistig ermattet, ein.


 << zurück weiter >>