Plautus
Der Schaz (Trinummus)
Plautus

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Erster Act.

Erste Scene.

Megaronides. Fürwahr, den Freund zu schelten um verdiente Schuld,
Belohnt sich niemals, aber mag zu Zeiten doch
Ersprießlich sein. So muß ich heute meinen Freund
Für seine wohlverdiente Schuld ausschmäh'n: ich thu's
Ungerne, doch mich treibt dazu die Freundespflicht.
Die Seuche griff hier ohne Maß die Sitten an,
Daß wir dem Tode größten Theils verfallen sind.
Indeß die Sitten kranken, schießt voll Ueppigkeit,
Wie geiles Unkraut, wild empor die schlechte Zucht.
Nichts ist bei uns wohlfeiler, als die Schurkerei:
Da kann die reichsten Garben mäh'n, wer ernten will.
Denn Viele buhlen um die Gunst von Wenigen,
Und achten die weit höher als gemeines Wohl.
So muß der Wohlstand weichen vor der Schmeichelei,
Die manches Unheils Mutter ist, Unfrieden sät,
Und alles wahrhaft Edle hemmt in Haus und Staat.

Zweite Scene.

Kallikles. Megaronides.

Kallikles. (außer der Schwelle des neugekauften Hauses, in dasselbe zurückrufend)
Mit einem Kranze schmücke heut des Hauses Gott;Dem Gotte des neuerkauften Hauses, in das er eben eingezogen ist, will Kallikles das übliche Opfer bringen, und die kleine Bildsäule desselben, die auf dem heiligen Herde stand, mit einem Kranze von Kornähren schmücken.
Ihn, Frau, verehre, daß er Glück, Wohlstand und Heil
Und Segen bringt in unser neues Haus, und daß –
    (bei Seite)
Er mich so bald als möglich, Frau, von dir erlöst.

Megaronides. (bei Seite)
Das ist der Hochbetagte, der zum Kinde ward,
Der eine Schuld verwirkte, werth der Züchtigung.
Ich will ihn angeh'n.

Kallikles.                         Wessen ist die Stimme da?

Megaronides. Des Freundes, bist du so gesinnt, wie ich es will,
Und bist du's nicht, des Feindes, der dir bitter grollt.

Kallikles. Willkommen, alter lieber Freund, Megaronides,
Wie geht es?

Megaronides.       Mir auch sei willkommen, Kallikles:
Wie geht's? Wie ging dir's?

Kallikles.                                     Ueber mein Erwarten gut.

Megaronides. Und deine Frau – wie geht's ihr?

Kallikles.                                                             Besser als mir lieb.

Megaronides. Traun, freuen muß dich's, wenn sie lebt und munter ist.

Kallikles. Dich freut es, glaub' ich, wenn mich Etwas traurig stimmt.

Megaronides. Was ich besize, wünsch' ich meinen Freunden auch.

Kallikles. Ei! Deine Frau – wie geht's ihr?

Megaronides.                                             Ist unsterblich, Freund;
Sie lebt, und lebt noch lange.

Kallikles.                                       Schön! Ich wünsche Glück;
Sie muß dich überleben, wenn mich Gott erhört.

Megaronides. Nicht hindern wollt' ich's, wäre sie mit dir vermählt.

Kallikles. Nun – willst du tauschen? Nimm du mein', ich deine Frau!
Nicht um ein Härchen käm' ich, traun, zu kurz dabei.

Megaronides. Wohl glaub' ich, daß du gerne mich belistetest.

Kallikles. Am Ende, fürcht' ich, möchte dich der Tausch gereu'n.

Megaronides. Behalte du denn, was du hast; gewohntes Leid
Erträgt sich noch am ehsten. Und bekäm' ich jezt
Ein ungewohntes Uebel, wüßt' ich wahrlich nicht,
Was ich begänne. Lange lebt, wer glücklich lebt.
Doch laß den Scherz bei Seite, gib nur Acht auf mich;
Denn recht mit Absicht komm' ich her zu dir.

