Paula von Preradović
Südlicher Sommer
Paula von Preradović

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Bilder und Landschaften

                Mondsee

Es weht ein Feld, es geht ein Bach,
Ein See schlägt ans Gestade,
Und um ein vielgeliebtes Haus,
Da führen alte Pfade.

Und die versunknen Sommer gehn
Umher mit scheuen Schritten.
O Gartenhaus, o Kinderzeit,
Wie seid ihr mir entglitten! 72

 

  Fahrt durch Schwaben

Hoch am Himmel spannte
Sich der Regenbogen.
Hell die Wolke brannte,
Da die Sonne sank.
Nebelfetzen flogen,
Die der Sturm verschlang.

Unten rastet Frieden
In den Korngeländen,
Selig abgeschieden
Dorf und Hügelrand.
Sanft in Gottes Händen
Schläft das Schwabenland. 73

 

      Herbstweg am Sund

Braune Blätter auf der Straße,
Aus den Gärten welker Duft,
Über allem eine blasse,
Traurige Septemberluft.

Eine Wolke segelt bleiern
Und ein großer Vogel fliegt,
Wo verhüllt von Nebelschleiern
Tycho Brahes Insel liegt.

Dänensommer, wie ein Feuer
Rasch und steil hast du geloht,
Selig wie ein Abenteuer.
Kurzer Sommer, du bist tot. 74

 

Oberösterreichische Landschaft

Steiler Turm am Himmelsrand,
Bächlein unter Bäumen,
Hügeliges Apfelland,
Das die Wolken säumen.

Alter Städte Markt und Tor,
Glockenton von ferne,
Überm Großen Priel hervor
Erste blasse Sterne.

Landschaft, himmelweit und groß:
Nach der Tage Hasten
Selig war's, in deinem Schoß
Träumerisch zu rasten.

Selig war's, zu dieser Frist
Uns von allem Bösen
In dem Frieden, der du bist,
Linde zu erlösen. 75

 

            Scheveningerin

Straff das Haar in weißer Haube,
Weit vom Rock umbauscht die Hüfte,
Schreitet durch den Busch die junge
Frau im schwarzen Wollgewand.
Vor dem freien Stolz der Stirne
Neigen sich die Eichenzweige
Und den Fuß, der adlig schreitet,
Küßt der gelbe Dünensand.

Da Maria durchs Gebirge
Nach dem Haus des Zacharias
Wandelte, vom Geist beschattet,
Jung und schön wie Morgentau,
Konnte sie nicht holder schreiten,
Reicher nicht an Zucht und Gnade,
Als du schreitest durch die Eichen,
Junge Scheveninger Frau. 76

 

        Wiederkehr ins Mürztal

Vater, hast du es im Grab gespürt?
Alte Wege ward ich heut geführt.
Alten Fährten folgt' mein Wanderfuß,
Alte Stätten boten stummen Gruß.

Durch die Märkte zog die Straße weiß,
Auf den Hügeln lag die Sonne heiß,
Aus den Brunnen sprang der Wasserstrahl
Und das Flüßchen lief durchs Fichtental.

Ferne, ferne Tage regten sich,
Riefen mich und riefen, Vater, dich:
Durch die dunklen Tore und Alleen
Sah ich dich mit Geisterschritten gehn.

Sah dich halten meine Kinderhand,
Sah dich segnen dies geliebte Land,
Sah mit deinem Duldermunde dich
Lächeln wehmutsvoll und feierlich. 77

 

                  Madonna von Greco
                      (Alte Pinakothek)

War das ein Atmender von Fleisch und Blut,
Der dich gemalt in deiner Jenseitsblässe,
Großäugige mit dem gepreßten Mund?
War's einer nicht vielmehr, der wiederkam
Aus Grabesdüster, Fegefeuersflammen,
Der mit Gespenstern stand in stummem Bund?

Die Spitzen, die sich um dein bleich Gesicht
Noch bleicher kräuseln, lagen sie nicht lange
Als letzter Schmuck im Sarge einer Frau?
Das Graugrün deines Tuches, hat es nicht
Die Farbe sich geborgt, die schimmlig fahle,
Von eines Grabgewölbes Grün und Grau?

Und deiner Augen aufgetane Nacht,
Hispanierin, was machte sie so bange,
Daß auch kein Schimmer Hoffnung in sie fällt?
Solch Spielzeug, als sind Schmerz und Glück, die hast
Du abgetan. Es bangt aus deinen Blicken
Die allerletzte Einsamkeit der Welt. 78

 

                      Die Stadt

Ich sah ein Bild von einer fremden Stadt.
Ich weiß nicht, wie sie hieß, kein Name stand,
Ich weiß nicht ihre Sprache, nicht ihr Land,
Ich weiß nicht, ob sie einen König hat,
Nichts weiß ich von der fremden, fremden Stadt.

Ich sah nur Dächer, die sich endlos reihten,
Viel Dächer, breit und schmal und spitz und flach.
Und sah ganz ferne hinterm letzten Dach
Viel blasse Hügel sich in Sanftheit breiten.
Doch alles Schicksal in den Häusern war
Mir wie aus einem Buche offenbar.

Der Bräute langes Warten in den Stuben,
Der Kranken Angst, der Dichter Einsamkeit,
Das Kerzenflackern um ein Sterbekleid,
Bevor sie eine tote Frau begruben.

Das viele Schelten in den Kellerräumen
Und ihre Feuchtigkeit und ihre Not,
Der grüne Schimmel auf dem harten Brot
Und all der Hunger in den Kinderträumen. 79

Der viele Abschied an den braunen Türen,
Das wilde Küssen noch zum letztenmal,
Des Bleibenmüssens sonnenlose Qual
Und das in fremder Ferne sich Verlieren.

Ich sah, wie Kinder ihren Eltern sterben.
Mit ihrem Spielzeug spielt nun keiner mehr.
Es ist von vielen Tränen naß und schwer
Und wird bewahrt, um langsam zu verderben.

Und in den Häusern wohnen Mütter viel,
Die harren ihrer Söhne Tag und Nacht,
Und haben ihnen einen Tisch gedeckt
Und haben ihnen weich ein Bett gemacht,
Damit, wenn jene heim von fremden Meeren,
Heim von der Erde unbekannten Enden
In ihrer Mütter alte Stuben kehren,
Sie alles festlich und bereitet fänden.
Doch wenn die Söhne kommen, sind sie grau
Und sind dieselben nicht mehr, die einst gingen,
Sind wild gebärtet und gebräunt und bringen
Mit in die Heimat eine fremde Frau.
Und sitzen danklos an den Tischen nieder
Und hüllen stumm sich in die Decken ein. –
Oder die Mütter sterben ganz allein,
Und ihre Söhne kommen niemals wieder. – 80

Ich sah das neue Glück von jungen Ehen,
Und Alltag sah ich, grau und müd' und leer;
Sah, wie sich Hände suchten nimmermehr
Bei alten Gatten, die entfremdet gehen.

Ich sah der kleinen Kinder tiefe Spiele
Und vieler Liebe Ende und Beginn,
Und vielen Wahnes dunklen Abersinn
Und Nächte ohne Schlaf, unendlich viele.

Ich sah, ich sah – das Bild von einer Stadt.
Ich weiß nicht, wie sie hieß, kein Name stand,
Ich weiß nicht ihre Sprache, nicht ihr Land,
Ich weiß nicht, ob sie einen König hat;
Doch so vertraut wie meine eigne Hand
War mir das Schicksal in der fremden Stadt. 83


 


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