Kallikles.                                                                 Warum?

Megaronides. Vielfach mit vieler Worte Schmach dich auszuschmäh'n.

Kallikles. Mich?

Megaronides. Ist hier noch Jemand anders außer dir und mir?

Kallikles. Kein Mensch.

Megaronides.                 Was also fragst du noch, ob's dich betrifft?
Wie kannst du meinen, daß ich mich selbst schelten will?
Denn wenn in dir der alte gute Geist erkrankt,
Wenn du mit arger Sitte dir den Sinn verkehrst,
Nicht hängst an alter guter Art, der neuen fröhnst,
So schlägst du deiner Freunde Herz mit schwerer Noth,
Daß dich zu hören, dich zu seh'n, ihm Schmerz erweckt.

Kallikles. Was kommt dich an, Freund, daß du sprichst in solchem Ton?

Megaronides. Weil jeder Gute trachten muß, so Mann wie Frau,
Daß weder Argwohn, weder Schuld, bei ihnen wohnt.

Kallikles. Für Beides kann doch Niemand steh'n.

Megaronides.                                                         Wie so?

Kallikles.                                                                               Du fragst?
Die Schuld zu meiden, bin ich Herr in meiner Brust;
Der Argwohn wählte seinen Siz in fremder Brust.
Wie? Wenn ich Argwohn hegte, daß du Jupitern
Vom Haupt die Kron' entwendet aus dem Capitol,
Das auf des Berges Spize thront; du thatst es nicht,
Doch heg' ich Argwohn, daß du's thatst, weil mir's beliebt:
Wie kannst du mir verbieten, was ich wähnen will?
Doch wissen möcht' ich, was du bringst, sei's was es sei.

Megaronides. Lebt dir ein Freund, ein Anverwandter, dem du was
Gescheidtes zutraust?

Kallikles.                           Ohne Falsch erklär' ich dir:
Gar Mancher, weiß ich, ist mein Freund; von Anderen
Vermuth' ich's, Andrer Sinnesart durchschau' ich nicht,
Nicht, ob sie Widersacher, ob sie Freunde sind.
Du bist von sichern Freunden mir der sicherste.
Erkennst du, daß ich unbedacht und schlecht gethan,
Verdienst du Tadel, wenn du mir's nicht rügst.

Megaronides.                                                           Gewiß.
Kam ich aus andrem Grunde her, so hast du Recht.

Kallikles. Ich bin erwartend, was du sagst.

Megaronides.                                             Vor Allem denn!
Gar übel sprechen über dich die Leute hier;
Von Schandgewinnsucht angesteckt erklärt man dich.
Dann wieder Andre schelten dich den Geier: ob
Du Freund verzehrst, ob Feinde, sei dir einerlei.
Vernehm' ich Solches über dich, das thut mir weh.

Kallikles. Nun, daß sie schimpfen, kann ich nicht verhüten, Freund,
Doch wohl verhüten, daß es nicht mit Recht geschieht.

Megaronides. War nicht der Charmides hier dein Freund?

Kallikles.                                                                             Er ist's und war's.
Auf daß du's glaubest, zeuge mir die Sache selbst!
Denn als der Sohn ihm seine Habe durchgebracht,
Er selbst zum Bettelstabe war herabgedrückt,
Als seine Tochter mannbar und zur Ehe reif,
Und ihre Mutter, seine Frau, gestorben war;
Ging er sich einzuschiffen nach Seleucia,
Empfahl die Tochter meiner Hut, vertraute mir
All sein Vermögen und den saubern Sohn dazu.
Wär' er mein Feind, das, glaub' ich, hätt' er nie gethan.

Megaronides. Was führst du den Jüngling, den du so verdorben siehst,
Der deiner Treue, deiner Hut befohlen war,
Nicht wieder auf den rechten Weg, zur Besserung?
Dahin zu trachten, stünde dir viel besser an,
Ob ihn zu bessern dir gelingt, als daß du selbst
Zugleich mit ihm in gleiche Schande dich verstrickst,
Und seine Sünden theilst mit ihm.

Kallikles.                                               Was that ich denn?

Megaronides. Was Schelmen thun –

Kallikles.                                           Ich nimmer!

Megaronides.                                                         Hast du nicht das Haus
Dem jungen Menschen abgekauft? – Was schweigst du denn?–
Das, wo du jezt wohnst?

Kallikles.                                 Ja, ich kaufte mir's und gab
Ihm selber vierzig Minen in die Hand dafür.

Megaronides. Gabst ihm das Geld?

Kallikles.                                           Ich that es und bereu' es nicht.

Megaronides. Bei Gott! Der Mensch ward einer saubern Hut vertraut.
Um sich zu morden, gabst du so ihm selbst das Schwert!
Was ist es anders, wenn man einem thörichten,
Verliebten jungen Gecken Geld in die Hände gibt,
Um auf des Leichtsinns hohlem Grunde fortzubau'n?

Kallikles. So durft' ich ihm das Geld nicht geben?

Megaronides.                                                         Nimmermehr!
Nicht pflegen durftest du Verkauf noch Kauf mit ihm,
Nicht ihm zu größrer Schlechtigkeit die Mittel leih'n.
Ihn, der vertraut war deiner Hut, berücktest du,
Warfst ihn aus seinem Hause, der ihn dir vertraut.
Ein schöner Auftrag, wahrlich, und fein ausgeführt!
Den nimm zum Vormund: sich vergißt er sicher nicht.Ich lese: crede huic tutelam: suam rem melius gesserit.

Kallikles. Du zwingst mich durch dein Schmähen, was mir nie zuvor
Begegnet, daß ich alles das, Megaronides,
Was einst vertraut ward meiner Treu und Redlichkeit,
Um's weiter Niemand zu vertrau'n noch kundzuthun,
Daß ich dir alles dieses nun vertrauen muß.

Megaronides. Treu werd' ich dir bewahren, was du mir vertraust.Wörtlich: Was du mir vertrautest, triffst du, wo du's hingelegt.

Kallikles. So sieh dich um, daß Niemand unsre Reden hier
Belauscht; ich bitte, sieh dich ja recht sorgsam um.

Megaronides. Ich höre, wenn du redest.

Kallikles.                                                 Schweigst du, sag' ich es.
Als Charmides von hinnen in die Fremde fuhr,
Bezeichnet' er mir einen Schaz im Hause hier,
In einem Zimmer – aber sieh dich um!

Megaronides.                                               Wir sind
Allein.

Kallikles.     PhilippusstückePhilippusstücke. Vgl. zu 4, 2, 112. bei drei Tausenden.
Bei meiner Freundschaft, meiner Treu beschwor er mich
Geheim mit Thränen, seinem Sohn nichts kundzuthun,
Noch irgend Jemand, der's dem Sohn verrathen kann.
Nun stell' ich, kommt er wieder, ihm das Seine zu.
Trifft ihn ein Unfall, bleibt für seine Tochter doch,
Die mir vertraut ist, mir ein Heiratgut gewiß,
So daß ich ihrer würdig sie vermählen kann.

Megaronides. Ihr Götter, helft! Mit wenig Worten hast du mich
Wie schnell verwandelt! Andern Sinnes kam ich her.
Doch wie du, Freund, begonnen, sprich nur weiter fort.

Kallikles. Was soll ich dir noch sagen, wie der Taugenichts
Des Vaters Vorsicht, Alles, was der schlau verbarg,
Und meine Treue nahezu mit Füßen trat!

Megaronides. Wie das?

Kallikles. Indeß ich aus dem Lande bin sechs Tage nur,
So schreibt er, ohne daß ich's weiß und daß ich's will,
Das Haus als feil aus öffentlich.

Megaronides.                                     Da ward der Wolf
Noch hungriger, sperrte gieriger noch den Rachen auf,
Blieb auf der Lauer, und indeß der Hund noch schlief,
Stach's ihn, die ganze Heerde wegzuschnappen.

Kallikles.                                                                   Traun,
Wenn's nicht der Hund gewittert, hätt' er's auch gethan.
Doch stell' ich eine Frage, Freund, jezt auch an dich.
Was war zu thun hier meine Pflicht? Das sage mir.
Sollt' ich den Schaz ihm zeigen, was sein Vater mir
Doch streng verboten? Oder sollt' ich dulden, daß
Ein Andrer Herr in diesem Hause ward, und daß
Dem dann der Schaz gehörte durch des Hauses Kauf?
So kauft' ich lieber selbst das Haus und gab das Geld
Des Schazes wegen, und erhielt ihn meinem Freund.
Und nicht für mich noch meinen Vortheil kauft' ich es;
Für ihn erstand ich's wieder, gab mein Geld dafür.
Das ist es, sei's nun recht gethan, sei's auch verkehrt;
Ich selbst bekenne, daß ich's that, Megaronides.
Das meine Sünden, das mein Geiz, so nennst du's ja.
Und solcher Dinge wegen werd' ich ausgeschrie'n?

Megaronides. Halt' ein! Du hast den Tadler überwunden, ihm
Den Mund geschlossen: nichts entgegnen kann ich mehr.

Kallikles. Jezt bitt' ich dringend, steh mir bei mit Rath und That,
Und theile mit mir, was mir hier obliegt zu thun.

Megaronides. Hier meine Hand!

Kallikles.                                       Wo wirst du später sein?

Megaronides.                                                                         Zu Haus.

Kallikles. Ich gehe.

Megaronides.         Handle dir getreu!

Kallikles.                                             Verlaß dich drauf!

Megaronides. Noch Eines!

Kallikles.                             Was?

Megaronides.                               Wo wohnt er jezt, der junge Mensch?

Kallikles. Das Hinterhaus behielt er bei dem Hausverkauf.

Megaronides. Das eben wollt' ich wissen. Gut! Jezt kannst du geh'n
Noch Eins!

Kallikles.           Und was?

Megaronides.                   Das Mädchen ist bei dir?

Kallikles.                                                                   Gewiß.
Wie meine Tochter, halt' ich sie.

Megaronides.                                     Da thust du wohl.

Kallikles. Ei, hast du noch was, eh' ich gehe?

Megaronides.                                                 Lebe wohl!
    (Kallikles geht ab.)
Bei Gott, es gibt nichts Thörichteres, nichts Dümmeres,
Das lügenhafter, dessen Sprache dreister ist,
So voller Arglist, voller Trug, als jene Herrn
Stadtpflastertreter, die man Zungendrescher nennt.
Doch zog ich selbst mit ihnen an dem gleichen Seil,
Lieh ihren Lügenworten stets ein gläubig Ohr.
Die wollen Alles wissen, ja, und wissen Nichts.
Was Jeder denkt und denken wird, das wissen sie.
Ja, was der Fürst der Fürstin leis' in's Ohr gesagt,
Was Juno selbst mit Zeus geschwazt, das wissen sie.
Was nie gescheh'n wird, nie geschah, sie wissen's doch.
Ob wahr sein Lob ist oder falsch, sein Tadel trifft,
Ist Jedem gleichviel, weiß er nur, was ihm gefällt.
Die ganze Welt schalt diesen Kallikles, er sei
Unwerth sein selbst, unwürdig, Bürger hier zu sein,
Daß er den Jüngling weggedrückt aus seinem Gut.
Ich, durch der Mährchenträger Klatscherei'n verblüfft,
Sprang auf, den Freund zu schelten, der unschuldig war.
Ja, spürte man die Lügen an der Wurzel auf,
Und trüg' es Schimpf und Schande dann dem Schwäzer ein,
Der seines Leumunds Quelle nicht zu nennen weiß, –
Wenn das geschähe, stünd' es wohl um unsre Stadt.
Ich wette, Wenige wüßten, was sie nicht gewußt,
Und wohl verschlossen hielten sie ihr Narrenmaul.


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